133R39/17h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Terlitza und den Patentanwalt DI Mag. Babeluk in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien *****, beide vertreten durch Heinke Skribe + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung über die Berufung der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 20.2.2017, 34 Cg 15/15k-26, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Der Kläger ist Inhaber des rechtsbeständigen Patents AT 506.670 mit Priorität vom 21.4.2008 und mit der Bezeichnung WÄRMEKABINE (im Folgenden kurz: Streitpatent), das eine Wärmekabine mit einer einen Flüssigkeitsnebel erzeugenden Zerstäubungseinrichtung (im Folgenden kurz: Solevernebler) schützt.
Mit E Mail vom 1.10.2014 wandte sich A***** an die Erstbeklagte und erkundigte sich, ob diese einen Nebler nach Österreich liefere und in eine bestehende Infrarotkabine installiere. Mit E Mail vom 15.10.2014 erklärte der Zweitbeklagte, er könne die Installation in R***** kostenlos vornehmen. A***** erteilte daraufhin den Auftrag und erhielt am 4.12.2014 einen „S***** 103“ (im Folgenden kurz: Verletzungsgegenstand) inklusive Salz, Anleitung und Trafo geliefert.
Wird der Verletzungsgegenstand in einer Wärmekabine montiert, so verwirklicht die Wärmekabine mit dem darin montierten Verletzungsgegenstand alle Merkmale der Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents.
Der Kläger begehrte zunächst Unterlassung nach dem PatG sowie nach dem UWG und Rechnungslegung. In der Tagsatzung vom 14.6.2016 dehnte er seine Klage um den Leistungsanspruch aus der behaupteten Patentverletzung (offenbar) nach § 150 Abs 3 PatG aus (ON 13, PS 2). Dazu brachte er vor, die Erstbeklagte sei von Jänner 2011 bis Ende 2013 Händlerin des mit dem Streitpatent geschützten mittels Ultraschallvernebelung betriebenen Soleverneblers gewesen. Diesen Solevernebler stelle die T***** KG auf Basis einer mit dem Kläger abgeschlossenen Lizenzvereinbarung her; er sei bis Ende 2013 auch an die Beklagte geliefert worden. Er komme insbesondere für Infrarotkabinen, Saunen und Dampfbäder zum Einsatz. Die Beklagten würden ihn ohne Vertriebs- und Lizenzrechte in Österreich vertreiben. Der Zweitbeklagte hafte für die Handlungen der Erstbeklagten als Gehilfe oder Beteiligter.
Der von der Erstbeklagten in Österreich angebotene und vertriebene Solevernebler erfülle alle erfindungsgemäßen Merkmale der Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents.
Die Beklagten bestritten den Patentrechtseingriff an sich und zudem das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses. Der Patentanspruch umfasse im Wesentlichen, dass bereits bekannte Einrichtungen, nämlich eine Wärmekabine und ein Solevernebler, durch eine besondere Art ihrer Verwendung oder durch die Verbindung mit noch unbekannten Einrichtungen dazu verwendet würden, ein technisches Problem zu lösen. Der Kläger behaupte nur den Vertrieb eines Soleverneblers und nicht einer Wärmekabine mit einer konkreten Befestigung des Soleverneblers. Letzterer sei daher nicht durch das Streitpatent geschützt, weil er alleine von den Merkmalen der geschützten Erfindung keinen relevanten Gebrauch mache.
In der Tagsatzung vom 20.1.2017 boten die Beklagten diesen (richtig: Teil )Unterlassungsvergleich an:
„Die beklagten Parteien sind gegenüber der klagenden Partei zur gesamten Hand schuldig, es ab sofort bei sonstiger Exekution zu unterlassen, in Österreich Solevernebler,
a) mit einer Anleitung zur Montage in einer Wärmekabine (dies wie beschrieben in der Patentschrift gemäß Anlage Beilage ./GA1 des Gutachtens des Patentanwaltes DI Reinhard Hehenberger vom 19.9.2016 zu 34 Cg 15/15k des HG Wien) (Patentanspruch 1 und 2) zu verschicken und
b) selbst oder durch Dritte Solevernebler auf der unter Buchstabe a) dargestellten Weise zu montieren und/oder montieren zu lassen, und/oder in Verkehr zu bringen und/oder zu einem der genannten Zwecke einzuführen und/oder zu besitzen.“
Eine (auch nur teilweise) Tragung der Verfahrenskosten lehnten die Beklagten nach Erörterung durch das Erstgericht ab (ON 23, PS 1 f).
