JudikaturOLG Wien

34R65/16b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke KALK UND SCHIEFER über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 11.3.2016, AM 1722/2014 4, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke

KALK UND SCHIEFER

für die Waren der Klasse 33 (Weine; alkoholische Getränke, ausgenommen Biere; Aperitifs).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt die Eintragung aus dem Grunde des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG mit der – kurz zusammengefassten – Begründung ab, die beteiligten Verkehrskreise sähen in diesem Zeichen einen allgemeinen Hinweis darauf, dass die zur Herstellung der so bezeichneten Waren verwendeten Produkte auf Kalk- und Schieferböden gewachsen seien; es liege nur ein Qualitätshinweis vor. Die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen reichten für den Nachweis einer Verkehrsgeltung nicht aus.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Beantragt wird, den Beschluss abzuändern, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

1.1 Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rz 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix, oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

1.2 Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

1.3 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5; vgl zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).

1.4 Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen (vgl Koppensteiner, Markenrecht 4 71 mwN; RIS-Justiz RS0109431; C 326/01, Universaltelefonbuch mwN; C 494/08p, Pranahaus; vgl zuletzt 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383). Trifft das zu, kann auch Wortneubildungen die Unterscheidungskraft fehlen (4 Ob 38/06a, Shopping City; 4 Ob 28/06f, Firekiller; Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 8 Rz 120 mwN; RIS-Justiz RS0117763, RS0066456, RS0066644).

1.5 Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3], RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Linie ). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

1.6 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

2. Auf dieser Grundlage fehlt dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft.

2.1 Die Unterscheidungskraft einer Wortverbindung hängt davon ab, dass sie nicht als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch die Waren und/oder Dienstleistungen zu bezeichnen oder deren wesentliche Merkmale wiederzugeben. Der Verbindung von für sich allein im übrigen Sprachgebrauch verwendeten Ausdrücken fehlt die Unterscheidungskraft, wenn die der Struktur nach dadurch geschaffene – wenn auch ungewöhnliche – Zusammensetzung dieser Worte ein bekannter Ausdruck der verwendeten Sprache ist, um die Ware oder das Unternehmen zu bezeichnen (4 Ob 230/01d, Internetfactory ; 4 Ob 186/03m, djshop ). Es sind sämtliche Bestandteile und diese wiederum als Ganzes zu betrachten (C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit, Rz 27 f; Koppensteiner, Markenrecht 4 77 f mwN).

2.2 Die Schutzfähigkeit der Wörter oder der Wortverbindung KALK UND SCHIEFER hängt davon ab, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren verstehen (RIS-Justiz RS0109431).

Beteiligte Verkehrskreise sind hier alle Interessenten oder Abnehmer/Auftraggeber für die beantragten Waren, also nicht nur der Fachkreis der Weinhändler oder Gastronomieunternehmer sondern auch der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (vgl RIS-Justiz RS0079038).

Die Antragstellerin führt selbst in ihrer Eingabe vom 24.9.2014 an, dass es eine Besonderheit des Leithagebirges ist, dass die zwei Bodentypen Kalk und Schiefer vorhanden sind. Dies im Zusammenhang mit dem Umstand, dass nicht nur der Fachhandel, sondern auch die durchschnittlich interessierten Konsumenten der beantragten Waren KALK UND SCHIEFER in einen Zusammenhang mit dem (erzeugenden) Boden bringen, auf dem die Weintrauben gewachsen sind, bestätigt die Einschätzung des Patentamts, dass es sich hier um einen Hinweis mit beschreibendem Charakter handelt.

Das Rekursgericht verkennt dabei nicht, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt, welcher Boden den besten Wein gibt. Notorisch ist aber, dass die Eigenschaften des Bodens die Qualität von Wein mitbeeinflussen. Diesen Boden beschreibt die genannte geologische Zusammensetzung (KALK UND SCHIEFER).

