JudikaturOLG Wien

133R51/17y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. August 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Schober und Dr. Terlitza in der Rechtssache der klagenden Parteien ***** gegen die beklagte Partei ***** wegen EUR 119.878,06 über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24.3.2017, 25 Cg 29/12y 118, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Punkt 1 der angefochtenen Entscheidung wird ersatzlos aufgehoben.

Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung wird dahin geändert, dass die Gebühren des Sachverständigen D***** mit EUR 300,-- inkl 20 % USt bestimmt werden.

Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung wird dahin geändert, dass die Gebühren des Sachverständigen I***** mit EUR 190,-- inkl 20 % USt bestimmt werden.

Die Auszahlungsanordnungen an die Buchhaltungsagentur des Bundes hat das Erstgericht zu treffen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die Rekurskosten von EUR 252,50 zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

1. Die Kläger machten als Käufer einer Eigentumswohnung Gewährleistungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Zuletzt begehrten sie EUR 119.878,06.

2. Nachdem das Berufungsgericht ein Urteil des Erstgerichts vom 20.2.2016 (ON 82) am 21.7.2016 aufgehoben hatte (34 R 48/16b), bestellte das Erstgericht mit Beschluss vom 13.10.2016 D***** und I***** zu Sachverständigen.

Mit Beschluss vom 2.11.2016 (ON 108), mit dem es auch eine schon vor Schluss der Verhandlung erster Instanz im ersten Rechtsgang erklärte Klagseinschränkung (ON 72) zur Kenntnis nahm, modifizierte das Erstgericht den Auftrag an den Sachverständigen D***** und eliminierte einen Teil des Gutachtensauftrags.

Mit Schriftsatz vom 18.1.2017, ON 110, informierten die Streitteile das Gericht darüber, dass sie das Ruhen des Verfahrens vereinbart hätten. Das Erstgericht forderte vom Sachverständigen D***** den Akt zurück und informierte ihn darüber, dass das Verfahren ruhe.

Die Sachverständigen wurde aufgefordert, die Gebührennote zu legen und weitere Arbeiten zu unterlassen.

3.1 Der Sachverständige D***** übermittelte eine Gebührennote vom 26.1.2017, die unter anderem auch 5 Stunden für Mühewaltung zu je EUR 140,-- pro Stunde enthält.

Dazu äußerte sich die Kläger und trugen vor (ON 113), dass sie den Sachverständigen bereits am 14.12.2016 über die unmittelbar bevorstehende Einigung mit der Beklagten informiert hätten. Am 28.11.2016 hätte er schriftlich bestätigt, dass keine Schritte gesetzt würden. Am 14.12.2016 hätte der Sachverständige dies noch einmal bestätigt. Daraus leiteten die Kläger ab, dass dem Sachverständigen keine Gebühren für Mühewaltung zustünden.

Die in der Gebührennote erwähnte „Erörterung der Durchführung der Befundung mit Herrn SV I*****, sowie die Vorbereitung und Planung“ könne nicht angefallen sein, weil der Sachverständige am 31.10.2016 schriftlich mitgeteilt habe, dass er eine Zusammenlegung mit Besichtigungsterminen zu anderen Befundaufnahmen des zweiten Sachverständigen nicht für zweckdienlich halte.

Dieser Äußerung legten die Kläger eine Korrespondenz zwischen dem Klagevertreter und dem Sachverständigen bei. Darunter findet sich ein Schreiben der Klagevertreter vom 28.11.2016 an den Sachverständigen, wonach Gespräche zwischen den Streitteilen so weit fortgeschritten seien, dass in den nächsten Tagen mit einer außergerichtlichen Einigung gerechnet werden könne. Angeschlossen ist eine Antwort des Sachverständigen vom selben Tag: „Es werden keine weiteren Schritte gesetzt bis zum Zeitpunkt weiterer Informationen Ihrerseits.“

3.2 I***** legte eine Gebührennote, die unter anderem für Mühewaltung im Ausmaß von 4 Stunden zu je EUR 155,-- einen Nettobetrag von EUR 620,-- enthält.

