JudikaturOLG Wien

34R121/16p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Löschung der Marke AT 263.242 über die Berufung des Antragsgegners gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 5.4.2016, Nm 68/2014 7, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller die mit EUR 3.075,90 (darin EUR 512,50 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Der Antragsgegner ist Inhaber dieser österreichischen Wortbildmarke AT 263.242 (= angegriffene Marke) mit Priorität vom 4.5.2011

die für die Waren und Dienstleistungen der Klassen

14 Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Armband- und Taschenuhren; Uhren;

37 Reparatur von Schmuck und Juwelierwaren;

41 Erziehung und Unterricht; Aus- und Fortbildung; kulturelle Aktivitäten; Betrieb von Museen und Ausstellungen; Veröffentlichung von Büchern; Veranstaltung von Seminaren und Workshops (Ausbildung); Veranstaltung von Ausstellungen für Unterrichtszwecke; Veranstaltung von Wettbewerben für Gold- und Silberschmiede;

eingetragen wurde.

Der antragstellende Verein (in der Folge: „Verein“) begehrt die Löschung der angegriffenen Marke. Er stützt diesen Antrag auf eine bösgläubige Markenanmeldung iSv § 34 MSchG: Ausschließlich er selbst verwende das Kennzeichen „Wiener Goldschmiede Akademie“ im geschäftlichen Verkehr. Der antragstellende Verein sei im Jahr 2005 über Initiative Prof. L*****s gegründet worden. Ab dann habe der Verein die schon zuvor veranstalteten Aus- und Weiterbildungslehrgänge veranstaltet und dazu die Bezeichnung „Wiener Goldschmiedeakademie“ verwendet.

Der Antragsgegner sei nie Betreiber gewesen und auch nie als Betreiber in Erscheinung getreten. Es gebe keine Vereinbarung, wonach der Antragsgegner die angegriffene Marke nur zur Nutzung überlassen habe. Das Zeichen sei seit seiner Gründung ausschließlich vom Verein verwendet worden. Der Antragsgegner habe die Marke zu einem Zeitpunkt angemeldet, als er noch Geschäftsführer der „Wiener Goldschmiede Akademie“ gewesen sei; er habe bösgläubig gehandelt. Mit der Bezeichnung „Geschäftsführer“ sei außerdem keine organschaftliche Funktion verbunden gewesen. Zudem habe der Antragsgegner nach seiner Kündigung als Geschäftsführer der „Wiener Goldschmiede Akademie“ am 19.11.2012 unberechtigt einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Vereins eingebracht. Zudem habe der Antragsgegner dem Verein die Verwendung des Zeichens „Wiener Goldschmiede Akademie“ untersagt, obwohl er es selbst nicht verwende. Außerdem habe der Verein nach der Konkurseröffnung erfahren, dass der Antragsgegner Lehrgangsteilnehmer darüber informiert habe, dass die Lehrgänge ab 2013 in einem neuen Rahmen durchgeführt würden; einige Teilnehmer seien der Aufforderung nachgekommen und hätten beim Antragsgegner oder bei der von ihm errichteten Wiener Goldschmiedeakademie GmbH Kurse gebucht.

Der Antragsgegner wandte ein, er sei seit Jänner 2000 Berufsschullehrer für Goldschmiede. Am 4.10.2000 habe er in einem Vortrag vor dem Ausschuss der Landesinnung der Goldschmiede Wien die Ausbildungssituation der Goldschmiede thematisiert. Er habe auch vorgeschlagen, eine „Akademie für Goldschmiede“ zu gründen. Ab Jänner 2002 habe er diese Idee mit dem „Verein der Förderer der Berufsschule für Chemie, Graphik und gestaltende Berufe“ umsetzen können. Er habe zur erfolgreichen Weiterentwicklung der Goldschmiede-Lehrgänge auch ein Weiterbildungsprogramm geschaffen. Als Dachbegriff habe er 2002 „Wiener Goldschmiede Akademie“ geschaffen und seither verwendet.

