JudikaturOLG Wien

1R62/17w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
05. September 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek sowie den Richter und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Guggenbichler und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei R***** A*****, ***** , vertreten durch den Verfahrenshelfer Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, wider die beklagten Partei N***** G***** Gmbh , Wiener Straße 158, 2352 Gumpoldskirchen, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 675.860,-- (hier: wegen Verpflichtung zur Nachzahlung gemäß § 71 Abs 2 ZPO), über den Rekurs des Verfahrenshelfers der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 20.3.2017, 60 Cg 42/15d-66, in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung :

Text

Der Kläger begehrte mit seiner Klage vom 18.2.2015 EUR 675.860,- sA, die er von 2000 bis 2011 in den Automatenhallen der Beklagten verloren habe. Er sei spielsüchtig und in Bezug auf die einzelnen Glücksspielverträge partiell geschäftsunfähig gewesen, sodass er die bereicherungsrechtliche Rückerstattung der Spielverluste begehre.

Mit Urteil vom 14.6.2016 gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Umfang von EUR 372.220,-- sA statt, wies das Mehrbegehren ab und hob die Verfahrenskosten gegeneinander auf.

Für dieses Verfahren war dem Kläger zuvor zu 25 Nc 2/14d des Landesgerichtes Wiener Neustadt die Verfahrenshilfe im vollen Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis d und f, Z 2 und Z 3 ZPO bewilligt. Als Verfahrenshelfer war der Rekurswerber bestellt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Erstgericht die Verfahrenshilfe für erloschen. Es bestimmte in Punkt 3. die Vertretungskosten des Verfahrenshelfer mit EUR 20.586,90 und verpflichtete den Kläger zur Zahlung dieser Kosten an den Verfahrenshelfer binnen 14 Tagen. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass der Kläger den ihm beigegebenen Rechtsanwalt tarifmäßig zu entlohnen habe. Die Kosten sämtlicher nach der vorbereitenden Streitverhandlung vom Verfahrenshelfer eingebrachten Schriftsätze seien nicht zu honorieren, weil sie unzulässig und nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Überdies würden sie ausschließlich rechtliches Vorbringen enthalten und hätten lediglich der Vorlage von Entscheidungen, welche in anderen Verfahren ergangen seien, gedient. Diese Urkunden seien aber als Beweismittel ungeeignet gewesen.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Verfahrenshelfers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass seine Kosten mit EUR 27.395,46 bestimmt würden.

Der Kläger erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. Soweit der Rekurswerber vermeint, dass ihm Kosten für sinnvolle Schriftsätze auch dann zuzusprechen seien, wenn die Kosten dafür möglicherweise vom Gegner nicht zu ersetzen seien, weil der Klient im Innenverhältnis diese Kosten bezahlen müsse, ist dem Folgendes zu entgegnen:

§ 71 Abs 1 ZPO verpflichtet die nachträglich zu Vermögen gekommene Partei zur tarifmäßigen Entlohnung des ihr beigegebenen Rechtsanwalts. Nach § 1 Abs 1 RATG gilt das RATG grundsätzlich sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und der von ihm vertretenen Partei als auch bei Bestimmung der Kosten, die der Gegner zu ersetzen hat. Nach § 21 Abs 1 RATG bleibt die richterliche Befugnis, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Leistungen zu prüfen, unberührt.

Da dem Verhältnis zwischen Partei und Verfahrenshelfer kein privatrechtlicher Vertrag iSv Auftrag und Bevollmächtigung zugrundeliegt, muss sich die tarifmäßige Entlohnung des beigegebenen Rechtsanwalts auf die Honorierung jener Vertretungshandlungen beschränken, die im Sinne des Bestellungsbeschlusses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dies deckt sich inhaltlich weitgehend mit jenen Kosten, die ein Gegner nach § 41 ZPO zu ersetzen hätte, kann aber auch darüber hinausgehen, wenn es sich um Vertretungshandlungen handelt, deren Ursache in der Sphäre der Partei selbst liegt, wie dies beispielsweise bei Vertagungsbitten der Fall sein kann. Um solche handelt es sich hier jedoch nicht.

