JudikaturOLG Wien

133R6/17f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. März 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung einer Bildmarke über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 27.10.2016, AM 53389/2015 4, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--. Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung dieser Bildmarke

für folgende Waren der Klasse 9 :

Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; Fotografische Medien, nämlich belichtete Filme; Kinematografische Filme [belichtet].

Sie brachte dazu vor, die beanspruchte Marke funktioniere als Herkunftshinweis, handle es sich dabei doch um die weltberühmte und unverkennbare Orgel des Goldenen Saals des Wiener Musikvereins. Bildmarken seien zudem die „ältesten Ursprungskennzeichen“. Die Abbildung einer Orgel könne keine Information über die Art der Ware vermitteln. Das Zeichen sei zudem komplex, weil es keine gewöhnliche Orgel zeige. Auf Grund des Wiedererkennungswerts, etwa wegen der Ausstrahlung des Neujahrskonzerts in die ganze Welt, werde das Zeichen primär als Herkunftshinweis verstanden.

Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt die Eintragung: Die Marke zeige die Orgel des Großen Musikvereinssaals. Daher würden die beteiligten Verkehrskreise darin nur den Hinweis darauf sehen, dass die so bezeichneten Musik- und Videoaufnahmen klassische Musik zum Inhalt hätten; es fehle die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Aus den vorgelegten Unterlagen lasse sich weder eine markenmäßige Verwendung des Zeichens für die beanspruchten Waren erkennen noch könnten daraus Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie die Verkehrskreise das angemeldete Zeichen wahrnehmen. Registrierungen anderer Marken seien nicht präjudiziell.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Mit der Vorlage von Urkunden gemeinsam mit dem Rekurs verstößt die Antragstellerin gegen das Neuerungsverbot des § 139 Z 3 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG; davon abgesehen hat sie die identen Urkunden der Rechtsabteilung bereits gemeinsam mit ihrer Äußerung vom vorgelegt (ON 3).

2. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

2.1. Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

2.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, Oxi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

2.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5; vgl zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).

2.4. Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen (vgl Koppensteiner, Markenrecht 4 71 mwN; RIS-Justiz RS0109431; C 326/01, Universaltelefonbuch mwN; C 494/08 P, Pranahaus; vgl zuletzt 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383).

2.5. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3], RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Linie; 4 Ob 51/16b, MAGIC MOUNTAIN ). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

2.6. Auch bei reinen Bildmarken kommt es auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise an; einfachen geometrischen Figuren, Emoticons oder Satzzeichen kommt in der Regel keine Unterscheidungskraft zu (mit zahlreichen Beispielen Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 123 ff; OLG Wien 34 R 17/14s, Wollsiegel ).

3. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft abzusprechen.

3.1. Auch wenn die Antragstellerin keine Rekursgründe nennt, so ergibt sich aus dem Vorbringen im Rechtsmittel ohne Weiteres, dass sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht (RIS-Justiz RS0041851 [T8]; RS0111425).

Die Antragstellerin erneuert im Rekurs ihr bereits vor der Rechtsabteilung besonders betontes Argument, dass gerade die angesprochenen Verkehrskreise die Orgel des Musikvereins wegen ihres Wiedererkennungswerts erkennen und das Zeichen als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen würden. Diese Orgel grenze sich von einfachen Musikinstrumenten ab.

Der weiteren Behandlung des Rekurses ist auch zugrunde zu legen, dass die Antragstellerin im Rechtsmittelverfahren auf die Tatfrage der Verkehrsgeltung nicht mehr zurückkommt.

3.2. Beteiligte Verkehrskreise sind hier alle Interessenten oder Abnehmer der beantragten Waren, also nicht nur der Fachkreis der damit befassten Unternehmer, sondern auch der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (vgl RIS-Justiz RS0079038).

Auch für Bildmarken gilt für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nichts anderes als für sonstige Marken: Auch sie müssen als unternehmerischer Herkunftshinweis taugen (s bereits oben Punkt 2.6.; J. Schumacher in Kur/v. Bromhard/Albrecht, Markenrecht § 8 MarkenG Rz 388 mwN der Rsp des BGH; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 268). Das beanspruchte Zeichen muss sich also dazu eignen, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Produkte eines bestimmten Unternehmens gegenüber den Produkten anderer Unternehmer aufgefasst zu werden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist gerade bei einer Bildmarke (wie auch bei der Prüfung dreidimensionaler Marken) als Kriterium der Unterscheidungskraft zu fordern, dass sie erheblich von der Branchennorm oder -üblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann. Dies ist bei einem Bild nur der Fall, wenn es vom Erscheinungsbild der damit gekennzeichneten Waren unabhängig ist (C 546/10 P, Gitarrenkopf, Rz 54 und 58 mwN; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 129).

3.3. Ausgehend davon ist bei der im Eintragungsverfahren anzustellenden Prognose für die Registrierbarkeit zu prüfen, ob die Marke angesichts des beanspruchten Schutzumfangs einen relevanten Interpretationsaufwand erfordert oder ob ihr die Unterscheidungskraft fehlt.

