JudikaturOLG Wien

34R129/16i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Terlitza und den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Barger in der Patentrechtssache der gefährdeten Partei B***** , vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei C***** , vertreten durch WERDNIK KUSTERNIGG Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Beweissicherung (Interesse: EUR 35.000) über die Rekurse der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 23.3.2016, 19 Cg 17/16w 2 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20.7.2016, 19 Cg 17/16w 20; 34 R 129/16i), und die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 10.11.2016, 19 Cg 17/16w 33 (34 R 130/16m), und vom 7.12.2016, 19 Cg 17/16w 36 (34 R 131/16h), in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I . Im Verfahren 34 R 129/16i :

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig, die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

II . Im Verfahren 34 R 130/16m :

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig, die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

III . Im Verfahren 34 R 131/16h :

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat ihre Rekurskosten endgültig selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Text

Begründung

Die Gefährdete ist Inhaberin des Patents EP 1 395 630 B1 „Fein verteilte Stabilisatorzusammensetzung für halogenhaltige Polymere“ (in der Folge kurz: Streitpatent) unter anderem mit folgenden, für die Rekursverfahren insbesondere noch relevanten Ansprüchen:

1. Stabilisatorzusammensetzung, mindestens enthaltend ein Salz einer halogenhaltigen Oxysäure der allgemeinen Formel M(CIO 4 ) k , wobei M für Li, Na, K, Mg, Ca, Sr, Zn, Al, La, Ce oder ein Ammoniumkation der allgemeinen Formel NR 4 + steht, die Reste R unabhängig voneinander für H oder einen linearen oder verzweigten Alkylrest mit 1 bis etwa 10 C Atomen und k entsprechend der Wertigkeit von M für die Zahl 1, 2 oder 3 steht, und eine anorganische oder organische Säure oder eine anorganische Base, wobei die Zusammensetzung, bezogen auf den Gesamtgehalt an Salz einer halogenhaltiger Oxysäure weniger als 10 % Kristallite des Salzes mit einer Kristallitgröße von mehr als 3 μm enthält.

10. Polymerzusammensetzung, mindestens enthaltend ein halogenhaltiges Polymeres und eine Stabilisatorzusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 oder eine gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 9 hergestellte Stabilisatorzusammensetzung.

Die Erfindung betrifft eine Stabilisatorzusammensetzung für halogenhaltige Polymere, die ein Salz einer halogenhaltigen Oxysäure und eine anorganische oder organische Säure oder eine anorganische Base enthält, sowie ein Verfahren zur Herstellung derartiger Stabilisatorzusammensetzungen sowie halogenhaltiger Polymere, die solche Stabilisatorzusammensetzungen enthalten. Im Prioritätszeitpunkt war die Verwendung halogenhaltiger Polymere, die ein Salz einer halogenhaltigen Oxysäure sowie anorganische oder organische Säuren oder eine anorganische Base enthalten, bekannt. Solche Zusammensetzungen sind in EP 273 766, EP 457 471 und US 5,190,700 beschrieben.

Halogenhaltige Kunststoffe neigen bei thermischer Belastung während der Verarbeitung oder im Langzeitgebrauch zu unerwünschten Zersetzungs- und Abbaureaktionen, insbesondere zur Bildung von Salzsäure. Diese Nachteile sollen patentgemäß durch die Beigabe von Stabilisatoren verhindert werden. Die Aufgabe der Erfindung ist es, eine Stabilisatorzusammensetzung für halogenierte Polymere zu schaffen, die leicht handhabbar ist, homogen in Polymere eingearbeitet werden kann und eine gleichmäßig gute Stabilisierung gewährleistet. Die nach dem Stand der Technik bekannten Stabilisatorzusammensetzungen wiesen noch relativ große Kristallite von Natriumperchlorat auf, die sich nicht ausreichend homogen in halogenhaltigen Polymeren verteilen lassen und eine Gefahr bei der Handhabung darstellen.

Erfindungsgegenstand ist eine Stabilisatorzusammensetzung, die das Salz der halogenhaltigen Oxysäure in möglichst feiner Verteilung enthält. Zusammensetzungen, die eine Kristallitgröße und -verteilung iSd Patents aufweisen, sind in den Vorveröffentlichungen nicht beschrieben. In der Produktion von PVC wird die Stabilisatorzusammensetzung den halogenhaltigen Polymeren beigefügt. Diverse Herstellungsarten für ein Gemisch im Sinne des Patentanspruchs sind im Patent beschrieben.

Die Gegnerin ist die Führungsgesellschaft der „ C*****-Gruppe“; sie gehört weltweit zu den führenden Anbietern von PVC Additiven. Die Produktion erfolgt in Arnoldstein und an anderen Standorten. Verschiedene Stabilisatoren für PVC bietet sie unter anderem unter der Marke „N*****“ an.

