Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Guggenbichler und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei J***** , ***** , vertreten durch Mag. Tomasz Gaj, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** gesellschaft m.b.H, ***** , vertreten durch die Burghofer Rechtanwalts GmbH in Wien, wegen EUR 26.743,59 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28.9.2016, 26 Cg 47/16s-15, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3.10.2016, 26 Cg 47/16s-17, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Berufung wird Folge gegeben .
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen .
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig .
Begründung
Der Kläger ist Einzelunternehmer und Produzent von Lampen und Leuchten in Polen.
Er verkaufte 2008 an die Beklagte Rastereinbauleuchten, zu denen er die folgenden Rechnungen legte und die an den folgenden Tagen übergeben wurden:
Die Beklagte verkaufte die Leuchten an die ***** . S********* GmbH (in Folge: S*****) weiter, die sie in einem Bürogebäude der ÖBB verbaute. Nach dem Einbau fielen mehrfach Raster aus den Leuchten, wodurch Mitarbeiter der ÖBB verletzt wurden.
Der Kläger entsendete vom 1. bis 5.3.2010 einen Montagetrupp nach Wien, um die verbauten Leuchten zu sanieren, jedoch fielen auch nach der Sanierung immer noch Raster aus den Leuchten.
Die Beklagte leitete am 24.06.2011 vor einem polnischen Gericht ein Vergleichsverfahren zur Sicherung ihrer Ansprüche im Zusammenhang mit der Lieferung der Leuchten gegen den Kläger ein, das am 26.09.2011 - ohne Abschluss eines Vergleichs - beendet wurde.
S***** ließ die Leuchten nach Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens durch ein Drittunternehmen sanieren und klagte die hier Beklagte am 15.03.2012 zu 26 Cg 56/12h des LG Wiener Neustadt auf Zahlung der Sanierungskosten von EUR 21.932,63. Weiters machte sie vorprozessuale Kosten geltend.
Die Beklagte informierte den Kläger über einen polnischen Rechtsanwalt am 11.06.2012 schriftlich von der Einleitung jenes Verfahrens sowie über die Streitverkündung, die Termine der Streitverhandlung und über die Rechtsfolgen der Unterlassung eines Beitritts als Nebenintervenient. Der Kläger trat jenem Verfahren nicht als Nebenintervenient bei. Dieses endete am 1.2.2014 mit einem rechtswirksam Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung von EUR 30.000,-- an S***** verpflichtete. Sie zahlte diesen Betrag am 4.2.2014.
Im Jahr 2014 bestellte die Beklagte erneut verschiedene Produkte zum Gesamtpreis von EUR 26.743,59 beim Kläger, der diese lieferte und wie folgt Rechnungen legte:
FXU/228/2014/K vom 31.3.2014: EUR 3.642,63
FXU/326/2014/K vom 15.4.2014: EUR 19.541,56
FXU/357/2014/K vom 24.4.2014: EUR 3.559,40
Der Kläger mahnte die Beklagte mit E-Mail vom 23.05.2014. Diese übermittelte ihm am 25.05.2014 den Vergleich in der Rechtssache gegen S***** und erklärte, den an diese bezahlten Betrag von EUR 30.000,-- gegen die Forderungen des Klägers aus den eingemahnten Rechnungen kompensando aufzurechnen. Eine Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger brachte am 1.7.2014 beim Bezirksgericht in Warschau eine Klage auf Zahlung von EUR 26.743,59 laut den genannten Rechnungen ein. Mit Beschluss vom 18.1.2016 erklärte das Bezirksgericht Warschau, die Klage müsse „wegen der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit der polnischen Gerichte abgewiesen werden“.
Der Kläger begehrte im vorliegenden Verfahren mit Mahnklage vom 22.3.2016 EUR 26.743,59 sA für die Lieferung von Leuchten laut den zuletzt genannten Rechnungen.
Die Beklagte wendete ein, die vom Kläger 2008 bezogenen Leuchten seien mangelhaft gewesen. Der Kläger habe die Mängel anerkannt und ungeeignete Sanierungsmaßnahmen durchgeführt.
