34R74/16a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung
über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts jeweils vom 21.4.2016 in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Rechtsmittelverfahren 34 R 74/16a, 34 R 75/16y und 34 R 76/16w werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist 34 R 74/16a.
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
1. Gemäß dam analog anwendbaren § 187 ZPO kann der Senat Verfahren verbinden, die von oder zwischen den nämlichen Personen geführt werden, wenn dadurch zum Beispiel die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die verbundenen Verfahren können auch durch ein gemeinschaftliches Urteil entschieden werden (§ 404 Abs 2 ZPO). Die Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny 3 § 187 ZPO Rz 10; RIS-Justiz RS0037216).
Die Voraussetzung der Verbindung zur gemeinschaftlichen Entscheidung erachtet das Rekursgericht – neben der evidenten Parteiidentität – schon allein deswegen als gegeben, weil die Entscheidung im gegebenen Fall durch ein Rechtsmittel bekämpft werden könnte.
2.1 Die Antragstellerin beantragte die Eintragung folgender Zeichen als Wort(bild)marke:
a)
b) THE TRAPP FAMILY. A LIFE OF MUSIC
c) DIE TRAPP FAMILIE – EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK
2.2 In allen drei Fällen beantragte sie die Eintragung für folgende Waren und Dienstleistungen und -klassen:
9 Spielfilme und Kinofilme (aufgezeichnet); bespielte Datenträger aller Art; elektronische Publikationen (herunterladbar), nämlich Audio-, Video-, Text-, Bild- und Grafikdaten im digitalen Format ; wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild;
38 Telekommunikation; Sendung und Weitersendung von Spielfilmen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen;
41 Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Produktion, Präsentation und Verleih von Spielfilmen und Kinofilmen; Produktion, Präsentation und Vermietung von Fernseh- und Rundfunkprogrammen; Produktion, Präsentation und Verleih von Ton- und Videoaufzeichnungen; Unterhaltungsdienstleistungen mittels dem Medium Spielfilm und Kinofilm; Unterhaltungsinformationen; Durchführung von Live-Unterhaltungsveranstaltungen; Erstellen von Untertiteln sowie Synchronisation; Musikdarbietungen und Theateraufführungen; Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen im Unterhaltungsbereich, auch zur Aufzeichnung oder als Live-Sendung im Rundfunk oder Fernsehen; Verfassen von Drehbüchern und sonstigen Texten mit literarisch-fiktionalem Inhalt, ausgenommen von Werbetexten;
45 juristische Dienstleistungen; insbesondere Verwaltung und Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten.
Vom Rekursverfahren betroffen sind nur die durch Fettdruck hervorgehobenen Waren und Dienstleistungen.
3. Mit den angefochtenen Beschlüssen wies das Patentamt die Anträge in Bezug auf die oben durch Fettdruck hervorgehobenen Waren und Dienstleistungen ab und behielt die Entscheidung im verbleibenden Umfang vor.
Das Patentamt stützte seine Entscheidung auf § 4 Abs 1 Z 4 MSchG. Die Zeichen würden mit der aus Verfilmungen bekannten – in den 1930er-Jahren erfolgreich musiziert habenden – Familie Trapp und mit den das Leben dieser Familie erzählenden Filmen assoziiert und seien daher beschreibend.
Das grafische Element der Wortbildmarke (oben 2.1.a) sei nicht so markant, um zur Unterscheidungskraft etwas beizutragen.
Die von der Antragstellerin ins Treffen geführte Verkehrsgeltung verneinte das Patentamt.
4. Dagegen richten sich die Rekurse der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtenen Entscheidungen zu ändern und die Zeichen einzutragen; in eventu beantragt sie, dem Patentamt die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind nicht berechtigt.
5.1 Gemäß § 4 Abs 1 Z 4 MSchG können Zeichen nicht als Marke eingetragen werden, die im Verkehr ausschließlich zur Bezeichnung der Art , der Beschaffenheit , der Menge , der Bestimmung , des Wertes , der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können (Hervorhebungen durch das Rekursgericht).
§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG definiert als Eintragungshindernis daneben das Fehlen der Unterscheidungskraft („Zeichen, die keine Unterscheidungskraft haben“).
§ 4 Abs 1 Z 5 MSchG verhindert die Eintragung von Zeichen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind.
5.2 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 4 Abs 1 lit b bis d MarkenRL 2015/2436) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 171 ff). Die Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rz 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG (und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL) ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rz 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OPM OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
5.3 Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, also einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen (C 326/01, Universaltelefonbuch, Rz 33 mwN; C 494/08 P, Pranahaus; vgl zuletzt auch 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383, T1; 4 Ob 69/15y, Chrysal; RIS-Justiz RS0117763; RS0066456; RS0066644).
5.4 Ob die Unterscheidungskraft oder das Zeichen beschreibend ist, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also im Wesentlichen auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke , MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5).