Die Kläger sprachen sich auch gegen den Zuspruch dieser Gebühren für Mühewaltung aus und trugen dazu vor, der Sachverständige hätte ihnen gegenüber erklärt, diese Mühewaltung sei bei „Erhebungen bei den im Gerichtsakt angeführten Firmen ***** und *****“ entstanden, was nicht zutreffen könne, weil der Sachverständige die behaupteten Mängel an der Solaranlage und bei den Spülkästen noch gar nicht befundet habe.

Die Einwendungen der Kläger beantwortete I***** mit dem Hinweis darauf, dass die Angaben der Kläger zu den Mängeln völlig unklar gewesen seien und nur aus den Angaben über die Kosten der Ersatzvornahmen und über die Ausführungsfirmen bestanden hätten. Daher sei es zur Vorbereitung einer Befundaufnahme unerlässlich gewesen, genauere Angaben über die zu behebenden oder behobenen Mängel zu erhalten.

4.1 Mit dem nun angefochtenen Beschluss (Punkte 2 und 3) bestimmte das Erstgericht die Gebühren der Sachverständigen jeweils in der beantragten Höhe. [...] Zur Begründung des Zuspruchs von Mühewaltung führte das Erstgericht aus, dass D***** mit Gerichtsnote vom 19.1.2017 verständigt worden sei, dass vorerst weitere Arbeiten zu unterbleiben hätten. In seiner Stellungnahme vom 20.3.2017 habe er mitgeteilt, unter anderem die notwendigen Vorbereitungen zur Befundaufnahme am 11.1.2017 erledigt und den Akt studiert zu haben, insbesondere durch Einsicht in Beilagen.

I***** habe erklärt, dass zur Vorbereitung einer Befundaufnahme genauere Angaben über die Mängel von den Ausführungsfirmen einzuholen gewesen wären.

4.2 Der Gebührenbestimmung stellte das Erstgericht eine weitere Entscheidung voran, mit der es dem Klagevertreter Mag. ***** „bei sonstigen gesetzlichen Folgen“ auftrug, jedwede Weisung an einen der vom Gericht bestellten Sachverständigen zu unterlassen (Punkt 1 des Spruchs der angefochtenen Entscheidung).

Dazu führte das Erstgericht begründend aus, der Klagevertreter irre, wenn er meine, dass er alleine oder im Zusammenwirken mit dem Beklagtenvertreter befugt sei, einem gerichtlich bestellten Sachverständigen irgendwelche Weisungen zu erteilen. Die Parteien hätten dem Gericht einfaches Ruhen des Verfahrens mit Schriftsatz vom 18.1.2017 angezeigt. Die Kläger hätten sich mit der Begründung gegen eine Gebührenbestimmung ausgesprochen, dass sie am 14.12.2016 dem Sachverständigen D***** mitgeteilt hätten, keine Schritte zu setzen und dass Erhebungen der beiden Sachverständigen unnötig seien.

Daraus lässt sich für das Rekursgericht erschließen, dass das Erstgericht in dieser Mitteilung an die Sachverständigen jene Weisung sieht, die das Erstgericht zum Unterlassungsgebot an den Klagevertreter veranlasste.

5. Gegen dieses Unterlassungsgebot sowie jeweils gegen den Zuspruch von Gebühren für Mühewaltung richtet sich der Rekurs der Kläger. Sie beantragen, Punkt 1 des Beschlusses aufzuheben und die Gebühren des Sachverständigen D***** mit EUR 326,40, jene des Sachverständigen I***** mit EUR 4,80 zu bestimmen. In eventu stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte sowie I***** beteiligten sich nicht am Rekursverfahren. D***** beantwortete den Rekurs und stellte den Antrag, die Gebühren im vollen Umfang zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

6.1 Unabhängig von der Frage, ob Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses eine prozessleitende Verfügung ist, fehlt der ZPO eine Norm, wonach diese Entscheidung unanfechtbar wäre. Selbst wenn dagegen nur der aufgeschobene Rekurs zustünde, hätten die Kläger das Rechtsmittel mit dem nächsten zulässigen Rechtsmittel verbunden, nämlich mit der Anfechtung der Entscheidung über die Sachverständigengebühren.

6.2 Dem Unterlassungsgebot laut Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses fehlt eine gesetzliche Grundlage. Das Gericht hat zwar im Rahmen der Sitzungspolizei gewisse Möglichkeiten, auf das Verhalten der Parteienvertreter einzuwirken; darüber hinaus gehende Befugnisse, Verhaltensanordnungen zu treffen, bestehen nicht.