S***** habe die Leuchten sanieren lassen und die Beklagte zu 26 Cg 56/12h des LG Wiener Neustadt auf Zahlung der Sanierungskosten von EUR 21.932,63 sowie der vorprozessualen Kosten des Beweissicherungsverfahrens von EUR 12.197,79 in Anspruch genommen. Die Beklagte habe dem Kläger in jenem Verfahren den Streit verkündet, dieser sei dem Verfahren jedoch nicht als Nebenintervenient beigetreten. Das Verfahren habe nach Einholung eines Sachverständigengutachtens Ende 2013 mit einem Vergleich geendet, in dem sich die Beklagte zur Zahlung von EUR 30.000,-- verpflichtet habe. Die Beklagte habe diesen Betrag auch gezahlt.
Die Beklagte habe gegen den Kläger zur Sicherung ihrer Regressansprüche rechtzeitig vor dem zuständigen polnischen Gericht ein nach polnischem Recht vorgesehenes Vergleichsverfahren eingeleitet, welches bewirke, dass die nach polnischem Recht geltende Verjährungsfrist von 3 Jahren nach dem Abschluss des Verfahrens neu zu laufen beginne. Das Vergleichsverfahren sei am 26.9.2011 ohne Abschluss eines Vergleichs beendet worden, sodass Verjährung bis 26.9.2014 nicht habe eintreten können.
Die Beklagte habe mit E-Mail vom 25.5.2014 erklärt, die Forderung des Klägers aus den klagsgegenständlichen Rechnungen mit ihrer Regressforderung über EUR 30.000,-- zu kompensieren. Nunmehr wende sie ihre Regressforderung „aus prozessualer Vorsicht“ auch im Verfahren als Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung ein.
Der Kläger habe die Forderung aus den gegenständlichen Rechnungen bereits vor einem polnischen Gericht eingeklagt, das die Klage abgewiesen habe. Die Beklagte erhebe daher den Einwand der entschiedenen Sache.
Der Kläger entgegnete, das zuständige Kreisgericht in Warschau habe seine dort eingebrachte Klage wegen mangelnder polnischer Jurisdiktion zurückgewiesen (und nicht abgewiesen). Der Einwand der entschiedenen Sache gehe somit ins Leere.
Die Gegenforderung der Beklagten sei aufgrund des vorrangig anzuwendenden UN-Verjährungsübereinkommens 1 verjährt.
Die hier geltend gemachten Ansprüche und die Gegenforderungen der Beklagten bezögen sich auch nicht auf denselben Vertrag oder auf mehrere im Rahmen desselben Geschäfts abgeschlossene Verträge, sodass auch Art 25 des Übereinkommens nicht zur Anwendung gelange.
Die vom Kläger der Beklagten 2008 gelieferten Leuchten seien nicht mangelhaft gewesen. Auch habe entgegen Art 38 UN-Kaufrecht keine Überprüfung der Ware und entgegen Art 39 Abs 1 dieses Übereinkommens keine Verständigung des Klägers stattgefunden.
Die Beklagte erwiderte, das gegenständliche Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen unterliege „gemäß Art 4 EVÜ bzw Art 4 Rom-I-VO“ polnischem Recht. Das Verjährungsübereinkommen sei von Polen ohne vorangehendes Zustimmungsgesetz ratifiziert worden. Nach polnischem Recht sei der Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger aus der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrags aus 2008 und der Nichterfüllung der Gewährleistungspflichten durch den Beklagten frühestens am 4.2.2014, mit der Überweisung des Vergleichsbetrags von EUR 30.000,-- an den Rechtsvertreter von S*****, entstanden. Erst mit diesem Tag habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen.
Selbst wenn das Verjährungsübereinkommen zur Anwendung käme, wäre die Gegenforderung der Beklagten gemäß dessen Art 18 Abs 2 und 3 nicht verjährt. Schließlich bestünde gemäß Art 25 des Übereinkommens sogar die Möglichkeit, mit bereits verjährten Ansprüchen aufzurechnen. Auch das polnische Zivilrecht lasse dies zu.
