JudikaturOLG Wien

34R156/15h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Wortmarke JUSTFAB (IR 1223410) über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.9.2015, IR 900/2014 19, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Inhaberin der internationalen Wortmarke IR 1223410 mit der Priorität vom 4.7.2014 (M 3518287, Basisanmeldung Spanien):

JUSTFAB ,

eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der Klassen

Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt den Schutz in Österreich zur Gänze. Die beteiligten Verkehrskreise würden in der beantragten Wortmarke nur eine werbliche Angabe erblicken, dass die Waren und Dienstleistungen „großartig“/„wunderbar“ („just fabulous“) seien. Das Zeichen besitze keine Unterscheidungskraft.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Beantragt wird, den Beschluss des Patentamts abzuändern und dem Zeichen für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 18, 25 und 35 auch in Österreich den Schutz zu gewähren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1 Rechtsfolge der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf vorgenommenen Registrierung einer internationalen Marke ist grundsätzlich, dass sie in jedem Vertragsstaat (auf den sich der Schutz erstreckt, vgl Art 3 bis Abs 1 MMA und Art 3 ter PMMA) so geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar hinterlegt (eingetragen) worden wäre (Art 4 Abs 1 S 1 MMA, Art 4 Abs 1 lit a S 1 PMMA; Koppensteiner, Markenrecht 4 243; 4 Ob 128/03g; OPM Om 4/10).

1.2 Die Behörde eines Verbandslands, der vom WIPO eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung nach Art 5 MMA und Art 5 PMMA prüfen ( Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 2 Rz 84 f).

1.3 Im Fall der Versagung des Schutzes einer internationalen Marke durch das österreichische Patentamt hat der Antragsteller dieselben Rechtsmittel, die er hätte, wäre ein Eintragungsantrag im Schutzverweigerungsland gestellt worden. Er kann dagegen also auch mit Rekurs nach § 37 MSchG vorgehen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 , 243 mwH; Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 2 Rz 101).

2.1 Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it [Rn 15] mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix, oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, Oxi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange [Rn 58 und 59]; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

2.2 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 67 mwN der Rsp; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5; vgl zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).

2.3 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 171 ff). Unterscheidungskraft fehlt bei einer Wortmarke aber jedenfalls dann, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft (C 304/06p, Eurohypo [Rz 69]); eine beschreibende Marke im Sinne von § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG (C 363/99, Postkantoor [Rz 86]). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; vgl 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

2.4 Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen (vgl Koppensteiner, Markenrecht 4 71 mwN; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 Rz 175 ff; RIS-Justiz RS0109431; C 326/01, Universaltelefonbuch mwN; C 494/08p, Pranahaus; vgl zuletzt 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383). Trifft das zu, kann auch Wortneubildungen die Unterscheidungskraft fehlen (4 Ob 38/06a, Shopping City; 4 Ob 28/06f, Firekiller; Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 8 Rz 120 mwN; RIS-Justiz RS0117763, RS0066456, RS0066644).

Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3], RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Linie ). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

Eine beschreibende Angabe liegt auch dann nicht vor, wenn ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff herstellt, ohne etwas Bestimmtes über die Herstellung oder die Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen (17 Ob 33/08i, happykauf mwN; OBm 3/12, Lounge.at ). Ist somit die angemeldete Marke nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11, Atelier prive; OBm 2/13, Primera ua).

2.5 Eine Marke, die dieser Definition entsprechend Zeichen oder Angaben enthält, kann außerdem nur dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn sie nicht noch weitere Zeichen oder Angaben enthält und wenn ferner die in ihr enthaltenen ausschließlich beschreibenden Zeichen oder Angaben nicht in einer Weise wiedergegeben oder angeordnet sind, die das Gesamtzeichen von der üblichen Art und Weise unterscheidet, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder ihre wesentlichen Merkmale zu bezeichnen (vgl C 383/99, Baby-Dry; 17 Ob 4/08z; Om 10/09, Obm 4/12).

2.6 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

2.7 Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache (Koppensteiner, Markenrecht 4 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line ).

3. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft abzusprechen. Das Rekursgericht hält die bekämpfte Begründung der angefochtenen Entscheidung für zutreffend, sodass vorweg auf sie verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MschG und § 60 Abs 2 AußStrG).

3.1 Die Antragstellerin führt an, dass die österreichischen Verkehrskreise das Zeichen nicht in seine (Wort )Bestandteile zerlegen, sondern es als einheitliches Wort auffassen, das ohne Gedankenoperation nicht verstanden werde und zu interpretieren sei. Erst durch ein Nachdenken werde das Zeichen in die Worte „Just“ und „Fabulous“ zerlegt, wobei diese Wörter mehrere Bedeutungen haben können. Die Wörter seien keinesfalls geeignet, die Waren und Dienstleistungen, für die Schutz begehrt werde, konkret oder umfassend zu beschreiben.

3.2 Dieser Argumentation folgt das Rekursgericht nicht: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise den Wortsinn der Wortbestandteile „Just“ und „Fabulous“ zweifelsfrei kennen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass insbesondere auch bei englischen Wörtern ein gewisser Trend zu Abkürzungen, insbesondere bedingt durch die Kommunikation in E-Mails, WhatsApp oder anderen Plattformen gegeben ist. Das Zeichen wird daher entsprechend den Wortbestandteilen „Just“ und „Fabulous“ zergliedert und über den beschreibenden/werbenden/anpreisenden Charakter erfasst. Von einem relevanten Interpretationsaufwand oder gar einem uneinheitlichen Begriffsverständnis ist angesichts der von der Anmelderin beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Rede.

In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Beschluss ist daher auch das Rekursgericht der Ansicht, dass das Zeichen keine Unterscheidungskraft gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MschG hat (siehe dazu auch aus jüngerer Zeit wiederum 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

[Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs am 24.5.2016 zurück; 4 Ob 107/16p.]

Rückverweise