133R52/17w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des (teilweisen) Widerspruchs gegen die Schutzgewährung der internationalen Marke IR 1213067 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 30.11.2016, IR 921/2014/W1-15, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit der Rekursbeantwortung vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen.
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidung des Patentamts wird so geändert, dass sie lautet:
«Dem Widerspruch wird teilweise stattgegeben.
Der Schutz der Internationalen Marke IR 1213067 wird in Österreich mit Wirksamkeit zum Zeitpunkt ihrer Registrierung hinsichtlich aller Waren der Klasse 9 und hinsichtlich folgender Waren der Klasse 25 versagt:
Clothing, including sportswear and leisurewear; bathing suits and beachwear, children‘s clothing, clothes for newborn babies; playsuits; sweatbands [deutsch: Bekleidungsstücke, nämlich Sport- und Freizeitbekleidung, Bade- und Strandbekleidungsstücke, Kinderbekleidung, Bekleidungserstausstattung für Babys; Spielanzüge; Schweißbänder].
Die internationale Marke IR 1213067 wird nur für folgende Waren in Klasse 25 zum Schutz in Österreich zugelassen:
Tracksuits, gym shorts and shirts, football shorts and shirts, tennis shorts and shirts, swimming trunks and swimsuits, including bikinis; corsetry, underwear; shoes, footwear and boots, including shoes and boots for sports and leisure; belts (clothing); stockings, tights, socks; costumes; gloves for cross-country skiing and cycling [deutsch: Trainingsanzüge, Turnhosen und -trikots, Fußballhosen und -trikots, Tennisshorts und -hemden, Badehosen und -anzüge, einschließlich Bikinis, Miederwaren, Leibwäsche; Schuhe, Schuhwaren und Stiefel, einschließlich Sport- und Freizeitschuhe; Gürtel (Bekleidung); Strümpfe, Strumpfhosen, Socken; Kostüme, Handschuhe für Schilanglauf und Radfahren]. »
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
Die Antragstellerin beruft sich auf ihre Unionsmarke EUTM 1286301 (Widerspruchsmarke) mit dem Registrierungsdatum 23.3.2001:
und auf die nachstehenden, dafür eingetragenen Waren der Klassen:
9 Brillen, einschließlich Sonnenbrillen und Modebrillen;
14 Schmuck und Modeschmuck, einschließlich Ketten und Kettchen, insbesondere Hals-, Arm-, Fuß- und Bikinikettchen, Kettenanhänger, Ohrenschmuck, insbesondere Ohrstecker, Ohrclipse, Kreolen, Krawattennadeln, Schalclipse, Manschettenknöpfe, Broschen, Fingerringe, Armreifen, alle vorgenannten Waren insbesondere aus Silber, unedlen Metallen, Kunststoff, Textil, Leder, Gummi, Glas, Straß, oder einer Kombination dieser Materialien; Uhren und deren Zubehör, soweit in Klasse 14 enthalten, insbesondere Armbanduhren, Taschenuhren, Uhrenbänder, Uhrengehäuse, Uhrenketten und Uhrenanhänger; Schlüsselanhänger;
25 Halstücher, Schals, Stolen, Boas.
Sie widersprach der Schutzgewährung der internationalen Wortmarke IR 1213067 (angegriffene Marke) mit dem Registrierungsdatum 21.8.2014:
sixx – das will ich auch
(letztlich) in Bezug auf die Waren der Klassen:
9 optical devices and instruments, included in this class, in particular spectacles lenses, spectacle frames; spectacle cases;
[auf Deutsch: optische Geräte und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten, nämlich Brillen, Gläser, Brillenfassungen; Brillenetuis;]
25 Clothing, including sportswear and leisurewear; tracksuits, gym shorts and shirts, football shorts and shirts, tennis shorts and shirts , bathing suits and beachwear, swimming trunks and swimsuits, including bikinis; corsetry, underwear ; children's clothing, clothes for newborn babies; playsuits; shoes, footwear and boots, including shoes and boots for sports and leisure; belts (clothing); stockings, tights, socks ; sweatbands; costumes; gloves for cross-country skiing and cycling .
