JudikaturOLG Wien

34R87/16p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. September 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Wortmarke AT 281035 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 13.4.2016, WM 50/2015-5, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beruft sich auf ihre Wortmarke CTM 11559011 (Registrierungsdatum 19.6.2013):

INFINIA ,

eingetragen für die Waren der Klasse 5

Pharmazeutische Präparate und Präparate für medizinische Zwecke; Diätische Substanzen für medizinische Zwecke; Präparate für die Gesundheitspflege für medizinische Zwecke; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel).

Sie widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 281035 (Priorität vom 25.9.2014):

INZIMYA ,

eingetragen für die Waren der Klasse 5

Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Diagnostikmittel für medizinische Zwecke; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke,

weil diese wegen der Warenidentität und/oder -ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke verwechselt werden könnte.

Das Patentamt wies den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass zwar teilweise eine Warenidentität und -ähnlichkeit gegeben sei, jedoch keine verwechselbare Ähnlichkeit in Bild, Klang oder Bedeutung. In bildlicher Hinsicht seien die Zeichen wegen der unterschiedlichen Gestaltung der Markenworte und wegen einer nicht prägenden Position von „IN“ am Anfang unterscheidbar. Klanglich bestehe aufgrund der unterschiedlichen Betonung und der unterschiedlichen Buchstabenfolge ein Abstand. Begrifflich würden die österreichischen Konsumenten INFINIA möglicherweise dem lateinischen Wort „finia“ („die Grenze“, „die Begrenzung“) zuordnen; im Gegensatz dazu werde dem Wort INZIMYA kein Sinngehalt beigemessen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, dem Widerspruch stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Rekurs abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Die Antragstellerin moniert, dass den betroffenen Waren des täglichen Bedarfs nur ein unterdurchschnittlicher Aufmerksamskeitgrad zugemessen werde; dies bei einem Vergleich teilweiser völlig identischer Waren. Rein optisch seien die Zeichen ähnlich, weil sie beide aus gleich vielen Buchstaben bestehen. Identisch seien die ersten beiden Buchstaben „IN“, wobei das Publikum gerade dem Anfang einer Wortmarke größere Aufmerksamkeit schenke. Rein phonetisch seien auch die Buchstabenfolgen „FINI“ und „ZIMY“ ähnlich und die Buchstaben M und N seien nicht nur optisch höchst ähnlich, sondern würden auch ähnlich ausgesprochen. Überdies seien nicht nur die Anfangsbuchstaben, sondern auch die Endbuchstaben identisch, weil gerade bei deutschsprachigen Verkehrskreisen zwischen „IA“ und „YA“ kein Unterschied in klanglicher Hinsicht gemacht werde. Da in Summe die Unterschiede nur geringfügig seien und vom durchschnittlichen Publikum nicht, respektive kaum wahrgenommen würden, bestehe Verwechslungsgefahr.

2. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

2.1 Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand (RIS Justiz RS0066553 [T13]; ua) – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

2.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rn 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i und 4 Ob 228/14d; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).

2.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, Firn; 17 Ob 36/08f, Kobra/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

2.4 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246, Go; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f, Kobra/Cobra ).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033).

Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135, Jack Jones; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [T20]; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04, Thomson life ) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t, Jukebox; Om 12/10 PBl 2011, 67, PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ).

2.5 Bereits aus älteren Entscheidungen des OGH und des OPM ergibt sich, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) ein abweichender Begriffsinhalt trotz Ähnlichkeit im Wortbild oder Wortklang die Verwechselbarkeit ausschließen kann (4 Ob 30/89 mwN; RIS-Justiz RS0079571 [T17, T18]; Om 6/11, Evolution; revölution, revoelution, revoilution; vgl zuletzt vgl 4 Ob 228/14d). Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ können. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (C 361/04 P, Picaro/Picasso; C 206/04 P, Zirh; C 16/06 P, Mobilix/Obelix; weitere Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 928; und bei Onken in Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht [Stand 1.12.2014] § 8 Rz 22; vgl auch BGH I ZR 102/07, GRUR 2010, 235, AIDA/AIDU, mwN zur deutschen Rsp).

2.6 Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

3. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Beurteilung des Patentamts nicht zu beanstanden. Das Rekursgericht hält die diesbezügliche Begründung der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen für zutreffend (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 2 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

3.1 In Bezug auf den Aufmerksamkeitsgrad der Warenadressaten und auch in Bezug auf die Warenidentität und/oder -ähnlichkeit gibt es zwischen den Parteien keine für das Ergebnis relevanten Auffassungsunterschiede, sodass darauf nicht näher einzugehen ist. Obgleich (zumindest zum Teil) Produkte des täglichen Bedarfs damit gekennzeichnet werden, ist der Durchschnittsverbraucher im Bereich der Gesundheitspflege und des eigenen Wohlbefindens (und jenes seiner Kinder) jedenfalls normal informiert und angemessen durchschnittlich aufmerksam (vgl Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 100  mwN).

3.2 Die Argumentation der Antragstellerin, die Verwechslungsgefahr der Zeichen durch ein selektives Analysieren und Hervorstreichen der „Gemeinsamkeiten“ zu begründen, greift zu kurz. Unstrittig ist, dass sowohl der Anfang der Wortfolge „IN“ als auch der Endbuchstabe „A“ als auch die Anzahl der Buchstaben ident sind. Jedoch wird das Zeichen der Antragsgegnerin im Gesamteindruck als Einheit wahrgenommen und der gleiche Anfang und das gleiche Ende haben für sich genommen keine kennzeichnende Aussage oder Stellenwert. Die Anzahl der Buchstaben ist in diesem Zusammenhang ohnedies nicht signifikant, weil die Buchstaben bei dieser Wortlänge in der Regel nicht (mehr) gezählt werden und ihre Zahl nicht als markant registriert wird.

Auch ist die weitere Buchstabenfolge „ZIMY“ zu „FINI“ nicht nur optisch leicht abgrenzbar, sondern sowohl klanglich als auch in einer möglichen Wortbedeutung. Auch wenn in der Regel nicht davon auszugehen sein wird, dass der Durchschnittskonsument INFINIA dem lateinischen Wort „finis“ zuordnen wird und dann noch übersetzen kann, suggeriert es zumindest die Assoziation, dass es sich hier nicht um ein Phantasiewort handelt, sondern ein Wort mit einer bestimmten Wortbedeutung. Im Gegensatz dazu kann das angegriffene Zeichen das für sich nicht beanspruchen (vgl auch OLG Wien 34 R 84/14v, Liposan/Liposinol [Verwechslungsgefahr verneint]; in Abgrenzung zu OLG Wien 34 R 25/14t = OGH 4 Ob 191/14p, Bronchipret/Bronchiplant [Verwechslungsgefahr bejaht]).

3.3 Da begriffliche, bildliche und klangliche Unterschiede bestehen, ist trotz der gegebenen Warenidentität und/oder -ähnlichkeit der Abstand zwischen den Zeichen deutlich genug, sodass keine Verwechslungsgefahr besteht.

Im Ergebnis bedarf die Entscheidung des Patentamts keiner Korrektur.

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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