Der antragstellende Verein sei im Jahr 2005 allein zur Neustrukturierung der vom Verein betriebenen Lehrgänge und Seminare gegründet worden und um andere strategische Partner einzubinden. Weder Dr. M***** noch Prof. L***** hätten sich bis 2012 operativ um die Lehrgänge und Seminare gekümmert. Der Antragsgegner sei von Beginn an der Leiter der „Wiener Goldschmiede Akademie“ gewesen. Keiner der Beteiligten habe in Zweifel gezogen, dass dem Antragsgegner weiterhin die Rechte an den von ihm geschaffenen Kennzeichen dieser Institution zustünden. Dr. M***** habe aber damit begonnen, die Entstehungsgeschichte der „Wiener Goldschmiede Akademie“ umzuinterpretieren. Daher habe der Antragsgegner vor dem altersbedingten Ausscheiden Prof. L*****s den Status der von ihm in den Jahren 2000 (Bild) und 2002 entwickelten Elemente als die angegriffene Marke angemeldet. Ende September 2012 habe der Antragsgegner wegen der Differenzen mit Dr. M***** sein Angestelltenverhältnis zum Verein gekündigt.

Sämtliche Rechte an der angefochtenen Marke kämen dem Antragsgegner zu; er habe weder vor, bei oder nach der Gründung des Vereins oder aus Anlass der Begründung seines Angestelltenverhältnisses zum Verein seine Rechte übertragen.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Nichtigkeitsabteilung dem Löschungsantrag statt. Sie traf die auf den Seiten 10 und 11 des Beschlusses angeführten, wie folgt auf das Wesentliche zusammengefassten Feststellungen:

Prof. L***** war von 1985 bis 2007 Direktor der Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe in Wien; er war auch Initiator eines Lehrgangs zur Aus- und Weiterbildung von Gold- und Silberschmieden. Ab 2002 bot der neu gegründete Verein „Förderer der Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe“ (Schulverein) unter dem Dach dieser Berufsschule einen „Goldschmiedelehrgang“ an. Prof. L***** war „Präsident“ dieses Vereins; er engagierte den Antragsgegner, der Absolvent der Berufsschule war, als Trainer und Schriftführer. Am 26.3.2005 wurde der antragstellende Verein gegründet; als Obmann fungierte Prof. L*****, als Obmannstellvertreter Dr. M*****.

Der Verein trat (auch) unter der Bezeichnung „Wiener Goldschmiede Akademie“ mit einer Punze als Logo auf. Das Logo des Vereins und die angegriffene Marke enthalten dieselbe Punze (jeweils ohne die Buchstaben B und S) als grafischen Bestandteil. Der Verein benutzte seit 2005 umfangreich ein mit der angegriffenen Wortbildmarke identisches Zeichen mit dem Zusatz des Vereinsnamens.

Der Antragsgegner war bis zu seinem Ausscheiden seit der Gründung des Vereins am 31.12.2012 zuerst als freier Dienstnehmer und zuletzt – seit 15.2.2009 – als Angestellter als Leiter der „Wiener Goldschmiede Akademie“ tätig. Daher war der Antragsgegner auch zum Zeitpunkt der Anmeldung der angefochtenen Marke (am 4.5.2011) Angestellter des Vereins, der von der Anmeldung weder Kenntnis erlangt noch ihr zugestimmt hatte. Am 29.12.2011 errichtete der Antragsgegner die „Wiener Goldschmiede Akademie GmbH“.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte die Nichtigkeitsabteilung diesen Sachverhalt dahin, dass der Antragsgegner bei der Anmeldung der Marke gegen seine Loyalitäts- und Treuepflichten verstoßen habe, denn das Zeichen sei auch in offensichtlich „identischer Nachahmung“ des unregistriert geführten Zeichens des Vereins gestaltet worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Berufung des Antragsgegners aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung, der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie im Kostenpunkt. Er beantragt primär, die Entscheidung abzuändern und den Antrag abzuweisen; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Verein beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung:

1.1. Zunächst wendet sich der Antragsgegner gegen die Festellung der Nichtigkeitsabteilung, wonach zum Zeitpunkt der Gründung des Vereins „[Dr. M***** [...] Stellvertreter“ Prof. L*****s war. Die Berufung zielt auf den Entfall dieser Feststellung ab.

Dieses Begehren ist systemwidrig: Wenn nämlich ein Beweisthema für die rechtliche Beurteilung relevant ist, würde ein ersatzloses Streichen der Feststellung zu einem (sekundären) Feststellungsmangel führen. Wenn das Beweisthema jedoch nicht relevant wäre, würde sich auch die Bekämpfung der Feststellung, aber auch die Auseinandersetzung mit einer diesbezüglichen Rüge erübrigen. Der Rechtsmittelwerber muss vielmehr auch angeben, welche Feststellungen er anstrebt und worauf sich diese stützen können ( Pochmarski/Lichtenberg, Berufung 2 123; 8 Ob 337/97k = RIS-Justiz RS0041835 [T3]; zuletzt 6 Ob 221/13p; 9 ObA 73/14x; 8 Ob 60/14b).

