133R37/17i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Bildmarke IR 1169244 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 17.1.2017, IR 331/2014 17 in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin ist Inhaberin dieser internationalen Bildmarke IR 1169244 mit Priorität vom 11.3.2013 (DE 30 2013 021 300.9/30):
Sie ist eingetragen für diese Waren der Klasse:
30 Confectionery, chocolate, chocolate products, pastries, ice-cream, preparations for making the aforementioned products, included in this class.
Mit Wirksamkeit zum 3.6.2016 schränkte die Antragstellerin den Schutzbereich für Österreich auf diese Waren ein (vgl ua Beilage ./7):
30 Confectionery, chocolate, chocolate products, pastries, in particular filled wafers.
Die Antragstellerin brachte zum Zulassungsantrag vor, die Verbraucher seien aufgrund des typischerweise visuellen Arrangements der in Supermärkten in Selbstbedienung angebotenen Warenvielfalt geneigt, Produkte nach ihrer äußeren Verpackung auszuwählen. Die eine Packungsgestaltung visualisierende Marke erfülle Signalfunktion und das schon anhand der farblichen Gestaltung der äußeren Aufmachung; sie sei zudem weder eine abstrakte Farbmarke noch eine reine Formmarke. Die Farbgestaltung sei naturgemäß das einzige Element, das es den Verkehrskreisen ermögliche, die gesuchte Ware auf Distanz zu erkennen. Das Zeichen weiche deutlich von der Norm und der Branchenüblichkeit der Gestaltung der von ihr beanspruchten Waren ab und setze daher einen Interpretationsprozess in Gang. Die Untersuchungsmethode des Patentamts sei zergliedernd und daher unzulässig.
Sie kennzeichne mit der schutzsuchenden Packungsgestaltung ihr seit vielen Jahren bekanntes Produkt KNOPPERS; diese gefüllte Waffelschnitte sei seit 1989 in Österreich im Handel. Die von der IPSOS GmbH im Oktober 2014 durchgeführte repräsentative Umfrage (Anm: Beilage ./1) habe zudem ergeben, dass für 33,2 % der Käufer/Verwender die Marke im Zusammenhang mit gefüllten Waffelschnitten auf einen bestimmten Hersteller hinweise. Der um Fehlzuordnungen bereinigte Kennzeichnungsgrad betrage 34,1 %.
Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt den Schutz in Österreich zur Gänze. Dem Zeichen fehle die nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG erforderliche Unterscheidungskraft, mangle es ihr doch an der für eine Verpackung zu fordernden Abweichung von der Norm oder der Branchenüblichkeit im Bereich der in Betracht zu ziehenden Verpackungsformen; die Marke sei gesamt betrachtet eine Kombination von Gestaltungselementen, die für die Verpackung derartiger Waren typisch sei. Die Produktverpackung sei ein zwingendes Vertriebserfordernis, dem der Verbraucher in erster Linie eine bloße Portionierungsfunktion des Produkts beimesse. Hinzu komme, dass der Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise mit Rücksicht auf den begehrten Schutzumfang gering sei („billige Verzehrprodukte“).