Der Kläger habe gewusst, dass die von ihm gewählte Sanierungsmaßnahme technisch untauglich sei und zu einem neuen Problem führen würde, jedoch die Beklagte über die Tauglichkeit des Sanierungsversuchs getäuscht. Der Beklagten sei dies erst nach Vorliegen des Befundes im Beweissicherungsverfahren am 9.5.2011 bewusst gewesen, sodass die in Art 8 des Übereinkommens geregelte Verjährungsfrist von 4 Jahren nach Art 10 Abs 2 des Übereinkommens erst an diesem Tag zu laufen begonnen habe.
Schließlich habe der Kläger auch die der Beklagten im polnischen Vergleichsverfahren zugesprochenen Verfahrenskosten von (umgerechnet) EUR 1.329,86 bis heute nicht bezahlt, so dass sie auch diese Forderung kompensando gegen die Klagsforderung einwende.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.
Es stellte den oben wiedergegebenen Sachverhalt fest
u
nd folgerte rechtlich , die zwischen den Streitteilen 2008 und 2014 abgeschlossenen Verträge unterlägen dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf (UN-KaufR).
Da durch das UN-Kaufrecht lediglich eine punktuelle Rechtsvereinheitlichung verwirklicht worden sei, seien auf dadurch nicht geregelte Rechtsfragen die Bestimmungen der Rom-I-VO, beziehungsweise auf vor dem 17.12.2009 geschlossene Verträge die Bestimmungen des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ) anzuwenden.
Gemäß Art 4 Rom-I-VO bzw Art 4 EVÜ unterliege das Rechtsverhältnis polnischem materiellen Recht. Gemäß Art 3 Abs 1b des Übereinkommens über die Verjährung beim internationalen Warenkauf (kurz: VerjährungsÜbk) sei dieses Übereinkommen anzuwenden, wenn nach den Regeln des internationalen Privatrechts das Recht eines Vertragsstaats auf den Kaufvertrag anzuwenden sei. Da Polen Vertragsstaat des VerjährungsÜbk sei, sei das Übereinkommen auf die Verträge anzuwenden.
Gemäß Art 8 VerjährungsÜbk betrage die Verjährungsfrist beim internationalen Warenkauf vier Jahre. Gemäß Art 10 Abs 2 des Übereinkommens werde der Anspruch aus einer Vertragswidrigkeit der Ware an dem Tag fällig, an dem die Ware dem Käufer tatsächlich übergeben werde.
Nach dem festgestellten Sachverhalt bedeute dies folgende Zeitpunkte, zu denen die vierjährige Verjährungsfrist die einzelnen Rechnungen betreffend abgelaufen sei:
Bei dem mit Schriftsatz vom 24.06.2011 in Polen eingeleiteten Vergleichsverfahren handle es sich um ein Verfahren im Sinne von Art 13 VerjährungsÜbk. Da dieses Verfahren ohne Sachentscheidung geendet habe, sei Art 17 Abs 2 des Übereinkommens anzuwenden. Bei Beendigung des Verfahrens am 26.09.2011 sei hinsichtlich der Forderungen aus den Rechnungen FXP80339 und FXP80341 eine Verjährungsfrist von weniger als einem Jahr verblieben, weshalb dem Gläubiger eine Frist von einem Jahr, gerechnet vom Tag der Beendigung des Verfahrens zustehe, um die Ansprüche geltend zu machen. Die Beklagte habe ihren Anspruch nicht binnen dieser Jahresfrist, also bis 27.09.2012, geltend gemacht.
Das Verfahren der S***** GmbH gegen die Beklagte (26 Cg 56/12h des LG Wiener Neustadt) sei mit Rechtswirksamkeit des Vergleichs am 01.02.2014 beendet worden, weshalb Art 18 Abs 3 VerjährungsÜbk einschlägig sei. Demnach seien die Verjährungsfristen durch das am 15.03.2012 eingeleitete Verfahren nicht unterbrochen worden, es werde so gehalten, als ob sie gar nie unterbrochen worden wären, sodass sich an den oben angeführten Verjährungszeitpunkten nichts ändere.