2. Mit als Replik und Urkundenvorlage bezeichnetem Schriftsatz vom 13.12.2015 brachte der Kläger vor, dass die von Prof. H***** in seinem Gutachten zu nicht stoffgebundenen Süchten wie der Spielsucht gemachten Ausführungen unrichtig seien und beantragte „ die Einsichtnahme in die SV-Gutachten der Akte 20 Cg 19/15b, 26 Cg 92/14f, 26 Cg 10/15y des LG Wr. Neustadt“ sowie die Einvernahme des Klägers . Weiters zitierte der Kläger den Inhalt des Urteils vom 28.9.2015 zu 27 Cg 60/13f des Landesgerichtes Wiener Neustadt. Eine Urkunde wurde mit diesem Schriftsatz nicht vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 15.1.2016 zeigte der Kläger auf, dass sich die gesetzlichen Regelungen zum kleinen Glücksspiel und das verwaltungsbehördliche Verfahren in der Steiermark zu jenen in Wien grundlegend unterscheiden würden, weil in der Steiermark sämtliche Automaten im Bescheid nach Marke, Type, Seriennummer und Nummer des Gutachtens indivdualisiert seien in Wien aber kein konkreter Automat bewilligt werde. Neben der Wiedergabe von Teilen aus verwaltungsrechtlichen Bescheiden legte der Kläger zwei Urkunden vor und beantragte wieder die Parteieneinvernahme.

Wenn der Rekurswerber vermeint, dass die beiden nach der ersten Streitverhandlung eingebrachten Schriftsätze zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, weil es notwendig gewesen sei, auf das von der Beklagten schriftlich erstattete Vorbringen im Sinne einer Waffengleichheit zu reagieren, ist dazu auszuführen, dass die Schriftsätze vom Erstgericht nicht aufgetragen wurden und es nicht ersichtlich ist, warum diese Ausführungen und Anträge nicht in der nachfolgenden Streitverhandlung am 15.3.2016 hätten erstattet bzw gestellt werden können. Zutreffend hat das Erstgericht daher erkannt, dass diese beiden Schriftsätze nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Diese Schriftsätze sind daher nicht zu honorieren (7 Ob 106/07z; 9 Ob 50/08f; Obermaier , Kostenhandbuch 2 Rz 674).

3. Nach Verhandlungsschluss regte die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.6.2016 die Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 194 ZPO mit der Begründung an, dass der Kläger im ehemals vor dem Bezirksgericht Schwechat zu 2 S 70/13h anhängig gewesenen Schuldenregulierungsverfahren die Klagsforderung im Vermögensverzeichnis nicht angeführt habe. Dies sei ein Indiz, dass die Klageforderung nicht bestehen würde. In der Äußerung vom 10.6.2016 wies der Kläger darauf hin, dass der Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfülle und brachte überdies vor, dass dem Erstgericht der Umstand, dass der Kläger die Klagsforderung im Schuldenregulierungsverfahren nicht erwähnt habe, bereits aus dem Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe, bekannt sei.

Die Parteien haben kein Recht auf Wiedereröffnung ( Fucik in Rechberger 4 ZPO § 194 Rz 2). Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Wiedereröffnung kann hier bloß als Anregung gelten (siehe Schragel in Fasching/Konecny 2 II/2 § 194 ZPO Rz 2). Die Parteien haben zudem auch kein Recht auf einen bestimmten Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung, also der Fixierung der Tatsachenbasis, sodass die Gegenpartei vor Entscheidung des Gerichts über die Wiedereröffnung der Verhandlung nicht gehört werden muss (vgl 13 R 147/14d OLG Wien). Eine Stellungnahme zum „Antrag“ auf Wiederöffnung war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, sodass die Kosten dieses Schriftsatzes dem Verfahrenshelfer vom Kläger nicht zu ersetzen sind.

Dem Rekurs war ein Erfolg zu versagen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 4 ZPO) .

Rückverweise