132Bs137/17t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senat s mitglieder in der Vollzugssache des W***** N***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 2 und 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird dem Landesgericht ***** als Vollzugsgericht aufgetragen über den behaupteten Sachverhalt der Abnahme eines T-Shirts am 21. September ***** mit der Aufschrift „*****“ abzuspr e chen.
Darüber hinaus wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
Text
B e g r ü n d u n g
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht - im zweiten Rechtsgang nach Verfahrensergänzung - eine Beschwerde des W***** N***** gegen eine Anordnung des Leiters der Justizanstalt *****, wonach W***** N***** seit 21. September ***** entgegen bisheriger Übung Telefongespräche nur mehr in der Dauer von höchstens zehn Minuten täglich führen dürfe, zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der weiteren Erhebungen davon ausgegangen wird, dass die bisherige Übung W***** N***** über die in § 96a StVG normierte Dauer hinaus Tel e fongespräche zu erlauben, keine Vergünstigung im Sinne des § 24 StVG darstellte. Demnach ist die nunmehr ang e fochtene Einschränkung der Telefonerlaubnis nicht als Entzug einer Vergünstigung zu behandeln. Im Anlassfall liege die Einschränkung der Telefonerlaubnis insbesondere im Interesse der allgemeinen Benutzungsgerechtigkeit, da W***** N***** das Insassentelefon unstrittig exzessiv benutzt und damit anderen Insassen die Benutzung nahezu unmöglich gemacht habe. Überdies normiere § 96a StVG kein subjektiv-öffentliches Recht auf die vom Beschwerdeführer angestrebte exzessive Dauer von Telefonaten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtze i tige Beschwerde des W***** N*****. Dieser moniert zunächst, dass über seine Beschwerde betreffend einen Vorfall vom 21. September *****, wonach er aufgefordert worden sei, sein am Körper getragenes T-Shirt mit Logo und Schriftzug der bewilligten ***** abzulegen (und dieses sodann eingezogen wurde), nicht abgesprochen wurde.
In Bezug auf sein Telefonverhalten bringt der Beschwerdeführer – soweit inhaltlich dem Beschwerdegege n stand zuordenbar - zusammengefasst vor, dass sich sein Gesprächsverhalten in einem über Jahre gleichbleibenden unbeanstandet gebliebenen Benutzungsrhythmus im Bereich von 720 Minuten im Monat bewege und dieses andere Insa s sen auf der Abteilung nicht behindere. Vielmehr sei die Zeit des Telefonierens willkürlich eingeschränkt worden. Auch durch sein bisheriges Telefonverhalten sei es ihm gelungen seine Ehe aufrecht zu erhalten, sodass die nu n mehrige Einschränkung eine Verletzung seines subjektiv-öffentlichen Rechts gemäß § 22 Abs 1 StVG darstelle. Zudem betrachte selbst die Justizanstalt den telefon i schen Kontakt eines Insassen mit seinen Angehörigen per se als berücksichtigungswürdig. Der Gesetzgeber habe auch bewusst in § 96a StVG keine Dauer von Telefongesprächen normiert, um eine flexible Anwendung im Zuge von Vergün s tigungen zu ermöglichen. In der Regierungsvorlage zu BGBl 799/1993 sei zudem festgehalten, dass Telefongespräche als Ausgleich zum persönlichen Besuch dienen, wenn die Bezugspersonen des Strafgefangenen in größerer Entfernung von der Justizanstalt ihren Wohnsitz hätten. Überdies sei die Beschränkung seiner Telefonzeit auf zehn Minuten tä g lich, explizit auch für die Kontakte mit Rechtsanwälten, nicht mit Artikel 6 EMRK in Einklang zu bringen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 leg cit wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben, noch um das Ermessen anders auszuüben, abändern ( Pieber in W K 2 StVG § 16a Rz 5, Drexler, StVG3 § 16a Rz 2).
1) Zunächst erweist sich das Beschwerdevorbringen in puncto Abnahme des T-Shirts als berechtigt, beschwerte sich W***** N***** doch bereits in der Eingabe vom 21. September ***** (ON 1) über diese Anordnung des Leiters der Justizanstalt (ON 1 S 7), ebenso in den darauf fo l genden Eingaben ON 3 S 8 und ON 6 S 5. Mangels Erledigung dieses Beschwerdepunktes durch das Vollzugsgericht war spruchgemäß zu entscheiden.
2) Das Vollzugsgericht geht in seinen Feststellungen weiterhin davon aus, dass dem Beschwerdeführer am 21. September ***** mitgeteilt wurde, dass er mit sofortiger Wirkung entgegen bisheriger Übung Telefongespräche in der Dauer von höchstens zehn Minuten täglich führen darf.
Wie bereits im Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Vollzugssenat vom ***** (ON 10) ausg e führt, begründet § 96a StVG kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte Dauer eines Gesprächs, geschweige denn ein subjektiv-öffentliches Recht auf unbegrenzte Gesprächserlaubnis. Da nach den nunmehr durchgeführten Erhebungen des Vollzugsgerichts feststeht, dass die bisherige Übung exzessiv Telefongespräche führen zu dürfen nicht auf einer Vergünstigung (§ 24 Abs 3 StVG) beruht, war zu prüfen, aus welchen Bestimmungen sich allenfalls ein subjektiv-öffentliches Recht betreffend dem Ansinnen weiterhin Gespräche im Ausmaß von über zehn Minuten täglich führen zu dürfen, begründen lässt.
