34R159/15z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Patentanmeldung A 812/2009 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Technischen Abteilung des Patentamts vom 24.9.2015, 3 A 812/2009 19, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
Die Antragstellerin beantragte unter der Bezeichnung „Frequenz Katalysator“ die Erteilung eines Patents. Gegenstand der Anmeldung waren zuletzt folgende Ansprüche:
1. Vorrichtung (1) zum Ionisieren flüssiger und gasförmiger Kohlenstoffverbindungen (2) (Brennstoffe), insbesondere pflanzlicher und fossiler Energieträger, wobei die Vorrichtung (1) ein Innenrohr (3) mit Einströmöffnung (5) und Ausströmöffnung (6) aufweist sowie ein Außenrohr (4), das zum Innenrohr (3) koaxial angeordnet ist, und wobei zwischen dem Innenrohr (3) und dem Außenrohr (4) angeordnete Magnete (8, 9) vorgesehen sind, die in drei Paaren aus jeweils zwei einander bezüglich der Achse der Ionisationsvorrichtung (1) diametral gegenüberliegenden Magnete (8, 9) angeordnet sind, wobei die Paare der Magnete (8, 9) zueinander versetzt angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Magnetpaar zwei zylindrische Magnete (9) aufweist.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Magnetpaar radial außerhalb derselben Magnetplatten (8) aufweist.
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Magnete (8, 9) zwischen dem Außenrohr (4) und dem Innenrohr (3) durch Kunststoffmagnethalter (7) gehalten sind.
In insgesamt drei Vorbescheiden teilte die Technische Abteilung der Antragstellerin mit, dass die Patentschrift US 5,161,512 A jene Merkmale zeige, die den Oberbegriff des beantragten Anspruchs 1 bildeten, zumal unterschiedliche Anzahlen von Magneten pro Gruppen unter Nennung der Zahl zwei explizit angesprochen seien. Auch sei in dieser Patentschrift die Halterung der Magnetanordnung direkt durch das Außenrohr als Ummantelung aus Kunststoff beschrieben.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt letztlich die Anmeldung aus dem Grund des § 100 Abs 1 PatG zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 in der letztgültigen Fassung aus der Patentschrift US 5,161,512 A bekannt seien. Diese zeige eine Vorrichtung zur magnetischen Behandlung fluider Brennstoffe mit einem Innenrohr mit jeweils einer Ein- und einer Ausströmöffnung und einem koaxial angeordneten Außenrohr, wobei zwischen Innen- und Außenrohr in axialer Folge drei radiale Gruppe von Magneten zueinander versetzt angeordnet seien. Aus dieser Patentschrift ergäbe sich auch die Anordnung von Zweiergruppen von Magneten entlang der Flüssigkeitsleitung. Zudem seien Zylindermagneten durchaus als allgemein bekannt zu bezeichnen und würden – wie aus der Patentschrift US 3,060,339 A ersichtlich – auch in Vorrichtungen der gegenständlichen Art verwendet werden.
Es sei nicht erheblich, ob sich die in der Patentschrift US 3,060,339 A offenbarte Anordnung der Magnete mit der anmeldungsgegenständlichen decke, weil nur motiviert werden solle, dass der Durchschnittsfachperson die Verwendung von Zylindermagneten im vorliegenden Sachgebiet durchaus bewusst sein müsse. Die Verwendung von Zylindermagneten könne daher dem Gegenstand, für den Schutz beantragt werde, nicht ohne Weiteres die Erfindungseigenschaft verleihen. An keiner Stelle der Anmeldungsunterlagen werde ein Zusammenhang zwischen der Geometrie des durch die Vorrichtung erzeugten Magnetfeldes als Folge der Form der eingesetzten Magnete und der erzielten „Kraftstoffaktivierung“ glaubhaft gemacht. Dies wäre umso wichtiger, als der Wirkmechanismus, wie von der Antragstellerin selbst ausgeführt, nicht gänzlich verstanden werde.