Dem Gläubiger oder Käufer stehe jedoch eine weitere Frist von einem Jahr, gerechnet vom Tag der Beendigung des Verfahrens zu, wenn an diesem Tag die Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei oder nur noch weniger als ein Jahr zu laufen hätte. Mit Rechtskraft des Vergleichs am 01.02.2014 seien die Ansprüche aus allen vier Rechnungen bereits verjährt gewesen, sodass nach Art 18 Abs 3 VerjährungsÜbk eine Frist von einem Jahr, somit bis 01.02.2015, zur Geltendmachung zugestanden wäre. Diese Frist komme der Beklagten aber nicht zugute, weil sie ihre Ansprüche nicht mit Klage, sondern nur außergerichtlich im Wege der Aufrechnung geltend gemacht habe. Dass Art 18 Abs 3 eine klagsmäßige Geltendmachung erfordere, ergebe sich systematisch unter Berücksichtigung des Art 25 VerjährungsÜbk.
Da die Verjährungsfristen trotz des Verfahrens 26 Cg 56/12h des Landesgerichts Wiener Neustadt weitergelaufen seien, seien die Ansprüche 2012 verjährt. Zu diesem Zeitpunkt seien die hier eingeklagten Forderungen des Klägers jedoch noch nicht entstanden gewesen, weshalb eine Aufrechnung iSv Art 25 nicht in Frage komme.
Ein Anerkenntnis der Mangelhaftigkeit der Leuchten durch den Kläger gemäß Art 20 VerjährungsÜbk sei nicht erfolgt, weil dieses Schriftlichkeit erfordere, die Beklagte aber ein schriftliches Anerkenntnis nicht einmal behauptet habe.
Die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung sei somit verjährt und könne daher nicht erfolgreich gegen die Klagsforderung aufgerechnet werden.
Zum Einwand der res judicata sei auszuführen, dass das Kreisgericht in Warschau die Klage nicht inhaltlich behandelt, sondern dies mangels inländischer polnischer Gerichtsbarkeit abgelehnt habe. Ungeachtet der Bezeichnung der Entscheidung in der Übersetzung stelle diese Entscheidung nach den Grundsätzen der Rechtskraftwirkung (§ 411 ZPO) eine Zurückweisung dar. Ein solcher Beschluss erwachse ebenfalls in materielle Rechtskraft; diese erstrecke oder beschränke sich jedoch auf den maßgeblichen Zurückweisungsgrund. Im Bezug auf die Ansprüche des Klägers liege daher keine entschiedene Rechtssache vor.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in klagsabweisendem Sinn abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist im Sinne des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt .
1. Zunächst hat das Erstgericht zutreffend erkannt, dass auf die Vertragsbeziehungen der Streitteile das UN-Übereinkommen über Verträge über den Internationalen Warenkauf (BGBl 1988/96; auch UN-Kaufrecht; im Folgenden: CISG) anzuwenden ist, weil sie ihre Niederlassungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten des Übereinkommens haben.
Die Beklagte erhebt gegen die Klagsforderung einerseits den Einwand der Schuldtilgung durch außergerichtliche Aufrechnung mit einer Schadenersatzforderung in Gestalt der von ihr ihrer Abnehmerin (S*****) gegenüber aufgrund der Vertragswidrigkeit der vom Kläger im Jahr 2008 gelieferten Ware zu ersetzenden Mängelbehebungskosten. Dieselbe Forderung wendet sie auch prozessual compensando gegen die Klagsforderung ein (dazu später).
Gemäß Art 45 Abs 1 lit b CISG kann der Käufer, wenn der Verkäufer eine seiner Pflichten nach dem Vertrag oder diesem Übereinkommen nicht erfüllt, Schadenersatz nach Art 74 bis 77 verlangen. Als Schadenersatz ist gemäß Art 74 der der anderen Partei infolge der Vertragsverletzung entstandene Verlust einschließlich des entgangenen Gewinns zu ersetzen. Dieser Schadenersatz darf jedoch den Verlust nicht übersteigen, den die vertragsbrüchige Partei bei Vertragsabschluss als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen musste, hätte voraussehen können. Dies bedeutet, dass - abgesehen von Personenschäden - auch Mangelfolgeschäden ersatzfähig sind, wenn der eingetretene Schaden bei Vertragsabschluss als hinreichend wahrscheinliche Folge erkannt werden konnte. Voraussehbar sind deshalb zB Schadenersatzpflichten, die den Käufer schlechter Ware eigenen Abnehmern gegenüber treffen, soweit die Ersatzpflicht nicht den üblichen Umfang übersteigt („Haftungsschaden“, vgl Magnus in Staudinger , BGB, Art 74 CISG Rz 45).