Das angemeldete Zeichen zeigt eine in den Kreisen der Liebhaber klassischer Musik und der damit befassten Händler – also beim Fachpublikum – stark konnotierte Orgel. Allerdings handelt es sich dabei um einen kleineren Teil der Gesamtbevölkerung (zur Relevanz s unten Punkt 3.4.), was der Rekursentscheidung als notorisch zugrundegelegt wird und was auch durch die von der Antragstellerin im Verfahren erster Instanz vorgelegten Unterlagen nicht widerlegt wird.

Für die Durchschnittsverbraucher ohne vertiefte Kenntnisse der Musikszene, die auch angesprochen werden und die im Verkehrskreis überwiegen, handelt es sich hingegen um das gewöhnlich gestaltete Bild (Foto) einer – wenn auch bemerkenswerten – Orgel ohne Zuordnung zu einem bestimmten Bauwerk oder Gebäude.

Im Rahmen der im Eintragungsverfahren stets anzustellenden Prognose liegt es auch aus Sicht des Rekursgerichts (wie bereits für die Rechtsabteilung) nahe, dass die Durchschnittsverbraucher (wie sie oben beschrieben wurden), das Zeichen angesichts des beanspruchten Schutzumfangs am ehesten und – entgegen der Einschätzung im Rekurs – ohne relevante Gedankenoperationen als Hinweis auf klassische Musik und insbesondere Orgelmusik oder auf Konzertmusik im Allgemeinen und auf damit zusammenhängende Ton- und Filmaufnahmen und auf die sonstigen zum Schutz begehrten Waren verstehen, ohne dass daraus Schlüsse auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb gezogen werden (s die Nw bei J. Schumacher in Kur/v. Bromhard/Albrecht, Markenrecht § 8 MarkenG Rz 409 ff; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 277 [sonstige sachbezogene Abbildungen]).

Die beanspruchten Waren mit Fotos oder Bildern von Musikinstrumenten zu versehen, ist nämlich ein branchentypisches Gestaltungsmerkmal (zu diesem Prüfmaßstab s wiederum C 546/10 P, Gitarrenkopf, Rz 54).

3.4. Bei der Entscheidungen sind somit zwei Aspekte gegeneinander abzuwägen: Allgemein und nicht auf bestimmte Teile der Verkehrskreise beschränkt wird das – von keinem Text begleitete – Bild eine unmittelbare Assoziation mit Musik sowie mit Bild- und Tonträgern hervorrufen, die Musik transportieren, ohne dass dafür ein besonderer Interpretationsaufwand nötig wäre. Einen Teil der Verkehrskreise wird das Bild zusätzlich an den Musikvereins-Saal und an das Gebäude erinnern, das der Antragstellerin gehört (Grundbuch). Da dieser Teil der Verkehrskreise aber kleiner ist, ist die Unterscheidungskraft des Bilds nach Einschätzung des Rekursgerichts nicht gegeben.

Dabei folgt das Rekursgericht auch der Rsp, wonach bei der Prüfung des Eintragungshindernisses sogar ein kleinerer Teil der in Frage kommenden Verkehrskreise schon relevant wäre; vgl 4 Ob 77/15z, Amarillo, mwN; OLG Wien 34 R 50/15w, Bukhara (4 Ob 126/15f); OLG Wien 34 R 55/16g, FairUse (4 Ob 180/16y).

3.5. Wie die Antragstellerin allenfalls beabsichtigt, das Zeichen im Fall seiner Registrierung konkret zu verwenden, ist für das Eintragungsverfahren nicht relevant, denn die Beurteilung hat allein anhand des beanspruchten Schutzumfangs unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit und unter Bedachtnahme auf die wahrscheinlichste Form der Verwendung zu erfolgen (4 Ob 49/14f, MyTAXI; 4 Ob 36/14v, SELECTIVE/LINE je mwN; J. Schumacher in Kur/v. Bromhard/Albrecht, Markenrecht § 8 MarkenG Rz 399 unter Verweis auf C 307/11 P, Deichmann SE [vgl insb Rz 54 f]).

3.6. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ), Unterscheidungskraft fehlt einer Marke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Waren verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL wäre daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rz 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, MyTAXI ).

Aus diesem Grund ist auf das weitere Rekursvorbringen zu § 4 Abs 1 Z 4 und Z 5 MSchG nicht näher einzugehen, weil es der angemeldeten Marke bereits an der Unterscheidungskraft nach Z 3 (als Obersatz) fehlt.

4. Auf das zwar nicht mehr im Rekurs, wohl aber noch vor der Rechtsabteilung ins Treffen geführte Argument, dass das EUIPO eine vergleichbare Bildmarke bereits registriert habe, ist nicht einzugehen, weil keine Präjudizialität gegeben ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).

5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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