Das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten habe unter Zugrundelegung des im deutschsprachigen Raum etablierten Abfrage- und Bewertungsmodells einen errechenbaren Zuordnungsgrad von unter 29,8 % ergeben. Werde von einer nach der lex artis geleiteten Erstellung eines demoskopischen Gutachtens abgegangen, so müsse sich der für die Verkehrsgeltung beweispflichtige Markeninhaber rechnerische Abzüge gefallen lassen. Umsatzangaben (für die Jahre 2007 bis 2014), der Marktanteil und der Werbeaufwand bezögen sich auf eine durch mehrere Merkmale gekennzeichnete Gestaltung, nämlich nicht nur der schutzsuchenden Verpackung als solcher, sondern auch der Aufschrift KNOPPERS. Rückschlüsse auf eine Verkehrsgeltung des zum Schutz beanspruchten Zeichens könnten daher daraus im Rahmen einer Gesamtschau bezogen auf den Prioritätszeitpunkt nicht abgeleitet werden. Hinzu komme, dass ein etwaiger Verkehrsgeltungsnachweis für „gefüllte Waffeln“ nicht auch eine markenrechtliche Schutzzulassung für sonstige feine Backwaren als vom Schutzbereich erfasster Oberbegriff nach sich ziehe, der ua auch Strudel, Rührkuchen, Dauerbackwaren, Torten oder andere Schokoladewaren erfasse. Ungeachtet dessen liege der Bekanntheitsgrad des Zeichens unterhalb der grundsätzlich zu beachtenden Mindestgrenze von 50 %.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss aus den Rekursgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung erhobene und auf Schutzzulassung für sämtliche beantragten Waren gerichtete Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Zur unrichtigen Beweiswürdigung :
Abweichend vom Aufbau des Rekurses ist zunächst auf die Tatsachenrüge einzugehen, die schon wegen der angestrebten Ersatzfeststellung (Rekurs, S 23)
„[...] die vorgelegten Unterlagen belegen, dass das Zeichen die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG (durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft) erfüllt.“
zeigt, dass die Antragstellerin mit diesen Ausführungen in Wahrheit die rechtlichen Schlussfolgerungen der Rechtsabteilung in Zweifel zieht, die auf dem von der Antragstellerin selbst vorgelegten demoskopischen Gutachten Beilage ./1 beruhen. Die angestrebte Ersatzkonstatierung bildet eine typische Rechtsfolgebehauptung, die nur ausgehend von Tatsachen(feststellungen) getroffen werden kann (dazu etwa RIS-Justiz RS0043586).
Hinzu kommt, dass die Antragstellerin auch keine konkreten Konstatierungen, sondern nur Schlussfolgerungen der Rechtsabteilung kritisiert. Wertungen und Schlussfolgerungen bauen zwar auf Tatsachen auf, sind selbst aber grundsätzlich nicht Gegenstand eines Beweisverfahrens und daher keine Tat , sondern Rechtsfragen (RIS-Justiz RS0111996 [T3]).
Tatsächlich wendet sich der Rekurs auch im Rahmen der geltend gemachte unrichtigen Tatsachenfeststellung daher – offenbar nur vorsichtshalber – gegen die Beurteilung der Fragestellungen und der daraus abgeleiteten – auch prozentuellen – Aussagen dieses demoskopischen Gutachtens, die nicht der Tat-, sondern der Lösung der Rechtsfrage zuzurechnen ist, wie etwa die Kritik verdeutlicht, die Rechtsabteilung habe „[...] keinen Gedanken darauf [verwendet], die Kernaussagen der Verkehrsumfrage im Gesamtkontext rechtlich zu werten“ (Rekurs, S 22). Dem Tatsachenbereich zuzurechnen sind aber nur die gestellten Fragen und die dabei ermittelten Prozentsätze. Die darauf aufbauende Beurteilung nach § 4 Abs 2 MSchG ist hingegen bereits der Rechtsanwendung zuzurechnen.
Dass die Antragstellerin selbst dieser Rechtsansicht ist, macht auch der mit „Verkehrsgeltung als Rechtsfrage“ überschriebene Rekursvortrag in Punkt 2.1 deutlich.
Wie und von wem die Frage 8 dieses Gutachtens beantwortet wurde, hat die Rechtsabteilung im Amtsschreiben vom 2.9.2016 (ON 14), auf das der angefochtene Beschluss verweist, festgestellt; wie diese Ergebnisse zu beurteilen sind (und ob und wer allenfalls aus dem Beurteilungsschema auszuscheiden ist), betrifft anders gewendet hingegen die Rechtsebene, weil Umfragen, die zum Nachweis der Verkehrsgeltung eines Unternehmenskennzeichens durchgeführt werden, den Bekanntheitsgrad nicht zu umfassen brauchen (RIS-Justiz RS0079040).