[auf Deutsch: Bekleidungsstücke, nämlich Sport- und Freizeitbekleidung, Trainingsanzüge, Turnhosen und -trikots, Fußballhosen und -trikots, Tennisshorts und -hemden , Bade- und Strandbekleidungsstücke, Badehosen und -anzüge, einschließlich Bikinis, Miederwaren, Leibwäsche ; Kinderbekleidung, Bekleidungserstausstattung für Babys, Spielanzüge; Schuhe, Schuhwaren und Stiefel, einschließlich Sport- und Freizeitschuhe; Gürtel (Bekleidung); Strümpfe, Strumpfhosen, Socken ; Schweißbänder; Kostüme, Handschuhe für Schilanglauf und Radfahren .]
(Zur besseren Übersichtlichkeit sind jene Waren durch Fettdruck hervorgehoben, für die nach dieser Entscheidung der Schutz gewährt wird.)
Die angegriffene Marke sei in diesem Teilbereich wegen der Warenidentität und/oder -ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke verwechselbar.
Die Antragsgegnerin bestritt das Vorliegen der Verwechslungsgefahr mit der wesentlichen Begründung, die Waren der Widerspruchsmarke seien nicht ähnlich mit den ihren. Im Übrigen sei die ernsthafte und kennzeichnungsmäßige Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft bescheinigt worden.
Das Patentamt gab mit der angefochtenen Entscheidung dem (teilweisen) Widerspruch mit der wesentlichen Begründung statt, dass zwischen dem den Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägenden Bestandteil „sixx“ und der Widerspruchsmarke „SIX“ sowohl in bildlicher als auch klanglicher – und geht man von einer Verballhornung aus – allenfalls auch in begrifflicher Hinsicht eine Zeichenähnlichkeit vorliege. Die Warenklassen 9 und 25 der Widerspruchsmarke seien teilweise ident oder hochgradig ähnlich und teilweise durchschnittlich ähnlich zu sämtlichen beanspruchten Waren der angegriffenen Marke. Dies unter dem Aspekt, dass eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gegeben sei. Der Zusatz „das will ich auch“ sei zu vernachlässigen, weil es sich nur um einen aussagekräftigen werblichen Ausdruck dahingehend handle, dass die Verbraucher die beanspruchten Waren auch haben wollen. Die Entscheidungen des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts, des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum etc seien für das gegenständliche Verfahren nicht präjudiziell, weil keine Bindungswirkung bestehe.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und die Schutzausdehnung der angegriffenen Marke auf die Waren der Klassen 9 und 25 zu verfügen.
Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
1. Die mit der Rekursbeantwortung vorgelegten Urkunden, nämlich Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Dienststelle Jena vom 23.2.2015, und die Beschwerdeentscheidung des OHIM (nunmehr EUIPO) vom 22.7.2015 sind unzulässige Neuerungen, weil sie nicht geeignet sind, die Rekursgegenargumente zu stützen (vgl § 139 Z 3 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG). Es besteht aufgrund von unterschiedlichen Sachverhalten (soweit beurteilbar, insbesondere in Bezug auf die Waren der Klasse 25) und/oder unterschiedlichen Parteien keine präjudizielle Bindung (vgl auch 4 Ob 11/14t, Expressglass; RIS-Justiz RS0125405; EuGH C 37/03 P, BioID [Rz 47], EuGH C 39/08 und C 43/08, Volks.Handy und Schwabenpost [Rz 39]; vgl auch Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).
2.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind die Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 30 Rz 5 f mwN).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon, Rn 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).
2.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rn 43; vgl auch EuG T 599/10, Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).
2.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482).
So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, Firn; 17 Ob 36/08f, Kobra/cobra couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).
2.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45, Texhages/Texmoden; ÖBl 1991, 93, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; RIS Justiz RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).
2.5 Die Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246, GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; RS0108039; RS0117324; RS0079571; 17 Ob 36/08f, Kobra/Cobra; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ).
Auch bei Wortzeichen muss für eine Verwechslungsgefahr eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02, Kathreiner ).
Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74 = SZ 47/103, Pregnex/Pregtest; RIS-Justiz RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).
2.6 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem – sofern er unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154, Preishammer; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d, More ).
Maßgebend sind auch hier der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ).
3. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so kann der Beurteilung des Patentamts in Bezug auf die Verwechslungsgefahr beim Zeichen und bei den Waren nicht zur Gänze gefolgt werden.
3.1 Soweit die Antragsgegnerin ins Treffen führt, dass die Widerspruchsmarke als kennzeichnungsschwach anzusehen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich hier um eine Wortbildmarke handelt, die auch in Bezug auf die Kennzeichnungskraft als Gesamtes zu beurteilen ist. Das Patentamt ging von einem normalen Schutzumfang aus, was nicht korrekturbedürftig ist. Das Ausmaß der Kennzeichnungskraft gilt wegen der Wortähnlichkeit im selben Maß auch für die angegriffene Marke.
Die Antragsgegnerin begründet auch nicht, warum dieser Aspekt für den Markenvergleich maßgebend sein soll.
3.2 Konkret bestritten wird die angenommene Warenähnlichkeit in Bezug auf die Klasse 25: Es sei lebensfremd anzunehmen, dass „Halstücher, Schals, Stolen, Boas“ der Widerspruchsmarke unter den Begriff „Freizeitbekleidung“ subsumiert werden könnten.
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Behauptung, dass die Waren der Klasse 25 „Halstücher, Schals, Stolen, Boas“ bei den Warenklasse 25 der angegriffenen Marke explizit ausgenommen seien, in dieser Form nicht zutrifft. Die im Warenverzeichnis verwendeten Gattungsbezeichnungen sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach den objektiven Verkehrsverständnissen auszulegen. Es ist nicht entscheidend, ob die Waren oder Dienstleistungen jeweils in der selben Klasse aufscheinen (Om 3/09, Arccos/Archos; OLG Wien 34 R 9/15s, Gaga/Lady Gaga; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 10 Rz 107).
Faktoren bei der Prüfung der Warenähnlichkeit sind insbesondere die Art, der Verwendungszweck, die Nutzung und die Eigenart der miteinander konkurrierenden oder einander ergänzenden Waren oder Dienstleistungen (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23). Einander ergänzende Waren/Dienstleistungen sind solche, zwischen denen ein enger Zusammenhang besteht, weil die eine Ware/Dienstleistung für die Verwendung der anderen Ware/Dienstleistung unverzichtbar oder bedeutsam ist, sodass der Verbraucher annehmen könnte, die Herstellung beider Waren/Dienstleistungen liege in der Verantwortung des selben Unternehmens (funktionelle Komplementarität).
Von einer Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit kann aber nur dann nicht ausgegangen werden, wenn trotz der Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren und Dienstleistung von Vornherein ausgeschlossen ist.
Das Rekursgericht tritt daher der Ansicht der Rechtsabteilung bei, dass die Waren der Widerspruchsmarke in der Klasse 25 „Halstücher, Schals, Stolen, Boas“ an sich und grundsätzlich unter die in der selben Klasse beanspruchten Waren „Bekleidungsstücke, nämlich [...] Freizeitbekleidung“ zu subsumieren sind. Bekleidungsstücke sind nach der Nizzaer Klassifikation der Oberbegriff, worunter die Waren beider Marken auch vom Verständnis des Durchschnittskonsumenten jedenfalls fallen.
Halstücher und Schals als Freizeitbekleidung zu bezeichnen, begegnet keinen Bedenken. Auch unter den Begriff Kinderbekleidung, sogar unter den Begriff Bekleidungserstausstattung für Babys ließen sich Halstücher und Schals subsumieren.
Ob die Antragstellerin allein auf die Begriffe Stolen und Boas einen erfolgreichen Widerspruch aufbauen könnte, kann somit dahingestellt bleiben.
3.3 Für einen Teil der Waren der Klasse 25 schließt sich das Rekursgericht allerdings der Argumentation der Antragsgegnerin an. Dies gilt für folgende Waren:
Trainingsanzüge, Turnhosen und -trikots, Fußballhosen und -trikots, Tennisshorts und -hemden, Badehosen und -anzüge, einschließlich Bikinis, Miederwaren, Leibwäsche; Schuhe, Schuhwaren und Stiefel, einschließlich Sport- und Freizeitschuhe; Gürtel (Bekleidung); Strümpfe, Strumpfhosen, Socken; Kostüme, Handschuhe für Skilanglauf und Radfahren.
