JudikaturOLG Wien

133R89/17m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Widersprüche gegen die Marken AT 281318 und AT 281316 über die Rekurse der Antragsgegnerin gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts vom 14.2.2017, WM 59/2015 16 und WM 60/2015 17, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Rechtsmittelverfahren 133 R 89/17m und 133 R 90/17h werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist 133 R 90/17h.

Die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung werden abgewiesen.

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin beruft sich jeweils auf ihre Wort-Bild-Marke

registriert unter

a) UM 4039632 (Registrierungsdatum 11.11.2005) für die nachstehenden Waren in der Klasse

18 Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Hand- und Reisekoffer; Verpackungsbeutel aus Leder (Briefumschläge, Beutel), Handtaschen, Schultaschen, Einkaufstaschen, Kindertragetaschen, Reiserucksäcke, Strandtaschen, Reisetaschen; Werkzeugtaschen aus Leder (leer), Taschen für Camper, Taschen für Kletterer, Kleidertaschen für die Reise, Taschen mit Rädern, Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

b) UM 8942906 (Registrierungsdatum 10.12.2010) für die nachstehenden Waren in der Klasse

25 Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

c) UM 1704774 (Registrierungsdatum 3.3.2005) für die nachstehenden Waren in der Klasse

25 Schuhwaren;

d) IR 919726 (Registrierungsdatum 6.3.2007) für die nachstehenden Dienstleistungen in der Klasse

35 Retail store services featuring footwear, closing, bags and accessoires

[in Deutsch: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Schuhwaren, Bekleidung, Taschen und Accessoires].

Sie widersprach

a) der Wort-Bild-Marke AT 281318 (Registrierungsdatum 12.9.2014; WM 59/2015; 133 R 89/17m):

und

b) der Wort-Bild-Marke AT 281316 (Registrierungsdatum 12.9.2014; WM 60/2015; 133 R 90/17h):

jeweils eingetragen für die nachstehenden Waren und Dienstleistungen in den Klassen

16 Papier, Pappe (Karton); Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel, Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;

25 Sportbekleidung ;

35 Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.

Die angegriffenen Marken würden wegen der Waren- und Dienstleistungsidentität und/oder -ähnlichkeit mit den Widerspruchsmarken verwechselt werden.

Das Patentamt gab den Widersprüchen in Bezug auf Warenklasse 25 (Sportbekleidung) statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marken diesbezüglich auf. Des weiteren wies es die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarken als verspätet zurück.

Ausgehend von der Identität der Waren in der Klasse 25 und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sowie unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrads der beteiligten Verkehrskreise sei davon auszugehen, dass das Publikum annehmen werde, dass die fraglichen Waren von wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Die bildlichen Unterschiede könnten den Konsumenten nur bei einer sehr detaillierten Betrachtung der Marken auffallen und im Gedächtnis bleiben.

Da die beteiligten Verkehrskreise bei den als ähnlich/ident qualifizierten Waren keinen besonders hohen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legen und die Zeichen in der Regel auch nicht gleichzeitig nebeneinander sehen, sei davon auszugehen, dass ihnen in der Eile des geschäftlichen Verkehrs keine Unterschiede auffallen oder im Gedächtnis bleiben würden. Dies gelte auch in Bezug auf die aus Wort- und Bildbestandteilen zusammengesetzte angegriffene Marke AT 281316. Das Kreiselement nehme durch seine Größe und Positionierung vor dem Wortanfang des Wortbestandteils jedenfalls eine dominante Stellung ein, sodass es jedenfalls für den Gesamteindruck haften bleibe. Gerade dadurch, dass durch den Wortbestandteil „Martini” der Konsument ein „M” in der weißen Linie im Kreissegment der angegriffenen Marke sehen werde, werde die bildliche Ähnlichkeit erhöht. Die visuelle Übereinstimmung bestehe unabhängig davon, ob die Verkehrskreise in der weißen Linie einen Buchstaben oder ein abstraktes Motiv sehen.

