133R30/17k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und den Kommerzialrat Brischnik in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichischer Rechtsanwaltsverein, Wirtschaftliche Organisation der Rechtsanwälte Österreichs , *****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Bundesinnung Bau , *****, vertreten durch Dr. Sascha Daniel Salomonowitz und Dr. Michael Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (EUR 30.000) und Veröffentlichung (EUR 5.000) über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25.01.2017, 11 Cg 44/16g 10, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird geändert und lautet:
«Die beklagte Partei ist schuldig, es gegenüber der klagenden Partei im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, eine Marke mit der Wortkombination „Bauanwalt“, insbesondere die österreichische Marke AM 1538/2014, Registernummer 280340, zu verwenden oder Dritten zu gestatten, sie zu verwenden, insbesondere nachdem diese entweder einen „Grundkurs Bauanwalt“ oder/und in der Folge einen „Aktualisierungskurs Bauanwalt“ positiv absolviert haben, und eine allenfalls schon erteilte Bewilligung zu widerrufen.
Die klagende Partei wird ermächtigt, auf Kosten der beklagten Partei binnen drei Monaten ab Rechtskraft (bei Teilrechtskraft innerhalb von drei Monaten ab Gesamtrechtskraft), den Spruch dieses Urteils einerseits in einer Ausabe des „Österreichischen Anwaltsblatts“, andererseits in der „Österreichischen Bauzeitung“ zu veröffentlichen, dies unter Anführung der Namen der Parteien, ihrer Vertreter, der Angabe des Gerichts, der Geschäftszahl und des Namens des Richters (jeweils in höchster Instanz).
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die Kosten des Verfahrens erster Instanz von EUR 8.544,80 zu ersetzen.»
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 4.139,12 zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
1.1 Die Beklagte ist Inhaberin der folgenden Verbandsmarke:
(Registernummer 280340, Registerdatum 22.10.2014, Anmeldedatum 2.7.2014).
1.2 Zur Führung der Verbandsmarke sind Mitglieder der Beklagten befugt, die bestimmte Bedingungen erfüllen, und zwar
2.1 Der Kläger begehrt (bewertet mit EUR 30.000), der Beklagten zu verbieten, die Marke zu verwenden und Dritten zu gestatten, sie zu verwenden (insbesondere nachdem diese entweder einen „Grundkurs Bauanwalt“ und/oder in der Folge einen „Aktualisierungskurs Bauanwalt“ positiv absolviert haben); zusätzlich begehrt der Kläger, die Beklagte dazu zu verurteilen, bereits erteilte Bewilligungen zu widerrufen.
Zudem begehrt der Kläger (bewertet mit EUR 5.000), ihn zu ermächtigen, auf Kosten der beklagten Partei den Spruch des Urteils in einer Ausgabe des „Österreichischen Anwaltsblatts“ und in einer Ausgabe der „Österreichischen Bauzeitung“ zu veröffentlichen.
2.2 Der Kläger stützt seinen Anspruch in erster Linie darauf, dass die Verbandsmarke zur Irreführung geeignet sei, weil suggeriert werde, die Träger dieser Marke seien juristisch ausgebildete Parteienvertreter und hätten Qualifikationen, die mit jenen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vergleichbar oder ident seien (§ 2 UWG).
Der Kläger stützt seinen Anspruch auch auf § 9 UWG und trägt dazu vor, die Beklagte missbrauche mit der Verwendung ihrer Verbandsmarke den Namen und die Berufsbezeichnung der Rechtsanwälte.
Der Kläger stützt seinen Anspruch überdies auf die Behauptung, die Beklagte und die von ihr zur Führung der Marke berechtigten Mitglieder würden sich einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch verschaffen, weil § 57 RAO im Zusammenhalt mit Anlage 1 des EI Rechtsanwaltsgesetzes (EIRAG) die Verwendung der Bezeichnung „Anwalt“ verbiete.