Letztlich sei weder Anspruch 1 noch Anspruch 2 erfinderisch, weil sich beide Ansprüche vom nachgewiesenen Stand der Technik nur durch die geometrische Form der verwendeten Magnete unterscheiden, mit welcher aber kein technischer Effekt in Bezug auf die Wirkung der Vorrichtung glaubhaft in Zusammenhang gebracht werden könne. Anspruch 3 (Einsatz von Kunststoffmagnethaltern) sei ebenso naheliegend.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Erteilung des Patents; in eventu wird beantragt, einem der beiden im Rekursvrfahren beantragten Hilfsanträge Folge zu geben und diesbezüglich das Patent zu erteilen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.1 Die Antragstellerin moniert, dass die Patentschrift US 5,161,512 A keine Anordnung von Magnetgruppen in einer Ebene senkrecht zum Fluidstrom offenbare, die nur aus zwei einander gegenüberliegenden Magneten bestünden. In sämtlichen Zeichnungen dieser Patentschrift sowie in der Beschreibung seien drei Magnetplatten in einer Magnetgruppe gezeigt oder besprochen. Zwar treffe es zu, dass an einer einzigen Stelle der Beschreibung die Anzahl „zwei“ genannt werde, jedoch könne der Fachmann daraus keine sinnvolle technische Lehre herauslesen. Durch den Ausdruck „two or more“ werde eine beliebige Anzahl von Magneten angedeutet, die auf Radiallinien angeordnet seien, während weder für die Anzahl zwei, vier oder höher ein Vorteil oder Nachteil erwähnt werde. Der Fachmann werde durch die gesamte Schrift nur über die Dreiergruppe unterrichtet und lese die Bereichsangabe „two or more“ nicht als Motivation, aus einer anderen Magnetzahl einen Mehrwert zu gewinnen.
Selbst bei Ersetzen der Magnetplatten dieser Patentschrift durch den Magnetzylinder der Patentschrift US 3,060,339 A – etwas, das der Fachmann nicht tun würde – gelänge man nicht zum erfindungsgemäßen Gegenstand. Die drei Magnetgruppen der Patentschrift US 5,161,512 A seien jeweils 40° zueinander verdreht. Bei den Langmagneten des Klagspatents liege eine Verdrehung um 60° vor. Dies entspreche nicht den Werten der Erfindung, bei welcher zudem die Winkel zwischen erstem und zweitem Paar sowie zwischen zweitem und drittem Paar sogar unterschiedlich seien.
Zudem sei der zylindrische Magnet der Patentschrift US 3,060,339 A ein integraler Bestandteil eines besonderen Magnetpaares aus Magnetstab und Magnetring. Einer dieser beiden Magnetkörper für sich genommen habe keine für den Fachmann erkennbare Funktion. Zudem unterschieden sich die Magnetfeldertypen der vorgehaltenen Patentschriften grundsätzlich. Daher werde der Fachmann auch nicht einzelne Magnetteile von einer Lehre mit jenen der anderen Lehren kombinieren.
Ein technischer Effekt der erfindungsgemäßen Magnetanordnung werde in der Anmeldung ausreichend umfangreich und für den vorliegenden Zusammenhang ausreichend präzise genannt. Es habe sich gezeigt, dass man erst abweichend von Routinetests und der intuitiven Annahmen (wonach die Aktivierung umso stärker ausfalle, je intensiver das Magnetpaar sei) zu verbesserten Wirkungsgraden gelange. Das habe sich bei der Verwendung von zylindrischen Magneten herausgestellt.
