133R47/17k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Löschung des österreichischen Teils der Marke IR 203827 über die Berufung der Antragstellerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 11.5.2016, Nm 29/2012 21, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 3.856,50 (darin EUR 642,75 USt) zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
1.1 Die Antragstellerin ist seit 22.5.2007 (Anmeldedatum) Inhaberin der Wortmarke [...], AT 239637.
1.2 Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortbildmarke IR 203827 [...], geschützt für Waren der Klassen 17 und 19 „Dichtbänder aus Polyurethan mit einem Asphalt-Bitumen“; „Bandes de matage (polyuréthanne avec un asphalte-bitume)“.
1.3 Mit dem Vorbringen, weder die Antragsgegnerin noch eine frühere Rechteinhaberin noch Lizenznehmer benutzten die Marke in den letzten fünf Jahren in Österreich, beantragte die Antragstellerin (einlangend am 18.5.2012) die Löschung der Marke nach § 33a MSchG. Sie selbst (die Antragstellerin) benutze die Marke „Compriband“ seit 1963 für Dichtbänder und Dichtungslösungen.
1.4 Dem erwiderte die Antragsgegnerin, sie habe die Marke im September 2009 erworben. Die T***** GmbH (mit Sitz in Brunn am Gebirge), die – wie auch die Antragsgegnerin – Konzern(enkel)tochter der R***** Inc. sei, benutze die Marke mit Zustimmung der Antragsgegnerin zumindest seit September 2009 rechtserhaltend. Der Unternehmenszweck der Antragsgegnerin sei es, gewerbliche Schutzrechte zu halten, damit die übrigen europäischen Konzerngesellschaften sie benutzen können. Die Zustimmung sei im August oder September 2009 telefonisch erteilt worden.
Die T***** GmbH bewerbe Dichtbänder unter der Wortbildmarke und vertreibe sie in und aus Österreich an in- und ausländische Abnehmer. Sie verwende dabei elektronische Datenblattkopien, die die Wortbildmarke aufwiesen. Das Zeichen finde sich im Fließtext von Rechnungen der T***** GmbH sowie auf den Verpackungen der Dichtbänder. Die T***** GmbH erziele mit den unter der Marke vertriebenen Produkten Umsätze von EUR 38.595,44 (2010), EUR 99.040,65 (2011) und EUR 62.265,16 (1.1. bis 18.5.2012).
2. Mit Beschluss vom 5.8.2014 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag zum ersten Mal ab. Dazu stellte sie – kurz zusammengefasst (§ 500a ZPO) und soweit für die vorliegende Entscheidung noch von Interesse – den folgenden Sachverhalt fest:
2.1 Die Antragsgegnerin erteilte die Zustimmung, dass die T***** GmbH die Marke verwendet.
Die T***** GmbH lieferte Fugendichtbänder in verschiedene Länder vor allem des ehemaligen Ostblocks, wie Ungarn oder Kroatien, und in die Schweiz, hatte aber auch einen Geschäftspartner in Österreich, die I***** GmbH.
Für den relevanten Zeitraum ergeben sich Lieferungen an die I***** GmbH im Wert von über EUR 120.000 sowie Lieferungen ins europäische Ausland in Höhe von über EUR 70.000.
Auf den Rechnungen, die an die Firma I***** GmbH gestellt wurden, scheinen nur die Artikelnummer und die Bezeichnung „Fugendichtband BG 1“ und „Fugendichtband BG 2“ auf. Diese Rechnungen wurden auf Wunsch der I***** GmbH so ausgestellt.
Auf den gelieferten Fugendichtbändern scheint keine Marke auf; die Bezeichnungen „BG 1“ und „BG 2“ geben die Breite des Bandes wieder.
Die Fugendichtbänder wurden in Deutschland hergestellt und dort in Kartons verpackt, die mit einer Etikette versehen wurden, die die Aufschrift „Komprimiertes Fugendichtband“, technische Details und die Marke [...] trägt.
2.2 Rechtlich erwog die Nichtigkeitsabteilung dazu, dass die Antragsgegnerin durch die Zustimmung zur Verwendung der Marke durch die dem selben Konzern angehörende T***** GmbH die Marke im maßgeblichen Zeitraum (18.5.2007 bis 18.5.2012) rechtserhaltend benutzt habe. Die festgestellten Benutzungshandlungen der T***** GmbH reichten aus.