Diese Feststellung ist außerdem nicht relevant, weil – wie der Verein in der Berufungsbeantwortung richtig aufzeigt – die Frage der organschaftlichen Vertretung des Vereins zum Zeitpunkt seiner Gründung keine zwingenden Rückschlüsse auf die Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs 1 MSchG zulässt.

1.2. Letztere Erwägung gilt auch für die weiters für unrichtig erachtete Konstatierung, wonach Prof. L***** (Anm: gemeint als Obmann des Vereins) den Antragsgegner „im März 2005“ mit der Anmeldung der Domain www.goldschmiedeakademie.at beauftragt hat (dazu siehe auch 4 Ob 47/14m [beschreibende Angabe]), zumal ohnehin feststeht, dass „die Kosten der Gestaltung der Web-Site [...] der Verein getragen [hat].“, der damit denknotwendig bereits gegründet und als juristische Person rechtlich existent war.

1.3. Ob Prof. L***** die (Anm: mit dem Bildteil der angefochtenen Marke weitgehend übereinstimmende) Punze in seiner Funktion als Direktor der Berufsschule für Letztere entwerfen ließ, ist ebenfalls nicht von rechtlicher Bedeutung, weil der Antragsgegner selbst nicht behauptet, nur die Berufsschule sei zur Verwendung dieser Punze (in geringfügig abgewandelter Form) berechtigt (gewesen). Im Gegenteil: Der Antragsgegner argumentiert auch noch im Berufungsverfahren nur und für das Berufungsgericht ob der Knappheit nicht nachvollziehbar, dass die Punze nie verwendet worden sei, weil „die Berufsschule kein Rechtsträger ist“.

1.4. Die beiden weiteren in diesem Kontext begehrten Feststellungen zu dieser Frage sind, wie die Berufung ohnedies richtig aufzeigt, kein Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung, sondern allenfalls rechtliche Feststellungsmängel, sodass auf sie im Kontext der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen ist.

1.5. Das Berufungsgericht übernimmt daher den von der Nichtigkeitsabteilung festgestellten Sachverhalt und legt ihn gemäß §§ 35 Abs 5 und 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie § 498 Abs 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde.

2. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung :

2.1. Ausgehend von diesen oben wiedergegebenen Feststellungen hat die Nichtigkeitsabteilung die Bösgläubigkeit des Antragsgegners nach § 34 Abs 1 MSchG zu Recht bejaht.

2.2. Dieser Tatbestand ist autonom und richtlinienkonform auszulegen ( Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 296 mwN der Rechtsprechung des BGH; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10 § 8 Rz 669), wobei der EuGH betont, dass alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (C 529/07, Goldhase III, Rz 37 ff [zur GMV ergangen]).

2.3. Ob eine Anmeldung bösgläubig war, ist nach der Rechtsprechung des EuGH „umfassend“ zu beurteilen, wobei alle im konkreten Fall „erheblichen Faktoren“ zu berücksichtigen sind (C 529/07, Goldhase III, Rz 37; C 320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd, Rz 36; RIS-Justiz RS0123318 [T5]). Bösgläubigkeit wurde zunächst in erster Linie bei Verletzung von Loyalitätspflichten oder bei der Behinderung eines bereits das Zeichen nutzenden Dritten bejaht (C 529/07, Goldhase III; C 320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd ). Der Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass Bösgläubigkeit auf diese Fallgruppen beschränkt wäre (4 Ob 98/14m, Feeling/Feel II [Spekulationsmarke]).