Im Juli 2014 befand sich bei der in Deutschland ansässigen M***** GesmbH eine Lieferung des Produkts „N***** CMG 4826 13“ mit der Aufschrift „C*****“. Es handelt sich um eine Stabilisierungszusammensetzung bzw eine Zusammensetzung, die zur Stabilisierung von PVC verwendet wird. Das Granulat enthielt unter anderem Natriumperchlorat (Salz einer halogenhaltigen Oxysäure laut Merkmal 2) und Magnesiumhydroxid (anorganische Base, Merkmal 3). Sie enthielt weiters weniger als 10 % Kristallite von Natriumperchlorat mit einer Größe von mehr als 3 Micron. Das Natriumperchlorat liegt damit in fein verteilter Form vor. Es handelt sich um eine Stabilisatorzusammensetzung, die in Verbindung unter anderem mit einem halogenhaltigen Polymer eine Polymerzusammensetzung ergibt.

Mit ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Beweissicherung behauptet die Gefährdete auf das Wesentliche zusammengefasst, die Gegnerin stelle in Österreich unter Ausnutzung des Streitpatents Stabilisatorzusammensetzungen her und vertreibe diese unter der Bezeichnung „N***** CMG 4826 13“.

Mit dem zu 34 R 129/16i ( Spruchpunkt I. ) angefochtenen Beschluss vom 23.3.2016 (in der Fassung des Beschlusses vom 20.7.2016, ON 20) erließ das Erstgericht daraufhin ohne Anhörung der Gefährdeten die beantragte einstweilige Verfügung im Wesentlichen antragsgemäß, wobei die Abweisung des „Sicherungsmehrbegehrens“ rechtskräftig wurde (ON 2).

Die einstweilige Verfügung wurde in weiterer Folge am 1.6.2016 vollzogen (ON 10). In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den bereits eingangs dieser Rekursentscheidung auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt dahin, dass die Gefährdete Indizien vorgelegt habe, die für die Herstellung rechtsverletzender Produkte durch die Gegnerin sprechen, und damit den Eingriff bescheinigt habe. Es bestünden starke Anhaltspunkte dafür, dass das Produkt, dessen patentverletzende Eigenschaften bescheinigt sind, von der Gegnerin hergestellt wurde. Unter diesen Umständen sei die Sicherung der Beweise für den indizierten Eingriff im Sinne des § 151b PatG angemessen, da nur am Produktionsort festgestellt werden könne, ob die Gegnerin Eingriffsgegenstände herstellt oder liefert.

Mit dem dagegen gemeinsam mit dem Widerspruch erhobenen Rekurs verband die Gegnerin den vom Rekursgericht bereits behandelten Antrag (ON 14) auf Einschränkung der Akteneinsicht (Beschluss des Erstgerichts vom 20.7.2016, ON 20; Beschluss des Rekursgerichts 34 R 84/16x vom 8.9.2016, ON 25; Anm: der dagegen erhobene [Revisions ]Rekurs ist beim Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 9/17b anhängig).

Gegen den stattgebenden Teil der einstweiligen Verfügung richtet sich der Rekurs der Gegnerin aus den Rekursgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und (erkennbar gemeint:) die Anordnung der Rückstellung der im Rahmen der Beweissicherung gezogenen Proben; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Gefährdete beantragt, den Rekurs abzuweisen.

Mit dem zu 34 R 130/16m ( Spruchpunkt II. ) angefochtenen Beschluss vom 10.11.2016 (ON 33) gab das Erstgericht dem gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Widerspruch der Gegnerin auf Basis des ergänzten, hier nur auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalts nicht Folge:

Mit Schreiben vom 3.8.2010 ersuchte die Gefährdete die Gegnerin um Stellungnahme zum Vorwurf, dass sie in Deutschland eine Stabilisatorzusammensetzung zur Stabilisierung von PVC anbiete, die das Streitpatent verletze. Die Gegnerin antwortete, sie könne ohne Anführung einer Produktbezeichnung nicht Stellung nehmen. Darauf erwiderte die Gefährdete, dass nach ihrer Information das patentverletzende Material im Jahr 2009 als „Booster-System“ für Stabilisatoren angeboten worden sei. Die Gegnerin repliziert am 13.7.2011, dass sie selbstverständlich fremde Schutzrechte beachte; gemäß einer Röntgenbeugungsuntersuchung des Produkts würden die Patentmerkmale nicht erfüllt. Das Fehlen von Reflexen könne generell die Folge einer zu geringen Konzentration in der untersuchten Probe sein. Damit gab sich die Gefährdete zufrieden.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht davon ausgehend zur Auffassung, eine „Verwirkung“ sei ausgeschlossen. Verjährung scheide ebenfalls aus, da die Gefährdete aktuelle Verstöße geltend mache. Die Gegnerin habe die Nichtigkeit oder das Fehlen der Erfindungshöhe nicht bescheinigt. Dass der Patentgegenstand nicht nachgearbeitet werden könne, habe das Bescheinigungsverfahren nicht ergeben.