3. Die Beklagte bestritt alle Begehren und brachte insbesondere vor, eine Irreführung liege deswegen nicht vor, weil die Verbandsmarke mit der Bezeichnung der Rechtsanwälte nicht verwechselt werden könne und auch keinen Anlass zu einer solchen Verwechslung biete.
4. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab und erwog rechtlich, dass die inkriminierte Marke im Durchschnittskonsumenten nicht den Eindruck erwecke, der so auftretende Marktteilnehmer sei Rechtsanwalt, weil das Wort „Bauanwalt“ gemeinsam mit dem „berühmten Zeichen für Baumeister“ verwendet werde.
§ 9 UWG sei nicht anwendbar, weil „Rechtsanwalt“ für sich alleine kein Unternehmenskennzeichen sei, weshalb keine Verwechslungsgefahr entstehen könne und auch die Rufausbeutung nicht möglich sei.
Das EIRAG verpflichte die Rechtsanwälte nur, mit ihren nationalstaatlichen Berufsbezeichnungen aufzutreten. Ein Sonderschutz für die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ oder aller in ganz Europa gängigen Bezeichnungen für berufsmäßige Parteienvertreter sei in diesem Gesetz nicht enthalten.
5. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das Urteil zu ändern und den Klagebegehren stattzugeben.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
6.1 Eine Geschäftspraxis (dass eine solche vorliegt, ist hier unproblematisch) ist unter anderem dann irreführend, wenn sie über die Person, die Eigenschaften oder die Rechte des Unternehmers (§ 2 Abs 1 Z 6 UWG) in einer Weise täuscht, dass die geschäftliche Entscheidung der Marktteilnehmer beeinflusst werden kann.
Dazu teilt das Berufungsgericht die Einschätzung des Erstgerichts nicht und hat erwogen:
Die Verwendung des Worts „Anwalt“ in Verbindung mit den Paragraphen-Zeichen §§ suggeriert zumindest, dass der Träger dieser Bezeichnung Fähigkeiten und Rechte hat, die über jene hinausgehen, die er sonst hätte (hier: Baumeister), und dass sich diese Fähigkeiten und Berechtigungen jenen zumindest annähern, die Rechtsanwälte haben. Dabei kommt dem bekannten Logo der Baumeister mit der Bezeichnung „Baumeister“ sogar eine verstärkende Wirkung zu, denn die Verkehrskreise werden auf einen Unterschied aufmerksam gemacht, der zwischen einem „Nur-BAUMEISTER“ und einem „BAUMEISTER - § BAUANWALT §“ bestehen soll.
Hinzu kommt, dass das Wort „Anwalt“ im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Synonym für „Rechtsanwalt“ verwendet wird (vgl Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG 2 § 2 Rz 429), jedenfalls als Bezeichnung einer Person, die fremde Interessen wahrnimmt, fremde Interessen vertritt und allgemein als Vertreter von Dritten auftritt.
Wenn auch der Großteil der Durschnittskonsumenten nicht davon ausgehen möge, ein Baumeister, der zusätzlich die Bezeichnung „Bauanwalt“ führt, sei ein Rechtsanwalt, so liegt nach Einschätzung des Berufungsgerichts nahe, dass zumindest eine über jene des Baumeisters hinausgehende Vertretungsbefugnis vor Behörden und gegenüber Vertragspartnern vermutet wird. Diese Annahme würde aber auf einem Irrtum beruhen, der durch die Bezeichnung „§ BAUANWALT §“ verursacht wurde, denn die Vertretungsbefugnis der Baumeister (§ 99 Abs 1 Z 6 GewO) wird durch die Absolvierung jener Kurse nicht ausgeweitet, die die Beklagte voraussetzt, um ihren Mitgliedern die Führung der Marke zu erlauben; darauf weist die Beklagte in der Berufungsbeantwortung selbst hin.
Das Berufungsgericht zweifelt auch nicht daran, dass diese irrige Annahme geschäftliche Entscheidungen der Marktteilnehmer beeinflussen kann.