2.4. Ausgangspunkt der Rechtsprechung des OGH war der Rechtsgedanke des § 30a MSchG (Agentenmarke). Er wurde zunächst auf Fälle ausgedehnt, in denen der Erwerber außerhalb des engen Wortlauts von § 30a MSchG zur Wahrung der geschäftlichen Interessen eines Vorbenutzers verpflichtet war (zB 4 Ob 398/77, Thermo-Schutz-Roll; 4 Ob 21/95, Die Mooskirchner; RIS-Justiz RS0066842). Eine weitere Fallgruppe erfasst den sittenwidrigen Behinderungswettbewerb außerhalb einer Rechtsbeziehung (4 Ob 11/98s, Nintendo ). Dabei wurde zunächst noch auf einen „wertvollen Besitzstand“ des Beeinträchtigten abgestellt, das heißt auf die frühere Benutzung eines Zeichens mit einer „gewissen Verkehrsbekanntheit“ (4 Ob 52/98w, Thai classic ). Dieses Erfordernis wurde später allerdings fallen gelassen; es genügt bereits die Vorbenutzung als solche (4 Ob 310/98m, Pinkplus; 4 Ob 128/01d, Silberpfeil; 4 Ob 56/05x, Nordic Walking ). Grundlage für das Unwerturteil ist hier die Absicht des Anmelders, eine Waffe in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Beide Fallgruppen können dem Tatbestand des bösgläubigen Erwerbs iSv § 34 MSchG unterstellt werden (4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 89/06a, grüngeflammt ).

2.5. Sittenwidrig ist ein Markenrechtserwerb immer dann, wenn der Erwerber – in welcher Weise auch immer – zur Wahrung der geschäftlichen Interessen eines anderen, der das Zeichen schon gebraucht hat, verpflichtet ist oder war, dessen ungeachtet jedoch das Markenrecht an diesem oder einem ähnlichen Zeichen für gleiche oder gleichartige Waren ohne Zustimmung des bisherigen Benützers erwirbt (zur Agentenmarke nach § 30a MSchG etwa ÖBl 1978, 67, Thermo-Schutz-Roll; ÖBl 1983, 50, Purocel; ÖBl 1996, 32, Die Mooskirchner; ÖBl 1997, 289, Health Mate; ecolex 1998, 147, Spinnrad II; ÖBl 1998, 229, Nintendo; EvBl 1998/157 = ecolex 1998, 646, Thai Classic; ÖBl 2000, 71, Adolf-Loos-Architekturpreis; RIS-Justiz RS0066842).

Bösgläubiger Markenrechtserwerb iSd § 34 MSchG setzt in Anknüpfung an die zum Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze die Absicht des Anmelders voraus, mit der Registrierung eines von einem Dritten bereits benutzten Zeichens als Marke eine Waffe in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Anmelders sein, es genügt, dass es sich um ein wesentliches Motiv handelt (zB 4 Ob 244/01p, Alpentrio Tirol; 4 Ob 128/01d, Silberpfeil; RIS-Justiz RS0123318; RS0109597; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10 § 8 Rz 678 mwN). Der Begriff „Bösgläubigkeit“ deutet zwar auf das Erfordernis subjektiver Vorwerfbarkeit hin; diese kann aber bei der Verletzung von Loyalitätspflichten zumindest bis zum Beweis (zur Bescheinigung) des Gegenteils unterstellt werden (RIS-Justiz RS0120716). Sie kann aber nur dann angenommen werden, wenn dem Markeninhaber im Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war, dass Mitbewerber für ähnliche oder identische Waren verwechselbar ähnliche Zeichen verwenden (17 Ob 17/09p, Goldhase IV ).

Auch nach der Judikatur des BGH kommt eine bösgläubige Markenanmeldung in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer das selbe oder ein verwechselbares Zeichen für die selben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht hat eintragen lassen, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, oder dass der Zeicheninhaber die mit der Eintragung des Zeichens entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche markenrechtliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbs einsetzt (zuletzt BGH I ZB 23/11, Simca, Rz 10; I ZB 40/09, LIMES LOGISTIK, Rz 13 jeweils mwN; s auch Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10 § 8 Rz 844 ff; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 307).

Behauptungs- und beweispflichtig für die Bösgläubigkeit ist der Antragsteller (17 Ob 17/09p, Goldhase IV; Om 16/10; OM 13/11, Winzerkönig ).