2.3 Auch im Rahmen der im Eintragungsverfahren stets anzustellende Prognose liegt es für die angesprochenen Verkehrskreise nahe, dass das Zeichen am ehesten als Hinweis für die Bodenbeschaffenheit zu verstehen ist, ohne dass es dazu relevanter Gedankenoperationen bedürfte. Aus Sicht der maßgebenden Verkehrskreise ist die beantragte Marke damit nicht geeignet, auf eine betriebliche Ursprungsidentität der darunter vertriebenen Waren hinzuweisen.

Im konkreten Fall stellt sich auch nicht die Frage einer Spezifizierung eines bestimmten Bodentyps, sondern nur, dass es sich hier um eine Beschreibung dafür handelt, auf welchem Boden die für die Produktion verwendeten Trauben gewachsen sind.

3.1 Eine Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise im Zeichen einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblickt (jüngst C 215/14, Kitkat, Rn 58 ff; siehe auch C 108/97, Chiemsee, Rn 46; C 299/99, Philips/Remington, Rn 61; C 353/03, Nestlé/Mars, Rn 30; RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k, Autobelehnung; 4 Ob 12/05a, Vital Ressort; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Entscheidend ist, ob das Zeichen geeignet ist, die damit bezeichnete Ware (oder Dienstleistung) einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen. Ist das Zeichen als solches – etwa wegen seines beschreibenden Charakters – nicht unterscheidungskräftig, müsste seine Benutzung dazu geführt haben, dass „die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil dieser Kreise“ die Ware oder Dienstleistung durch das Zeichen „als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen“ (C 108/97, Chiemsee, Rn 52; C 299/99, Philips/Remington, Rn 61; RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k, Autobelehnung; 4 Ob 12/05a, Vital Ressort ).

3.2 Dem entspricht die österreichische Rechtsprechung, wonach die Verkehrsgeltung sowohl personen- als auch produktbezogen sein muss (RIS-Justiz RS0113084):

Sie begründet die Eintragungsfähigkeit für denjenigen, zu dessen Gunsten sie erworben wurde, und sie muss für die Waren oder Dienstleistungen bestehen, für die die Eintragung der Marke beantragt wird (4 Ob 325/99v = ÖBl 2000, 175, Manpower ). Sie muss im Prioritätszeitpunkt gegeben sein (Mutz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 337).

An den Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist (RIS-Justiz RS0078807). Der BGH vertritt – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Chiemsee- Entscheidung – die Ansicht, dass bei „glatt“ beschreibenden Zeichen eine „nahezu einhellige Verkehrsbekanntheit“ erforderlich sei (I ZR 257/00, Kinder; zustimmend 4 Ob 38/06a, Shopping City; weiterführend Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 342).

3.3 Die Frage, ob eine bestimmte Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat, ist eine Rechtsfrage, die auf Grund der hiefür in Betracht kommenden tatsächlichen Grundlagen zu lösen ist (RIS-Justiz RS0043586; RS0043668; zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).

3.4 Wenn die Antragstellerin die im Handel verfügbaren signifikanten Mengen erkennbar für eine Verkehrsgeltung von KALK UND SCHIEFER ins Treffen führt, zeigt sie damit noch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf. Den Einwendungen des Patentamts in Bezug auf die Verkehrsgeltungsnachweise hätte sie konkreter entgegentreten müssen. Es wäre ihr freigestanden, auf die jeweiligen Einwendungen entsprechend zu reagieren beispielsweise auch eine Marktstudie zum Nachweis vorzulegen.

Allein die Trefferanzahl in Internet-Suchmaschinen reicht für einen Verkehrsgeltungsnachweis nicht aus. Dadurch wird kein Konnex zum Verständnis der Verkehrskreise in Bezug auf dieses Zeichen hergestellt.

3.5 Die Antragstellerin bleibt im Rekurs dazu auch sehr vage, denn sie trägt nur vor, dass „infolge der dargelegten Urkunden wohl von einer Verkehrsgeltung der Marke auszugehen“ sei, „die seit Jahren mit signifikanten Mengen im Handel verfügbar“ sei.

Die Unterlagen, die die Antragstellerin dazu vorgelegt hat, dokumentieren zwar die Benutzung des Zeichens, aber nicht, dass es durch diese Benutzung schon eine Unterscheidungskraft (die Verkehrsgeltung im oben beschriebenen Sinn) erworben hätte.

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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