5.5 Da – bezogen auf § 4 Abs 1 Z 3 MSchG – allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung hindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
6.1 Das Rekursgericht schließt sich vor dem Hintergrund dieser Erwägungen der Einschätzung des Patentamts an, dass die beteiligten Verkehrskreise durch die beantragten Zeichen primär und ohne Erfordernis des Nachdenkens oder Kombinierens an jene Familie Trapp (englisch: „Trapp family“; die Verwendung des Englischen ändert dabei nichts an der Einschätzung, vgl 4 Ob 7/05s, Car Care; 4 Ob 28/06f, Fire Killer; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; C 421/04, Matratzen Concord/Hukla ) erinnert werden, deren Leben unter anderem in dem Film behandelt wird, der unter der Bezeichnung „Sound of Music“ auch in Österreich (was das Rekursgericht als notorisch erachtet) bekannt ist. Unwesentlich ist, wie tatsachengetreu der Film die Begebenheiten wiedergibt. Es reicht die Assoziation mit der kinderreichen „Film-Familie Trapp“, deren Leben auch der Musik, dem Erlernen des Musizierens und dem gemeinsamen Musizieren gewidmet war.
Dabei spielt es keine Rolle, dass es – wie die Antragstellerin im Rekurs, Punkt 1.2., zutreffend vorträgt – nicht nur berühmte Familien dieses Namens gibt. Evident ist nämlich, dass es zahlreiche in der Öffentlichkeit völlig unbekannte Personen geben wird, die Trapp heißen. Nicht zu bezweifeln ist auch, dass es auch abseits der beschriebenen Familie Trapp Menschen dieses Namens gibt, die nicht wegen der Musikausübung sondern aus anderen Gründen bekannt sind.
Auch dass es mehrere Verfilmungen mit Bezug zu der oder zu einer „Familie Trapp“ („Trapp family“) geben mag, beseitigt nicht die Hinführung der Verkehrskreise auf „irgendeine“ Trapp-Verfilmung durch die beantragten Zeichen. Genauso wenig schadet, dass die beantragten Zeichen die Wendung „A Life of Music“ und „Ein Leben für die Musik“ enthalten, während der bekannte Film „Sound of Music“ heißt. Die klare Assoziation mit jener „Familie Trapp“ wird dadurch nicht gestört.
6.2 Die Relevanz dieser – als Beschreibung dienenden – Assoziation hängt von den Waren und Dienstleistungen ab, für die die Zeichen eingetragen werden sollen (vgl zu dieser Differenzierung 4 Ob 9/14y und 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix ).
Das sind in Bezug auf die Warenklasse 9 kurz gesagt Filme und Musik (auch digitalisiert); in der Dienstleistungsklasse 41 sind es vorerst Erziehung und Ausbildung (dazu weiter unten) sowie Unterhaltung im Zusammenhang mit Film und Musik.
Soweit die Waren und Dienstleistungen im weitere Sinne Dinge enthalten, die mit der Vorführung, Produktion, Speicherung, Wiedergabe, Synchronisation, Untertitelung etc von Film und Musik zu tun haben, trifft die Einschätzung des Patentamts unmittelbar zu, wonach die beantragten Zeichen insofern beschreibend wirken, als sie auf den genannten Film, die dort enthaltene Musik sowie die dort erzählte Lebensgeschichte der „Familie Trapp“ hinweisen.
6.3 Da die Filmfamilie Trapp gemeinsam generationenübergreifend musiziert, was das Erlernen der nötigen Fertigkeiten (durch die Kinder) erfordert, treffen die Überlegungen des Patentamts im Ergebnis auch auf die Dienstleistungen „Erziehung und Ausbildung“ zu.
7. Die Wortbildmarke (oben 2.1.a) enthält nur optischen Merkmale, die sich in der Schriftgestaltung sowie im Effekt „helle Schrift auf dunklem Grund“ erschöpfen. Die verwendeten Schriftarten sind allgemein gängig. Bei der Gesamtbetrachtung verneint deshalb auch das Rekursgericht eine grafische Signifikanz dieses Zeichens.
8. Der Rekurs thematisiert auch die Eintragung von Marken, die die Antragstellerin für vergleichbar hält, sowie die Eintragung der beantragten Zeichen in Deutschland. Dem ist zu erwidern, dass eine präjudizielle Bindung an frühere Entscheidungen zu verneinen ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rz 47; C 39/08 und C-43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rz 39; vgl auch Asperger in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner , Markenrecht 4 70).
9. Zur Verkehrsgeltung trägt die Antragstellerin in den Rekursen nichts vor; dieses Thema kann daher unerörtert bleiben.
Im Ergebnis bedarf die Entscheidung des Patentamts keiner Korrektur.
10. Da die Entscheidung keine bisher von der Rechtsprechung unbeantworteten Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufweist und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.