Gegen die Beschlüsse richten sich die Rekurse der Antragsgegnerin mit den Anträgen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Widersprüche der Antragstellerin (zur Gänze) abzuweisen und den Beschluss, mit dem der Einwand der Nichtbenützung zurückgewiesen wurde, aufzuheben, in eventu die Beschlüsse aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen, in eventu den Beschluss im Umfang der Anfechtung aufzuheben und – allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens – in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Antragstellerin beantragte jeweils, den Rekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

1. Gemäß § 187 ZPO kann der Senat Verfahren verbinden, wenn dadurch zB Kosten und/oder der Aufwand vermindert werden/wird. Die verbundenen Verfahren können auch durch ein gemeinschaftliches Urteil entschieden werden (§ 404 Abs 2 ZPO). Die Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (vgl Schragel in Fasching/Konecny 2 § 187 ZPO Rz 2; RIS-Justiz RS0037216).

Die Voraussetzung der Verbindung zur gemeinschaftlichen Entscheidung erachtet das Rekursgericht – neben der evidenten Parteienidentitäten – schon alleine dadurch gegeben, weil die Entscheidung im konkreten Fall durch ein Rechtsmittel bekämpft werden könnte.

2. Im Widerspruchsverfahren ist – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen – das AußStrG sinngemäß anzuwenden (vgl OLG Wien 34 R 70/16p uva). Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst bei Vorliegen eines Antrags ist eine solche nicht zwingend vorzunehmen (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG 2 § 52 Rz 1).

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht und auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist in der Regel eine Rechtsfrage (stRsp RIS-Justiz RS0043640). Daher steht auch Art 6 MRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; 4 Ob 11/14t, Expressglas; Dokalik in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 37 Rz 19).

3. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

3.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

3.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; R

IS Justiz RS0121500, insb T4; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).

3.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

3.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt ( quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RIS Justiz RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RIS Justiz RW0000786).

3.5 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RIS Justiz RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RIS-Justiz RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64).

3.6 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154, Preishammer ; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara ; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d, More ).

3.7 Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (C 193/06 P, Quick/Quicky ). Maßgebend sind auch hier der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ).

3.8 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox ; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04, Thomson life ) kann – mit der daher übereinstimmenden ständigen nationalen Rechtsprechung des OGH – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t, Jukebox ; Om 12/10, PeakZero ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ) .

4.1 Die Antragsgegnerin beanstandet im Wesentlichen die rechtliche Beurteilung in Bezug auf die Verwechslungsgefahr und betont, dass kleine Unterschiede bei „Einwortmarken” gewichtiger seien, was umso mehr gelte, wenn es sich um einen einzigen Buchstaben handle. Das Patentamt habe die Judikatur des EuGH zu C 251/95, Sabel BV/Puma AG, nicht richtig angewendet. Von Relevanz seien die Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Waren sowie die üblichen Vertriebswege.

Ein sekundärer Feststellungsmangel liege vor, weil nicht festgestellt worden sei, dass die Antragsgegnerin auf dem österreichischen Markt nicht tätig sei und sie ihre Tätigkeit auch nicht auf den österreichischen Markt ausrichte. Mangels Präsenz der Antragsgegnerin auf dem österreichischen Markt sowie mangels absoluter Ähnlichkeit der Markendarstellungen sei überhaupt keine Verwechslungsgefahr gegeben. Die grafische Gestaltung ergebe zudem schon genügend (optische) Unterscheidungskraft. Das „M” der angegriffenen Marken sei derart abstrakt, dass es zugleich Berggipfel darstelle. Zudem enthalte das Zeichen AT 281316 den Zusatz MARTINI SPORTSWEAR AUSTRIA.

Es sei bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit auf die jeweilige Kaufsituation abzustellen. Auch diesbezüglich würden Feststellungen fehlen. Begehrt werden die Konstatierungen: „Die Widersprechende richtet ihren Vertrieb in keiner Weise auf den österreichischen Markt aus. Weiters befinden sich die gegenständlichen Marken in verschiedene Preissegmenten. [...] Gerade die hohe Funktionalität dieser Produkte ist die besondere Stärke der Produkte der Markenanmelderin. Durch die sorgfältige Auswahl der Vertriebspartner achtet die Markeninhaberin auch darauf, dass eine ausführliche und umfassende Beratung bezüglich der von ihr vertriebenen Waren obligat ist. [...] Dem gegenüber handelt es sich bei den Produkten der Widersprechenden um sportliche Freizeitkleidung ohne besondere Funktionalität. [...] Zudem ist die Marke der Widersprechenden in Österreich nicht bekannt.”

