132Bs294/17f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach
§ 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Oberstleutnant Posc h- Fahrenleitner in der Vollzugssache des O***** R***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 18. Mai 2017, AZ *****, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtö f fentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der Beschluss im Au s spruch über die Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Zuteilung von Hygieneartikel aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
Text
B e g r ü n d u n g:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht einer Beschwerde des O***** R***** im Hinblick auf die Zuteilung von Hygieneartikeln zur Körperpflege Folge, hinsichtlich der Beschwerdepunkte der Vorenthaltung von Schreibpapier und der Nichtbeschäftigung hingegen nicht Folge.
Zum Bezug von Hygieneartikeln wurde festgestellt,
dass ein Erstbezug von solchen grundsätzlich unter der
Verwendung von Eigengeld ermöglicht wird, wobei im Falle mangelnder Geldmittel seitens des Untergebrachten ein Vorschuss gewährt werde. Ein Ansuchen um eine allgemeine Ausgabe von Toiletteartikeln des O***** R***** liege nicht vor. Aus dem Erlass BM J -E 43203/0001-V 1/2006 des Bundesministeriums für Justiz gehe hervor, dass ein su b jektiv-öffentliches Recht der Insassen auf Zuteilung von Hygieneartikeln zur Körperpflege bestehe. Durch die Nichtausfolgung von Toiletteartikeln sei O***** R***** in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Zuteilung von solchen verletzt worden.
Zur Vorenthaltung von Schreibpapier wurde festgestellt, dass Schreibmaterialien von den Untergebrachten bei der Ausspeise mit Hilfe von Haus- oder Eigengeld käuflich zu erwerben seien. O***** R***** habe mit 6. März 2017 über 473,71 Euro Eigengeld und 65,60 Euro Hausgeld verfügt. Gemäß § 34 Abs 1 StVG hätten Strafg e fangene das subjekti v -öffentliche Recht, einmal in der Woche aus den Mitteln des Hausgeldes, die in § 34 Abs 1 StVG bezeichneten Gegenstände zu erwerben, worunter auch Schreibpapier falle. Daraus ergebe sich klar, dass Stra f gefangene angehalten seien, einfache Gegenstände des tä g lichen Bedarfs durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen und von ihrem Hausgeld zu bezahlen. Der Einwand des O***** R*****, er verfüge als Unbeschäftigter über kein Geld, gehe ins Leere, da er über regelmäßiges Hausgeld verfüge (monatlich 40,60 Euro) und mit 6. März 2017 sein Kontostand Eigengeld von 473,71 Euro und ein Hausgeld von EUR 65,60 aufweise, sodass es ihm möglich gewesen wäre, die gewünschten Gegenstände käuflich zu erwerben.
Zum Thema Beschäftigung wurde festgestellt, dass O***** R***** am ***** von der Justizanstalt ***** in die Justizanstalt ***** überstellt wurde, da er geäußert habe, dass er bei Verlegung in einen Zwei-Mann-Haftraum seinem Mitbewohner nach dem Leben trachten werde, was als hohes Sicherheitsrisiko durch die Justizanstalt ***** gewertet wurde. Seine Integration in den Arbeitsprozess der Justizanstalt ***** sei bislang an seiner Justizvorgeschichte gescheitert, we s halb der Zugang zu gefährlichen Materialien kontrolliert werden müsse. Tätigkeiten, welche auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis beruhen, seien derzeit ausgeschlo s sen und die Arbeit mit Untergebrachten, mit denen bereits Konflikte entstanden seien, werde als nicht sinnvoll erachtet. Ob der unverschuldeten Unbeschäftigung erhalte O***** R***** ein regelmäßiges Hausgeld. Gemäß § 44 Abs 1 StVG seien Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet, gemäß § 45 Abs 1 StVG sei es auch Pflicht der Justizanstalten, Vorsorge dafür zu treffen, dass jeder Strafgefangene eine nützliche Arbeit verrichten kann. Allerdings bestehe ein subjektives Recht auf Arbeit, wie in der freien Gesel l schaft, für Strafgefangene nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Erkenntnis fristgerecht erhobenen Beschwerde (ON 10) des O***** R***** kommt keine Berec h tigung zu.
Nach § 16 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Let z tere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16 Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Zur Ausfolgung von Hygieneartikeln ist vorauszusch i cken, dass diese Entscheidung im Hinblick auf die au s drücklich auch dagegen erhobene Beschwerde inhaltlich in jede Richtung zu überprüfen ist (kein Verbot der reform a tio in peius [ Pieber in WK² StVG § 121b Rz 4]). Aus § 42 Abs 2 StVG, wonach die Strafgefangenen ihren Körper so zu pflegen haben, wie es Gesundheit und Reinlichkeit erfordern, im Zusammenhalt mit § 31 Abs 1 StVG, wonach die Anstalten für den Unterhalt der Strafg e fangenen zu sorgen haben und der Bestimmung des § 132 Abs 1 StVG, wonach Strafgefangene bei Aufnahme in die Vollzugsanstalt, soweit sie darüber nicht verfügen oder dies wünschen, die zur einfachen Körperpflege erforderl i chen Gegenstände zu erhalten haben, wird ein subje k tiv-öffentliches Recht auf die zur einfachen Körperpflege notwendigen Gegenstände abgeleitet (vgl Drexler , StVG³ § 31 Rz 1; § 132 Rz 1; Zagler , Strafvollzugsrecht² S 137; unter Berufung auf Kunst , StVG § 42 Anm 2). Im Rahmen der Unterhaltspflicht sind die zur einfachen Körperpflege notwendigen Gegenstände später erforderlichenfalls zu ergänzen ( Drexler , StVG³ § 132 Rz 1). Darüber hinaus kö n nen Strafgefangene Toiletteartikeln im Rahmen des § 34 StVG beziehen.
