JudikaturOLG Wien

1R208/16i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. April 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Stefula und Dr. Faber in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH in Liquidation , *****, vertreten durch Mag. Franz Karl Juracka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** KG , *****, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in Wien, 2. K***** A***** , *****, vertreten durch Dr. Francisco Rumpf, Rechtsanwalt in Wien, und 3. E***** K***** , *****, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 36.000 s.A. (Rekursinteresse: EUR 1.468,44), über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 17.11.2016, 33 Cg 27/16v-12, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:

„Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 743,40 (darin enthalten EUR 123,90 USt) bestimmten Kosten der Äußerung vom 4.11.2016 binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Mit Mahnklage vom 5.8.2016 begehrte die Klägerin die Zahlung von EUR 36.000,-. Sie habe der Erstbeklagten am 3.12.2013 die Pizzeria ***** verkauft. Vom Kaufpreis hafte der eingeklagte Betrag unberichtigt aus. Der Zweitbeklagte sei bis Juli 2015, der Drittbeklagte seit 1.7.2015 unbeschränkt haftender Gesellschafter der Erstbeklagten gewesen.

Die Erst- und der Drittbeklagte erhoben rechtzeitig Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl. Der Zahlungsbefehl gegen den Zweitbeklagten wurde zur Abholung ab dem 17.8.2016 hinterlegt und in der Folge als nicht behoben rückübermittelt.

Mit Schriftsatz vom 30.9.2016 (ON 6) beantragte der Zweitbeklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist, anerkannte das Klagebegehren in Höhe von EUR 5.000,- und erhob hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl.

Am 18.10.2016 führte das Erstgericht außerhalb einer mündlichen Streitverhandlung eine Vernehmung des Zweitbeklagten durch, bei der der Klagevertreter anwesend war. Das Vernehmungsprotokoll wurde den Parteien zur allfälligen Äußerung zugestellt.

In ihrer Äußerung vom 7.11.2016 (ON 10) beantragte die Klägerin die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags wegen Verspätung, hilfsweise dessen Abweisung.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Zweitbeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück, hob die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls gegenüber dem Zweitbeklagten auf und wies den Antrag der Klägerin auf Ersatz ihrer Äußerungskosten ab.

Es kam zum Ergebnis, dass mangels wirksamer Zustellung des bedingten Zahlungsbefehls der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen, jedoch die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit von Amts wegen aufzuheben sei. Ein Kostenersatz nach § 154 ZPO komme nicht in Betracht, weil eine Säumnis des Zweitbeklagten nicht vorliege.

Nur gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Zweitbeklagten zum Ersatz der Kosten ihrer Äußerung vom 7.11.2016 zu verpflichten.

Der Zweitbeklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

1. Nach § 154 ZPO sind die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens vom Wiedereinsetzungswerber zu tragen, gleich, ob er mit seinem Antrag erfolgreich war oder nicht. § 154 ZPO schließt also das Erfolgshaftungsprinzip aus und folgt dem Verursacherprinzip ( Deixler-Hübner in Fasching/Konecny ³, § 154 ZPO Rz 1). Entstehen dem Gegner zusätzliche Kosten im weiteren Verlauf des Verfahrens, hat der Wiedereinsetzungswerber diese neben seinen eigenen endgültig zu tragen. Der Ersatzbetrag ist durch Vergleich der tatsächlich aufgelaufenen Kosten mit jenen zu ermitteln, die auch bei regulärem Verlauf entstanden wären ( Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 § 154 Rz 2).

Der Wiedereinsetzungswerber hat dem Gegner auch die Kosten einer schriftlichen Stellungnahme zu ersetzen, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war ( Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 281). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Äußerung über gerichtlichen Auftrag erstattet wurde oder wenn keine Verhandlung über den Wiedereinsetzungsantrag stattgefunden hat; auf den Erfolg der Äußerung kommt es nicht an ( Gitschthaler aaO § 154 Rz 2; Obermaier aaO Rz 281, jeweils mwN).