Zunächst ist festzuhalten, dass aus der vom Vol l zugsgericht und der Anstaltsleitung angesprochenen Bestimmung des § 75 Abs 1 StVG lediglich ein subjekt i v-öffentliches Recht auf Anleitung zur Beziehungspflege ableitbar ist ( Drexler , StV G 3 § 75 Rz 1), nicht jedoch ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Führung von Tel e fonaten, geschweige denn ein bestimmtes Ausmaß von so l chen.
Aus der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Bestimmung des § 22 StVG, wonach die Strafgefangenen mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung ihres Ehrgefühls und der Menschenwürde zu behandeln sind, leitet sich ein subjektiv-öffentliches Recht des Strafg e fangenen auf eine bestimmte Behandlung ab; der Umgang mit Strafgefangenen soll berechenbar, konsequent und ve r nunftbetont, allerdings nicht emotionslos sein ( Drexler StVG3 § 22 StVG Rz 1 mwN). Nicht ableitbar ist aus dieser Bestimmung das vom Beschwerdeführer angestrebte Begehren auf ein zeitlich bestimmtes Ausmaß an Telefongesprächen.
Im Hinblick auf die – aus den Feststellungen nicht ableitbare - Behauptung, dass die vom Anstaltsleiter festgelegten zehn Minuten auch Gespräche mit Rechtsve r tretern umfassen würden, ist der Beschwerdeführer auf die Bestimmungen des § 96a StVG zu verweisen, wonach die Durchführung von Telefongesprächen, sofern berücksicht i gungswürdige Gründe vorliegen, ein subjektiv-öffentliches Recht darstellt. Das Vorliegen derartiger Gründe ist im Einzelfall vom Strafgefangenen zu behaupten und zu bescheinigen. Sollten aus seiner Sicht daher Gespräche (etwa mit Rechtsvertretern) verweigert werden, denen berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 96a StVG zugrunde liegen, steht es ihm frei, im Fall der Verweig e rung eines konkreten Gesprächs Beschwerde zu erheben. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass ein Grund berücksichtigungswürdig ist, wenn er den Zwecken des Vollzugs entspricht und die Kontaktaufnahme in einer anderen Form dem Strafgefangenen nicht zugemutet werden kann. Sofern daher zumutbarer Weise die Angelegenheit durch Briefe oder Besuche geregelt werden kann, liegt kein berücksichtigungswürdiger Grund zum Telefonieren vor ( Drexler , StVG³ § 96a Rz 1).
Auch aus der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Regierungsvorlage zu BGBl 799/1993 (946 der Beilagen zu XVIII. GP, RV) ist nicht ableitbar, dass der Gesetzgeber ein Anrecht auf eine bestimmte Dauer von Telefonaten vorgesehen hätte. Zur damals neu eingeführten Bestimmung des § 96a StVG (S 30 zu 946 der Beilagen XVIII. GP, RV) wurde lediglich festgehalten, dass Stra f gefangene ein Recht darauf haben Telefongespräche zu fü h ren, soweit berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen. Ein „berücksichtigungswürdiger Grund“ könne nicht nur in der Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten gefunden werden, sondern auch in der Aufrechterhaltung familiärer oder sonstiger persönlicher Bindungen, vor allem dann, wenn die Bezug s personen in größerer Entfernung von der Anstalt wohnen oder den Strafgefangenen nicht regelmäßig besuchen.
Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer angestel l ten Berechnungen, wonach Angehörige die in der Nähe der Justizanstalt wohnen durchschnittlich drei Mal wöchen t lich Besuch in der Dauer von 60 Minuten oder mehr erha l ten, ist schon einzuwenden, dass ein subjektiv-öffentl i ches Recht auf Besuch insofern besteht, dass nach § 93 Abs 1 StVG Strafgefangenen nicht verwehrt werden darf, jede Woche wenigstens einen Besuch in der Dauer von mi n destens einer halben Stunde zu empfangen; wenigstens ei n mal innerhalb von sechs Wochen ist die Besuchsdauer auf mindestens eine Stunde zu verlängern. Ausgehend von di e sen Zeiten und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer eigenem Vorbringen zufolge im Monat 60 Minuten persönl i chen Besuch erhält und mit seiner Ehefrau und seiner Tochter auch pro Monat 180 Minuten via Skype kommuniziert (ON 15 S 5), lässt sich erkennen, dass allenfalls nicht wahrgenommene Besuchszeiten sohin ohnedies in Form von anderen Kommunikationsmitteln zur Verfügung gestellt we r den. Mit Blick darauf, dass die Anstaltsleitung darüber hinaus zehn Minuten an täglichen Telefonaten zulässt, ohne dass der Beschwerdeführer sich auf berücksicht i gungswürdige Gründe zu berufen hätte, ist durch das Vo r gehen der Justizanstalt ein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers nicht verletzt.
Auch von Willkür der Anstaltsleitung ist nicht au s zugehen, vielmehr handelt es sich bei der Erlaubnis tä g lich zehn Minuten - ohne Prüfung der einzelnen Gespräche auf deren Berücksichtigungswürdigkeit iSd § 96a StVG - zu telefonieren, um eine zugunsten des Beschwerdeführers getroffene Ermessungsentscheidung.
Anzumerken bleibt, dass nach § 12 Abs 4 der Hausor d nung (§ 25 StVG) auch die Dauer der (aus berücksicht i gungswürdigen Gründen geführten) Telefongespräche, sofern keine anderslautenden Anordnungen ergangen sind, im Ermessen des aufsichtsführenden Strafvollzugsbediensteten liegt.
Auf das Beschwerdevorbringen im Bezug auf die Abnahme des bereits getragenen T-Shirts wird das Vol l zugsgericht im fortgesetzten Verfahren einzugehen haben.