2.6. Das Berufungsgericht trifft aus dem Anhang zu Beilage ./H zum Zweck des Vereins aus den Statuten folgende ergänzende Feststellung (die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanzen – wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe – enthaltenen Urkunde, deren Echtheit überdies zugestanden wurde, bedarf im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, RIS-Justiz RS0121557):

§ 2 Zweck

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt

- die Aus- und Weiterbildung von Gold- und Silberschmieden, insbesondere in Form des Betriebs der Wiener Goldschmiede Akademie [Hervorhebung durch das Berufungsgericht]

- [...]“

2.7. Auf Grund der von der Nichtigkeitsabteilung weiters ermittelten Tatsachen liegen bei der Gesamtbetrachtung und der Gewichtung der einzelnen Indikatoren die vom OGH determinierten Voraussetzungen für die Annahme von Bösgläubigkeit des Antragsgegners iSv § 34 MSchG vor. Dem angefochtenen Beschluss liegt eine für die abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende Tatsachenbasis zugrunde; die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen daher nicht vor:

Soweit der Antragsgegner zwar disloziert unter Punkt 1.c) der Berufung [Anm: dieser Unterpunkt wurde doppelt vergeben; Berufung S 3 f] im Rahmen der Tatsachenrüge, aber ausdrücklich der Rechtsrüge zugeordnet meint, es sei entscheidungsrelevant, ob er mit Zustimmung Prof. L*****s „eine Punze und ein Logo“ entworfen habe und ob über die Rechtsverhältnisse (nicht) gesprochen worden sei, übersieht er, dass Prof. L***** diese Punze bereits im Jahr 2000 für die Berufsschule hatte entwerfen lassen und sowohl das Logo des Vereins als auch die angegriffene Marke diese Punze in geringfügig abgewandelter Form enthalten (BS 10, vorletzter Absatz).

Der Beschluss der Nichtigkeitsabteilung enthält auch ausreichende Feststellungen zur Verwendung der Bezeichnung „Wiener Goldschmiede Akademie“, die im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung aus dem Kontext der dazu getroffenen Konstatierungen auf den Verein selbst zurückgeht (ebenfalls BS 10, drittletzter Absatz), weil auch feststeht, dass der Antragsgegner ab 2002 zunächst für den Verein „Förderer der Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe“ und ab seiner Gründung für den Verein tätig war und jeweils die hier relevanten Leistungen erbrachte.

2.8. Die Rechtsrüge hat von den bindenden Feststellungen der ersten Instanz auszugehen (RIS-Justiz RS0043603 [T2]; RS0043312 [T12, T14]).

Entgegen dem Berufungsvortrag (Punkt 2.a) steht gerade nicht fest, dass der Antragsgegner „Gestalter und Schöpfer der Punze“ ist, sondern vielmehr, dass der Verein ein mit der angefochtenen Marke identes Zeichen (wenngleich verbunden mit dem Zusatz seines Vereinsnamens) bereits seit dem Jahr 2005 – und damit lange vor der Markenanmeldung durch den Antragsgegner am 4.5.2011 – umfangreich und selbständig benutzte (BS 11).

Dass dem Antragsgegner überhaupt eigenständige, das heißt von seiner unselbständigen Tätigkeit für den Verein und den Schulverein (als wirtschaftlich gesehen dessen Rechtsvorgänger) Rechte am Wort- und/oder Bildbestandteil der angegriffenen Marke zukämen, hat die Nichtigkeitsabteilung ebenso wenig konstatiert. Aus den insoweit – erkennbar nur vorsichtshalber – getroffenen Negativfeststellungen (BS 11, drittletzter Absatz) kann der Antragsgegner daher für seinen Rechtsstandpunkt nicht ableiten, es stünden ihm an einzelnen oder sämtlichen Elementen des angegriffenen Zeichens „frühere Rechte“ zu.

Dass der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Anmeldung davon Kenntnis hatte, dass der Verein ein mit der angefochtenen Marke identisches Zeichen schon jahrelang unregistriert verwendet hatte, ist nicht zweifelhaft, zumal der Antragsgegner damals bereits als Angestellter des Vereins sogar mit der Leitung der Wiener Goldschmiede Akademie betraut war (alles BS 11) und ihm die Statuten des Vereins bekannt sein mussten (dazu s bereits oben Punkt 2.6.).

2.9. Den Arbeitnehmer trifft nicht nur eine Pflicht zur Arbeit, sondern auch eine Treuepflicht (Fremdinteressenwahrungspflicht), die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat die betrieblichen Interessen zu respektieren und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0021449). Wenn ein Dienstnehmer während eines aufrechten Dienstverhältnisses die Kunden seines Arbeitgebers, die er für diesen zu betreuen hatte, für sich selbst abzuwerben sucht, um damit in Zukunft dem Dienstgeber Konkurrenz zu machen, verletzt er grob seine Treuepflicht gegenüber dem Dienstgeber (RIS-Justiz RS0031761).