Die allein auf diese Aspekte fokussierten Ausführungen im Rahmen der Beweisrüge sind somit (weitere) dislozierte Ausführungen zur Rechtsrüge und daher unter diesem Rekursgrund zu behandeln (RIS-Justiz RS0041851 [T8]; RS0111425).
2. Zur Rechtsrüge :
2.1. Rechtsfolge der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf vorgenommenen Registrierung einer internationalen Marke ist grundsätzlich, dass sie in jedem Vertragsstaat (auf den sich der Schutz erstreckt, vgl Art 3 bis Abs 1 MMA und Art 3 ter PMMA) so geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar hinterlegt (eingetragen) worden wäre (Art 4 Abs 1 S 1 MMA, Art 4 Abs 1 lit a S 1 PMMA; Koppensteiner, Markenrecht 4 243; 4 Ob 128/03g; Om 4/10).
2.2. Die Behörde eines Verbandslandes, der eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung prüfen, sie ist bei der Prüfung allerdings gemäß Art 5 MMA/PMMA auf die in Art 6 quinquies Teil B Z 2 der PVÜ genannten Gründe beschränkt ( Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 2 Rz 84 f).
2.3. Im Fall der Versagung des Schutzes einer internationalen Marke durch das österreichische Patentamt hat der Antragsteller dieselben Rechtsmittel, die er hätte, wäre ein Eintragungsantrag im Schutzverweigerungsland gestellt worden, er kann dagegen also auch mit Rekurs nach § 37 MSchG vorgehen (Koppensteiner, Markenrecht 4 243 mwH; Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 2 Rz 101).
3. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
3.1. Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).
Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
3.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, Oxi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
3.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).
Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5; vgl zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).
3.4. Diese Grundsätze gelten auch für Formmarken (C 344/10 P, Freixenet; 4 Ob 239/04g mwN; RIS-Justiz RS0079038 [T4]; OLG Wien 34 R 122/15h, Joghurtbecher = ÖBl 2016/30, 125 [Pöchhacker/Riede]; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 280; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 186 f). Bei der Beurteilung ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter von der Formmarke gewinnt; eine Zergliederung in schutzfähige und schutzunfähige Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08f, Roter Koffer; 17 Ob 30/11b, Goldhase VI; RIS-Justiz RS0119660). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten der betreffenden Warenart (C 342/97, Lloyd/Lloint’s, Rn 26 mwN; 17 Ob 15/07s; RIS-Justiz RS0117324).
3.5. Auch bei reinen Bildmarken kommt es auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise an; einfachen geometrischen Figuren, Emoticons oder Satzzeichen kommt in der Regel keine Unterscheidungskraft zu (mit zahlreichen Beispielen Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 123 ff; OLG Wien 34 R 17/14s, Wollsiegel ).
4. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die originäre Unterscheidungskraft abzusprechen.
4.1. Zunächst kann im Hinblick auf die sich in Relation zum Vorbringen in erster Instanz wiederholende Argumentation im Rekurs auf die sich damit bereits vertieft auseinander setzende und zutreffende Begründung des Patentamts verwiesen werden, wonach dem Zeichen abseits der Frage der Benutzung keine Unterscheidungskraft zukommt (§ 39 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).
4.2. Bereits die Rechtsabteilung hat ihrer Begründung zugrundegelegt, dass das Zeichen weder eine reine Farb- noch eine reine Formmarke ist. Allerdings hat sie im bereits zitierten und über den ausdrücklichen Verweis im angefochtenen Beschluss zum Gegenstand der Nachprüfung durch das Rekursgericht gemachten Amtsschreiben vom 2.9.2016 (ON 14, S 2 f) zutreffend und unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung ausgeführt, warum das schutzsuchende Zeichen nach dem Gesamteindruck, der auch die (zum Teil isolierte) Betrachtung der einzelnen Gestaltungsmerkmale geradezu voraussetzt, weder von der Norm noch vom Branchenüblichen erheblich abweicht.