1.2 Hilfsweise werden folgende zwei Hilfsanträge gestellt:
Hilfsantrag 1 :
1. Vorrichtung (1) zum Ionisieren flüssiger und gasförmiger Kohlenstoffverbindungen (2) (Brennstoffe), insbesondere pflanzliche und fossiler Energieträger, wobei die Vorrichtung (1) ein Innenrohr (3) mit einer Längsachse sowie einer Einströmöffnung (5) und eine Ausströmöffnung (6) aufweist sowie ein Außenrohr (4), das zum Innenrohr (3) koaxial angeordnet ist, und wobei zwischen dem Innenrohr (3) und dem Außenrohr (4) angeordnete Magnete (8, 9) vorgesehen sind, die in drei Paaren aus jeweils zwei einander bezüglich der Achse der Ionisationsvorrichtung (1) diametral gegenüberliegenden Magneten (8, 9) angeordnet sind, wobei die Paare der Magnete (8, 9) zueinander versetzt angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Magnetpaar zwei zylindrische Magnete (9) aufweist, wobei jeder zylindrische Magnet (9) eine Rotationsachse aufweist, und wobei die Rotationsachse der zylindrischen Magnete (9) orthogonal auf der Längsachse des Innenrohrs (3) stehen.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass ihr zylindrischer Magnet (9) radial außerhalb einer Magnetplatte (8) aufweist, welche auf dem jeweiligen zylindrischen Magnet (8) aufliegt und deren Breite (16) und Länge (17) jeweils größer bemessen sind als der Durchmesser der zylindrischen Magnete (9).
Hilfsantrag 2 :
1. Vorrichtung (1) zum Ionisieren flüssiger und gasförmiger Kohlenstoffverbindungen (2) (Brennstoffe), insbesondere pflanzlicher und fossiler Energieträger, wobei die Vorrichtung (1) ein Innenrohr (3) mit einer Längsachse sowie eine Einströmöffnung (5) und eine Ausströmöffnung (6) aufweist sowie ein Außenrohr (4), das zum Innenrohr (3) koaxial angeordnet ist, und wobei zwischen dem Innenrohr (3) und dem Außenrohr (4) angeordnete Magnete (8, 9) vorgesehen sind, die in drei Paaren aus jeweils zwei einander bezüglich der Achse der Ionisationsvorrichtung (1) diametral gegenüberliegenden Magneten (8, 9) angeordnet sind, wobei die Paare der Magnete (8, 9) zueinander versetzt angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Magnetpaar zwei zylindrische Magnete (9) aufweist, wobei jeder zylindrische Magnet (9) eine Rotationsachse aufweist, und wobei die Rotationsachsen der zylindrischen Magnete (9) orthogonal auf der Längsachse des Innenrohrs (3) stehen, und wobei jeder zylindrische Magnet (9) radial außerhalb eine Magnetplatte (8) aufweist, welche auf den jeweiligen zylindrischen Magnet (8) aufliegt und deren Breite (16) und Länge (17) jeweils größer bemessen sind als der Durchmesser der zylindrischen Magnete (9).
Der Gegenstand der neu formierten Ansprüche liege nicht nahe, weil weder aus der Patentschrift US 5,161,512 A noch aus einer Kombination der Patentschriften US 5,161,512 A und US 3,060,339 A ein Aktivator dieser geometrischen Auslegung als vorteilhaft hervorgehe. Nur aus einer ex post-Betrachtung könnte man dem Fachmann zumuten, mittels experimenteller Änderungen an den Magneten über mehrere Schritte hinweg von der Magnetgeometrie der Patentschrift US 5,161,512 A bis zu den erfindungsgemäßen stehenden Magnetzylindern mit außen angeordneten größeren Magnetplatten zu gelangen.
2. Vorausgeschickt werden kann, dass die von der Antragstellerin behauptete Neuheit und erfinderische Tätigkeit, die sie sowohl in der letztmaligen Fassung der Patentanmeldungsschrift als auch in den beiden Hilfsanträgen in der offenbarten Anordnung der Zylindermagnete sieht, nicht nachvollzogen werden kann. Das Rekursgericht hält die Begründung des Patentamts in der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen für zutreffend, sodass vorweg auf sie verwiesen werden kann (§ 139 Einleitungssatz PatG iVm § 60 Abs 2 AußStrG).
2.1 Nach § 3 Abs 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Den Stand der Technik bildet dabei alles, was der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Notorisch ist, dass eine Patentschrift in der Regel verschiedenste Ausführungsformen einer Erfindung beschreibt, von denen nur manche neu und erfinderisch gegenüber dem im Prüfverfahren ermittelten Stand der Technik sind (vgl 4 Ob 17/15a).