Dagegen erhob die Gegnerin Rekurs aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt, dem Widerspruch Folge zu geben und den Sicherungsantrag abzuweisen; hilfsweise stellt sie auch hier einen Aufhebungsantrag.

Die Gefährdete beantragt, auch diesen Rekurs abzuweisen.

Letztlich wies das Erstgericht mit dem zu 34 R 131/16h ( Spruchpunkt III. ) angefochtenen Beschluss vom 7.12.2016 (ON 36) den Antrag der Gefährdeten ab, ihrem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den sie mit dem (Revisions )Rekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts (34 R 84/16x vom 8.9.2016) verbunden hatte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der weitere Rekurs der Gegnerin aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der „unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund von Aktenwidrigkeit“ mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung; hilfsweise stellt die Gegnerin wiederum einen Aufhebungsantrag.

Die Gefährdete wurde an diesem Rekursverfahren nicht beteiligt.

Die Rekurse zu I. und II. sind nicht berechtigt; der Rekurs zu III. ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Rekurs gegen die einstweilige Verfügung (Beschluss vom 23.3.2016) :

1. Die mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden sind zurückzuweisen, weil die Gegnerin damit gegen das auch im Provisorialverfahren geltende Neuerungsverbot verstößt (RIS-Justiz RS0002445; allgemein RS010858; RS00420919).

2. Auch wenn die Gegnerin eine Zuordnung zu den beiden, in der Anfechtungserklärung genannten Rekursgründen nicht vornimmt, so ist doch evident, dass sie die Anordnung der Beweissicherung als Resultat einer unrichtigen Rechtsansicht ansieht.

Diese Kritik vollzieht das Rekursgericht nicht nach, weil der (unstrittige) Umstand, dass der Gefährdeten am 24.7.2014 eine Produktprobe übergeben wurde, gerade nicht indiziert, dass sie den Provisorialantrag auf Beweissicherung einzig und allein gestellt hätte, um „ Kenntnis der Geschäftsgeheimnisse“ der Gefährdeten zu erlangen, zumal sich eine derartige Absicht weder aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt noch sonst indiziert wäre.

Im Gegenteil: Gerade diese Produktprobe rechtfertigt den Beweissicherungsantrag, damit die Gefährdete in die Lage versetzt wird, den daraus resultierenden Verdacht zu erhärten. Daher steht weder die nach § 1295 Abs 2 ABGB erforderliche Schädigungsabsicht noch ein krasses Missverhältnis zwischen den von der Gefährdeten verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen der Gefährdeten fest (statt vieler RIS-Justiz RS0026265; RS0026271; Karner in KBB 4 § 1295 Rz 21 mwH).

Wo genau die Gegnerin ihren Produktionsstandort hat, bildet ebenso wenig eine für die Frage der Zulässigkeit der Beweissicherung relevanten Anknüpfungspunkt, kommt es doch allein darauf an, ob die Gefährdete ein ([abstrakt] durch die Rechtsordnung gerechtfertigtes) rechtliches Interesse an der Beweissicherung hat. Davon abgesehen steht fest, dass die Gegnerin nicht nur in Arnoldstein, sondern weltweit auch an andere Standorten produziert (ON 2, BS 7).

3. Das Erstgericht hat in seiner einstweiligen Verfügung unter anderem auch Folgendes festgestellt (BS 8):

„Im Juli 2014 befand sich bei der deutschen M***** GesmbH eine Lieferung des Produkts „N***** CMG 4826 13“ mit der Aufschrift „C*****“.

In diesem Kontext rügt die Gefährdete unter Verweis auf das Postulat der richtlinienkonformen Interpretation das Unterbleiben von Feststellungen zur Frage der Gefahr der Beweisvernichtung nach § 151b Abs 4 PatG (und der sekundärrechtlichen Vorgabe von Art 7 Durchsetzungs-RL). Dabei übersieht sie, dass die Ausführungen des Erstgerichts, wonach diese Gefahr schon nach den Umständen als bescheinigt anzusehen sei, solche zum Sachverhalt sind, die – ohne Weiteres erkennbar – disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfolgt sind (s dazu auch unten Punkt II.8.).