Da der Irreführungstatbestand gegeben ist, besteht das Unterlassungsbegehren zu Recht.
Die Beklagte kann dabei auch keine Rechte daraus ableiten, dass der Begriff „Anwalt“ von anderen in einem anderen Zusammenhang verwendet wird (zum Beispiel „Bürgeranwalt“). Die Verwendung von „ anwalt“ kraft gesetzlicher Anordnung (Staatsanwalt, Patentanwalt, Patientenanwalt etc) entwickelt keine argumentative Kraft für den hier eingenommen Standpunkt der Beklagten.
6.2 Die Passivlegitimation der Beklagten ist gegeben, weil sie es ist, die über die Berechtigung ihrer Mitglieder entscheidet, die Verbandsmarke zu führen. Die darauf bezogenen Feststellungen des Erstgerichts (Wiedergabe des außer Streit stehenden Sachverhalts, Seite 2 unten der Urteilsausfertigung) reichen im Zusammenhalt mit der Satzung Beilage ./B für diese rechtliche Ableitung aus.
7. Das Begehren, bereits erteilte Bewilligungen zu widerrufen (das in den Rechtsmittelschriften nicht thematisiert wird), fußt auf § 15 UWG, wonach das Unterlassungsgebot auch die Pflicht umfasst, den gesetzwidrigen Zustand zu beseitigen, soweit der Verpflichtete darüber verfügen kann.
Diese Beseitigungspflicht hat dort Grenzen, wo in die Rechtsposition Dritter eingegriffen werden soll (vgl dazu ausführlich Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG 2 § 15 Rz 52 ff). Umstritten ist zum Beispiel die Möglichkeit, den Unterlassungspflichtigen dazu zu verurteilen, Verträge nicht zu erfüllen, die er bereits mit Dritten geschlossen hat.
Im vorliegenden Fall erachtet das Berufungsgericht diese Schranke jedoch nicht als überschritten, weil die Verbandsmarke nach der Definition des § 62 Abs 1 MSchG im Interesse der Mitglieder der Beklagten eingetragen wurde und von ihnen verwendet wird. Die Mitglieder sind aus diesem Blickwinkel die „Dritten“, auf die sich das in der Klage begehrte Widerrufsgebot auswirken würde. Da sich bei Verbandsmarken die Verfügung des Markeninhabers nach der Natur der Verbandsmarke auf die Verbandsmitglieder auswirkt, sieht das Berufungsgericht die Voraussetzung des § 15 UWG als gegeben an. Die gegenteilige Auffassung würde ein rechtliches Vorgehen gegen Verbandsmarken weitgehend verhindern.
Das Begehren, der Beklagten den Widerruf der ihren Mitgliedern bereits erteilten Bewilligungen aufzutragen, ist daher berechtigt.
8. Die Beklagte hat das Veröffentlichungsbegehren nur knapp bestritten (Schriftsatz vom 4.11.2016, Seite 3 Punkt 1.3.; ON 6 AS 47), nicht allerdings konkret die Tatsachenbehauptung in der Klage, wonach „viele Personen“ von der Verwendung der Marke erfahren haben (Klage Seite 6 Punkt 27). Das Begehren ist auch nicht als überschießend anzusehen.
9. Die weiteren Argumente, auf die der Kläger die Ansprüche stützt, können unerörtert bleiben.
10. Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 41 ZPO. Jene für das Berufungsverfahren auf §§ 41 und 50 ZPO.
11. Beim Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands konnte sich das Berufungsgericht von der Bewertung der Begehren durch den Kläger leiten lassen.
12. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil das Berufungsgericht nicht von der etablierten Rechtsprechung abgegangen ist und die Frage, wie die Verkehrskreise ein Zeichen verstehen werden, keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Qualität aufwirft.
[Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision am 26.9.2017 zurück, 4 Ob 181/17x.]