133R88/17i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Patentanmeldung A 50555/2013 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Technischen Abteilung des Patentamts vom 25.4.2017, 2 AA 50555/2013-4, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben; dem Patentamt wird aufgetragen, neuerlich über die Patentanmeldung zu entscheiden.
Text
Begründung
Die Antragstellerin beantragte unter der Bezeichnung „ Verfahren zur Optimierung eines Fahrerassistenzsystems ” die Erteilung eines Patents, wobei die nachstehenden, im Rekurs zuletzt leicht modifizierten Ansprüche Gegenstand der Anmeldung sind (die unterwellten Wörter in den Ansprüchen 14, 16 und 21 scheinen auf Schreibfehlern zu beruhen):
1. Verfahren zur Optimierung eines Fahrerassistenzsystems, welches die folgenden Arbeitsschritte aufweist:
- Festlegung wenigstens eines zu optimierenden Fahrerassistenzsystems A;
- Ermitteln wenigstens einer Fahrzeugparameterfunktion, welche einen Betriebszustand eines Fahrzeugs charakterisiert, und wenigstens einer Umgebungsparameterfunktion, welche die Umgebung des Fahrzeugs charakterisiert; und
- Berechnen wenigstens einer Fahrsituationskennwertfunktion, welche eine Fahrsituation des Fahrzeugs charakterisiert, und zwar wenigstens auf der Grundlage der wenigstens einen Fahrzeugparameterfunktion und/oder der wenigstens einen Umgebungsparameterfunktion;
gekennzeichnet durch
- Ermitteln wenigstens einer Steuereingriffskennwertfunktion, welche die Aktivität des Fahrerassistenzsystems A charakterisiert; und
- Berechnen einer Korrekturfunktion, welche von der wenigstens einen Steuereingriffskennwertfunktion und der wenigstens einen Fahrsituationskennwertsystem abhängt und geeignet ist, eine subjektive Wahrnehmung der Fahrsituation durch zumindest einen Fahrzeuginsassen zu charakterisieren, auf der Grundlage der wenigstens einen Fahrzeugparameterfunktion und/oder der wenigstens einen Umgebungsparameterfunktion.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die wenigstens eine Steuereingriffskennwertfunktion auf der Grundlage der wenigstens einen Fahrzeugparameterfunktion und/oder der wenigstens einen Umgebungsparameterfunktion berechnet wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei die wenigstens eine Steuereingriffskennwertfunktion und/oder die Korrekturfunktion des Weiteren von dem zu charakterisierenden Fahrzeugassistenzsystems A abhängt.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die wenigstens eine Fahrzeugparameterfunktion ein Tupel von wenigstens einem gemessenen Fahrzeugparameter ist, welche gegebenenfalls von der Zeit abhängt und wobei die wenigstens eine Umgebungsparameterfunktion ein Tupel von wenigstens einem gemessenen Umgebungsparameter ist, welche gegebenenfalls von der Zeit abhängt.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 4, wobei bei der Berechnung der Steuereingriffskennwertfunktion und bei der Berechnung der Fahrsituationsparameterfunktion zumindest ein Fahrzeugparameter und/oder zumindest ein Umgebungsparameter verschieden ist.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Korrekturfunktion zusätzlich von Fluktuationen wenigstens eines Fahrzeugparameters, und/oder von Fluktuationen wenigstens eines Umgebungsparameters und/oder von Fluktuationen der wenigstens einen Steuereingriffskennwertfunktion abhängt.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die wenigstens eine Steuereingriffskennwertfunktion ein Vorliegen eines Steuereingriffs und/oder eine Intensität eines Steuereingriffs des Fahrerassistenzsystems charakterisiert.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die wenigstens eine Steuereingriffskennwertfunktion von wenigstens einem Kriterium aus der Gruppe der folgenden Kriterien abhängt: die Abschaltschwelle, die Ausstiegshäufigkeit, die Reaktion auf das Vorausfahrzeug, die Reaktion auf eine Fahrspurabweichung, die Reaktion auf eine Fahrsituationsänderung, die Reaktion auf eine Abstandsabweichung, die Reaktionszeit, die Ansprechverzögerung und die Erfassungsdauer für ein Objekt des Fahrerassistenzsystems A.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei, wenn sich die wenigstens eine Fahrsituationskennwertfunktion nicht ändert, die Korrekturfunktion jeweils periodisch, insbesondere für ein Zeitintervall von maximal etwa 10 s, bevorzugt maximal etwa 5 s berechnet wird.
10. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei, wenn sich die wenigstens eine Fahrsituationskennwertfunktion während eines Zeitintervalls ändert, die Korrekturfunktion für den Zeitraum des vorhergehenden Fahrsituationskennwerts bzw. Fahrsituation seit der letzten periodischen Berechnung berechnet wird und eine periodische Berechnung der Korrekturfunktion für den nachfolgenden Fahrsituationskennwert bzw. Fahrsituation gestartet wird.
11. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die wenigstens eine Fahrsituationskennwertfunktion als Kennwert zumindest eine Fahrsituation aus der Gruppe folgender Fahrsituationen annehmen kann: Folgen bei konstanter Geschwindigkeit, Folgen bei Beschleunigung, Folgen bei Verlangsamen/Bremsen, Folgen bis Fahrzeugstopp, Folgen ab Losfahren, Folgen bei Einscheren, Folgen bei Ausscheren, freie Beschleunigung, Objektdetektion, freies Fahren, Spurhalten, Spurwechseln, Überholen, Überholt werden, Stau, Stop Go Verkehr, vorwärts Einparken und rückwärts Einparken.
12. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, welches des weiteren folgenden Arbeitsschritt aufweist:
- Korrigieren wenigstens eines Fahrsituationskriteriums, welches von dem Fahrerassistenzsystems A zum Steuern des Fahrzeugs verwendet wird, auf der Grundlage des Korrekturwerts der Korrekturfunktion.
13. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die subjektive Wahrnehmung die Fahrqualität des Fahrerassistenzsystems A, und /oder die Fahrsicherheit und/oder die Beanspruchung des Fahrzeugs und/oder die Fahrbarkeit des Fahrzeugs bei Einsatz des Fahrerassistenzsystems A betrifft.
14. Verfahren nach Anspruch nach einem der vorhergehenden Ansprüche, welches des weiteren folgenden Arbeitsschritt aufweist:
- Vorgeben einer Umgebung der virtuellen Realität, in welcher die wenigstens eine Fahrzeugparameterfunktion und/oder die wenigstens eine Umgebungsparameterfunktion und/oder das Fahrerassistenzsystem A emuliert werden.
15. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die wenigstens eine Fahrzeugparameterfunktion zumindest einen Fahrzeugparameter aus der Gruppe umfassend Fahrgeschwindigkeit, Gierwinkelgeschwindigkeit, Lenkwinkel, Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Vertikalbeschleunigung, Gaspedalstellung, Bremspedalstellung, Motordrehzahl, Drosselklappenstellung, Gangstufe und Einschaltzustand des Fahrerassistenzsystems A aufweist.
16. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die wenigstens eine Umgebungsparameterfunktion zumindest einen Fahrzeugparameter aus der Gruppe umfassend Abstand zu zumindest einem anderen Fahrzeug, insbesondere dem Vorderfahrzeug, Querposition zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, gegenüber dem eigenen Fahrzeug, Längsposition zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, gegenüber dem eigenen Fahrzeug, Relativgeschwindigkeit zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, gegenüber dem eigenen Fahrzeug, Relativbeschleunigung zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, gegenüber dem eigenen Fahrzeug, Breite zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, Art zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, Klasse zumindest eines anderen Fahrzeugs, insbesondere des Vorderfahrzeugs, Anzahl der Fahrspuren, Fahrbahnverlauf, eigener Fahrkorridor bzw. eigene vorausberechnete Fahrtrajektorie, Art der Fahrspurbegrenzung, Breite der Fahrspurbegrenzung, Krümmung der Fahrbahn, Gierwinkelfehler, Fahrspurbreite, Fahrbahnbreite, Querabweichung, Abstand zur linken und/oder rechten Fahrspurbegrenzung, minimale[r] Abstand zur linken und/oder rechten Fahrspurbegrenzung während eines Fahrzyklus und Sichtgüte aufweist.
17. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der mindestens eine Fahrzeuginsasse der Fahrer, und/oder der Beifahrer und/oder ein Mitfahrer auf dem Rücksitz des Fahrzeugs ist.
18. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Berechnung der jeweils wenigstens einen Kennwertfunktionen und der Korrekturfunktion während einer Fahrt aus aktuellen Daten (online), nach einer Fahrt, aus aufgezeichneten Daten (offline) oder in einer Simulation des Fahrzeugs durchgeführt werden.
19. Computerprogramm, das Anweisungen umfasst, welche, wenn sie von einem Computer ausgeführt werden, diesen dazu veranlassen, die Schritte eines Verfahrens gemäß einem der Ansprüche 1 bis 18 auszuführen.
20. Computerlesbares Medium, auf welchem ein Computerprogramm gemäß Anspruch 19 gespeichert ist.
21. Vorrichtung zur Optimierung eines Fahrerassistenzsystems, aufweisend:
mindestens einen Umgebungssensor zur Messung jeweils eines Umgebungsparameters, welcher die Umgebung des Fahrzeugs charakterisiert;
mindestens einen Fahrzeugsensor zur Messung jeweils eines Fahrzeugparameters, welcher einen Betriebszustand eines Fahrzeugs charakterisiert, und
ein erstes Modul, welches auf der Grundlage wenigstens eines Umgebungsparameters und/oder eines Fahrzeugparameters einen Fahrsituationskennwert berechnet, welcher eine Fahrsituation des Fahrzeugs charakterisiert,
gekennzeichnet durch
ein zweites Modul, welches auf der Grundlage wenigstens eines Umgebungsparameters und/oder eines Fahrzeugparameters in Abhängigkeit von dem Fahrsituationskennwert einen Steuereingriffskennwert berechnet, und
ein drittes Modul, welches auf der Grundlage auf der Grundlage des wenigstens einen Umgebungsparameters und/oder des wenigstens einen Fahrzeugparameters in Abhängigkeit von dem Steuereingriffskennwert und dem Fahrsituationskennwert einen Korrekturwert (KW) berechnet, welcher eine subjektive Außenwahrnehmung der Fahrsituation durch zumindest einen Fahrzeuginsassen charakterisiert.
22. Vorrichtung nach Anspruch 20, wobei der wenigstens eine Umgebungssensor aus der Gruppe vorausschauender Radar und rückschauender Radar, insbesondere Nahbereichsradar, Fernbereichsradar und Multi-Mode-Radar, vorausschauender Lidar, rückschauender Lidar, Ultraschallsensor, Infrarotkamera, insbesondere Nah-/Ferninfrarotkamera und Kamera im sichtbaren Spektralbereich bzw. Bildverarbeitungskamera, hochauflösendes GPS ausgewählt ist.
23. Vorrichtung nach Anspruch 21 oder 22, wobei der wenigstens eine Fahrzeugsensor aus der Gruppe Gyrometer, Geschwindigkeitsmesser, Beschleunigungssensor, normal- oder hochauflösendes GPS, Vibrationssensor, Höhenmesser, Vermessungseinrichtung, Drehzahlmesser, Drosselklappenstellungsmesser, Drehmomentmesser, Schaltsensor, Tankfüllstandsensor ausgewählt ist.
24. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 21 bis 23, welche auf Daten aus wenigstens einem fahrzeuginternen Netzwerk, insbesondere dem CAN, Zugriff hat.
25. Vorrichtung nach Anspruch 24, wobei, soweit vorhanden, Fahrzeugsensoren und Umgebungssensoren benutzt werden, welche im Fahrzeug serienmäßig verbaut sind.
26. Fahrzeug mit einem Fahrerassistenzsystem, welches eine Fahrsituation eines Fahrzeugs hinsichtlich zumindest eines Fahrsituationskriteriums überwacht und, wenn ein Fahrsituationskriterium nicht eingehalten wird, die Fahrsituation mittels einer Steuerkomponente durch zumindest einen Steuereingriff beeinflusst, und einer Vorrichtung zur Optimierung des Fahrerassistenzsystems nach einem der Ansprüche 21 bis 25.