4. Mit dem Hinweis auf die aus ihrer Sicht „ ungebührliche lange Zeit“ zwischen Erlassung der einstweiligen Verfügung und ihrem Vollzug zeigt die Gegnerin keinen Verstoß gegen ihr rechtliches Gehör nach Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 Abs 1 GRC auf. In Wahrheit rügt sie damit neuerlich bloß, dass der Beschluss ohne ihre Anhörung erging. Diese Frage ist daher im Zusammenhang mit dem Rekurs gegen die Widerspruchsentscheidung zu behandeln, weil ungeachtet der Anwendbarkeit von Art 6 Abs 1 EMRK auch im Provisorialverfahren in Ausnahmefällen (etwa dann, wenn – wie auch hier – die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhängt) Sicherungsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung des Gegners zulässig sind, weil der danach mögliche Widerspruch das rechtliche Gehör sicherstellt (2 Ob 140/10t = RIS-Justiz RS0028350 [T9]; RS0005557; allg RS0005415; speziell ErlRV zu § 151b PatG, abgedruckt bei Wiltschek , PatR 3 § 151b PatG Anm 5).

5. Die Gegnerin behauptet schließlich, das Streitpatent sei nichtig, weil (im Wesentlichen) nicht neu, nicht erfinderisch und zudem nicht offenbart. Diese von der Gegnerin behaupteten neuen Tatsachen und ihr weiterer Einwand, es bestehe kein Patenteingriff und außerdem sei die Antragstellung verwirkt und/oder verjährt, sind nicht zu berücksichtigen, weil das Neuerungsverbot auch im Sicherungsverfahren gilt (stRsp: RIS-Justiz RS0002445; zu den mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden s bereits oben Punkt I.1.). Neues Vorbringen im Rechtsmittel ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Rechtsmittelwerber in erster Instanz nicht gehört wurde (4 Ob 91/89 = RIS-Justiz RS0002445 [T4]; 6 Ob 204/10h).

Das Erstgericht hat zum Erfindungsgegenstand außerdem festgestellt, dass er eine Stabilisatorzusammensetzung betrifft, „[...] die das Salz der halogenhaltigen Oxysäure in möglichst feiner Verteilung enthält“ (ON 2, BS 7).

6. Ungeachtet der Verpflichtung, die Frage einer Sicherheitsleistung auch noch im Rekursverfahren amtswegig zu prüfen (4 Ob 145/14y; RIS-Justiz RS0005496), hegt das Rekursgericht gegen ihre Höhe keine Bedenken, zumal die Gegnerin dagegen auch nichts vorgetragen hat.

Die Entscheidung über die Kosten der Gefährdeten beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Gegnerin auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 151b PatG fehlt und die Norm selbst, was die Reichweite und den Umfang einer Beweissicherung betrifft, nicht so klar ist, dass sie nicht über den Einzelfall hinaus (§§ 78 EO iVm 528 Abs 1 ZPO) einer Klarstellung durch den OGH bedürfte. Dem steht nicht entgegen, dass an sich die Frage, ob eine Sicherungsmaßnahme zumutbar und erforderlich ist, immer von den Umständen des Einzelfalles abhängt (RIS-Justiz RS0078150).

II. Zum Rekurs gegen die Entscheidung über den Widerspruch (Beschluss vom 10.11.2016):

1. Verweise in Rechtsmittelschriften auf andere Schriftsätze sind unbeachtlich; es können nur solche Ausführungen berücksichtigt werden, die im Rechtsmittel selbst oder zumindest ausdrücklich gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043579 [T12]; RS0043616). Der bloße Verweis auf den Widerspruch und seinen Inhalt ist daher nicht geeignet, die „Unzulässigkeit der einstweiligen Verfügung“ zu begründen. Im Übrigen versteht das Rekursgericht diese Ausführungen im Hinblick auf das weitere Rekursvorbringen aber ohnehin eher als einleitende Bemerkungen.

2. Die Gegnerin wiederholt ihr bereits im Rekurs gegen die einstweilige Verfügung ausführlich vorgetragenes Argument, wonach die Beweissicherung unzulässig angeordnet worden sei. Auf das Wesentliche zusammengefasst begründet sie dies mit dem Umstand, der Gefährdeten sei bereits am 24.7.2014 von einem Kunden eine Produktprobe übergeben worden, die sie auch analysiert habe. Dies habe die Gegnerin in die Lage versetzt, eine Klage einzubringen.

Das Erstgericht hat jedoch nur als bescheinigt angenommen, dass die M***** GesmbH eine Lieferung des Produkts „N***** CMG 4826 13“ mit der Aufschrift „C*****“ erhalten hat (ON 2, BS 8). Im Sinn der Argumentation der Gefährdeten in ihrer Rekursbeantwortung steht damit aber der wesentliche Umstand nicht fest, dass dieser Eingriffsgegenstand tatsächlich von der Gegnerin stammt (und sie ihn [überhaupt] der M***** GesmbH verkauft hat).

3. Im Hinblick auf die rechtskräftige Abweisung des „Sicherungsmehrbegehrens“ ist auch der Vorwurf ohne rechtliche Relevanz, die Gegnerin habe „ insbesondere die gerichtliche Beschlagnahme aller angeblichen Eingriffsgegenstände “ beantragt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zur Frage der Herkunft des Eingriffsgegenstands zur Behauptung der Rechtsmissbräuchlichkeit und/oder Sittenwidrigkeit im Übrigen auf das oben unter Punkt I.2. Ausgeführte verwiesen werden. Es steht davon ausgehend außer Frage, dass die Gefährdete zur Klärung der Verdachtslage ein von der Rechtsordnung geschütztes Interesse an der Aufklärung eines möglichen Eingriffs in das Streitpatent hat.