Das Rekursgericht vollzieht auch den Begriff „Weisung“ nicht nach, wenn ein Sachverständiger darüber informiert wird, dass eine Einigung zwischen den Parteien bevorsteht.

Dieser Teil der Entscheidung war ersatzlos aufzuheben.

7.1 Zur Gebühr des Sachverständigen D*****:

Dieser hat in seiner Stellungnahme zu den Einwendungen der Kläger (ON 117) erläutert, er habe am 31.10.2016 ein Schreiben an den Klagevertreter gerichtet und am 7.11.2016 eine Antwort darauf bekommen. Am 28.11.2016 sowie am 14.12.2016 hätte er weitere Hinweise über den bevorstehenden Vergleich bekommen. Seine erste Leistung habe er einige Tage nach dem Aktenerhalt erbracht, nämlich mit dem Sachverständigen I***** die Durchführung der Befundung erörtert. Danach habe er nur mehr zwei weitere Schreiben per E Mail beantwortet. Zum Jahreswechsel habe er dem Gericht kurz über den Schriftwechsel berichtet.

In diesem Fall kann das Rekursgericht für jene Zeit, bevor der Sachverständige über eine bevorstehende Einigung der Streitteile informiert wurde, nur eine Mühewaltung von einer Stunde nachvollziehen.

7.2 Zu den Gebühren für die Mühewaltung des Sachverständigen I*****:

Aus seiner Äußerung zu den Einwendungen der Kläger lässt sich nicht ableiten, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem konkreten Aufwand diese Informationen eingeholt wurden und welchen Umfang diese Informationen hatten. Im angefochtenen Beschluss führt das Erstgericht dazu nur aus, dass zur Vorbereitung einer Befundaufnahme genauere Angaben über die Mängel von den Ausführungsfirmen einzuholen gewesen seien.

Die Gebühr für Mühewaltung nach § 34 GebAG steht für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens zu. Wenn weder das eine noch das andere stattgefunden hat, können derartige Gebühren nur ausnahmsweise zugesprochen werden, etwa wenn ordnende, stoffsammelnde, konzeptive oder ausarbeitende Vorbereitungshandlungen erforderlich waren.

Im konkreten Fall ist dafür ein Aufwand von 4 Stunden nicht nachvollziehbar, zumal auch der Sachverständige selbst darüber keine näheren Angaben macht.

Im Ergebnis sind somit die Kläger mit ihrem Rekursvortrag mit der Einschränkung im Recht, dass dem Sachverständigen zuzugestehen ist, zur Vorbereitung auf eine Befundaufnahme eine Stunde aufgewendet zu haben.

7.3 Daraus folgt, dass die Gebühren des Sachverständigen I***** um die Kosten von 3 Stunden Mühewaltung zuzüglich USt und die Gebühr des Sachverständigen D***** um die Kosten von 4 Stunden Mühewaltung zuzüglich USt zu reduzieren sind.

8.1 § 528 Abs 2 Z 5 ZPO schließt den weiteren Rechtszug in Bezug auf die Sachverständigengebühren aus. Der Revisionsrekurs gegen die Aufhebung von Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses ist unzulässig, weil der Rekurswerber keine Beschwer hätte.

8.2 Da sich der Rekurs nicht ausschließlich gegen eine Entscheidung richtet, mit der die Gebühren von Sachverständigen bestimmt wurden, ist die Ausnahmebestimmung des § 8a JN nicht anzuwenden und ein Senat zur Rekursentscheidung berufen (vgl dazu Mayr in Rechberger 4 § 8a JN Rz 2; Ballon in Fasching/Konecny 3 §§ 8, 8a JN, Rz 8/2).

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Da sich der Rekurs nicht nur gegen die Gebührenbestimmung richtet, ist § 41 Abs 4 letzter Satz GebAG über den Ausschluss von Kostenersatz nicht anzuwenden. Den Klägern stehen allerdings wegen des Ruhens des Verfahrens die Rekurskosten nur auf der Basis des Nebengebührenstreitwerts nach § 11 Abs 4 lit b (und nicht, wie verzeichnet, nach lit a) RATG zu.

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