Die Gegenforderung der Beklagten ist davon ausgehend ebenfalls dem CISG zu unterstellen.
2. Der Kläger hält der Gegenforderung der Beklagten als zentralen Einwand jenen der Verjährung entgegen. Im Übrigen bestreitet er auch die Vertragswidrigkeit der von ihm 2008 an die Beklagte gelieferten Ware und bringt vor, die Beklagte sei ihrer Mängelrügeobliegenheit nach Art 38 f CISG nicht nachgekommen.
Zu den beiden letztgenannten Einwänden hat das Erstgericht keine Feststellungen getroffen. Seine Entscheidung ist dahin zu verstehen, dass die Schadenersatzforderung der Beklagten, selbst wenn diese dem Grunde und der Höhe nach berechtigt wäre, aufgrund eingetretener Verjährung eine Schuldtilgung durch Aufrechnung nicht habe herbeiführen können. Das Erstgericht stützt sich zur Begründung seiner Rechtsansicht auf die Bestimmungen des Übereinkommens über die Verjährung beim Internationalen Warenkauf (in der Folge: VerjährungsÜbk).
2.1. Das CISG selbst enthält, wie das Erstgericht ebenfalls richtig konstatiert hat, keine Regelungen zur Verjährung; es beschränkt sich vielmehr auf eine Festlegung des Vertragsabschlusses und der wechselseitigen Pflichten des Käufers und des Verkäufers. Verjährungsfragen werden vom Übereinkommen ausgeklammert. Darunter fallen insbesondere die Frage, wann die Kaufpreisforderung und wann Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche verjähren ( Czernich in Czernich/Heiss, EVÜ Art 4 Rz 109).
2.2. Ausgehend von den Zeitpunkten der in Rede stehenden Vertragsabschlüsse, welche allesamt vor dem 17.12.2009 liegen, hat die Ermittlung des insoweit anzuwendenden Rechts nach dem Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (BGBl III 1998/208 - EVÜ) zu erfolgen.
Gemäß Art 4 EVÜ wird (sofern, wie hier, keine Rechtswahl getroffen wurde), vorbehaltlich des (hier ebenfalls nicht einschlägigen) Abs 5 vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist der Vertrag in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei geschlossen worden, so wird vermutet, dass er die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem sich deren Hauptniederlassung befindet oder in dem, wenn die Leistung nach dem Vertrag von einer anderen als der Hauptniederlassung zu erbringen ist, sich die andere Niederlassung befindet. Beim Kaufvertrag erbringt die charakteristische Leistung der Verkäufer ( Verschraegen In Rummel, ABGB³ Art 4 EVÜ Rz 42).
Dies führt grundsätzlich zur Anwendung des polnischen Rechts auf den vorliegenden Fall.
Das VerjährungsÜbk ist nach seinem Art 3 Abs 1 lit b anzuwenden, wenn nach den Regeln des internationalen Privatrechts (hier dem EVÜ) das Recht eines Vertragsstaats auf den Kaufvertrag anzuwenden ist, der das Übereinkommen ratifiziert hat. Hat der Vertrag (wie hier - Österreich hat das Übereinkommen nicht ratifiziert) nur zu einem Staat Verbindung, der dieses Übereinkommen ratifiziert hat, so ist es nur anwendbar, wenn dieser Staat auch das Änderungsprotokoll 198 C ratifiziert hat ( Czernich aaO). Da Polen Vertragsstaat des VerjährungsÜbk ist, käme dieses im vorliegenden Fall grundsätzlich zur Anwendung.
3. Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang allerdings als Verfahrensmangel geltend, dass das Erstgericht das anzuwendende ausländische Recht nur unzureichend ermittelt habe. Sie verweist dazu auf ihr schon in erster Instanz erstattetes Vorbringen, das VerjährungsÜbk komme im vorliegenden Fall gerade nicht zur Anwendung, weil dieses entgegen den einschlägigen Bestimmungen der polnischen Verfassung nicht mit einem der Ratifizierung vorangehenden Zustimmungsgesetz genehmigt worden sei. Deshalb sei nationales polnisches Recht anzuwenden, soweit dieses für die Beklagte günstigere Bestimmungen enthalte. Dies sei betreffend die Verjährung von Schadenersatzforderungen der Fall.