Das Rekursgericht teilt ungeachtet des dagegen gewendeten Rekursvortrags die Rechtsauffassung des Patentamts, wonach das Zeichen sowohl nach den Kriterien einer reinen Farb- als auch einer Formmarke in kombinierter Weise zu prüfen ist: Denn einerseits beansprucht die Antragstellerin in Wahrheit nicht Schutzgewährung für ein reines Bild, sondern – wie sie mehrfach selbst betont (s etwa die Überschrift im Rekurs, Punkt 1.1 „Konkrete Packungsgestaltung“ ) und was für die angesprochenen Verkehrskreise auch ohne Weiteres und ohne Umschweife erkennbar ist –, für eine spezifische Verpackung in aus ihrer Sicht vom Gewöhnlichen abweichender farblicher Gestaltung. Der Begriff der Verpackung erfordert also ungeachtet der begehrten Schutzzulassung denklogisch eine Bezugnahme auf alle drei Dimensionen.
4.3. Dass (dem Schutzumfang auch hier zugrunde liegende) Süßwaren im gesamten Lebensmittelhandel, vom Geschäft um die Ecke bis hin zu Supermärkten, aber auch an Kiosken oder in Konditoreien, Süßwarengeschäften und auch in Kaffeehäusern angeboten werden, hat das Rekursgericht in einem insoweit vergleichbaren Schutzgewährungsverfahren bereits ausgesprochen (OLG Wien, 34 R 61/16i, Schokopraline [Formmarke]); daran ist festzuhalten.
Beteiligte Verkehrskreise sind somit alle Interessenten oder Abnehmer der beantragten Waren, also nicht nur der Fachkreis der damit befassten Händler, sondern gerade und in erster Linie auch der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (vgl RIS-Justiz RS0079038).
Dass bei den beanspruchten Süßwaren der Warenklasse 30, die zwar nicht unbedingt zum Bedarf des täglichen Lebens gehören, aber dennoch häufig betrachtet und auch erworben werden, die Aufmerksamkeit eher gering ist, hat das Patentamt im Rahmen der erforderlichen prognostizierenden Betrachtungsweise bereits überzeugend begründet.
4.4. Auch für Bildmarken gilt für die Beurteilung der Unterscheidungskraft wie gesagt nichts Anderes als für sonstige Marken: Auch sie müssen als unternehmerischer Herkunftshinweis taugen (s bereits oben Punkt 3.7.; Jan Schumacher in Kur/v. Bromhard/Albrecht, Markenrecht § 8 MarkenG Rz 388 mwN der Rsp des BGH; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 268). Das beanspruchte Zeichen muss sich also dazu eignen, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Produkte eines bestimmten Unternehmens gegenüber den Produkten anderer Unternehmer aufgefasst zu werden.
Nach dem EuGH ist gerade bei einer Bildmarke wie bei der Prüfung dreidimensionaler Marken als Kriterium der Unterscheidungskraft zu fordern, dass sie erheblich von der Branchennorm oder -üblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann. Dies ist nur der Fall, wenn die Marke aus einem Bild besteht, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist (zB C 546/10 P, Gitarrenkopf, Rz 54 und 58 mwN; C 25/05 P, Storck, Rz 29; jüngst C 417/16 P vom 4.5.2017, Storck [Knoppers], Rz 36; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 129).
Die im Rekurs angesprochene Frage der allenfalls durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft und des „markenbewussten“ Kaufverhaltens (Punkte 1.4, letzter Absatz, und 1.5) ist für die Prüfung der davon losgelösten eigentlichen Unterscheidungskraft irrelevant.