2. Hingegen richtet sich der Kostenersatz im Verfahren zur Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nach den Bestimmungen, die für das Titelverfahren gelten (Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 7 Rz 108; 6 Ob 99/07p = RS0001596 [T11]).

Ein vom Prozesserfolg in der Hauptsache unabhängiger Kostenersatz im Verfahren über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung setzt allerdings das Vorliegen eines Zwischenstreits voraus. Dies ist nur dann der Fall, wenn einander die Parteien in Bezug auf eine bestimmte, außerhalb der eigentlichen Hauptsache liegende Frage mit widerstreitenden Anträgen – etwa auch erst in der Rechtsmittelbeantwortung – gegenüberstehen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ³, § 48 ZPO Rz 13; vgl 6 Ob 99/07p). Tritt der Prozessgegner dem Antrag hingegen nicht aktiv entgegen ( M. Bydlinski aaO § 48 ZPO Rz 13) oder handelt das Gericht von Amts wegen, liegt kein Zwischenstreit vor ( Obermaier aaO Rz 291).

3. Im vorliegenden Fall erfolgte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung durch das Erstgericht von Amts wegen ohne darauf gerichteten Antrag des Zweitbeklagten; die Klägerin hat dagegen kein Rechtsmittel erhoben. Ein Zwischenstreit über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung fand daher nicht statt. Die Äußerung der Klägerin vom 7.11.2016 ist vielmehr durch den Wiedereinsetzungsantrag des Zweitbeklagten verursacht und daher dem Wiedereinsetzungsverfahren zuzuordnen .

Das Erstgericht hat den Parteien nämlich angekündigt, den Zweitbeklagten zu seinem Wiedereinsetzungsantrag außerhalb einer mündlichen Streitverhandlung zu vernehmen und ihnen danach eine Äußerungsmöglichkeit zum Antrag sowie zu den Vernehmungsergebnissen einzuräumen (ON 7). In der Folge wurde das Vernehmungsprotokoll den Parteien zur allfälligen Äußerung zugestellt (ON 9), worauf die Klägerin die – allein auf den Wiedereinsetzungsantrag bezugnehmende – Äußerung vom 7.11.2016 erstattete.

4. Diese Äußerung war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Der Klagevertreter war zwar bei der Vernehmung des Zweitbeklagten anwesend, das Erstgericht hatte jedoch bereits im Vorfeld klargestellt, dass die Vernehmung außerhalb einer mündlichen Streitverhandlung stattfinden und die Äußerungsmöglichkeit im Nachhinein schriftlich – also nicht im Zuge der Vernehmung – eingeräumt würde. Die Klägerin war daher zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs darauf angewiesen, die vom Erstgericht freigestellte Äußerung einzubringen. Der Vollständigkeit halber wird darauf verweisen, dass die Klägerin im Wiedereinsetzungsverfahren für die Teilnahme an der Vernehmung des Zweitbeklagten keine Kosten verzeichnete.

Die Klägerin hat daher nach § 154 ZPO Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Äußerung vom 7.11.2016.

Die Honorierung dieses Schriftsatzes erfolgt jedoch nicht nach TP 3A, sondern nach TP 2 RATG ( Obermaier aaO Rz 281). Bei der Äußerung handelt es sich nämlich um einen Schriftsatz, der weder in den Tarifposten 1 noch 3 RATG angeführt ist.

Die Klägerin hat daher Anspruch auf Ersatz ihrer Äußerungskosten in Höhe von EUR 743,40 (Verdienst TP 2 RATG EUR 413,- zuzüglich 50 % Einheitssatz und 20 % USt). In diesem Umfang war dem Kostenrekurs Folge zu geben.

5.1. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO iVm § 11 RATG.