2.2. Eine Erfindung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Einer Neuentwicklung fehlt aber nicht schon dann die erfinderische Tätigkeit, wenn der Fachmann aufgrund des Stands der Technik zu ihr gelangen hätte können, sondern erst, wenn er sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte ( Kinkeldey/Karamanli in Benkard, EPÜ 2 Art 56 Rz 72; Kroher in Stauder/Luginbühl, EPÜ6 Art 56 Rz 54 ff; 17 Ob 24/09t; zuletzt Op 3/12) – could-would-approach.
2.3. Zum (mit § 1 Abs 1 PatG sinngleichen) Art 56 EPÜ (Wiltschek, Patentrecht 3 § 1 PatG Anm 4) sprach der OGH im Wesentlichen dasselbe aus, nämlich dass eine erfinderische Tätigkeit dann nicht vorliegt, wenn auch der („Durchschnitts“ )Fachmann sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (zuletzt 4 Ob 17/15a, 17 Ob 13/09z ua). Allein dass eine Ex-post -Betrachtung ergibt, dass der („Durchschnitts“ )Fachmann dies gekonnt hätte, würde die erfinderische Tätigkeit noch nicht ausschließen.
2.4. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was der Stand der Technik lehrt und wie Vorveröffentlichungen zu verstehen sind, ist der Durchschnittsfachmann, eine Kunstfigur und damit letztlich nur ein Werkzeug des Gerichts, das dazu dient, einen unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen (Haedicke, Patentrecht 2 68). Der Fachmann besitzt durchschnittliche Fachkenntnisse, kennt aber den gesamten Stand der Technik seines Fachgebiets.
2.5. Die Prüfung kann insbesondere nach dem vom Europäischen Patentamt herangezogenen Aufgabe-Lösungs-Ansatz erfolgen (vgl OPM Op 1/12; Op 3/12 jeweils mwN). Dazu ist zuerst der „nächstliegende Stand der Technik“ zu ermitteln, dann die „zu lösende objektive technische Aufgabe“ zu bestimmen und schließlich zu prüfen, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven Aufgabenstellung für den Durchschnittsfachmann naheliegend gewesen wäre.
3.1. Für Patente bestehen seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln (RIS-Justiz RS0118278; RS0030757 [T10]): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen (vgl RIS-Justiz RS0071072; RS0105345; 17 Ob 35/09k ua). Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 EPÜ sinngemäß anzuwenden.
3.2. Schon weil § 87a Abs 1 PatG und Art 83 EPÜ inhaltlich übereinstimmen, ist das innerstaatliche Patentrecht harmonisierungsfreundlich in der Frage auszulegen, unter welchen Umständen ein in einer Patentschrift offenbartes Erzeugnis geeignet ist, als Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt zu gelten.
Abzustellen ist danach darauf, ob der Durchschnittsfachmann auf Grund der in der Anmeldung enthaltenen Informationen in die Lage versetzt wird, unter Inanspruchnahme des von ihm zu erwartenden Informations- und Wissensstands und des allgemeinen Fachwissens und mit Hilfe der vom Anmelder/von der Anmelderin aufgezeigten Ausführungswege die Lehre zum technischen Handeln zuverlässig, wiederholbar und ohne Umwege in die Praxis umzusetzen, ohne dabei einen unzumutbaren Aufwand treiben und eine unangemessene Zahl anfänglicher Fehlschläge hinnehmen zu müssen (RIS-Justiz RS0119499 = 4 Ob 214/04f mwN).
Auch wenn einzelne Elemente des Inhalts der Erfindung bereits vorher bekannt waren, so bedeutet dies noch nicht von vornherein, dass die Erfindung selbst nicht mehr als neu im Sinn des PatG angesehen werden könnte. Eine Erfindung kann auch darin bestehen, dass bereits bekannte Einrichtungen durch eine besondere Art ihrer Verwendung oder durch die Verbindung mit noch unbekannten Einrichtungen dazu verwendet werden, ein technisches Problem zu lösen (RIS-Justiz RS0071157).