4.5. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Rechtsabteilung bereits im (vom angefochtenen Beschluss mittels der für das Patentamt typischen Verweisungstechnik erfassten) Amtsschreiben vom 28.7.2014 (ON 3) empirisch nachgewiesen, dass in Österreich im Bereich von Süß- und Backwaren sowohl (mehr oder weniger) quaderförmige Grundformen und das Produkt umschließende Verpackungen mit zacken- oder wellenförmigen Schweiß- oder Klebenähten ebenso marktüblich sind wie eine (Anm: annähernd) diagonal verlaufende Teilung der Produktverpackung( soberseite) und dabei wiederum eine Verwendung der Farben Weiß und Blau (ON 3, S 3 f und [wiederholend] ON 14). Diesem Befund hält der Rekurs (weder in der Rechts- noch in der Beweisrüge) nichts Stichhaltiges entgegen.
Diese Beurteilungskriterien decken sich mit jenen des EuGH in concreto , der die Schutzfähigkeit der auch hier schutzsuchenden Marke mit den im Wesentlichen gleichgerichteten Argumenten ebenfalls verneint hat; vgl C 417/16 P, Storck [Knoppers], Rz 40: „Such considerations are clearly transposable to two-dimensional marks [...].“
4.6. Der Marke fehlt jede prägnante und außergewöhnliche Ausgestaltung, die gegenüber den gängigen Gestaltungsformen von Süßwarenverpackungen als auffallend, eigentümlich oder originell angesehen werden könnte und ihr die Fähigkeit verleihen würde, erkennbar aus dem vorhandenen und geläufigen Kreationsschatz herauszustechen, um allein auf Grund der Verpackungsweise als Produkt eines bestimmten Unternehmens und nicht als beliebige Verpackung erkannt werden zu können (BGH I ZB 88/07, ROCHER-Kugel; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 133 mwN).
4.7. Auf das weitere, va in erster Instanz betonte Argument der Antragstellerin, die nationale Schutzzulassung für andere, angeblich vergleichbare internationale Marken sei erfolgt, ist nicht einzugehen, weil eine präjudizielle Bindung zu verneinen ist (RIS-Justiz RS0125405 [Patent]; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).
Dass außerdem die Eintragungsfähigkeit selbst ein- und derselben internationalen Marke unterschiedlich beurteilt werden kann, ist im Madrider System grundgelegt; die Gewährung oder die Verweigerung von Schutz in anderen Staaten kann daher im nationalen Verfahren nur nach Maßgabe der Überzeugungskraft der jeweiligen Gründe berücksichtigt werden (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS) .
Der Schutzgewährung steht daher der Ausschließungsgrund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG entgegen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG erfüllt sind:
5.1. Die dabei verlangte Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise im Zeichen einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblickt (C 215/14, Kitkat, Rn 58 ff; siehe auch C 108/97, Chiemsee, Rn 46; C 299/99, Philips/Remington, Rn 61; C 353/03, Nestlé/Mars, Rn 30; RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k, Autobelehnung; 4 Ob 12/05a, Vital Ressort; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Entscheidend ist mit anderen Worten, ob die Marke geeignet ist, die damit bezeichnete Ware (oder Dienstleistung) einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen. Ist das Zeichen als solches – etwa wegen seines beschreibenden Charakters – nicht unterscheidungskräftig, muss seine Benutzung dazu geführt haben, dass „die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil dieser Kreise“ die Ware oder Dienstleistung durch das Zeichen „als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen“ (C 108/97, Chiemsee, Rn 52; C 299/99, Philips/Remington, Rn 61).
5.2. Dem entspricht die österreichische Rechtsprechung, wonach die Verkehrsgeltung sowohl personen- als auch produktbezogen sein muss (RIS-Justiz RS0113084):
Sie begründet die Eintragungsfähigkeit nur für denjenigen, zu dessen Gunsten sie erworben wurde, und sie muss für die Waren oder Dienstleistungen bestehen, für die die Eintragung der Marke beantragt wird (4 Ob 325/99v = ÖBl 2000, 175, Manpower ). Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung einen Hinweis auf einen bestimmten Rechtsträger, ein bestimmtes Unternehmen erblickt (RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k, Autobelehnung; 4 Ob 12/05a, Vital Ressort ). Sie muss bei der Anmeldung bzw im Prioritätszeitpunkt, hier aber zum Zeitpunkt der Schutzausdehnung gegeben sein (Mutz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 337; OLG Wien 34 R 61/16i, Schokopraline ).