Diese Waren sind speziell zuordenbar und haben daher mit den vier Waren in der Klasse 25 der Antragstellerin keine Ähnlichkeit. „Halstücher, Schals, Stolen und Boas“ sind entweder der Wärmung oder Schmückung des Halses gewidmet oder Accessoires, weshalb der Bereich der Widerspruchsmarke innerhalb des Begriffs „Kleidungsstücke“ klein ist.
In diesem Umfang ist der Rekurs somit erfolgreich und in diesem Umfang ist der Schutz – trotz der Zeichenähnlichkeit (s unten) – zu gewähren.
Die jeweiligen Überbegriffe „Bekleidungsstücke, nämlich Sport- und Freizeitbekleidung, Bade- und Strandbekleidungsstücke, Kinderbekleidung, Bekleidungserstausstattung für Babys“ sowie die Waren „Spielanzüge“ und „Schweißbänder“ unterfallen allerdings der Schutzverweigerung, weil (einzelne) Waren der Widerspruchsmarke unter diese Begriffe fallen oder ähnlich (zu „Schweißbändern“) sind.
3.4 In Bezug auf den Zeichenvergleich führt die Antragsgegnerin an, dass die dominierenden Zeichenbestandteile weder klanglich, visuell noch begrifflich ähnlich seien. Für die Widerspruchsmarke sei das Wortelement „SIX“ zu vernachlässigen. „SIX“ habe einen mehrfach beschreibenden Charakter, nur das Bildelement sei bei der Widerspruchsmarke prägend. Dieses Ergebnis werde dadurch unterstrichen, dass das Bildelement doppelt so groß wie das Wortelement ausgeführt sei und sich am oberen Rand der Marke befinde.
Die angegriffene Marke sei im klanglichen Gesamteindruck (bestehend aus fünf Wörtern) erheblich länger und die Verdoppelung des „xx“ führe dazu, dass dieser Wortbestandteil schärfer ausgesprochen werde als die Widerspruchsmarke.
In visueller Hinsicht verschmelze der Wortbestandteil „SIX“ mit dem Bildbestandteil der Widerspruchsmarke zu einem neuen Ganzen, weil die drei Buchstaben dieses englischen Wortes bündig mit den darüber stehenden Punkten abschlössen und insgesamt ein Quadrat bildeten.
Dem gegenüber sei das doppelte „xx“ am Ende der angegriffenen Marke höchst ungewöhnlich und komme so in der deutschen Sprache nicht vor. Es springe den relevanten Verkehrskreisen sofort ins Auge. Auch bestehe begrifflich keine Ähnlichkeit, weil die angegriffene Marke einen anderen Sinngehalt aufweise. Durch die Verdoppelung des Buchstaben „x“ wecke man bei den angesprochenen Verkehrskreisen ganz bewusst Assoziationen, die über die bloße Angabe einer Ordnungszahl weit hinausgehen. Es werde auf zwei X Chromosomen angespielt und somit auf das Sendeangebot der Anmelderin. Es soll ein Eindruck einer gewissen jugendlichen Nonchalance, Weiblichkeit und Modernität wecken, die zugleich geheimnisvoll und anziehend auf die angesprochenen Verkehrskreise wirke. Ein derart weitgehender Sinngehalt sei der Widerspruchsmarke völlig fremd.
3.5 Diese Ausführungen zum Markenvergleich überzeugen nicht: Im Gesamteindruck der Widerspruchsmarke tritt primär das Wortelement in den Vordergrund und das Figurativelement in Form der sechs Punkte unterstützt nur den (englischen) Sinngehalt dieses Wortelements (vgl RIS-Justiz RS0066779). Es kann der Einschätzung des Patentamts auch beigetreten werden, dass sich die schriftbildliche Ähnlichkeit des Wortbestandteils sixx der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke schon durch die idente Übernahme aller in der Widerspruchsmarke enthaltenen Buchstaben ergibt (vgl C 120/04, Thomson Life ). Das zusätzliche „x“ ist als ein bekanntes Verstärkungselement zu sehen und daher nicht geeignet, den Zeichenabstand zwischen den Marken zu vergrößern oder eine selbständige kennzeichnende Stellung zu bewirken. Der Zusatz der angegriffenen Marke, „das will ich auch“, wird vom Verkehrskreis nicht als Markenelement, sondern ausschließlich als werbliche Anpreisung aufgefasst werden.