Ob eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist grundsätzlich eine Rechtsfrage (17 Ob 24/09t; 17 Ob 13/09z). Da sich die Erfindungshöhe am Stand der Technik, also am Fachwissen orientiert, über das der „Durchschnittsfachmann“ auf dem betreffenden Gebiet verfügt, ist die Beurteilung, ob sich die Neuentwicklung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, in erster Linie von einer Tatfrage abhängig (RIS-Justiz RS0071399).
3.3. „Gegenstand der Erfindung“ iSd § 22 Abs 1 PatG ist der in den Patentansprüchen definierte Lösungsgedanke im Zusammenhang mit der durch ihn gelösten Aufgabe; er bestimmt das Wesen und den Umfang des dem Patentinhaber gewährten Schutzes (RIS-Justiz RS0071537). Es kommt nicht darauf an, was erfunden wurde, sondern allein darauf, wofür der Schutz in Anspruch genommen und gewährt wurde (RIS-Justiz RS0071338). Für die Feststellungen des Inhalts des Patentanspruchs ist maßgeblich, wie der durch die Beschreibung und die Zeichnungen erläuterte Wortlaut des erteilten Patents auszulegen ist. Ob die Erteilungsakten für einen engeren Umfang sprechen, ist nicht maßgebend (17 Ob 35/09k; 4 Ob 214/12t, Lochski ).
3.4 Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung vorweggenommen ist, erfordert zudem noch die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann klar und eindeutig ( Weiser, Patentgesetz/Gebrauchsmustergesetz 110 mwN zur Rsp des Patentamts) offenbart wird (4 Ob 215/04f; OPM Op 3/11). Die Neuheitsschädlichkeit einer Offenbarung ist somit daran zu messen, was sie dem sie lesenden Durchschnittsfachmann vermittelt, ohne von ihm schwierige Deduktionen oder gar schöpferische Gedankengänge zu verlangen, jedoch unter voller Anwendung des von ihm im Prioritätszeitpunkt zu erwartenden Informations- und Wissensstandes und des allgemeinen Fachwissens (OPM Op 5/05). Der Fachwelt muss ein Weg gewiesen werden, wie sie planmäßig ohne unzumutbare Schwierigkeiten den angestrebten Erfolg erzielt (4 Ob 215/04f mwN).
4. Vor diesem Hintergrund ist daher in Bezug auf die bekämpfte Entscheidung maßgebend, ob sich aus den der Antragstellerin vorgehaltenen Vorveröffentlichungen (allenfalls aus den darin enthaltenen technischen Zeichnungen) für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt die technische Lehre der nun einzutragenden Erfindung in naheliegender Weise ergibt.
4.1 Der Anspruch 1 fordert, beschränkt auf die tatsächlich vorhandenen Elemente, ein Innenrohr (3), koaxial dazu ein Außenrohr (4) und dazwischen drei Paare von jeweils zwei einander gegenüberliegenden Magneten (8, 9), wobei die (in Achsenrichtung hintereinanderliegenden) Paare zueinander (in Umfangsrichtung gesehen) versetzt angeordnet sind. Dazu hat die Antragstellerin in der Anmeldung folgende Zeichnungen abgebildet (bezeichnet als Figur 1):
Die Patentschrift US 5,161,512 A (entspricht dem Europäische Patent EP 0 613 399), die die Technischen Abteilung als hauptsächliche Literatur dem Anmeldungspatent (als vorveröffentlich) entgegenhält, zeigt in ihren Figuren ein Innenrohr sowie ein dazu koaxiales Außenrohr (zB Figur 2) und Magnete, die radial angeordnet sind und entlang der Rohrachse einen versetzten Winkel aufweisen (vgl Figur 2 und 4):
In der Beschreibung wird angeführt: „Erfingungsgemäß sind entgegengesetzte magnetische Pole der jeweiligen Magneten mit radialen Linien ausgerichtet, die entlang der Länge der Leitung in verschiedenen Winkeln um die Mittelachse stehen. Die radialen Linien durch die entgegengesetzten magnetischen Pole sind in einer Anzahl von zwei oder mehr innerhalb jeweiliger Querebenen gruppiert, die sich an verschiedenen Punkten entlang der Länge der Leitung normal zur Mittelachse erstrecken. Innerhalb jeder der Querebenen sind die radialen Linien im Abstand in gleichmäßigen Winkelintervallen um die Mittelachse angeordnet. Jedoch sind die im gleichen Winkel beanstandeten magnetischen Pole in den jeweiligen Querebenen bezogen aufeinander entlang der Länge der Leitung im Winkel versetzt angeordnet.“
Dadurch, dass diese Vorveröffentlichung bereits von einer Anzahl von „zwei oder mehreren“ Magneten spricht und somit auch die drei Paare aus jeweils einander […] gegenüberliegenden Magneten laut Anspruch 1 mitumfasst, ist der Anspruch 1 des Klagspatents neuheitsschädlich vorweggenommen.