Im 1. Vorbescheid teilte die Technische Abteilung mit, dass die Druckschriften DE 10 2009 028 767 A1 (in der Folge D1 ) und DE 10 2010 029 922 A1 (in der Folge D2 ) das anmeldungsgemäße Verfahren mit sämtlichen Schritten des Anspruchs 1 des Anmeldepatents offenbaren würden. Es sei auch die subjektive Wahrnehmung mangels Technizität nicht als technisches Merkmal anzusehen. Die Umsetzung des in Anspruch 19 beanspruchten Computerprogramms ergebe sich für einen Programmierer zwangsläufig und sei somit mangels Erfindungseigenschaft nicht schützbar. Vorrichtungen, wie sie der Anspruch 21 beschreibe, seien aus dem Stand der Technik bekannt und nähmen somit die Ansprüche 21 bis 26 neuheitsschädlich vorweg.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Technische Abteilung die Anmeldung letztlich aus dem Grund des § 100 Abs 1 PatG zurück. In D1 und D2 sowie in der vom EPA im parallelen Verfahren vor dem EPA mitgeteilten DE 10 2011 000 409 A1 (in der Folge D3 ) seien ein Verfahren mit sämtlichen Schritten von Anspruch 1 vorweggenommen.
Zudem handle es sich darüber hinaus um eine nicht schützbare Aufgabenstellung, welche völlig offen lasse, wie die gestellte Aufgabe zu lösen sei. Nicht gegeben sei auch das Erfordernis der eindeutigen Reproduzierbarkeit, weil jeder Mensch eine andere subjektive Wahrnehmung aufweise. Es seien für die Berechnung der in Anspruch 1 beanspruchten Korrekturfunktion gemäß der Beschreibung umfangreiche Versuchsfahrten erforderlich, nach denen Fahrzeuginsassen eine subjektive Beurteilung abgeben müssten. Die subjektive Wahrnehmung sei auch mangels Technizität nicht als technisches Merkmal anzusehen.
Insgesamt werde die Anmeldung wegen mangelnder Technizität, mangelhafter Offenbarung, mangelnder Kennzeichnung, mangelnder Neuheit und mangelnder Erfindungseigenschaft zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Erteilung des Patents; in eventu wird beantragt, den Beschluss aufzuheben und der Technischen Abteilung eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.
1.1 Die Antragstellerin sieht ihr rechtliches Gehör verletzt, weil ihr D3 erstmals im bekämpften Beschluss als neuheitsschädlich entgegengehalten worden sei.
1.2 Das Verfahren ist grundsätzlich dann mit einem Verfahrensmangel behaftet, wenn das Patentamt konkrete Bedenken mitteilt, die Negativentscheidung aber mit anderen Argumenten begründet (vgl RIS-Justiz RW0000797). Dasselbe muss auch gelten, wenn in der bekämpften Entscheidung erstmals eine andere Druckschrift unter anderem als neuheitsschädlich entgegengehalten wird, ohne zuvor der Antragstellerin Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen.
1.3 Aus Sicht des Rekursgerichts erlangt der vorliegende Verfahrensmangel in Bezug auf die Beurteilung der fehlenden Neuheit und der mangelnden Erfindungseigenschaft Relevanz; auch deshalb, weil darauf bezogene, entscheidungswesentliche Feststellungen fehlen und eine rechtliche Überprüfbarkeit nicht gegeben ist.
Hingegen kann schon in diesem Verfahrensstadium die Technizität, der Offenbarungsgehalt und die Kennzeichnung der Patentansprüche beurteilt werden, wobei die diesbezügliche Einschätzung der Technischen Abteilung im Ergebnis nicht geteilt wird.
2.1 Zutreffend ist, dass eine „subjektive Wahrnehmung” nicht als technisches Merkmal zu bewerten ist. Nach den Patentansprüchen ist aber die „subjektive Wahrnehmung” letztlich als Parameter durch eine (technische) Korrekturfunktion charakterisiert. Korrekturfunktionen sind – hauptsächlich in der Regelungstechnik – Hilfsmittel zur Verbesserung technischer Prozesse. Folglich wird die „subjektive Wahrnehmung” in einem Verfahrensschritt nur als eine von mehreren Parametern verwendet.
Eine weitere Bestätigung für die Technizität ergibt sich auch aus den Figuren 2 und 15.
[...]
Da die Verarbeitung von Parametern durch ein lernendes System (neuronales Netzwerk) auf allen Gebieten (Mustererkennung, Medizintechnik, Flugzeugtechnik etc) als technisch angesehen wird, ist jedenfalls die Technizität der Ansprüche zu bejahen.