Ähnliches gilt in Bezug auf den klanglichen Vergleich, wobei die maßgeblichen Markenelemente ident ausgesprochen werden.
In begrifflicher Hinsicht ist nur festzuhalten, dass das doppelte „x“ häufig benutzt wird, um Wörter zu akzentuieren, ohne damit einen weiteren Sinngehalt zu vermitteln. Es ist daher davon auszugehen, dass es auch vom Verkehrskreis primär als Verstärkung des Wortes „SIX“ aufgefasst wird und daher unweigerlich zur begrifflichen Nähe der Widerspruchsmarke führt. Die von der Antragsgegnerin vorgetragene Assoziation zu XX Chromosonen (als indirekter Hinweis auf den Sendeinhalt) liegt nicht nahe und ist viel zu vage um einen entsprechenden Zeichenabstand herzustellen.
Bei der Gesamtbetrachtung ist wegen der hohen schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit sowie wegen der teilweise Warenidentität und -ähnlichkeit von einer Verwechslungsgefahr auszugehen. Die bildlichen und teilweise klanglichen Unterschiede sind zu gering, um bei der gegebenen Warenidentität und/oder -ähnlichkeit den erforderlichen Abstand zu erzeugen.
4.1 Mit dem umfassenden Rekursvortrag in Bezug auf die vorgelegten Urkunden zur rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke, der inhaltlich bereits Gegenstand des Verfahrens vor dem Patentamt war, wendet sich die Antragsgegnerin im Wesentlichen gegen die rechtliche Beurteilung, dass der Gesamtheit der eingereichten Beweismittel (vor allem aus den eidesstättigen Versicherungen, die durch zahlreiche Lieferscheine, Produkt- und SIX-Abbildungen und Kassenzettel untermauert worden seien, als auch aus den Anlagen ./M14 und ./M20 bis ./M22) zu entnehmen sei, dass die Widerspruchsmarke in der Europäischen Union im Zeitraum vom 21.8.2009 bis 20.8.2014 benutzt worden sei, um für alle beanspruchten Waren der Klassen 9 und 25 einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Die Beurteilung ist daher im Rahmen der Rechtsrüge zu prüfen.
4.2 Eine Marke wird „ernsthaft benutzt“, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, für die sie eingetragen wurde – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (EuGH C 40/01, Ansul, Rz 43; C 416/04 P, Sunrider, Rz 70; C 259/02, La Mer Technology, Rz 27; Om 8/11, WEG; 17 Ob 11/08d, BUZZ!; RIS-Justiz RS0123519; RW0000835).
Nur eine kennzeichenmäßige Benutzung kann daher rechtserhaltend sein. Sie liegt vor, wenn im geschäftlichen Verkehr eine wörtliche oder bildliche Bezeichnung zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung so gebraucht wird, dass der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (zum Beurteilungsmaßstab EuGH C 342/97, Lloyd ) annimmt oder annehmen kann, das Zeichen diene der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen von gleichen oder gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft (4 Ob 391/84, Ford-Spezialwerkstätte; 4 Ob 79/06f, Smiley; 4 Ob 134/06v, BUZZ!; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel I; RIS-Justiz RS0066671; Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 33a Rz 27 ff). Dieses Zeichen muss daher als Herkunftshinweis für das damit beworbene Produkt verstanden werden (BGH I ZR 293/02 = GRUR 2005, 1047, OTTO; I ZR 167/05 = GRUR 2009, 60, Rz 19, LOTTOCARD; Om 2/10, Flügerl; siehe auch RIS-Justiz RW0000835).