An den Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist (RIS-Justiz RS0078807). Der BGH vertritt – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Chiemsee- Entscheidung – die Ansicht, dass bei „glatt“ beschreibenden Zeichen eine „nahezu einhellige Verkehrsbekanntheit“ erforderlich sei (I ZR 257/00, Kinder; zustimmend 4 Ob 38/06a, Shopping City; weiterführend Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 342).
5.3. Die Frage, ob eine bestimmte Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat und ob diese auch noch im gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht besteht, oder ob eine etwa ursprünglich vorhandene Kennzeichnungskraft im Laufe der Zeit verloren gegangen ist, ist eine Rechtsfrage, die auf Grund der hiefür in Betracht kommenden tatsächlichen Grundlagen zu lösen ist (RIS-Justiz RS0043586; RS0043668; zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo; dazu bereits oben unter Punkt 1. [Tatsachenrüge]).
5.4. Die Rechtsabteilung hat auf Grund der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen, namentlich der Befragung Beilage ./1, in rechtlicher Hinsicht gefolgert, dass der „errechenbare Zuordnungsgrad unter 28,9 % liegt“ (BS 3). Der Kern des Vorbringens zur Rechtsrüge kritisiert die Frage der Be- und Auswertung des demoskopischen Gutachtens und übersieht dabei jedoch, dass es für die Frage der Verkehrsbekanntheit und ihre Relevanz nicht auf bloße Prozentzahlen ankommt, sondern auch darauf, ob dieses Gutachten angesichts seiner Fragestellung überhaupt dazu taugt, die Verkehrsdurchsetzung für den gesamten beanspruchten Schutzumfang zu belegen.
Dabei ist vorweg zu beachten, dass nach der noch offen formulierten Frage 1 bereits Frage 2 auf die Gestaltung „[...] einer Verpackung in Zusammenhang mit gefüllten Waffelschnitten [...]“ (Hervorhebung durch das Rekursgericht) abstellt. Zu dieser Fragestellung ist aber der (eingeschränkte) Schutzumfang in Beziehung zu setzen, der ins Deutsche übersetzt „Süßwaren, Schokolade, Schokoladenerzeugnisse, Gebäck, insbesondere gefüllte Waffeln“ lautet.
Wie die Rechtsabteilung zutreffend und detailliert aufgezeigt hat (durch Verweis auf das Amtsschreiben vom 2.9.2016, ON 14; § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500a ZPO, mit dem der Antragstellerin ausreichend rechtliches Gehör gewährt wurde) sind daher die abgefragten gefüllten „Waffelschnitten“ – trotz der während des Verfahrens erfolgten Einschränkung für Österreich – nur eine Teilmenge des relevanten Schutzbereichs, der aber arg e contrario bei weitem über „gefüllte Waffeln“ hinausgeht.
Zu diesem Argument verweist der Rekurs nur auf BGH I ZB 22/04 vom 25.10.2007 = GRUR 2008, 510, Milchschnitte (vgl auch Schneider in Kur/v. Bomhard/Albrecht, MarkenG § 8 Rz 880). In dieser Entscheidung hatte der BGH zu beurteilen, ob ein Verkehrsgeltungsnachweis für „Milchcreme-Schnitten“ den Erhalt einer Marke rechtfertigt, die für „Dauer und Feinbackwaren, nämlich Fertigkuchen“ eingetragen ist. Er kam zum Ergebnis (Rz 32), dass „Fertigkuchen“ kein „weiter Oberbegriff“ für „Milchcreme-Schnitten“ sei, sondern einen hinreichend engen Bezug dazu habe.