4. Mit dem (im Verfahren ständig wiederkehrenden) Argument, der Gefährdeten stünden die erforderlichen Beweise ohnehin bereits zur Verfügung, entfernt sich die Gegnerin unzulässig vom festgestellten Sachverhalt, ergibt sich doch selbst aus der im Jahr 2010 geführten Korrespondenz (vgl ON 33, BS 2 f) nicht, dass die Gefährdete im Besitz der erforderlichen Informationen war, sondern vielmehr nur, dass sie sich von der Gegnerin (wenigstens vorerst) beschwichtigen ließ. Außerdem hat das Erstgericht (obschon disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, jedoch eindeutig mit Feststellungscharakter) auch als nicht bescheinigt angenommen, dass sich diese Korrespondenz „auf dasselbe Produkt bezieht“ (ON 33, BS 5).

5. Auch interne Bezeichnungen sind für die Gefährdete relevant, um einen allfälligen Eingriff in das Streitpatent nachvollziehbar zu machen.

Mit der Beauftragung der Sachverständigen mit einem Befund darüber, ob die gezogenen Proben den beschriebenen Ansprüchen entsprechen, hat das Erstgericht nicht den Antrag überschritten, zumal es den Parteien alternativ und damit insoweit jedenfalls im Rahmen des Antrags auf Erlassung der einstweiligen Verfügung auch freistellte, die Auswertung durch ein von ihnen einvernehmlich gewähltes unabhängiges Labor durchführen zu lassen (ON 2, BS 2) und die sehr weitgehenden Sicherungsanträge der Gefährdeten (vgl ON 1, S 23 f) stark limitierte.

Art 7 Abs 1 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (RechtsdurchsetzungsRL) verlangt als sekundärrechtliche Grundlage von § 151b PatG in diesem Kontext ausdrücklich „Maßnahmen zur Sicherung der rechtserheblichen Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung“ (Unterstreichung durch das Rekursgericht).

Davon abgesehen ist die Anpassung des Spruchs an den sachlichen Inhalt des Begehrens und abweichend von seinem Wortlaut zulässig (RIS-Justiz RS0041254; s auch Weiser, PatG 3 § 151b, 596).

Allerdings rügt die Gegnerin damit ohnedies keine unrichtige rechtliche Beurteilung, sondern eine Mangelhaftigkeit (RIS-Justiz RS0041851; RS0041089): Die Verletzung des nach § 78 Abs 1 EO auch im Provisorialverfahren anzuwendenden § 405 ZPO, wonach das Gericht nicht befugt ist, einer Partei etwas anderes zuzusprechen, als sie beantragt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung ein Verfahrensmangel und begründet keine Nichtigkeit (allg RIS-Justiz RS0041240 mwN, Fucik in Fasching/Konecny 2 § 405 Rz 63 uva; derselbe in Rechberger, ZPO 4 § 405 ZPO Rz 7 mwN).

Nicht zuletzt liegt es aber wohl auch im Interesse der Gegnerin, die im gesamten Verfahren an sich nachvollziehbar die Sorge um die Offenlegung ihrer Geschäftsgeheimnisse betont, dass die Gefährdete nicht in den Besitz aller im Rahmen der Beweissicherung entnommener, sondern nur jener Proben gelangt, die potenziell das Streitpatent verletzen könnten.

6. Mit der Kritik, das Erstgericht habe keine Bescheinigungsmittel zur Behauptung der Gefährdeten aufgenommen, die Gegnerin könnte bereits produzierte Ware ins Ausland schaffen und Unterlagen vernichten, rügt die Gegnerin tatsächlich Aktenwidrigkeit, die aber nicht gegeben ist: Gerade wenn der hypothetische Wille einer Partei prognostiziert werden muss, sind die Gerichte oft damit konfrontiert, dass kein unmittelbares Beweisergebnis für eine Feststellung oder dass sogar eine widersprechende Aussage vorliegt.

Die Feststellung wird dann aufgrund von Schlussfolgerungen des Gerichts getroffen, die aus Tatsachen abgeleitet werden. Zur Begründung der zu dem genannten Thema getroffenen Feststellungen beruft sich das Erstgericht nicht nur auf die Ergebnisse der Bescheinigungsverfahrens, sondern insbesondere auch auf seine eigenen Schlussfolgerungen daraus.

