JudikaturOLG Wien

34R67/16x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Juli 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke SPORTSDIRECT.COM über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 10.3.2016, AM 110/2015 5, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke

SPORTSDIRECT.COM

unter anderem in diesen Warenklassen und mit diesem – für das Rekursverfahren relevanten, weil strittigen – Schutzumfang:

10 Orthopädische Artikel; Stützen für den Sport; Stützverbände zur Verwendung beim Sport;

26 Schnürsenkel;

27 Matten.

Zu diesem Eintragungsbegehren brachte die Antragstellerin vor, die Marke sei eine Neuschöpfung mit vielfältigem, vagem Inhalt; mögliche Übersetzungen ins Deutsche seien „SportartenDirekt“ und „SportartenLeiten/ Führen“. Ein Rückschluss auf das dahinter stehende Geschäftsmodell sei nicht möglich. Ein konkreter Bezug zu „Sport-Waren“ finde sich nicht.

Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt im oben wiedergegebenen Umfang teilweise die Eintragung, kündigte die Fortsetzung des Registrierungsverfahrens hinsichtlich der verbleibenden Waren der Klassen 4 und 30 nach Rechtskraft des Beschlusses an und verwies zur Begründung dieser im Rekursverfahren allein relevanten Teilabweisung darauf, die beteiligten Verkehrskreise würden das angemeldete Zeichen nur als informativen Hinweis darauf verstehen, dass diese Waren von einem beliebigen Sportartikelhändler über den direkten Weg bezogen werden können. „Sports“ werde von den österreichischen Verkehrskreise nicht nur als „Sportarten“, sondern auch als „Sport“ allgemein verstanden. Die Kombination eines aussagekräftigen Hauptworts mit dem Wort „direct/direkt“ sei gängig und bezeichne die oft vereinfachte Möglichkeit, eine Ware oder Dienstleistung schnell und ohne besonderen Aufwand zu erwerben. Die Verwendung eine Top-Level-Domain sei ebenfalls keine Besonderheit. Sowohl „Sports“ als auch „direct“ seien beschreibende Hinweise.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Zeichen im Umfang der erfolgten Teilabweisung zu registrieren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

1.1. Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (K oppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rz 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix, oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, Oxi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

1.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5; vgl zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).

1.4. Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen (vgl Koppensteiner, Markenrecht 4 71 mwN; RIS-Justiz RS0109431; C 326/01, Universaltelefonbuch mwN; C 494/08p, Pranahaus; vgl zuletzt 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383). Trifft das zu, kann auch Wortneubildungen die Unterscheidungskraft fehlen (4 Ob 38/06a, Shopping City; 4 Ob 28/06f, Firekiller; Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 8 Rz 120 mwN; RIS-Justiz RS0117763, RS0066456, RS0066644).

1.5. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3], RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Linie; 4 Ob 51/16b, MAGIC MOUNTAIN ). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

1.6. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

1.7. Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache (Koppensteiner, Markenrecht 4 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line ).

2. Auf dieser Grundlage fehlt dem angemeldeten Zeichen in jenem Umfang, der im Rekursverfahren zu beurteilen ist, die Unterscheidungskraft. Das Rekursgericht hält die Begründung des Patentamts für zutreffend, sodass auf sie verwiesen werden kann (§ 39 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

2.1. Die Unterscheidungskraft einer Wortverbindung hängt davon ab, ob sie als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch die Waren und/oder Dienstleistungen oder das Unternehmen zu bezeichnen oder dessen wesentliche Merkmale wiederzugeben. Die Verbindung von für sich allein im üblichen Sprachgebrauch verwendeten Ausdrücken ist dann nicht rein beschreibend, wenn die der Struktur nach dadurch geschaffene ungewöhnliche Zusammensetzung dieser Worte kein bekannter Ausdruck der verwendeten Sprache ist, um die Ware oder das Unternehmen zu bezeichnen (ÖBl 2002/25, Internetfactory; 4 Ob 186/03m, djshop ). Es sind nämlich sämtliche Bestandteile und diese wiederum als Ganzes zu betrachten (C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit, Rz 27 f; Koppensteiner, Markenrecht 4 77 f mwN).