4.2 Da die Frage der Verwechslungsgefahr eine Rechtsfrage und grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich ist (vgl RIS-Justiz RW0000786), liegen die von der Antragsgegnerin gerügten sekundären Feststellungsmängel nicht vor (der gerügte Feststellungsmangel in Bezug auf die Nichtbenützung der Widerspruchsmarken wird inhaltlich noch behandelt). Der gesamte Rekursvortrag ist somit (nur) im Rahmen des Rekursgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu prüfen.

4.3 Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen ist es nicht nachvollziehbar, dass das Patentamt in Bezug auf die Verwechslungsgefahr die Judikatur des EuGH und/oder des OLG Wien unrichtig angewandt hätte. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kommt es gerade nicht auf die konkrete Benutzung der Marken an, sondern im Widerspruchsverfahren sind – ausgehend vom Registerstand – die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und/oder Dienstleistungen in Wechselbeziehung zu setzen. Typisch für das Widerspruchsverfahren sind die für die Entscheidungsfindung erforderlichen Grundlagen (Priorität, Darstellung der Marke, Waren- und Dienstleistungsverzeichnis) über die zur Verfügung stehenden Auskunftswege und/oder durch Einsichtnahme in öffentlich zugängliche Register überprüfbar; somit bedarf es nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig keiner weiterführenden Beweisaufnahmen. Unberührt bleiben ohnedies die Möglichkeiten einer Antragstellung an die Nichtigkeitsabteilung nach § 29a Abs 6 MSchG.

4.4 Die kritisierte Beurteilung des Eindrucks der beteiligten Verkehrskreise ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist (nur dann) eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (RIS-Justiz RS0039926 [insbesondere T26, T28]; jüngst 4 Ob 63/15s, Kornspitz [Nichtigkeitsverfahren]). Eine Beweisaufnahme ist daher nur geboten, wenn im konkreten Fall Zweifel daran bestehen, dass die strittige Frage allein auf Grund der Lebenserfahrung der zur Entscheidung berufenen Organe beantwortet werden kann (17 Ob 27/11m, Red Bull/Run Cool mwN). Dies wird von der Antragsgegnerin aber nicht behauptet.

4.5 Folge der Wechselwirkung der in Punkt 4.3 angeführten Hauptfaktoren für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist es, dass bei Warenidentität (einschließlich hochgradiger Warenähnlichkeit) ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist (vgl RIS-Justiz RS0116294 ua). In der anzustellenden Gesamtbetrachtung ist im konkreten Fall der Abstand sowohl zwischen den Waren der Klasse 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen versus Sportbekleidung) als auch zwischen den Zeichen selbst zu gering. Damit kann die bestehende Gefahr der gedanklichen Verbindung/Zuordnung der angegriffenen Zeichen mit jenen der Antragstellerin oder ihrem Unternehmen nicht beseitigt werden.

Bei beiden angegriffenen Zeichen wurde auch berücksichtigt, dass im Bereich der Bekleidungs-/Sportbekleidungsbranche Zeichen, die aus einem Buchstaben/Namen bestehen, gebräuchlich sind und dass daher davon auszugehen ist, dass sich die beteiligten Verkehrskreise daran gewöhnt haben, auf die Zeichen genauer zu achten, als es bei anderen Massenartikeln allgemein üblich ist (Om 12/90, Jean Rodin; EuGH C 214/05, Sissi Rossi ); eine über einen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad hinausgehende Aufmerksamkeit der beteiligten Verkehrskreise ist bei diesen Massenartikel aber nicht anzunehmen.

