133R15/17d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Löschung der Marke IR 776691 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 6.4.2016, Nm 1/2015 4, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 3.048,60 (darin EUR 508,10 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der internationalen Bildmarke IR 776691 (= angegriffene Marke) mit dem Registrierdatum 16.2.2002:
eingetragen für die Warenklasse 11 für Pocket lamps .
Die Antragstellerin begehrt – gestützt auf § 33 Abs 1 MSchG – die Löschung der angegriffenen Marke, weil dieser keine Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG zukomme. Acht Bohrlöcher im Kopf einer Taschenlampe seien kein Zeichen im Sinne des § 1 MSchG. Bei der Marke handle es sich um eine dreidimensionale Marke, die aus der Gestaltung des Produkts (Taschenlampe) bestehe. Der Durchschnittsverbraucher sehe in diesem Zeichen grundsätzlich keinen Hinweis auf eine betriebliche Herkunft eines Produkts. Die acht Bohrlöcher seien kein besonders auffallendes Gestaltungsmerkmal dieser Taschenlampe.
Die Antragsgegnerin habe auch versucht, die Marke auf die EU auszudehnen. Mit rechtskräftiger Entscheidung vom 17.2.2014 habe die 4. Beschwerdekammer des HABM (nunmehr EUIPO) die Schutzfähigkeit für die EU verneint. Die Antragsgegnerin habe dies unbekämpft gelassen, weil ihr offensichtlich selbst bewusst sei, dass eine solche Marke nicht schutzfähig sei.
Die Antragsgegnerin bestritt die Berechtigung des Antrags und führte aus, dass die angefochtene Marke eine Positionsmarke sei. Aus der Beschreibung gehe eindeutig hervor, dass Schutz für acht Bohrlöcher im Lampenkopf einer beliebig ausgestalteten Taschenlampe beansprucht werde, was auch durch das Taschenlampengehäuse klar und regelkonform zum Ausdruck gebracht werde. In vergleichbarer Weise würden insbesondere Positionsmarken im Kleidungssektor dargestellt und beansprucht.
Der Löschungsantrag gehe daher von falschen Voraussetzungen aus. Die Acht-Loch-Marke hebe sich in ungewöhnlicher Weise von den üblichen funktionalen Formgestaltungen von Taschenlampen ab, weil die Acht-Loch-Marke weder ein Wegrollen der Taschenlampe noch einen sicheren Halt beim Abschrauben des Taschenlampenkopfes bewirke, sodass der informierte Benutzer mit der Acht-Loch-Marke keinen funktionalen Zweck, sondern einen Herkunftshinweis verbinde.
Wegen der umfangreichen Benutzung weise die Marke auch eine hinreichende Unterscheidungskraft auf. Kein anderer Hersteller von Taschenlampen verwende die Acht-Loch-Marke oder eine vergleichbare Positionsmarke.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts dem Löschungsantrag statt und führte zusammengefasst aus, dass dem Durchschnittskonsumenten die Form einer Stab-Taschenlampe allgemein bekannt sei, sodass die angegriffene Marke keine ungewöhnliche Form habe. Die acht Bohrlöcher vermögen daran nichts zu ändern; sie stellen ihrerseits ebenso einfache Formen dar. Der in der Außenansicht der Marke ersichtliche Querschnitt der Bohrlöcher sei sehr klein und damit im Gesamteindruck eher unauffällig. Die Bohrlöcher wiesen weder eine auffallende Farbe noch sonstige auffällige Gestaltungsmerkmale auf.
Im Übrigen sei es üblich, auf (Stab-)Taschenlampen Einkerbungen – und zwar auch in runder Form – anzubringen, um ein Abrutschen bei der Handhabung zu verhindern, insbesondere bei Drehmechanismen, etwa für das Ein- und Ausschalten. Die angegriffene Marke sei somit nur eine gewöhnliche Kombination einfacher und dem Grunde nach üblicher Formelemente mit der typischen Form der Ware selbst; auch die Anordnung der acht Bohrlöcher sei damit nur eine Variante der üblichen Formgebungen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Konsument der Form der Taschenlampe, die am Lampenkopf acht Bohrlöcher aufweise, besonders hohe Aufmerksamkeit schenke. An der angegriffenen Marke sei nicht zu erkennen, was von den typischen (zylindrischen) Formen einer (Stab )Taschenlampe abweiche; auch die acht Bohrlöcher seien kein klar erkennbares Merkmal.
Ein Verkehrsgeltungsnachweis sei nicht erbracht worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin – erkennbar aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – mit dem Antrag, den Löschungsantrag zurückzuweisen (richtig: abzuweisen), in eventu die Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts zurückzuverweisen.
Die Antragstellerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist wie bei beschreibungsverdächtigen Zeichen anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rz 62; EuG T 471/07, Tame it, Rz 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .
1.2. Ob die Unterscheidungskraft fehlt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu beurteilen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; EuGH C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5).
1.3. Diese Grundsätze gelten auch für Positionsmarken, dreidimensionale Marken oder andere Markenarten (EuGH C 344/10 P, Freixenet; 4 Ob 239/04g mwN; RIS-Justiz RS0079038, T4; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 280; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 186 f). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter gewinnt; eine Zergliederung in schutzfähige und schutzunfähige Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08f, Roter Koffer; 17 Ob 30/11b, Goldhase VI; RIS-Justiz RS0119660). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten der betreffenden Warenart (EuGH C 342/97 Slg 1999, I 3819, Lloyd/Lloint‘s, Rz 26 mwN; 17 Ob 15/07s; RIS-Justiz RS0117324).