2.2. Diese Eignung von SPORTSDIRECT.COM als betrieblicher Herkunftshinweis hängt davon ab, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren verstehen (RIS-Justiz RS0109431).

2.3. Beteiligte Verkehrskreise sind hier alle Interessenten oder Abnehmer für die beantragten Waren und damit gerade auch die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (RIS-Justiz RS0079038).

2.4. Für eine, einer gängigen Fremdsprache entnommene, zusammengesetzte Marke ist bei der im Eintragungsverfahren anzustellenden Prognose der normale Wortsinn und sein nächstliegendes Verständnis im Inland maßgeblich (s insoweit RIS-Justiz RS0123978; OLG Wien 34 R 76/15v, allpaint ). „SPORTS“ ist, weil dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem weit verbreiteten Englischen entnommen, für Sportartikel und vergleichbare, allenfalls auch nur komplementäre Warengruppen beschreibend und wenig phantasievoll und besitzt demnach keine Unterscheidungskraft (OLG Wien 34 R9/14i, SPORTSTAR24.EU/SPORTS EXPERTS [Widerspruchsverfahren]).

Auch aus Sicht des Rekursgerichts liegt es im Rahmen der im Eintragungsverfahren stets anzustellenden Prognose für die angesprochenen Verkehrskreise daher nahe, das Zeichen angesichts des im Rekursverfahren relevanten Schutzumfangs am ehesten als Hinweis darauf zu verstehen, dass die so bezeichneten Waren als dem Sport dienend direkt bezogen werden können, ohne dass es dazu relevanter Gedankenoperationen bedürfte. Denn gerade die Aufnahme des Bestandteils „.COM“ als Hinweis auf eine Top-Level-Domain verstärkt dieses unmittelbare Verständnis: Die Verknüpfung damit erzeugt keine Originalität, die die maßgeblichen Verkehrskreise in die Lage versetzen könnte, sich den Ausdruck leicht und unmittelbar als unterscheidungskräftige Marke für die beantragten Waren einzuprägen. Die Trennung einer Abkürzung durch einen Punkt ist im Bereich von Unternehmenskennzeichen ebenso wenig ungewöhnlich wie die Verwendung von Abkürzungen an sich (weiterführend Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 193 f); beides hat dementsprechend keinen weiteren Auffälligkeits- oder besonderen Erinnerungswert (OLG Wien, 34 R 160/15x, E.COM ).

2.5. Durch die Wortverbindung entsteht damit keine eigentümliche sprachliche Neubildung, die anders verstanden würde als die Summe ihrer Bestandteile und daher geeignet wäre, als betrieblicher Herkunftshinweis zu wirken. Die beteiligten Verkehrskreise sind außerdem an ähnliche zusammengesetzte Worte bereits gewöhnt, wie die Rechtsabteilung im Amtsschreiben vom 3.12.2015 anhand zahlreicher Beispiele eindrücklich nachgewiesen hat. Weder die Schreibweise durch Verbindung von zwei sofort verständlichen Worten mit dem Bestandteil „.COM“ sind originell und erinnerungskräftig.

Das Zeichen ist nach diesem auf der Hand liegenden Verständnis iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ohne Weiteres und unmittelbar als Hinweis auf die Waren und/oder ihre Zweckwidmung und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis zu sehen (vgl OLG Wien 34 R 31/14z, ECONOMY DIESEL; 34 R 85/14s, HAUPTUNTERSUCHUNGS ADAPTER; 34 R 141/15b, CLEANER PLEASURE uva; RIS-Justiz RW0000784) und somit nicht registrierbar.

Ein Wortzeichen kann von der Eintragung bereits ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (C 191/01 P, Wrigley, Rn 32; C 265/00, Biomild, Rn 38).

3. Auf das weitere Argument im Rekurs, dass vergleichbare Marken bereits registriert seien, ist nicht näher einzugehen, weil – wie das Patentamt im Amtsschreiben vom 3.12.2015 richtig festgehalten hat – eine präjudizielle Bindung zu verneinen ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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