In Bezug auf AT 281318 ist die bildliche Ähnlichkeit (die klangliche und begriffliche Ähnlichkeit ist mangels Aussprechbarkeit und Bedeutung der Zeichen vernachlässigbar) jedenfalls zu bejahen. Es besteht eine idente Farb/Kontrastwahl (weiß auf schwarz) mit einem hochgradig ähnlichen perspektivischen Seiteneffekt. Der Großbuchstabe „M” wird, auch wenn er stilistisch leicht unterschiedlich gestaltet wurde, bei allen Zeichen als Einheit erfasst und verbleibt so im Gedächtnis.

Auch bei der AT 281316 bleibt das gemeinsame „M” in der Wahrnehmung (nicht nur aufgrund der gewählten Größe) prägend im Vordergrund. Der Durchschnittskonsument wird den nachfolgenden Wortteil MARTINI (SPORTSWEAR AUSTRIA) jedenfalls diesem Großbuchstaben zuordnen oder in diesem wiedererkennen. Die Wortelemente SPORTSWEAR und AUSTRIA sind als rein beschreibende Zusätze in diesem Zusammenhang ohne Relevanz und können nicht von den angreifenden Zeichen wegzuführen.

Angesichts der Identität/hochgradigen Ähnlichkeit der Waren in der Klasse 25, der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sowie unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrads der beteiligten Verkehrskreise wird das Publikum annehmen, dass die zu bezeichnenden Waren von wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Aus Sicht des Rekursgerichts hat daher das Patentamt die Verwechslungsgefahr zu Recht bejaht.

4.6 Die Antragsgegnerin behauptet, der Einwand der mangelnden Benutzung gemäß § 29b Abs 1 MSchG sei zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden. Im Zuge des Verfahrens seien mehrere Fristverlängerungen gewährt worden und dabei sei kein Hinweis erfolgt, dass sich die Fristverlängerungen nicht auch auf den Einwand der mangelnden Benutzung erstrecken würden. Es sei daher auch eine Verletzung der Anleitungs- und Aufklärungspflicht iSd § 14 AußStrG und § 182 f ZPO gegeben. Da die Einrede der mangelnden Benutzung zuzulassen sei, hätte das Patentamt dazu entsprechende Feststellungen treffen müssen. Dies werde als sekundärer Feststellungsmangel gerügt.

4.7 Der behauptete sekundäre Feststellungsmangel und eine Verletzung der Anleitungs- und Aufklärungspflicht liegen nicht vor: Gemäß § 29b MSchG ist die Einrede der Nichtbenützung der angreifenden Marke in der Äußerung zum Widerspruch zu erheben. Damit ist die Einredemöglichkeit befristet (vgl Woller/Stangl/Ullrich in Kucsko/Schumacher marken.schutz 2 § 29b MSchG Rz 11). Dies entspricht (auch) der Zielsetzung des Widerspruchsverfahrens, eine gegenüber dem herkömmlichen Nichtigkeitsverfahren vereinfachte, raschere und soweit möglich rein schriftliche Verfahrensabwicklung (vgl auch ErläutRV 2358 BlgNR 24.GP; Kucsko , MschG 3 52).

Den Akten lässt sich nicht nur zweifelsfrei entnehmen, dass die Frist zur Äußerung zum Widerspruch und zur allfälligen Erhebung der Einrede der mangelnden Benutzung vom Patentamt jeweils bis 10.10.2015 verlängert wurde, sondern auch, dass die Antragsgegnerin in ihren Äußerungen zu den Widersprüchen vom 9.10.2015 diese Einrede nicht erhoben hat, sondern erst am 15.12.2016. Nach den Äußerungen zum Widerspruch vom 9.10.2015 war die Möglichkeit, im Widerspruchsverfahren die Nichtbenutzung einzuwenden, nicht mehr gegeben. Daran anschließende angebliche Vergleichsgespräche (die die Antragsgegnerin nach der Vorlage des Akts zur Entscheidung über den Rekurs auch gegenüber dem Rekursgericht behauptete) und das Ersuchen der Antragsgegnerin, für weitere Äußerungen eine weitere Fristverlängerung einzuräumen, können daran nichts ändern.

Dem Rekursgericht erschließt sich in diesem Zusammenhang auch keine Verletzung einer Anleitungs- und Aufklärungspflicht.

5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.

[Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs am 25.9.2018 zurück, 4 Ob 66/18m.]

Rückverweise