Mit dem angefochtenen Teilurteil gab das Erstgericht dem Unterlassungsbegehren – auf das Wesentliche zusammengefasst – mit Ausnahme der intendierten Untersagung des Besitzes, der Bewerbung und des Besitzes des Verletzungsgegenstands sowie auch dem Manifestationsbegehren statt. Es stellte den dieser Entscheidung bereits auszugsweise vorangestellten und auf den Seiten 5 bis 7 des Urteils wiedergegebenen Sachverhalt fest, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 500a ZPO).
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass eine mittelbare Patentverletzung vorliege und dementsprechend den Beklagten nach dem PatG nur das Unterlassen des Inverkehrbringens zu verbieten und das Mehrbegehren abzuweisen gewesen sei. Das ausschließlich auf UWG gestützte Unterlassungsbegehren sei wegen seiner Subsidiarität abzuweisen gewesen.
Gegen dieses Teilurteil richtet sich im Umfang der teilweisen Stattgebung des Unterlassungsbegehrens die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragen, das Unterlassungsbegehren zur Gänze abzuweisen; in eventu streben sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Verfahrens in diesem Umfang an.
Der Kläger beantragt der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Die Beklagten relevieren im Rahmen der Rechtsrüge allein die Frage des Bestehens von Wiederholungsgefahr als Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs. Aufgrund der klar determinierten Anfechtungserklärung ist unter anderem die Stattgebung des Manifestationsbegehrens rechtskräftig (Spruchpunkt 3. des Ersturteils; s zur Teilbarkeit RIS-Justiz RS0071205).
1.2. Auch wenn die Berufung zur Fassung des Unterlassungsbegehrens durch das Erstgericht nichts vorträgt, so ist das Berufungsgericht im Rahmen der umfassenden Prüfung der rechtlichen Beurteilung dennoch zur Prüfung der materiell-rechtlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen von Amts wegen verpflichtet (RIS-Justiz RS0043352; RS0114379), weil die Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr durch Anbieten eines Unterlassungsvergleichs nicht losgelöst von der Reichweite und der Berechtigung des Unterlassungsbegehrens als solchem beantwortbar ist.
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hat das Erstgericht dabei den Eingriff der Beklagten in das rechtsbeständige Patent des Klägers zu Recht als gegeben erachtet: Grundsätzlich ergänzt das UWG den durch das formale Sonderrecht (Patent-, Marken- und Musterschutzrecht) gewährten Rechtsschutz; seine Anwendung ist an sich zulässig, soweit sie nicht von den Formalgesetzen ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen wird (RIS-Justiz RS0077411). Rechtsrichtig hat das Erstgericht daher begründet, warum es unter Bedachtnahme auf die Spezialität der §§ 22 Abs 1 und 147 PatG und unter Berücksichtigung der deswegen gegebenen Subsidiarität des Lauterkeitsrechts gegenüber dem PatG bei reinen Patentrechtsverletzungen (RIS-Justiz RW0000451; RS0115374 [UrhG]) zur stattgebenden und anders als in der Klage formulierten Fassung der Unterlassungsverpflichtung gekommen ist: Eine „bloße“ Patentrechtsverletzung reicht auch für den Träger des Ausschließlichkeitsrechts nicht aus, darauf einen Verstoß gegen § 1 UWG stützen, denn der Unterlassungsanspruch nach § 147 PatG dient dem Schutz des Patentinhabers vor künftigen Eingriffen in das ausschließliche Recht an der Erfindung, wobei bereits objektive Rechtswidrigkeit genügt (RIS-Justiz RS0111372; Weiser , PatG GMG³ 557). Die Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG setzt demgegenüber voraus, dass besondere Umstände einen zusätzlichen Tatbestand sittenwidriger Art ergeben (RIS-Justiz RS0077489). Die näheren Umstände einer Patentrechtsverletzung müssten demnach über das hinausgehen, was regelmäßig mit einer typischen Verletzung von Patentrechten verbunden ist.