3.1. Richtig ist, dass die unzureichende Ermittlung der anzuwendenden ausländischen Rechtsnormen einen Verfahrensmangel eigener Art darstellt, der (bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge) sogar von Amts wegen und sogar gegen den Willen der Parteien wahrzunehmen wäre ( Klauser/Kodek, JN/ZPO 17 § 496 E 15; Rechberger , ZPO 4 § 271 Rz 5; RIS-Justiz RS01165580).
3.2. Richtig ist auch, dass das Erstgericht sich mit dem Vorbringen der Beklagten zur vorrangigen Anwendung nationalen polnischen Rechts nicht auseinandergesetzt, sondern die Anwendbarkeit des VerjährungsÜbk allein auf den Umstand gegründet hat, dass Polen Vertragsstaat dieses Übereinkommens sei. Dies würde an sich einen Verfahrensmangel im aufgezeigten Sinn begründen. Dieser wäre freilich nur dann relevant, wenn die Forderung der Beklagten bei unterstellter Anwendung des Übereinkommens tatsächlich verjährt wäre. Nur dann wäre auf das Vorbringen der Beklagten näher einzugehen und zu erheben, ob das nationale polnische Zivilrecht für die Beklagte günstigere Verjährungsbestimmungen vorsieht.
Es ist daher vorrangig zu prüfen, ob die Gegenforderung der Beklagten (sofern diese zu Recht besteht) unter Zugrundelegung des VerjährungsÜbk tatsächlich verjährt wäre.
3.3. Im vorliegenden Fall geht es somit nicht um die Verjährung der Kaufpreisforderungen des Klägers aus den im Jahr 2008 erbrachten Lieferungen an die Beklagte, sondern um die Verjährung der (behaupteten) Schadenersatzforderung der Beklagten aufgrund der von ihr an S***** geleisteten Zahlungen für die Behebung der (nach den Behauptungen der Beklagten) den vom Kläger gelieferten Waren anhaftenden Mängel.
3.4. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß Art 8 VerjährungsÜbk vier Jahre. Sie gilt auch für Ansprüche, die sich auf die Verletzung eines internationalen Warenkaufvertrags beziehen (
Müller-Chen
in Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art 9 VerjährungsÜbk Rz 2). Einen solchen Anspruch macht die Beklagte geltend.
3.5. Die Verjährungsfrist beginnt vorbehaltlich der Art 10, 11 und 12 an dem Tag zu laufen, an dem der Anspruch fällig wird.
Ob ein Anspruch besteht, beurteilt sich nach dem anwendbaren Recht. Das Gleiche gilt grundsätzlich für die Frage, wann ein Anspruch fällig wird. Von diesem Grundsatz weicht das VerjährungsÜbk in seinen Artikeln 10-12 ab, um Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts zu beseitigen ( Müller-Chen aaO Art 9 Rz 1).
Gemäß Art 10 Abs 1 des Übereinkommens wird ein Anspruch aus einer Vertragsverletzung (worunter gemäß Art 1 Abs 3 lit d die Nichterfüllung des Vertrags durch eine Partei oder jede nicht vertragsgemäße Erfüllung zu verstehen ist) an dem Tag fällig, an dem die Vertragsverletzung begangen wird. Ansprüche wegen Vertragswidrigkeit verjähren innerhalb von vier Jahren ab dem Tag der Übergabe der Ware an den Käufer (Art 10 Abs 2).