4.2 Der (abhängige) Anspruch 2 fordert, dass jedes Magnetpaar zwei Rundmagnete (9) und radial außerhalb derselben Magnetplatten (8) aufweist. Dies ist in Figur 1 dargestellt, wobei die Schraffur durchgehend ausgebildet ist, jedoch eine Erläuterung oder ein damit erzielter Effekt (Vorteil/Wirkung) für diese Maßnahme nirgendwo beschrieben ist. Ein solcher ergibt sich auch nicht implizit aus der Anmeldungsoffenbarung (vgl OPM Op 5/05; vgl 4 Ob 17/15a).
Die Verwendung gestückelter Magnete ist nicht erfinderisch, sondern eine Frage der Herstellungskosten und eine rein handwerkliche Entscheidung. Somit kann weder Anspruch 1 noch Anspruch 2 als erfinderisch angesehen werden. Beide Ansprüche unterscheiden sich vom nachgewiesenen Stand der Technik nur durch die geometrische Form der verwendeten Magnete, mit welcher aber kein technischer Effekt in Bezug auf die Wirkung der Vorrichtung in Zusammenhang gebracht werden kann.
4.3 Der (abhängige) Anspruch 3 fordert, dass die Magnete zwischen dem Außen- und dem Innenrohr durch Kunststoffmagnethalter gehalten werden. Diese sind in der Figur 1 durch das Bezugszeichen 7, das in den Innenraum zwischen den beiden Rohren weist, undeutlich angegeben. Ein Blick auf die obige Figur 2 zeigt, dass auch hier die Magnete 26, 28, 30 durch eine spezielle Ausformung des Außenrohrs fixiert sind. Das Material dieser Ausformung (in der deutschen Übersetzung „Gehäuse 22“ genannt) wird als Polypropylen oder anderes formbares dielektrisches Material beschrieben (vgl Seiten 5 und 6 der Patentschrift EP 0 613 399 = Patentschrift US 5,161,512 A). Ob dies nun einteilig – wie im Vorhalt – oder zweiteilig, wie beim Anmeldungspatent, geschieht, ist ohne (technische) Relevanz, sodass auch der Anspruch 3 mangels Neuheit nicht gewährbar ist.
4.4 Zusammenfassend sind die angemeldeten Ansprüche der Antragstellerin nicht neu und daher in ihrer Gesamtheit nicht patentierbar. Der Rekurs ist insoweit in seinem Hauptantrag nicht berechtigt.