3. Die dagegen erhobene Berufung der Antragstellerin führte zur Aufhebung der Entscheidung (34 R 71/15h), weil das Berufungsgericht bei der Prüfung, ob die T***** GmbH die Marke in Österreich ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt, zum Ergebnis kam, dass die Nichtigkeitsabteilung zwei getrennt zu beurteilende Benutzungshandlungen festgestellt habe, ohne sie rechtlich voneinander gesondert zu würdigen.
Zum Einen lieferte die T***** GmbH die Bänder, die in Deutschland hergestellt werden, in die Schweiz und in Länder des ehemaligen Ostblocks, wobei die Ware je nach den geografischen Erfordernissen auf dem Landweg über österreichisches Staatsgebiet transportiert werde. Darin sei keine relevante Benutzung der Marke in Österreich zu sehen.
Zum Zweiten lieferte die T***** GmbH die Bänder auch an die I***** GmbH mit Sitz in Österreich. Die Bänder seien nicht gekennzeichnet; nur auf den Verpackungskartons finde sich neben der Aufschrift „Komprimiertes Fugendichtband“ und neben technischen Angaben die Wortbildmarke. In den Rechnungen an die I***** GmbH verwende die T***** GmbH das Wort „Compriband“ nicht.
Es sei in erster Instanz nicht erörtert worden, dass die T***** GmbH zwar seit 2009 die Erlaubnis habe, die Marke zu benutzen, dass sie das Zeichen aber erst ab 2011 auf den Verpackungen verwende. Von einer ernsthaften Benutzung als Marke (das heißt als Herkunftshinweis) könne jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn die Belieferung ein und desselben (langjährigen) Kunden mit identen Produkten von der später einsetzenden Verwendung eines Zeichens in Wahrheit gar nicht beeinflusst werde. In diesem Fall würde das Zeichen – weil beim Abnehmer nicht mit einem darauf gerichteten Informationsgehalt versehen – nicht als Herkunftshinweis verwendet, sondern die Verwendung hätte nur den Zweck, das Recht an der Marke zu erhalten, sodass ein rein rechtserhaltender Scheingebrauch vorläge.
Die allein verbleibende Tatsache, dass auf die Verpackungskartons Etiketten geklebt sind, die auch die Wortbildmarke zeigen, könnte in diesem Fall eine „ernsthafte Benutzung“ nicht begründen.
4. Mit der nun bekämpften Entscheidung wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag abermals ab. Sie ging dabei – kurz zusammengefasst (§ 500a ZPO) – von folgendem Sachverhalt aus:
4.1 Ab Mai 2011 wurden die Dichtbänder unter der Marke Compriband an die I***** GmbH geliefert. Sie wurden stets in ungeöffneten Kartons geliefert, einzelne Rollen wurden nicht angeboten. Ein Fertigteilhaus benötigt etwa zwölf Kartons.
Neben dem Vertrieb der Dichtbänder über die I***** GmbH gab es ab 2010 auch Direktgeschäfte, in die die I***** GmbH nicht eingebunden war. Für die Errichtung des Hauptbahnhofs in Wien wurden ca 800.000 Laufmeter Compriband-Produkte geliefert.
Einem Unternehmen in Ansfelden wurde im Februar 2011 ein Angebot zur Lieferung von Compriband-Bändern gemacht.
4.2 In rechtlicher Hinsicht ging die Nichtigkeitsabteilung von einer ausreichenden ernsthaften Benutzung der Marke auf Seiten der Antragsgegnerin aus.
5. Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, die unrichtige Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Sie beantragt, die Entscheidung zu ändern und dem Antrag stattzugeben, in eventu die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung aufzuheben.
Der Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
6. Aus systematischen Gründen ist vorerst auf die Rechtsrüge einzugehen, die das Berufungsgericht dazu bestimmt, die Entscheidung allseitig rechtlich zu prüfen.
6.1 Dabei kommt das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass die Entscheidung an einem Feststellungsmangel leidet, der auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruht (sekundärer Feststellungsmangel).
