JudikaturOLG Wien

34R110/16w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 269.671 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Patentamts vom 24.6.2016, WM 2/2013, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Dem Widerspruch gegen die Marke AT 269.671 wird Folge gegeben und die Registrierung in Bezug auf die Waren der Klasse 25 aufgehoben.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

1. Die Antragstellerin beruft sich auf die Wortmarke

FALKE ,

die wie folgt registriert ist:

a) IR 381.077, Priorität 15.5.1986, eingetragen für die Warenklasse

25 Hosiery, clothing, knitted and knit fabric garments, underclothing, ties and gloves. [Strumpfwaren, Bekleidung, Strick- und Wirkwaren, Unterbekleidung, Krawatten und Handschuhe.]

b) IR 944.203, Priorität 26.2.2007, unter anderem eingetragen in der Warenklasse

25 Shoes, clothing and headgear, belts. [Schuhe, Bekleidung und Kopfbedeckungen, Gürtel.]

c) IR 1.138.344, Priorität 7.2.2012, unter anderem eingetragen für die Warenklasse

25 Shoes, clothing, hosiery, headwear, belts. [Schuhe, Bekleidung, Strumpfwaren, Kopfbedeckungen, Gürtel.]

Ihr Widerspruch richtet sich gegen die Wortbildmarke AT 269.671 der Antragsgegnerin

(Anmeldedatum 10.9.2012; angegriffene Marke), eingetragen für folgende Waren und Dienstleistungsklassen:

16 Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist.

25 Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.

28 Spiele, Spielzeug.

35 Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten.

39 Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen.

41 Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten.

43 Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.

Der Widerspruch bezieht sich nur auf die Eintragung für die Waren der Klasse 25.

Die Antragstellerin brachte vor, zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke sowie den angegebenen Waren bestehe Verwechslungsgefahr.

Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr.

2. Mit den angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Widerspruch ab und verneinte in Bezug auf jene Waren, die einander ähnlich sind (Klasse 25), die Verwechslungsgefahr.

3. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Entscheidung des Patentamts aufzuheben und dem Widerspruch stattzugeben.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

4.1 Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

4.2 Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand (RIS Justiz RS0066553 [T13]; ua) – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

4.3 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s [Rn 43]; EuG T 599/10, Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i und 4 Ob 228/14d; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).

4.4 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, Firn; 17 Ob 36/08f, Kobra/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

4.5 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Wort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116).

4.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246, Go; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f, Kobra/Cobra ).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135, Jack Jones; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [T20]; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04, Thomson life ) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t, Jukebox; Om 12/10 PBl 2011, 67, PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ).

4.7 Bereits aus älteren Entscheidungen des OGH ergibt sich, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) ein abweichender Begriffsinhalt trotz Ähnlichkeit im Wortbild oder Wortklang die Verwechselbarkeit ausschließen kann (4 Ob 30/89 mwN; RIS-Justiz RS0079571 [T17, T18]; vgl zuletzt vgl 4 Ob 228/14d). Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ können. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (C 361/04 P, Picaro/Picasso; C 206/04 P, Mühlens; C 16/06 P, Mobilix/Obelix; weitere Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 928, und bei Onken in Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht [Stand 1.12.2014] § 8 Rz 22; vgl auch BGH I ZR 102/07, GRUR 2010, 235, AIDA/AIDU, mwN zur deutschen Rsp).

Umgekehrt können Bedeutungs-Ähnlichkeiten eine Verwechslungsgefahr bewirken.

5.1 Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist dem Patentamt vorerst zuzustimmen, dass bei den Waren der Klasse 25 eine hochgradige Ähnlichkeit, wenn nicht sogar eine Identität besteht.

5.2 Bei einer Gesamtbetrachtung kommt das Rekursgericht jedoch – anders als das Patentamt – zum Ergebnis, dass die beteiligten Verkehrskreise, die die Widerspruchsmarke(n) Falke kennen und dabei – wie das Patentamt richtig hervorhebt – auch an den Greifvogel mit diesem Namen denken, beim Bild eines jungen Vogels mit einem scharfen Schnabel und dem deutlich hervorgehobenen Namen „Falky“ unweigerlich an einen jungen Falken denken, zumal ihnen das Bild eines solchen jungen Falken vorgestellt wird. Dass das an sich nicht existente Wort „Falky“ einen jungen/kleinen Falken meint, ergibt sich daraus, dass die Endung „ y“ im Englischen für den Diminutiv allgemein bekannt und auch in der deutschen Umgangssprache (meist als „ i“) verankert ist („John – Johnny“, „Charles – Charly“, „Kurt – Kurti“).

Die Vermutung, es würden damit Waren der Antragstellerin bezeichnet, die für Kinder geeignet sind, liegt nahe. Daran ändert auch die zutreffende Analyse aller Detailmerkmale und -unterschiede der Marken nichts, die das Patentamt vorgenommen hat. Bei dieser zergliedernden Analyse tritt nach Ansicht des Rekursgerichts die gesamtheitliche Sicht zu sehr zurück.

Genauso wenig ändert das Argument etwas daran, dass die Antragstellerin für Kinderprodukte eine eigene Kennzeichnung verwendet (laut Vorbringen der Antragsgegnerin „Falke Kids“ und „Falke Baby“), denn die Verwechslungsgefahr ist abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]) und davon unabhängig, welche konkreten Informationen einzelne Konsumenten haben.

Das Rekursgericht sieht hier Parallelen zu 4 Ob 228/14d, Artist/Arktis, wenn auch in reziproker Weise: Dort verneinte der OGH die Verwechslungsgefahr wegen des jeweils vorhandenen verschiedenen Begriffsinhalts und maß dem ähnlichen Klang keine entscheidende Bedeutung bei. Im vorliegenden Fall lässt sich die Verwechslungsgefahr umgekehrt aus der direkten Verwendung des Begriffsinhalts von „Falke“ durch die Antragsgegnerin herleiten. Dabei treten die optischen Besonderheiten gerade nicht in den Hintergrund, sondern verstärken die Assoziation zum Begriff „Falke“.

Die Beifügung einer Internet-Adresse ändert an dieser Einschätzung nichts, weil die Konsumenten annehmen werden, der Markeninhaber habe einfach neuerdings einen eigenen Internet-Auftritt, auf den er nun in der Wortbildmarke erstmals mit grafischen Methoden hinweisen kann. Dies wird auch dadurch nicht neutralisiert, dass ein genaues Studium des klein gedruckten Texts wieder gedanklich zur Antragsgegnerin hinführen könnte. Imponierend ist das Wort „Falky“ in Verbindung mit dem unwillkürlich als junger Falke erkennbaren karikierten Vogel.

Im Ergebnis bedarf die Entscheidung des Patentamts daher einer Korrektur. Die angegriffene Marke ist in Bezug auf die Waren der Klasse 25 zu löschen.

6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Rückverweise