JudikaturOLG Wien

34R23/16a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Wortmarke ACCESS THE INACCESSIBLE (IR 12116716) über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 18.12.2015, IR 799/2015 3, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Inhaberin der internationalen Wortmarke IR 12116716 mit Priorität vom 16.1.2014 (FR 14 4 060 962)

ACCESS THE INACCESIBLE

eingetragen für diese Waren und Dienstleistungen

06 Shoe spikes; crampons [climbing irons]; snap hooks; ice brooches; pitons; pulleys being parts of machines; metal locking mechanisms; descenders of metal; rope clamps; quickdraws for climbing; connectors of metal; anchors; moorings systems of metal, i.e. poles, plates, screws, nails, swivels.

08 Cutlery; knives.

09 Protective helmets; safety belts and harnesses; protection devices for personal use against accidents; life-saving apparatus (rescue); gloves for protection against accidents.

11 Headlamps; flashlights; lanterns.

18 Athletic bags; bags for climbing; speleology bags and rucksacks; backpacks; lanyards.

22 Ropes; safety ropes; mountaineering ropes.

27 Fall absorbing mats.

41 Education, training, teaching, entertainment in the field of climbing and work at height, sporting activities, educational examinations; organization and conducting of colloquiums, congresses and conferences, and seminars; organization of sports events and competitions.

42 Evaluation; scientific assessments and research in physiological and psychological fields, provided by engineers in the field of climbing, caving, safety of development at height and in difficult environments; research and development of new products for others and new practices and techniques the field of verticality.

Die Antragstellerin brachte vor, die Marke besitze Unterscheidungskraft, könne doch das „Unerreichbare“ nicht erreicht werden. Sie sei am ehesten als „Zugriff (auf) das Unerreichbare“ zu verstehen. Eine werbemäßige Anpreisung sei darin nicht zu erkennen, sondern es bedürfe schon einiger Gedankenoperationen, um den Sinn des Zeichens anhand seines Schutzumfangs zu begreifen.

Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt den Schutz in Österreich zur Gänze. Werbemäßige Anpreisungen seien grundsätzlich schutzfähig, wenn sie zumindest geringe herkunftskennzeichnende Unterscheidungskraft besäßen. Das Zeichen sei eine solche allgemein werbemäßige Anpreisung mit direktem Bezug zum Bergsport und als direkte Aufforderung an die Kunden zu verstehen, dass es ihnen mit den Waren und/oder Dienstleistungen ermöglicht werde, auch bisher sehr schwer oder nicht zugängliche Örtlichkeiten zu erklimmen. Es fehle an Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Rechtsfolge der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf vorgenommenen Registrierung einer internationalen Marke ist grundsätzlich, dass sie in jedem Vertragsstaat (auf den sich der Schutz erstreckt, vgl Art 3 bis Abs 1 MMA und Art 3 ter PMMA) so geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar hinterlegt (eingetragen) worden wäre (Art 4 Abs 1 S 1 MMA, Art 4 Abs 1 lit a S 1 PMMA; Koppensteiner, Markenrecht 4 243; 4 Ob 128/03g; OPM Om 4/10).

1.2. Die Behörde eines Verbandslandes, der eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung prüfen, sie ist bei der Prüfung allerdings gemäß Art 5 MMA/PMMA auf die in Art 6 quinquies Teil B Z 2 der PVÜ genannten Gründe beschränkt (Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 2 Rz 84 f).

1.3. Im Fall der Versagung des Schutzes einer internationalen Marke durch das österreichische Patentamt hat der Antragsteller dieselben Rechtsmittel, die er hätte, wäre ein Eintragungsantrag im Schutzverweigerungsland gestellt worden, er kann dagegen also auch mit Rekurs nach § 37 MSchG vorgehen (Koppensteiner, Markenrecht 4 , 243 mwH; Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 2 Rz 101).

2. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

2.1. Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it [Rn 15] mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix, oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

2.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at , unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat ; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl EuGH C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

2.3. Die Unterscheidungskraft ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57;4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange , Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).

2.4. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor , Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

2.5. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne Weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt das Publikum muss sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (C 326/01, Universaltelefonbuch, Rn 33 mwN; C 494/08 P, Pranahaus; vgl zuletzt auch 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383 [T1]; RS0117763, RS0066456, RS0066644).

2.6. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz ; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Lini e) .

Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Stellt also ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über die Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i, happykauf mwN; OBm 3/12, Lounge.at ).

Ist die angemeldete Marke mit anderen Worten nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11, Atelier Prive; OBm 2/13, Primera ua; 4 Ob 66/02p, Cornetto ).

2.7. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

2.8. Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache ( Koppensteiner, Markenrecht 4 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line ).

3. Auf dieser Grundlage fehlt dem Zeichen die Unterscheidungskraft.

3.1. Das Patentamt hat als beteiligten Verkehrskreis nur jenen der Konsumenten benannt, nach Auffassung des Rekursgerichts zählen dazu aber alle Interessenten oder Abnehmer für die beantragten Waren und Dienstleistungen, also auch die Fachkreise und nicht nur die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (RIS-Justiz RS0079038).

3.2. Die Antragstellerin stimmt dem Patentamt darin zu, dass die Marke am ehesten als „Zugang zum Unerreichbaren“ verstanden wird (Rekurs, Punkt 2.). Daneben kommt nach Auffassung des Rekursgerichts das mindestens ebenso naheliegende Verständnis als werbender Imperativ als „Erreiche das [sc: bislang] Unerreichbare!“ in Betracht (vgl OLG Wien 34 R 78/14m, BE ORIGINAL; 34 R 55/15f, ISS SIE NICHT EINFACH NUR; 34 R 36/15m, STRESS DICH NICHT ). Gemeinsam ist diesen zwei Deutungsvarianten, dass sie beide die Beziehung zwischen Ware/Dienstleistung und Zeichen gerade nicht nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen (RIS-Justiz RS0066456), was der Rekurs für die erste Deutungsvariante selbst zugesteht, aber den darin liegenden Widerspruch für die Registrierbarkeit ins Treffen führt. Gerade eine derartige Überspitzung ist aber häufig Teil und Ziel von Werbeslogans und damit gerade nicht geeignet, die notwendige Unterscheidungskraft und damit die Eignung als unternehmerischer Herkunftshinweis zu begründen (vgl C 398/08 P, Vorsprung durch Technik, Rn 45; 4 Ob 36/14v, selective/line = RIS-Justiz RS0122385 [T3]). Das Patentamt hat damit übereinstimmend bereits aufgezeigt, dass das Zeichen ohne Weiteres und damit naheliegenderweise als werbemäßige und auf das Erzielen neuer Höchstleistungen abzielende Anpreisung aufgefasst wird, die die Bestimmung und/oder Qualität der im direkten Bezug zum Bergsport stehenden Waren und Dienstleistungen betrifft. Auch für eine, einer gängigen Fremdsprache entnommene, zusammengesetzte Marke ist nach Auffassung des Rekursgerichts bei der im Eintragungsverfahren anzustellenden Prognose der normale Wortsinn und sein nächstliegendes Verständnis im Inland maßgeblich (s insoweit RIS-Justiz RS0123978; OLG Wien 34 R 76/15v, allpaint ).

3.3. Von einem relevanten Interpretationsaufwand oder gar einem uneinheitlichen Begriffsverständnis ist angesichts der von der Anmelderin beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Rede. Ob man das Zeichen allenfalls auch anders verstehen könnte, ist für die Frage der Kennzeichnungskraft nicht von Bedeutung, weil das Zeichen nach dem unmittelbaren Verständnis der angesprochenen durchschnittlich aufmerksamen Verkehrskreise nicht als vage oder nennenswert doppeldeutig aufgefasst würde (OLG Wien 34 R 64/14b, Burgers ). Das aufgezeigte, eindeutige und sofort gewonnene Verständnis deutet ungeachtet des darin enthaltenen, allerdings rein werbemäßigen Widerspruchs bloß auf einen beliebigen Anbieter hin (dazu s 4 Ob 36/14v, selective/line; C 311/11 P, Wir machen das Besondere einfach, Rn 34).

In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Beschluss ist daher auch das Rekursgericht der Ansicht, dass dem Zeichen die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehlt.

3.4. Auf das weitere Argument der Rechtsmittelwerberin, dass im Vereinigten Königreich die nationale Schutzzulassung für die internationale Marke letztlich doch erfolgt sei, ist nicht näher einzugehen, weil – wie der Rekurs zutreffend selbst vorträgt – eine präjudizielle Bindung zu verneinen ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID , Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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