7. Auf die Feststellung, welcher logistische Aufwand der Gegnerin entstünde, wenn sie größere Mengen an Stabilisatoren abtransportieren wollte, kommt es nicht an, sodass insoweit auch kein rechtlicher Feststellungsmangel besteht. Damit liegt mangels Relevanz auch der (wiederum implizit im Rahmen der Rechtsrüge) geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor, der aus der unterbliebenen Einvernahme der Auskunftsperson Dr. Pelzl resultieren soll.

8. Mit dem Widerspruch und der Entscheidung darüber wurde auch das rechtliche Gehör der Gegnerin ausreichend gewahrt (oben Punkt I.4.). Der Zeitraum zwischen der Bewilligung der Beweissicherung und ihrem Vollzug bildet keine Dimension der Wahrung der Verfahrensrechte der Gegnerin. Davon abgesehen weist Art 7 Abs 1 RechtsdurchsetzungsRL als sekundärrechtliche Grundlage auf den Schutz vertraulicher Informationen hin und legt bloß fest, dass die „betroffenen Personen spätestens unverzüglich nach der Vollziehung der Maßnahmen davon in Kenntnis zu setzen“ sind und auf Antrag eine Prüfung der angeordneten Maßnahmen stattzufinden hat, wenn Maßnahmen zur Beweissicherung ohne Anhörung der anderen Partei getroffen wurden (zur hier relevanten Umsetzungsbestimmung des § 151b PatG vgl die ErlRV, abgedruckt bei Weiser, PatG 3 592 ff).

Wie die Gefährdete zutreffend herausstreicht, erlaubt diese Bestimmung auch die Vornahme einer Beweissicherung „gegebenenfalls ohne Anhörung der anderen Partei [...], insbesondere dann, wenn durch eine Verzögerung dem Rechtsinhaber wahrscheinlich ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde, oder wenn nachweislich die Gefahr besteht, dass Beweise vernichtet werden.“ Das Wort „insbesondere“ weist dabei auf eine beispielsweise Aufzählung hin, wie auch Erwägungsgrund 22 der RechtsdurchsetzungsRL verdeutlicht: „Diese Maßnahmen sind vor allen dann gerechtfertigt, wenn [...]“.

Der Wortlaut trägt damit das von der Gegnerin geführte Argument nicht, wonach ein nicht wieder gutzumachender Schaden und/oder die Gefahr der Beweisvernichtung unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Gegners wären. Insoweit verfängt auch der Vorwurf nicht, § 151b PatG habe diese Richtlinienbestimmung unvollständig umgesetzt.

9. Eine besondere Dringlichkeit setzt § 151b Abs 3 PatG in den Fällen der Sicherung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen ausdrücklich nicht voraus, weil in diesen beiden Fällen, die auch dem verfahrenseinleitenden Antrag zugrunde liegen, die Voraussetzungen des § 381 EO nicht vorliegen müssen (vgl auch Wiltschek, PatR 3 § 151b PatG Anm 3).

10. Die im Zusammenhang mit den „Einwänden der Verwirkung und Verjährung“ intendierte Ersatzfeststellung kommt nicht in Betracht, weil die Gegnerin damit in Wahrheit eine Tatsachenrüge erhebt, dabei aber nicht klar ersichtlich ist, durch welche Tatsachen sich die Gegnerin für beschwert erachtet und infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurden (RIS-Justiz RS0041835).

In Wahrheit strebt die Gegnerin damit auch gar keine Ersatz-, sondern eine Zusatzfeststellung an, weil sie erkennbar der Meinung ist, dass der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ausreicht. Es liegt aber auch kein derartiger rechtlicher Feststellungsmangel vor, weil die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichen. Andererseits hat die Gegnerin ein derartiges Vorbringen, das der angestrebten Ersatzfeststellung zugrunde gelegt werden könnte, im Verfahren erster Instanz nicht erstattet; Urkundeninhalte ersetzen kein Vorbringen (RIS-Justiz RS0017844 [T3]; RS0037915).

Ausgehend vom als bescheinigt angenommenen Sachverhalt stellt sich die Frage einer Verwirkung der Rechte der Gefährdeten nicht (innerhalb von fünf Jahren analog § 58 MSchG und § 9 Abs 5 UWG; 4 Ob 75/15f, unken.at III = RIS-Justiz RS0130271), weil sich ihr erst im Juli 2014 eine konkrete Verdachtslage darbot (ON 2, BS 8), während sie sich in den Jahren 2010/11 – ohne ausreichende Hinweise und ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Produkt – #noch von der Gegnerin hatte beschwichtigen lassen (ON 33, BS 2 f). Auch die Verjährung von aus einer allfälligen Verletzung des Streitpatents resultierenden Ansprüchen kommt aus demselben Grund nicht in Betracht.