Da dem leitenden Angestellten zudem ein umfassenderer Einblick in die Betriebs- und Geschäftsstruktur gewährt und ihm damit vom Arbeitgeber mehr anvertraut wird als einem Angestellten in untergeordneter Position, sind an sein Verhalten insoweit strengere Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0029726). Darauf weist auch die Berufungsbeantwortung zutreffend hin.

2.10. Bei dieser Sachlage spricht die Vermutung dafür, dass der Antragsgegner mit seiner Markenanmeldung die Absicht verfolgte, den Verein bei der (statutengemäßen) Verwendung des prioritätsälteren Zeichens zu behindern oder diese gar unmöglich zu machen, weil er trotz seiner Leitungsfunktion den Verein weder von der Markenanmeldung informierte noch dessen Zustimmung dazu eingeholt hatte (BS 11). Spricht aber die Vermutung für eine bestimmte Absicht des Antragsgegners, ist es seine Sache, sie zu entkräften (ÖBl 2000, 25, Pinkplus mwN aus der Rsp zur Wettbewerbsabsicht, die bei Mitbewerbern vermutet wird; 4 Ob 199/99i, Adolf-Loos-Architekturpreis ).

Der Antragsgegner war jahrelang und auch zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke (leitender) Angestellter des Vereins und unterlag insoweit besonderen Treuepflichten gegenüber seinem Arbeitgeber, wie bereits die Nichtigkeitsabteilung zutreffend aufgezeigt hat.

Alle aufgezeigten objektiven Umstände in ihrer Gesamtheit indizieren daher das subjektive Tatbestandsmerkmal der Bösgläubigkeit (zu dieser Herleitung siehe C 529/07, Goldhase III, Rz 37; C 569/08, Internetportal, Rz 42 und 77 [mit Aufzählung beispielhafter Einzelkriterien]; Fezer in Fezer, Markenpraxis 2 51, Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 307; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10 § 8 Rz 637; allg von Schultz in von Schultz, Markenrecht 3 § 8 Rz 213 ff mwN [insb Rz 220]) bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angefochtenen Marke (zB Hofinger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 34 Rz 7; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10 § 8 Rz 675; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 312; Om 13/11, Winzerkönig mwN). Dabei muss die Störungsabsicht nicht der einzige Beweggrund des Anmelders sein, es genügt bereits, dass es sich um ein wesentliches Motiv handelt (RIS-Justiz RS0123318). Außerdem sind im Rahmen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls durchaus auch solche einzubeziehen, die nach der Markenanmeldung eingetreten sind, und zwar insbesondere solche, die sich erst aus der späteren Rechtsausübung ergeben ( Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 10 § 8 Rz 845 und 848).

Die Nichtigkeitsabteilung hat daher die Errichtung der Wiener Goldschmiede Akademie GmbH durch den Antragsgegner zu Recht in die Gesamtbetrachtung einfließen lassen und (auch) daraus Rückschlüsse auf die Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung des angefochtenen Zeichens gezogen, zumal sie zwar disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, jedoch eindeutig dem Tatsachenbereich zuzuordnen (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 2 § 417 ZPO Rz 12) ausführt, dass der Antragsgegner unter dieser Firma „mit der Punze als Logo“ Lehrgänge angeboten und so die angesprochenen Verkehrskreise darüber getäuscht hat, wer der Anbieter dieser Lehrgänge ist (BS 13, zweiter Absatz).

2.11. Die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung bedarf daher in der Sache keiner Korrektur.

3. Zur Berufung im Kostenpunkt :

Der Antragsgegner meint, der Schriftsatz vom 9.6.2015 (richtig: 3.7.2015 [ON 5]) sei nicht zu honorieren, weil er nicht aufgetragen worden sei.

Dem ist nicht zu folgen, weil dieser Schriftsatz in Vorbereitung auf die für den 17.11.2015 anberaumte Verhandlung und zugleich als Replik auf die Gegenschrift des Antragsgegners (ON 4) erstattet wurde. Dieser Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich zu honorieren (§§ 35 Abs 5 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG und § 257 Abs 3 ZPO).

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 35 Abs 5 und 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie §§ 41 und 50 ZPO.

5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO. Der Entscheidungsgegenstand ist rein vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Wegen der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000,--.

Die ordentliche Revision war gemäß § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt: Ob eine Marke bösgläubig angemeldet wurde, ist stets eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0129667 [T1]).

Rückverweise