Dafür reicht es nicht, die Marke etwa in Katalogen, auf Versandtaschen, Einkaufstüten, Regal- und Preisaufklebern, in Schaufenstern und in Geschäftsräumen sowie in der Werbung oder dergleichen, zum Beispiel auf Rechnungen, Bestellscheinen oder Klebebändern, zu verwenden, wenn der Verkehr im Zeichen nur einen Hinweis auf das Unternehmen und nicht auch einen Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft sieht.
Ohne einen konkreten Bezug zu einer Ware oder zu einer Dienstleistung bezieht sich ein solcher Hinweis allenfalls auf die Dienstleistung des Handelsunternehmens, nicht aber auf die Herkunft der Ware oder der Dienstleistung zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft (BGH I ZR 293/02 = GRUR 2005, 1047, OTTO; I ZB 10/03 = GRUR 2006, 150, Rz 9, 11, Norma; Fezer, Markenrecht 4 § 26 MarkenG Rz 70).
4.3 Zutreffend ist, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bloß zu bescheinigen (glaubhaft zu machen) ist. Auch eine mengenmäßig geringfügige Benutzung kann ernsthaft sein, wenn sie im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile zu behalten oder zu gewinnen (C 259/02, La Mer Technology; C 416/04 P, Sunrider, Rn 72). Die Größe des Vertriebsgebiets ist dabei nur einer der zu berücksichtigenden Faktoren (C 416/04P, Sunrider, Rn 76). Auch die Eigenschaften des Markts, die einen unmittelbaren Einfluss auf die kaufmännische Strategie des Markeninhabers haben können, können dabei herangezogen werden (C 259/02, La Mer Technology, Rn 3; Om 10/10, Nuke; Om 11/09, BT ). Letztlich ist auch zu unterscheiden, ob die Marke nur zur Kennzeichnung von Massenartikeln oder vermischten Produkten verwendet wird (Om 11/09, BT ). Im Zweifel sind aber keine hohen Anforderungen an den Gebrauch der Marke zu stellen (Om 3/11, Jones; Om 5/10, Coolwater; RIS-Justiz RS0066797 [das Löschungsverfahren betreffend]).
Dass der Verkauf möglicherweise nicht nur unter der registrierten Marke, sondern unter abgewandelten Zeichen (§ 33a MSchG) erfolgt, schadet der rechtsanhaltenden Benutzung einer Marke nicht von Vornherein: Die Marke muss jedoch in der tatsächlich benutzten (erweiterten) Form eindeutig das die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen kennzeichnende Element bilden (4 Ob 119/06p = RIS-Justiz RS0121289, Sierra Tequila; OM 1/91 = PBl 1991, 193, Alpo/Alpoflex; Om 10/07, Rothmans; Om 13/10, Goudina [Gestaltungsspielraum]).
4.4 Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die (ernsthafte) Benutzung der Wortbildmarke der Widerspruchsmarken in den für dieses Verfahren relevanten Warenklassen in der eingetragenen oder abweichenden Form keine Bedenken. In diesem Zusammenhang kann auch (zumindest im Rahmen der erforderlichen Glaubhaftmachung) auf die Entscheidung des OHIM (nunmehr EUIPO) vom 19.12.2014 für den Zeitraum vom 22.2.2008 bis einschließlich 21.2.2013 hingewiesen werden. Auch wenn diese Entscheidung der für die Antragstellerin zuständigen Registrierungsbehörde aufgrund des leicht divergierenden Beurteilungszeitraums (21.8.2009 bis 20.8.2014 in diesem Verfahren) nicht bindend ist (vgl Woller/Stangl/Ullrich in in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 29b Rz 11 ff), deckt sie doch den überwiegenden Zeitraum ab und stützt somit als zusätzliches Indiz den Standpunkt der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin kann dem auch nichts Substanzielles entgegensetzen.
In Bezug auf die als fehlend kritisierten Nachweise betreffend Brillen, Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Schalenclipse, Taschenuhren, Uhrenbänder, Uhrengehäuse, Uhrenketten, Uhrenanhänger und Stolen ist ebenfalls auf die zitierte Entscheidung des OHIM (nunmehr EUIPO) hinzuweisen. Im Übrigen kann nicht nachvollzogen werden, warum das Fehlen der rechtserhaltenden Benutzung dieser Waren eine andere Entscheidung herbeiführen sollte.
5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.