11. Der Behandlung des Nichtigkeitseinwands ist entgegen dem weiteren Rekursvorbringen (Punkt 6.) voranzustellen, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Frage des Patenteingriffs geht, sondern nur um die Sicherstellung eventuell patentverletzenden Materials: Der Aspekt eines allfälligen Eingriffs ist damit in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Auch wenn die Gegnerin die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im Rahmen der Rechtsrüge akzentuiert, so sind sie wiederum dem Tatsachenbereich zuzuordnen und daher primär als Beweisrüge zu verstehen, ist doch das Vorbringen, dem Streitpatent fehle es an der nötigen Neuheit und an der erfinderischen Tätigkeit, als bloße Rechtsfolgenbehauptung aufzufassen (17 Ob 12/09b [Gebrauchsmuster]).

Es genügt aber nicht, die Beweiswürdigung (hier implizit im Rahmen der Rechtsrüge) pauschal als unrichtig zu bezeichnen oder einzelnen Feststellungen nur Gegenbehauptungen entgegenzusetzen (RIS-Justiz RS0041830), wie es die Gegnerin im Wesentlichen tut. Dem Rekursgericht erschließt sich wegen der Vermengung von Rechts- und Tatsachenbehauptungen im Rekurs außerdem nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, welche konkreten Feststellungen bekämpft werden und welche Feststellungen stattdessen begehrt werden ( Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 471 Rz 8; RIS-Justiz RW0000137; RS0041835 [insb T2]; RS0043039). Die daraus resultierenden Unklarheiten gehen zu Lasten der Gegnerin (RIS-Justiz RS0041761).

Dem Gegner der gefährdeten Partei kann es zwar grundsätzlich nicht verwehrt werden, die Bescheinigung des behaupteten Anspruchs durch geeignete Bescheinigungsmittel zu bekämpfen, soweit dies mit den Mitteln des Bescheinigungsverfahrens möglich ist. Aus dessen Beschränkung auf parate Beweismittel (§ 274 ZPO) und aus dem summarischen Charakter des Verfahrens lässt sich der Grundsatz ableiten, dass Gegenbescheinigungsmittel nur dann aufzunehmen sind, wenn damit ein einfach gelagerter Sachverhalt glaubhaft gemacht werden soll (vgl RIS-Justiz RS0005418). Die Behauptungs- und Bescheinigungslast richtet sich dabei nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses, wonach jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (4 Ob 243/12t; zur Gegenbescheinigung s RIS-Justiz RS0005410; RS0109287). Die Gegnerin hat daher die fehlende Patentierbarkeit des Streitpatents zu behaupten und zu bescheinigen (vgl Weiser, PatG 3 597 mwN).

Unter diesen Umständen hält das Rekursgericht die tatsächlichen wie auch die rechtlichen Ausführungen des Erstgerichts zu den Fragen der Nichtigkeit und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit gerade auch vor dem Hintergrund der dort disloziert genannten Negativfeststellungen für zutreffend (ON 33, BS 5 f), sodass vorweg auf sie zu verweisen ist (§ 78 EO iVm §§ 526 Abs 3, 500a ZPO).

Die behauptete Vorbenutzung ist ebenfalls nicht bescheinigt (vgl ON 33, BS 2), davon abgesehen fehlt es auch an der zweifelsfreien Zuordnung der beurteilten Proben zu einem Gegenstand, der vor dem Prioritätstag hergestellt und vertrieben wurde. Dazu kommt noch, dass sich insbesondere jener Teil des Nichtigkeitseinwands, der sich auf die offenkundige Vorbenutzung bezieht, nicht auf parate Bescheinigungsmittel stützt.

Die Vorfrage der Gültigkeit oder Wirksamkeit eines Patents kann auch im Provisorialverfahren geprüft werden, wenn in dieser Richtung eine Gegenbescheinigung angeboten ist, doch kann diese Prüfung nur mit den Mitteln des Provisorialverfahrens und in dessen Grenzen vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0071408; RS0103412). Ausgehend von der vom Erstgericht daher zutreffend betonten Indizwirkung der Registrierung des Streitpatents im Sinn eines prima-facie- Beweises (s dazu auch RIS-Justiz RS0071369; zuletzt 4 Ob 109/13b; Weiser, PatG 3 597) ist daher das Rekursgericht im Einklang mit der Argumentation der Gefährdeten in ihrer Rekursbeantwortung unter Bedachtnahme auf das Beweismaß der Glaubhaftmachung des § 274 ZPO der Auffassung, dass die ihm zugrunde liegende Erfindung ausführbar und neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit basiert. Zu den Gegenbescheinigungsmitteln ist daher nur der Vollständigkeit halber auf Folgendes hinzuweisen:

Beilage ./7 offenbart Polymerzusammensetzungen enthaltend ein Polymer und ein Produkt aus einer Piperidylkomponente und Perchlorsäure. Das Produkt kann durch einfaches Mischen hergestellt werden. Optional können weitere Substanzen zugesetzt werden. Beispielsweise eignen sich anorganische Substanzen. Allerdings ist sowohl in der Beschreibung als auch in den Beispielen gezeigt, dass die Anwesenheit solcher Substanzen nicht notwendig ist. Das Erfordernis einer mehrfachen Auswahl zeigt, dass das Verfahren nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist.