2. Die Antragsgegnerin beanstandet, dass das Patentamt die angegriffene Marke nicht als Positionsmarke beurteilt habe, obwohl aus der Beschreibung eindeutig hervorgehe, dass das Zeichen eine ringförmige Anordnung von acht Bohrlöchern betreffe, welche am Lampenkopf positioniert seien. Diese acht Bohrlöcher entsprechen nicht dem Aussehen einer handelsüblichen Taschenlampe und daher sei die Beurteilung falsch.
Ebenso würden die Bohrlöcher nicht als klein und unauffällig erscheinen, weil sie das eigentliche Element des Zeichens seien. Mit der Positionsmarke werden die Position und die Form der Bohrlöcher an sich bestimmt, die exakte Größe bei einer realen Ausführung könne jedoch nicht abgeleitet werden. Daher könne bei einer Positionsmarke nicht aus der schematischen Darstellung des Gegenstands geschlossen werden, dass das Zeichen eher klein und unauffällig erscheinen werde. Die Unterscheidungskraft werde ohne sachliche Argumentation aufgrund einer bloßen Vermutung abgesprochen.
Dass kein wesentlicher Unterschied zu den handelsüblichen Taschenlampen bestehe, werde nicht durch Beispiele anderer Taschenlampen belegt, sondern bloß behauptet. Dabei werde nicht berücksichtigt, dass die Positionierung von acht Bohrlöchern im Lampenkopf im Formenschatz anderer Lampenhersteller nicht üblich sei.
Es habe sich gezeigt, dass die acht Bohrlöcher von den beteiligten Verkehrskreisen als Ursprungshinweis erkannt werde. Selbst wenn die Marke nicht als reine Positionsmarke angesehen und die Form der länglichen Taschenlampe mitberücksichtigt würde, würden die relevanten Verkehrskreise aufgrund der acht Bohrungen einen Herkunftshinweis erkennen, weil das Zeichen weder funktionell sei noch mit dem Erscheinungsbild der Ware verschmelze.
3.1 Positionsmarken haben die (durch eine Beschreibung genau festzulegende) Anbringung von Bild- oder dreidimensionalen Elementen an einer bestimmten Stelle auf der Produktoberfläche zum Gegenstand und stehen daher sowohl den Bildmarken als auch den dreidimensionalen Marken nahe.
Ob eine Positionsmarke eine Bildmarke, eine dreidimensionale Marke oder eine eigene Markenkategorie ist, ist für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ohne Belang. Der entscheidende Gesichtspunkt, um zu bestimmen, ob dem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist nicht die Einstufung (als ein Bildzeichen, ein dreidimensionales Zeichen oder ein anderes Zeichen), sondern die Frage, ob das Zeichen mit dem Erscheinungsbild der betreffenden Waren selbst verschmilzt (EuGH C 429/10, Rz 37 = EuG T 547/08, Orange Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke, Rz 82; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 131). Gefordert ist eine erhebliche Abweichung von der Norm oder der Üblichkeit in der jeweiligen Branche (vgl Kur/Heitmann, UMV Art 7 Rn 66 f).
3.2 Ungeachtet des Umstands, dass nach der Judikatur die Einstufung des Zeichens in eine bestimmte Markenkategorie für die Frage der Unterscheidungskraft ohne Relevanz ist (siehe 3.1), ist festzuhalten, dass der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen ist, dass das Zeichen nicht als Positionsmarke beurteilt worden wäre. Das Patentamt führt diesbezüglich an (vgl S 9 der Entscheidungsausfertigung), dass die Marke als dreidimensionale Marke registriert und gemäß ihrer Beschreibung eine Positionsmarke sei.
Ausgehend von der registrierten Form und ihrem maßgeblichen Gesamteindruck ist auch das Berufungsgericht der Rechtsansicht, dass das angegriffene Zeichen in seinem Erscheinungsbild weder erheblich von der Norm noch von der Branchenüblichkeit abweicht. Daher erkennen die beteiligten Verkehrskreise darin keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen. Die Bohrlöcher werden nur als gestalterische und/oder funktionelle Elemente wahrgenommen, die aber optisch keinen (eigenen) Auffälligkeitswert erzeugen. Sie sind nicht geeignet, einen Herkunftshinweis zu vermitteln. Weder die Anordnung noch die Positionierung sind ungewöhnlich und kann keinen Nachdenkprozess dahingehend auslösen, dass es sich hier um ein Bestimmungsmerkmal des Herstellers handeln könnte.
Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts ist wegen des Fehlens von relevanten, charakteristischen Merkmalen daher zu Recht vom Fehlen der Unterscheidungskraft ausgegangen (§ 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500a ZPO).
3.3 Auf den Schutzausschließungsgrund des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG ist unter diesen Voraussetzungen inhaltlich nicht mehr einzugehen. Die Frage der Verkehrsgeltung wurde in der Berufung letztlich nicht mehr releviert.
Die Entscheidung bedarf daher keine Korrektur.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 35 Abs 5 und 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie §§ 41 und 50 ZPO.
5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes stützt sich auf § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO. Der Entscheidungsgegenstand ist rein vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Wegen der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision war gemäß § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen: Ob eine Marke Unterscheidungskraft besitzt, ist eine Frage des Einzelfalls (für die markenrechtliche Verwechslungsgefahr RIS-Justiz RS0111880).