Unter diesen Umständen kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zwar knappen, aber im Ergebnis zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen werden (§ 500a ZPO).
1.3. Die Frage der Wiederholungsgefahr ist bei Unterlassungsansprüchen nach dem UrhG, das dem PatG insoweit verwandt ist, nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie in Verfahren nach dem UWG (SZ 63/75 = RIS-Justiz RS0077914 [T2]; RS0077249).
1.4. Das (wenngleich vom Kläger abgelehnte) Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches beseitigt zumindest im Regelfall die Wiederholungsgefahr. Dies setzt prinzipiell voraus, dass der Beklagte einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keine Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet und nach den Umständen des Falls keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Störungen künftig tatsächlich Abstand zu nehmen.
Ein nicht gerechtfertigtes Begehren ist im Rahmen des Vergleichsanbots hingegen nicht zu berücksichtigen; das Anbot muss aber vorbehaltslos und ausreichend sein und dem Kläger all das bringen, was er mit seiner Klage erreichen kann. Auch der Vorbehalt der Kostenersatzfrage schadet nicht (RIS-Justiz RS0079899 [insbesondere T2, T11, T12, T19]).
Im Umkehrschluss ist vom Weiterbestand der Wiederholungsgefahr auszugehen, wenn die angebotene Unterlassungsverpflichtung nicht alles umfasst, was der Kläger begehren kann (6 Ob 71/05t = RIS-Justiz RS0079966 [T2]). Dieses Argument macht sich der Kläger zutreffend im Rahmen seiner Berufungsbeantwortung zunutze, indem er den Text des angebotenen Teilunterlassungsvergleichs mit seinen Unterlassungsbegehren und dem Urteilsspruch Punkt 1. vergleicht:
1.4. Anhand dieser prüfenden Gegenüberstellung zeigt sich in casu, dass die Behauptung in der Berufung nicht verfängt, das Teilvergleichsanbot sei weiter gewesen als der letztlich im Ersturteil (zutreffend; vgl oben Punkt 1.2.) erfolgte Unterlassungsausspruch, weil den Beklagten ganz allgemein das Inverkehrbringen und die Einfuhr „patentverletzender Produkte, insbesondere einen Solevernebler für unter anderem eine Wärmekabine“ untersagt wurde. Das Teilvergleichsanbot der Beklagten erstreckte sich hingegen nur auf „ Solevernebler “ und umfasste auch nicht das Inverkehrbringen und die Einfuhr ohne Montageanleitung (Anbot Punkt a) oder ohne Montage (Anbot Punkt b).
Die im Rahmen des Teilvergleichs angebotene Unterlassungsverpflichtung umfasste demnach nicht alles, was der Kläger berechtigt begehren konnte, weil die Beklagten Teile des berechtigten Unterlassungsbegehrens isoliert herausgriffen (s dazu etwa 6 Ob 33/10m; 6 Ob 244/03f [zu § 1330 ABGB]; 4 Ob 76/15b [zu § 1 UWG]).
Mit anderen Worten ist die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen, weil die vergleichsweise angebotene Unterlassungserklärung der Beklagten unzureichend war.
1.5. Dass das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbeantwortung über eine neuerliche Patentrechtsverletzung am 7.4.2017 gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO verstößt, ist damit irrelevant.
2. Der Kostenvorbehalt folgt aus §§ 50 iVm 52 ZPO.
3. Das Erfordernis eines Bewertungsausspruchs ergibt sich aus § 500 Abs 2 Z 1 ZPO; die Höhe folgt ohne Bindung an die (im weiteren Verfahren in erster Instanz erörterungsbedürftigen) Bewertung(en) durch den Kläger der Bedeutung des Patentschutzes für das Wirtschaftsleben.
Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die ordentliche Revision nicht zulässig: Die Frage, ob nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falls Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, hat grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung (RIS-Justiz RS0031891; RS0042818; RS0042721; zum abgelehnten Vergleich s etwa 4 Ob 2260/96y; 4 Ob 232/03a mwN).
[Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs am 26.9.2017 zurück, 4 Ob 173/17w.]