Beilage ./8 offenbart in den Beispielen eine Vielzahl von Flammschutzmitteln unterschiedlicher Zusammensetzung, die eine durchschnittliche Teilchengröße von 2,5 bis 14 μm aufweisen. Beispiel 4 offenbart eine Zusammensetzung, die nach der Herstellung gemahlen wird und eine durchschnittliche Teilchengröße von 2,5 μm aufweist. Es werden keine Kristallitgrößen des Perchlorats offenbart. Es wird insbesondere nicht offenbart, dass weniger als 10 % des Perchlorats eine Kristallitgröße von mehr als 3 μm aufweist. Davon ausgehend erwartet der Fachmann keine Verbesserung der Anfangsfarbe und Farbhaltung bei der Verwendung von Zusammensetzungen mit einer kleineren Kristallitgröße.

12. Das Erstgericht hat daher das Beweissicherungsinteresse der Gefährdeten zutreffend bejaht und dem Widerspruch nicht Folge gegeben; seine Entscheidung bedarf daher keiner Korrektur.

Die Entscheidung über die Kosten der Gefährdeten beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Gegnerin auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.

Zur Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses ist auf die Ausführungen zu Punkt I.6. zu verweisen.

III. Zum Rekurs gegen den Beschluss vom 7.12.2016 :

1. Nach § 524 Abs 2 ZPO kann das Gericht erster Instanz einem Rekurs aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn der Gegenpartei kein unverhältnismäßiger Nachteil erwächst und wenn ohne eine solche Hemmung der Zweck des Rekurses vereitelt würde. Gegen diesen Beschluss findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt; die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung ist hingegen selbständig anfechtbar ( Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 524 Rz 4).

Über solche Rechtsmittel ist aber nur dann meritorisch zu entscheiden, wenn der Rekurs, auf den sich der in der Hemmungsfrage erlassene Beschluss bezieht, aus irgendeinem Grund – etwa wegen des Erfordernisses einer Zwischenerledigung – noch nicht spruchreif ist. Andernfalls fällt durch die Erledigung des ersten Rekurses das Interesse des Rechtsmittelwerbers an der Bewilligung der einstweiligen Hemmung – also die Beschwer – weg ( Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 524 Rz 4; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 524 Rz 17; 8 Ob 44/02g; vgl RIS-Justiz RS0004527; RS0043849).

2. Da durch die Zuerkennung aufschiebender Wirkung die Wirksamkeit und der Vollzug der einstweiligen Verfügung berührt wird, ist der Rekurs analog § 402 Abs 1 EO als zweiseitig zu behandeln (vgl Kodek in Angst/Oberhammer, EO 3 § 402 Rz 2; OLG Wien 3 R 92/13s; 1 R 203/13z; anders 16 Ok 2/09).

Für die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens kann seit der EO Novelle 2014 (BGBl I 69/2014) zudem ins Treffen geführt werden, dass nunmehr § 65 Abs 3 Z 2 EO die Anwendung des § 521a ZPO auch auf Rekurse über Anträge auf Aufschiebung der Exekution anordnet; die Konstellation beim Antrag auf Exekutionsaufschub und beim Hemmungsantrag ist vergleichbar (vgl OLG Wien 1 R 56/16m).

3. Wegen des Wegfalls der Beschwer schadet es nicht, dass das Erstgericht der Gefährdeten diesen Rekurs nicht zur allfälligen Beantwortung zugestellt hat, wäre doch im Hinblick auf § 50 Abs 2 ZPO die Frage der Berechtigung des Rekurses der Gegnerin nur für die Entscheidung über die Rekurskosten von Bedeutung relevant gewesen, wobei die Versagung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall gerechtfertigt erscheint:

4. Wie bereits ausgeführt ist eine Gefährdung der Geschäftsgeheimnisse der Gegnerin durch die einstweilige Verfügung nicht plausibel, zumal das Erstgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend darauf verweist (§ 78 EO iVm §§ 526 Abs 3, 500a ZPO), dass die Beweissicherung bereits erfolgt ist und die Akteneinsicht bis auf Weiteres ohnehin beschränkt ist. Davon abgesehen hat das Erstgericht dem an den OGH gerichteten Rechtsmittel der Gegnerin gegen den die Akteneinsicht betreffenden Beschluss des Rekursgerichts vom 8.9.2016 (34 R 84/16x) auch aufschiebende Wirkung zuerkannt (ON 32).

Die Gegnerin hat daher die Kosten des Rekurses nach §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO endgültig selbst zu tragen.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.

[Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs am 5.9.2017 zurück, 4 Ob 83/17k.]

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