Das Rekursgericht hält diese Überlegungen für plausibel und legt sie auf den vorliegenden Fall um. Dabei ergibt sich, dass zwischen „Confectionery, chocolate, chocolate products, pastries, in particular filled wafers – Süßwaren, Schokolade, Schokoladenerzeugnisse, Gebäck, insbesondere gefüllte Waffeln“ und „gefüllte Waffelschnitten“ ein entscheidend größerer Abstand besteht und die Teilmenge „gefüllte Waffelschnitten“ quantitativ sehr stark von der Gesamtmenge „Süßwaren, Schokolade, Schokoladenerzeugnisse, Gebäck, insbesondere gefüllte Waffeln“ abweicht. Der Unterschied wird auch durch die Wörter „nämlich ...“ (BGH) und „insbesondere ...“ (vorliegend) deutlich.
Ein allfälliger Verkehrsgeltungsnachweis für „gefüllte Waffelschnitten“ könnte daher nicht als Argument für die Schutzgewährung im begehrten Umfang dienen.
5.5. Das Rekursgericht sieht im konkreten Fall auch keine Möglichkeit, nur einen Teil (quasi als minus ) in Bezug auf die Verkehrsgeltung zu prüfen und allenfalls eine Teilentscheidung zu treffen, weil dem der konkret formulierte Antrag entgegensteht. Durch die Verknüpfung mit „insbesondere“ („in particular“) bringt die Antragstellerin zum Ausdruck, dass sie die „gefüllten Waffeln“ („filled wafers“) nicht isoliert eintragen lassen will, sondern dass dieser Begriff nur als Beispiel für das begehrte Ganze dient.
Die Unschärfe, die sich im vorliegenden Fall daraus ergibt, dass offen bleiben kann, ob das „insbesondere“ nur am „Gebäck“ („pastries“) verankert ist oder am ganzen Text (ab „Süßwaren, ...“; „Confecitoniery, ...“ ), schadet hier deshalb nicht, weil in beiden Lesarten der Unterschied zwischen Gesamt- und Teilmenge zu groß ist (vgl oben Punkt 5.4; siehe auch EuG 6.4.2017, T-39/16).
5.6 Unter diesen Umständen kann eine vertiefte Auseinandersetzung mit den weiteren Argumenten der Antragstellerin zur Frage der rechtlichen Gewichtung der Ergebnisse des Gutachtens Beilage ./1 unterbleiben, weil das Rekursgericht nicht die nur abstrakte Frage zu beantworten hat, ob der im Rekurs abgeleitete Zuordnungsgrad von 34,1 % (gegenüber dem schon erwähnten, von der Rechtsabteilung ermittelten Wert) ausreicht (s dazu aber etwa verallgemeinernd OLG Wien 34 R 61/16i, Schokopraline, mwN).
5.7. Der Antragstellerin ist es mit anderen Worten nicht gelungen, den Nachweis der Verkehrsgeltung (auch nur) in Bezug auf den gesamten, nach der Einschränkung noch relevanten – aber in diesem Ausmaß uneingeschränkt begehrten – Schutzumfang unter Beweis zu stellen. Auf Fragen, von denen die Lösung des konkreten Falls nicht abhängt, muss nicht eingegangen werden (vgl RIS-Justiz RS0088931 [insb T7]).
Das Patentamt hat daher der Marke mit Recht den nationalen Schutz verweigert.
6. Ob eine Marke originäre Unterscheidungskraft besitzt, ist genauso eine Frage des Einzelfalls (für die markenrechtliche Verwechslungsgefahr RIS-Justiz RS0111880) wie die Frage der Verkehrsgeltung (RIS-Justiz RS0078807).
Da die Entscheidung damit keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
7. In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.
[Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs am 21.11.2017 zurück, 4 Ob 203/17g.].