Der relevante Zeitpunkt wird in beiden in dieser Bestimmung genannten Fällen grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Übergabe der Ware anzusetzen sein. Die Beklagte weist allerdings im Rahmen ihrer Rechtsrüge zutreffend darauf hin, dass sie zur Frage der Vertragsverletzung durch den Kläger umfangreiches weiteres Vorbringen erstattet und behauptet hat, die Verjährungsfrist habe davon ausgehend erst am 25.6.2010 zu laufen begonnen (Seiten 13 und 14 der Berufung) und dass sie weiters Vorbringen zu Art 10 Abs 3 des Übereinkommens erstattet hat, der den speziellen Fall des Beginns der Verjährungsfrist im Fall einer Täuschung, die vor oder bei Abschluss des Vertrags oder während seiner Erfüllung begangen wurde, regelt. Mit diesem Vorbringen hat sich das Erstgericht nicht auseinander gesetzt, sodass sein Urteil insoweit an sekundären Feststellungsmängeln leidet. Darauf kommt es freilich, wie die weitere rechtliche Beurteilung zeigt, nicht an.
3.6. Gemäß Art 13 VerjährungsÜbk wird die Verjährungsfrist unter anderem unterbrochen, wenn der Gläubiger eine Handlung vornimmt, die nach dem Recht des angerufenen Gerichts als Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen den Schuldner angesehen wird. Dies trifft, wie das Erstgericht richtig festgehalten hat, auf das von der Beklagten am 24.6.2011 in Polen eingeleitete gerichtliche Vergleichsverfahren zu.
Nach den Feststellungen endete dieses Verfahren am 26.9.2011 ohne Abschluss eines Vergleichs, was an sich bewirkt, dass der Anspruch gemäß Art 17 Abs 2 des Übereinkommens innerhalb eines Jahres gerechnet vom Tag der Beendigung des Verfahrens geltend zu machen gewesen wäre.
3.7. In weiterer Folge ist jedoch auf Art 18 VerjährungsÜbk Bedacht zu nehmen. Nach dessen Abs 2 wird die Verjährungsfrist in Bezug auf den Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer unterbrochen, wenn ein Rechtsverfahren gegen einen Käufer von dessen Abnehmer eingeleitet wurde und der Käufer den Verkäufer innerhalb dieser Frist schriftlich von der Einleitung des Verfahrens verständigt hat. Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall zu, weil der Abnehmer der Beklagten, S*****, diese am 15.3.2012 zu 26 Cg 56/12h des LG Wiener Neustadt auf Zahlung der aus der (angeblichen) Vertragswidrigkeit der Ware resultierenden Sanierungskosten in Anspruch genommen und die Beklagte den Kläger davon schriftlich verständigt und ihn zum Beitritt als Nebenintervenient aufgefordert hat.
Gemäß Art 18 Abs 3 VerjährungsÜbk gilt die Verjährungsfrist nicht als unterbrochen, wenn ein in Abs 1 und 2 bezeichnetes Verfahren beendet ist. Dem Käufer steht jedoch eine weitere Frist von einem Jahr, gerechnet vom Tag der Beendigung des Verfahrens zu, wenn an diesem Tag die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war oder nur noch weniger als ein Jahr zu laufen hatte.
Nach dem festgestellten Sachverhalt endete das zuletzt genannte Verfahren am 1.2.2014 mit einem rechtswirksamen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung von EUR 30.000,-- an S***** verpflichtete. Der Beklagten stand daher nach Art 18 Abs 3 VerjährungsÜbk eine weitere Frist von einem Jahr bis 1.2.2015 zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Kläger zu.
Das Erstgericht hielt dazu in seiner rechtlichen Beurteilung fest, die genannte Frist komme der Beklagten nicht zugute, weil sie ihre Ansprüche nicht mit Klage, sondern „nur“ außergerichtlich im Wege der Aufrechnung geltend gemacht habe.
Die Beklagte hält dem in ihrer Berufung zutreffend entgegen, dass Art 18 Abs 3 VerjährungsÜbk keinen Hinweis auf die Erforderlichkeit der klagsweisen Geltendmachung und insbesondere kein Verbot der aufrechnungweisen Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der Nachfrist enthält.
3.8. Ebenso zutreffend verweist die Beklagte schließlich auf das Vorliegen der Voraussetzungen von Art 25 Abs 2 VerjährungsÜbk. Demnach kann sich eine Partei ungeachtet des Ablaufs der Verjährungsfrist auf ihren Anspruch als Verteidigungsmittel oder zum Zweck der Aufrechnung gegen einen von der anderen Partei geltend gemachten Anspruch berufen, in dem zuletzt genannten Fall jedoch nur, wenn
a) die beiden Ansprüche sich auf denselben Vertrag oder auf mehrere im Rahmen desselben Geschäfts abgeschlossenen Verträge beziehen oder
b) die Ansprüche zu irgendeinem Zeitpunkt vor Ablauf der Verjährungsfrist gegeneinander hätten aufgerechnet werden können.