Die Nichtigkeitsabteilung hat eine entscheidungswesentliche Tatsache, die die Antragsgegnerin vorbrachte und auf die sie sich stützte (und für die es auch Beweisergebnisse gab), nicht festgestellt, nämlich jene, dass die I***** GmbH die mit dem Markenzeichen versehenen Kartons als solche und unverändert an Kunden der Fertigteilhaus-Branche weitergeliefert hat.
6.2 Dazu hat das Berufungsgericht die Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung ergänzt und den Zeugen M*****, Prokurist der der T***** GmbH, vernommen, der auch schon vor der Nichtigkeitsabteilung am 3.4.2014 dazu ausgesagt hat.
6.3 Das Berufungsgericht kommt zu folgender ergänzenden Tatsachenfeststellung:
Während des relevanten Zeitraums und somit auch ab dem Zeitpunkt, an dem die T***** GmbH die an die I***** GmbH gelieferten Kartons mit dem Markenzeichen beklebte, wurden die Kartons unverändert an Kunden weitergegeben.
6.4 Bei dieser Feststellung kann sich das Berufungsgericht von der Aussage des Zeugen M***** in der Berufungsverhandlung sowie auch auf die Aussage dieses Zeugen in der Verhandlung vor der Nichtigkeitsabteilung am 3.4.2014, Protokoll Seite 4, erster Absatz, letzte Zeile) stützen. Die Richtigkeit dieser Aussage begegnet keinen Bedenken, zumal der Zeuge in der Berufungsverhandlung auch plausibel erläutert hat, warum die Dichtbänder nicht einzeln, sondern kartonweise verkauft werden.
7. Dazu hat das Senat rechtlich erwogen:
7.1 Auf die von der Antragstellerin in der Berufung als unrichtig kritisierten Feststellungen kommt es dabei nicht mehr an, weil eine wesentliche Benutzungshandlung ohnedies nun feststeht.
Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, für die sie eingetragen wurde – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (EuGH C 40/01, Ansul, Rn 43; C 416/04 P, Sunrider, Rn 70; C 259/02, La Mer Technology, Rn 27; 17 Ob 11/08d, BUZZ!; RIS-Justiz RS0123519; Om 8/11, WEG ).
Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig ausreicht, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt von mehreren Faktoren und von einer Einzelfallbeurteilung ab. Es gibt kein Mindestmaß einer Benutzung; selbst eine geringfügige, aber wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigte Benutzung kann ausreichen, um die Ernsthaftigkeit zu belegen (EuGH C 416/04 P, Slg 2006 I 4237, Vitafruit; Om 14/06, Dreher; Om 4/09, Sallaki; Om 10/10, Nuke mwN, wenn sie im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile zu behalten oder zu gewinnen (EuGH C 259/02, La Mer Technology; EuGH C 416/04 P, Sunrider, Rn 72). Auch die Eigenschaften des Markts können dabei herangezogen werden.
Im Zweifel sind keine hohen Anforderungen an den Gebrauch der Marke zu stellen, (Om 3/11, Jones; Om 5/10, Coolwater ).
Somit ist im vorliegenden Fall von einer ausreichenden Benutzung auszugehen, weil die Dichtbänder ihm relevanten Markt der Fertigteilhaus-Produktion unter Verwendung der Marke als Kennzeichen abgesetzt wurden.
7.2 Die Antragstellerin hat in der Berufung auch vorgetragen, das Markenrecht sei erschöpft gewesen, nachdem die Dichtbänder an die I***** GmbH geliefert worden seien. Das mag zutreffen, weshalb die Antragstellerin (oder die T***** GmbH) der I***** GmbH die Weiterveräußerung der Produkte auch nicht verbieten kann.
Allerdings besteht kein rechtlicher Zusammenhang mit der Frage, ob die Marke zur Kennzeichnung der Herkunft der Waren benutzt wurde. Das Berufungsgericht schließt sich hier den Überlegungen der Antragsgegnerin in der Berufungsbeantwortung an. Die Befassung des EuGH zu dieser Frage erübrigt sich daher.
Die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung bedarf daher im Ergebnis keiner Korrektur.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und 50 ZPO.
9. Da die Frage der der Benutzung einer Marke einzelfallbezogen zu beantworten ist und keine Rechtsfragen von jener Qualität aufwirft, die in § 502 Abs 1 ZPO beschrieben ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.
[Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision am 20.2.2018 zurück, 4 Ob 26/18d.]