2.2 Die Ansprüche, insbesondere in Zusammenhalt mit der Beschreibung – gestützt durch die Figuren – geben der heranzuziehenden Fachperson (wohl auf dem Gebiet der Informationstechnik und/oder Regelungstechnik) eine eindeutige und vollständige Lehre vom technischen Handeln. Auch ist die Reproduzierbarkeit der Korrekturfunktion – und in der Folge die Charakterisierung der Fahrsituation – bei einer Verarbeitung der selben Parameter durch das zeit-invariante technische System (neuronales Netzwerk) gegeben. Die vorliegenden Ansprüche geben somit dem Fachmann klare Anweisungen zum technischen Handeln.
Die Verfahrensschritte nach Anspruch 1 sind in der modifizierten Fassung durch ihre zeitliche Abfolge so eindeutig definiert, dass das Verfahren vollständig ausgeführt werden kann.
Eine aufgabenhafte Kennzeichnung liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beschreibung die Ansprüche auf Erläuterungen und Anwendungsbeispiele stützt.
3.1 In Bezug auf die Neuheit und die Erfindungseigenschaft kommt dem Vorwurf des wesentlichen Verfahrensmangels – ungeachtet der das rechtliche Gehör verletzenden Verwertung von D3 – insofern Berechtigung zu, als schon in Bezug auf D1 und D2 in der angefochtenen Entscheidung nicht überprüfbar ist, durch welche (bekannten) Merkmale die Merkmale der Patentansprüche der Antragstellerin neuheitsschädlich vorweggenommen werden und warum der Fachmann in Kenntnis dieser Dokumente ohne erfinderisches Zutun auf die anmeldungsgemäße Lösung gekommen wäre.
Die Neuheitsprüfung erfordert einen Einzelvergleich der Erfindung mit den potentiell neuheitsschädlichen Entgegenhaltungen und somit einen Vergleich sämtlicher Merkmale am Beurteilungsmaßstab des Durchschnittsfachmanns. Diesbezüglich fehlen entsprechende Feststellungen schon allein deshalb, weil weder die Entscheidung noch der Akt die Patentansprüche und sonstigen relevanten Inhalte der Entgegenhaltungen nennt.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der angefochtenen Entscheidung nicht entnommen werden kann, welchen Fachmann das Patentamt ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat.
3.2 Es kann daher auch nicht überprüft werden, ob die heranzuziehende Fachperson (auch) in Kenntnis von D1 und D2 tatsächlich ohne erfinderisches Zutun auf die anmeldungsgemäße Lösung gekommen wäre.
Es geht aus der Entscheidung weder der nächstliegende Stand der Technik noch die zu lösende objektive technische Aufgabe noch die Erwägung hervor, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven Aufgabenstellung für den Durchschnittsfachmann naheliegend gewesen wäre (vgl
OPM Op 3/12; Op 1/12, je mwN; 4 Ob 17/15a ua).
Ob eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist zwar grundsätzlich eine Rechtsfrage (17 Ob 24/09t; 17 Ob 13/09z). Da sich jedoch die erfinderische Tätigkeit an den erzielten Effekten orientiert, also am Fachwissen, über das die „Durchschnittsfachperson” auf dem betreffenden Gebiet verfügt, ist die Beurteilung, ob sich das Patent für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, in erster Linie von einer Tatfrage abhängig (RIS-Justiz RS0071399).
3.3 Das Patentamt wird daher die Patentansprüche sowohl in Bezug auf die Neuheit als auch auf die erfinderische Tätigkeit – unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin zu D3 – neu zu prüfen und darüber neu zu entscheiden haben.
4. Auch im außerstreitigen Verfahren ist ein Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts ohne Rechtsmittelzulässigkeitsausspruch absolut unanfechtbar und ein Antrag auf nachträgliche Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig. Für das in § 64 Abs 1 letzter Satz AußStrG normierte Antragsrecht verbleibt der Anwendungsbereich, dass die Parteien vor dem Ergehen der Rekursentscheidung den Antrag stellen können, das Rekursgericht möge den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof zulassen, wenn es den Rechtsstandpunkt des Antragstellers über die Spruchreife der Sache nicht teilt (RIS-Justiz RS0109580 [T7, T8]).
Aus diesen Gründen unterbleibt auch ein Bewertungsausspruch.