Mit Blick auf diese Regelungen wird auch mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz, BMJ-E 43203/001-V 1/2016, festgehalten, dass die Vollzugsanstalten in einfacher Ausgestaltung im Rahmen des allgemein üblichen Bedarfs Kamm, Shampoo, Seife, Einwe g rasierer, Rasierschaum oder Seife, allenfalls Rasierpi n sel, Zahnbürste, Zahnpaste und Toilettepapier zur Verf ü gung zu stellen haben. Aus der Mitteilung der Justizanstalt ***** vom 17. März 2017 ergibt sich, dass O***** R***** am 27. Dezember 2016 in die Justizanstalt ***** überstellt wurde und am 11. Jänner 2017 um die Au s folgung mehrerer Gegenstände aus dem Depot, darunter auch Toiletteartikel, ansuchte. Diesem Ansuchen sei am 17. Jänner 2017 stattgegeben und die „Gegenstände“ am 1. Februar 2017 ausgefolgt worden.
Nicht aktenkundig ist, ob, allenfalls über welche Hygieneartikel, O***** R***** zum Zeitpunkt seiner Übe r stellung verfügte bzw ob, allenfalls welche, Hygieneart i kel ihm von der Justizanstalt ***** ausgefolgt wurden. Weiters ist nicht aktenkundig, ob, allenfalls, welche Hygieneartikel am 1. Februar 2017 ausgefolgt wu r den und die Ausfolgung welcher Hygieneartikel von O***** R***** am 11. Jänner 2017 beantragt wurde.
Mangels entsprechender Feststellungen kann daher nicht beurteilt werden, ob O***** R***** bei Überstellung in die Justizanstalt ***** bereits über Hygi e neartikel, die die einfache Körperpflege ermöglichen wü r den, verfügt hat, oder ob Anspruch auf die Ausfolgung solcher bestanden hätte, weil er darüber nicht verfügt hat.
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht die en t sprechenden Anträge und Unterlagen der Justizanstalt ***** beizuschaffen haben, um sodann Festste llungen zu treffen, über welche Hygieneartikel O***** R***** nach der Überstellung verfügte bzw ob ihm, allenfalls welche, Hygieneartikel(wann) ausgefolgt wurden.
Ausgehend davon ist im Licht der eingangs angefüh r ten Bestimmungen zu prüfen, ob, allenfalls wielange, ihm nach Überstellung in die Justizanstalt ***** die notwendigen Artikel zur einfachen Körperpflege vo r enthalten wurden, weil nur dadurch die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts verwirklicht wäre.
Zur Frage, ob Briefkuverts auszufolgen sind, ist festzuhalten, dass nach § 89 Abs 2 StVG den Strafgefang e nen für ihre Briefe und Eingaben das nötige Schreibzeug und, soweit sie darüber auch unter Heranziehung von Ge l dern, die ihnen sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen, nicht verf ü gen, in angemessenem Umfang Briefpapier zur Verfügung zu stellen ist. Daraus folgt, dass Briefpapier (einschlie ß lich Umschläge) in angemessenem Umfang, soweit die Gefa n genen es selbst unter Verwendung ihnen sonst nicht zust e hender Gelder (Eigengeld, Rücklage) nicht (durch Vermit t lung der Anstalt) auf eigene Kosten besorgen können, zur Verfügung zu stellen ist ( Zagler , Strafvollzugsrecht² S 183; Drexler , StVG³ § 89 Rz 1).
Dem Beschwerdevorbringen zuwider wird schon ang e sichts des - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - vorhandenen Eigengeldes (ON 9 S 4) keine Verpflichtung der Justizanstalt nach § 89 Abs 2 StVG schlagend.
Nach § 45 Abs 1 StVG ist dafür Vorsorge zu treffen, dass jeder Strafgefangene nützliche Arbeiten verrichten kann. Das Strafvollzugsgesetz gründet in § 44 Abs 1 StVG eine Pflicht für jeden arbeitsfähigen Strafgefangenen, Arbeit zu leisten. Dieser Arbeitspflicht des Strafgefa n genen steht kein ausdrückliches Recht auf Arbeit gege n über, doch ist die Vollzugsverwaltung gemäß § 45 StVG verpflichtet, Vorsorge dafür zu treffen, dass jeder Strafgefangene nützliche Arbeit verrichten kann. Dem Strafgefangenen kommt somit kein prinzipielles subjekt i ves Recht auf Arbeit zu, allerdings wäre ein Strafgefa n gener in seinem subjektiven Recht dann verletzt, wenn ihm durch willkürliche Ungleichbehandlung die Möglichkeit auf Arbeit und Verdienst durch die Anstaltsleitung entzogen würde (OLG Graz 4. November 2002, Vk 26/02=JSt-StVG 2003/34; OLG Wien 28. Juli 2003, 2 Vk 18/03=JSt-StVG 2005/14 sowie 2 Vk 33/04=JSt-StVG 2005/38; Zagler , Strafvollzugsrecht² S 139f).
Mit dem Vorbringen, dass ein Vertrauensverhältnis nicht erforderlich sei, er bereits 31 Jahre in allen Haftanstalten Österreichs beschäftigt gewesen sei, sowie der Behauptung, dass scheinbar nur Kinderschänder und Vergewaltiger hofiert und gehätschelt würden, vermag O***** R***** keine Bedenken an den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Erstgericht zu erwecken. Da aus den Feststellungen des Erstgericht eine willkürliche Ungleichbehandlung nicht abzuleiten ist, hat die En t scheidung des Vollzugsgerichts insoweit Bestand.