5. Die Antragstellerin hat in ihrem Rekurs zwei Hilfsanträge gestellt, die grundsätzlich nach §§ 100 Abs 1 iVm 139 Z 3 PatG zulässig sind (vgl zur Auslegung der Reichweite des Neuerungsverbots im Einspruchsverfahren: OLG Wien 34 R 16/15w mwN; RIS-Justiz RW0000836). Es spricht nichts dagegen, dass der Grundsatz der Geltungserhaltung auch im Anmeldungsverfahren Vorrang hat. Zur Abgrenzung gegenüber ausufernden Hilfsanträgen ist für ihre Zulässigkeit aber (ebenso) zu verlangen, dass sie sich zum Einen an den Grundsätzen des § 100 Abs 1 PatG orientieren und zum Anderen im Rekursverfahren auf Basis des in erster Instanz ermittelnden Sachverhalts abschließend beurteilen lassen.
Beides ist bei den Hilfsanträgen der Antragstellerin aber nicht der Fall, weil mit ihnen die ursprüngliche Offenbarung jeweils überschritten wird.
5.1 Inhaltlich ist auszuführen: In der gesamten Beschreibung ist von keiner Längsachse des Fluidrohres die Rede; nur in der Figur 1 ist eine strichpunktierte Linie abgebildet, die man dahingehend interpretieren könnte. Weiters wird im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 eine Rotationsachse der zylindrischen Magnete eingeführt, zu der es keine Offenbarung in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gibt. Dort sind ausschließlich „Rundmagnete“ genannt, wobei auch die völlig schematische Darstellung solcher Rundmagnete in Übergröße keinen (technischen) Informationsgehalt hat.
Das letzte Teilmerkmal des Anspruches 1, die Orthogonalität der so definierten Achsen, lässt sich wiederum bestenfalls aus der Zeichnung entnehmen, explizit wird sie nicht beschrieben. Dies ändert aber nichts daran, dass all dies aus der Patentschrift US 5,161,512 A bekannt ist: Dort sind sogar die Achsen eingezeichnet (Bezugszeichen 24 = Zentralachse); die radialen Linien (somit orthogonal stehend) sind ebenfalls im Anspruch 1 in ihrer Vielzahl angeführt und in der Zeichnung ersichtlich.
Der Anspruch 2 des Hilfsantrags 1 nimmt als zusätzliches Merkmal noch auf, dass die außen angeordneten Magnetplatten am zylindrischen Magnet aufliegen und dass sie, in Achsenrichtung gesehen, über die zylindrischen Magneten ragen. In Figur 1 ist dies in der linken Darstellung betreffend die Längsrichtung auch gezeigt, die rechte Darstellung aber – der Schnitt quer zur Rohrachse – bildet ab, dass die Platten (8) genauso breit sind wie der Durchmesser der Magneten (9).
So wie schon beim Hauptantrag ist auch hier kein erfindungsgemäßer Effekt angegeben und/oder ein solcher ergibt sich auch nicht implizit daraus.
Wiederholend muss festgehalten werden, dass das Ausbilden eines Magnets in Form von mehreren Teilmagneten keine erfinderische Tätigkeit ist, die einem Patentschutz zugänglich wäre, wobei der Hilfantrag 1 die ursprüngliche Offenbarung ohnedies überschreitet.
5.2 Der zweite Hilfsantrag verbindet die Ansprüche 1 und 2, wobei auch hier nichts Erfinderisches zu erkennen ist, wenn auch die Teilung und die Umgestaltung der Magnete in Summe deutlich mehr „Wirkung“ enthält als im Hauptantrag und/oder im Hilfsantrag 1. Allerdings ist auch hier die Offenbarung unzulässig erweitert, weil das Maß der Plattenmagnete bisher nicht in den ursprünglichen Unterlagen beschrieben ist.
6. Da im Rahmen der Gesetzmäßigkeitsprüfung zu beurteilen ist, ob die Anmeldung den gesetzlichen Anforderungen entspricht ( Wiltschek, Patentrecht 3 § 99 Anm 3) und dies nach den Ergebnissen in Bezug auf den Hauptantrag und die beiden Hilfsanträge nicht der Fall ist, bedarf die Entscheidung des Patentamts keiner Korrektur.
7. Da die Entscheidung keine bisher von der Rechtssprechung unbeantworteten Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufweist und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig. In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Patentrechts im Wirtschaftsleben gegeben.