Die Aufrechnung ist daher einerseits zulässig, wenn eine wirtschaftliche Konnexität zwischen den beiden Ansprüchen besteht ( Müller-Chen aaO Art 25 Rz 4). Ob dies im vorliegenden Fall zutrifft, weil die wechselseitigen Ansprüche der Parteien nicht aus demselben Vertrag, wohl aber derselben Geschäftsbeziehung stammen, kann dahingestellt bleiben.
Auch bei Fehlen einer wirtschaftlichen Konnexität kann nämlich immer dann aufgerechnet werden, wenn die beiden Ansprüche zu irgend einem früheren Zeitpunkt, d.h. vor Ablauf der Verjährungsfrist, aufgerechnet werden konnten ( Müller-Chen aaO). Diese Voraussetzung ist, worauf die Beklagte richtig hinweist, erfüllt, weil ihre Schadenersatzforderung und die Forderungen des Klägers aus den Lieferungen im Jahr 2014 einander innerhalb der Nachfrist des § 18 Abs 3 VerjährungsÜbk aufrechenbar gegenüberstanden.
3.9. Im Ergebnis ist daher die Gegenforderung der Beklagten auch unter Zugrundelegung des VerjährungsÜbk nicht verjährt, so dass es keiner weiteren Erhebung des nach den Behauptungen der Beklagten für sie günstigeren nationalen polnischen Verjährungsrechts bedarf.
4. Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist daher nicht zu vermeiden:
4.1. Der Kläger weist in seiner Berufungsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass er einerseits die Vertragswidrigkeit der von ihm 2008 an die Beklagte gelieferten Leuchten bestritten und andererseits auch vorgebracht hat, die Beklagte habe betreffend diese Lieferungen ihre Untersuchungs- und Rügepflicht nach Art 38 f CISG verletzt, weshalb ihr von vornherein keinerlei Ansprüche gegen ihn aus der behaupteten Vertragswidrigkeit der 2008 gelieferten Ware mehr zustünden, mit denen sie hätte aufrechnen können.
Mit beiden Behauptungen des Klägers hat sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt, weil es von einer Verjährung der Forderung der Beklagten ausging. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts ist die Vertragswidrigkeit der Ware und die Einhaltung der Bestimmungen über die Mängelrügeobliegenheit ausgehend von den Behauptungen des Klägers auch nicht als unstrittig anzusehen.
Das Erstgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit den betreffenden Behauptungen des Klägers auseinanderzusetzen und dazu Feststellungen zu treffen haben.
Weiters wird zu beachten sein, dass die Beklagte im Verfahren erster Instanz eine weitere Gegenforderung wegen in Polen aufgewendeter Verfahrenskosten über EUR 1.329,86 eingewendet hat, mit der sich das Erstgericht ebenfalls nicht auseinandergesetzt hat.
Weiters hat die Beklagte die in Rede stehende Schadenersatzforderung aus dem Vergleich mit S***** auch prozessual als Gegenforderung gegen die Klagsforderung eingewendet. Diesbezüglich wird zu erörtern sein, ob dies allenfalls in eventu - für den Fall der Unwirksamkeit einer außergerichtlichen Aufrechnung – erfolgte. Im Prozess kann die Aufrechnung nämlich nur entweder als Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine (vor oder während des Prozesses) bereits vollzogene (außergerichtliche) Aufrechnung stützt, oder durch prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0033915 [T2]).
Schließlich weist die Berufung auch zutreffend darauf hin, dass der Kläger ein gestaffeltes Zinsenbegehren betreffend die einzelnen klagsgegenständlichen Rechnungen erhoben hat, während das Erstgericht einheitliche Zinsen aus dem gesamten Klagsbetrag zugesprochen hat. Auch dies wird im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof war gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen des UN-Verjährungsübereinkommens nicht vorliegt.
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