Zwar folgt aus § 154 ZPO, dass der Wiedereinsetzungswerber auch die Kosten des erfolgreichen Rekurses gegen den Abweisungsbeschluss über den Wiedereinsetzungsantrag nicht beanspruchen kann ( Obermaier aaO Rz 278; 2 Ob 366/97f = RIS-Justiz RS0109084). Es wäre jedoch nicht sachgerecht, wenn § 154 ZPO auch für die Bekämpfung der im Wiedereinsetzungsverfahren gefassten Kostenentscheidung gelten würde ( Deixler-Hübner aaO § 154 ZPO Rz 8; Fink , Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in der Zivilprozessordnung [1994] 199; Fasching , Lehrbuch² [1990] Rz 588).

§ 154 ZPO stellt einen Sonderfall der Kostenseparation dar ( Gitschthaler aaO § 154 Rz 1). Jede Kostenseparation betrifft aber nur die nicht notwendig verursachten Mehrkosten ( Obermaier aaO Rz 206).

Verzeichnet der Wiedereinsetzungsgegner unberechtigt Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens – etwa durch nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendige Eingaben -, so sind diese nicht durch die Versäumung verursacht; der Wiedereinsetzungsgegner hat dafür keinen Anspruch auf Kostenersatz (vgl Obermaier aaO Rz 281 mwN).

Auch im Fall einer unrichtigen Kostenentscheidung im Wiedereinsetzungsverfahren kann nicht mehr von durch die Versäumung oder durch die Verhandlung über den Wiedereinsetzungsantrag verursachten Kosten gesprochen werden ( Fink aaO 199). Eine Rechtfertigung dafür, den Wiedereinsetzungswerber im Kostenrekursverfahren auch bei Obsiegen zum Kostenersatz zu verpflichten, dient daher nicht der Verwirklichung der in § 154 ZPO angeordneten Kostenseparation.

In der Lehre wird ergänzend darauf verwiesen, dass der Wiedereinsetzungsgegner im Kostenrekursverfahren keinen Ungewissheiten im Sachverhaltsbereich mehr ausgesetzt ist ( Obermaier aaO Rz 279). Der Wiedereinsetzungsgegner könnte jedoch bei Anwendung des § 154 ZPO im Kostenrekursverfahren Kostenrekurse ohne jegliches Kostenrisiko erheben (vgl Fink aaO 199; Deixler-Hübner aaO § 154 ZPO Rz 8). Eine derartige Bevorzugung des Wiedereinsetzungsgegners ist vom Zweck des § 154 ZPO – der Kostenseparation hinsichtlich der durch die Versäumung verursachten Mehrkosten – nicht gedeckt.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die erfolglose Kostenrekursbeantwortung des Restitutionsgegners nicht ersatzfähig ist ( Obermaier aaO Rz 279; LGZ Wien EFSlg 101.942; OLG Wien 2 R 220/15k). Auch die Kosten eines erfolglosen Kostenrekurses des Restitutionsgegners sind nicht nach § 154 ZPO vom Wiedereinsetzungswerber zu tragen (OLG Wien 2 R 187/10z).

Dies steht im Einklang mit der von der Lehre vertretenen Ansicht, dass für die Bekämpfung von im Wiedereinsetzungsverfahren gefassten Kostenentscheidungen die allgemeinen Kostenersatzbestimmungen der §§ 41 ff ZPO gelten ( Deixler-Hübner aaO § 154 ZPO Rz 8; Fink aaO 199; Fasching aaO Rz 588).

Der Senat schließt sich dieser überzeugend begründeten Ansicht an. Die Kosten des Kostenrekursverfahrens gegen eine im Wiedereinsetzungsverfahren ergangene Kostenentscheidung unterliegen daher nicht der Bestimmung des § 154 ZPO. Ihr Ersatz richtet sich allein nach dem Obsiegen im Kostenrekursverfahren, somit nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 41 ff (iVm § 50) ZPO.

5.2. Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin im Kostenrekursverfahren den Zuspruch von Kosten in Höhe von EUR 1.468,44. Mit diesem Begehren ist sie im Umfang von EUR 743,40 durchgedrungen. Dies entspricht rund 50 % des begehrten Kostenzuspruchs. Es war daher nach §§ 43 Abs 1, 50 ZPO mit Kostenaufhebung vorzugehen.

6. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

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