34R138/15m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Technischen Abteilung des Patentamts vom 17.7.2015, SZ 57/2013 6, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Vorlageantrag nach Art 267 AEUV wird zurückgewiesen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
Die Antragstellerin beantragte am 31.10.2013 die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats (ESZ) für das Erzeugnis „ Nepafenac “ auf Basis des Grundpatents zu Patentnummer E 250 923 (EP 0 999 825 B1) mit dem Titel „laut Patentregister“ (Galaktomannanpolymere und Borat enthaltende Augenarzneimittel).
Nicht die Zulassung EU/1/07/433/001, sondern die Zulassung EU/1/07/433/002 (Beschluss der Kommission K(2013)2743 vom 3.5.2013) sei die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses. Das sei auch der Tag der erstmaligen Marktzulassung des neuen Arzneimittels. Sowohl die Konzentration von 3 mg/ml Nepafenac als auch die sonstigen Bestandteile seien anders als beim früheren Erzeugnis. Hinzu komme als wesentlichster Unterschied die neue therapeutische Verwendung des Erzeugnisses. Durch ein und dasselbe Grundpatent könnten mehrere Erzeugnisses iSv Art 3 lit a der Verordnung (EG) Nr 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (CELEX 32009R0469) – nachfolgend ESZ VO – geschützt werden. Der EuGH habe in der Entscheidung C 443/12 die funktionelle Angabe „Diuretikum“ akzeptiert, woraus folge, dass auch die funktionelle Angabe „antiinflammtorische Mittel“ in Anspruch 9 des Grundpatents nach Art 3 lit a ESZ VO akzeptabel sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt die ESZ-Anmeldung aus dem Grund des § 2 Abs 2 SchZG 1996 zurück. Unter Berücksichtigung des Erfindungswesentlichen eines Grundpatents könne es in einem Fall ausreichen, dass eine funktionelle Kennzeichnung eines Wirkstoffs es erlaube, ein Erzeugnis als umfasst anzusehen. In einem anderen Fall könne dies anders gesehen werden, wenn eine funktionelle Kennzeichnung eines nicht erfindungswesentlichen Wirkstoffs einer Wirkstoffgruppe betroffen sei. Die Angabe einer Funktion einer Wirkstoffgruppe wie „antiinflammatorische Mittel“ lasse keinen Schluss auf spezifische Wirkstoffe zu. Es gebe drei verschiedene Untergruppen von Entzündungshemmern, denen ihrerseits wieder unzählige Einzelwirkstoffe zuzuordnen seien, ohne dass diese eine gemeinsame Struktur aufweisen würden. Zudem beanspruche das Grundpatent nicht „antiinflammatorische Mittel“ als solche, sondern geschützt sei ein weiterer Wirkstoff in Kombination mit dem Erfindungswesentlichen, wobei der weitere Wirkstoff als solcher durch das Patent nicht geschützt sei. Die funktionelle Angabe in Anspruch 9, dass „antiinflammatorische Mittel“ in der Formulierung enthalten sein könnten, reiche nicht aus, um den Wirkstoff Nepafenac als vom Grundpatent umfasst anzusehen. Die Anmeldung sei daher nach Art 10 Abs 2 ESZ VO iVm § 2 Abs 2 SchZG zurückzuweisen, weil Art 3a ESZ VO nicht erfüllt sei, wonach das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt sein müsse.
Hinzu komme, dass als erste Genehmigung EU/1/07/433/001 vom 11.12.2007 anzusehen sei. Die Anmeldung sei daher auch nach Art 10 Abs 2 ESZ VO iVm § 2 Abs 2 SchZG zurückzuweisen, weil die Anforderungen nach Art 3 lit b iSd Art 3 lit d ESZ VO nicht erfüllt seien.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das ESZ zu erteilen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Sie moniert zusammengefasst, die funktionelle Kennzeichnung „antiinflammatorisch“ in Anspruch 9 entspreche dem „Medeva -Erfordernis“ (C 322/10), wonach ein Wirkstoff in den Ansprüchen des Grundpatents genannt sein müsse. Zudem sei die Änderungsgenehmigung vom 3.5.2013 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art 3 lit b und lit d ESZ VO.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Entgegen der Anfechtungserklärung führt die Antragstellerin den Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht näher aus; auf ihn ist daher nicht weiter einzugehen.
2. Nach § 1 SchZG 1996 werden ESZ, die in Österreich geltende Patente ergänzen, vom österreichischen Patentamt nach Maßgabe von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft über die Schaffung von ESZ erteilt. Die hier maßgebliche Verordnung ist die bereits zitierte ESZ VO. Nach ihren Erwägungsgründen soll durch die Erteilung eines ESZ berücksichtigt werden, dass der tatsächliche Patentschutz für ein neues Arzneimittel durch den Zeitablauf zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung und der Genehmigung für das Inverkehrbringen so verringert wird, dass er für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investition unzureichend ist (Erwägungsgrund 4). Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes sollte einen ausreichenden tatsächlichen Schutz bewirken. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikates ist, insgesamt höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung des Inverkehrbringens eingeräumt werden (Erwägungsgrund 9; RIS-Justiz RS0120903).
3. Das Grundpatent betrifft eine Augentropfensuspension, die auf Grund ihrer speziellen Kombination von Hilfsstoffen (stärkeähnliche Substanzen und Verbindungen des chemischen Elements Bor) beim Eintropfen ins Auge ein Gel bildet und daher gut verträglich ist. Die Suspension kann zusätzlich einen oder mehrere pharmazeutische Wirkstoffe zur Behandlung oder Vorbeugung verschiedener Erkrankungen des Auges enthalten.
3.1. Das Patent enthält 30 Ansprüche; die davon für das Rekursverfahren relevanten Ansprüche lauten:
1. Eine topische ophthalmische flüssige Zusammensetzung, die ein oder mehrere Galactomannan(e) und eine oder mehrere Boratverbindung(en) enthält, mit einem leicht sauren bis neutralen pH-Wert, und wobei das Galactomannan und die Boratverbindung in der Zusammensetzung in einer Konzentration enthalten sind, welche bewirken dass beim Einträufeln in ein Auge und bei Erhöhung des pH-Wertes und der Ionenstärke ein klares Gel oder ein klares partielles Gel gebildet wird.
8. Eine Zusammensetzung nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 7, die ferner ein oder mehrere pharmazeutisch wirksame(s) Mittel enthält.
9. Eine Zusammensetzung nach Anspruch 8, wobei das/die pharmazeutisch wirksame(n) Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe, bestehend aus: antihypertensiven, antiglaukomatösen, neuroprotektiven, antiallergischen, Schleim-Sekretagog-, angiostatischen, antimikrobiellen, schmerzstillenden und antiinflammatorischen Mitteln.
10. Eine Zusammensetzung nach Anspruch 9, wobei das pharmazeutisch wirksame Mittel ausgewählt ist aus der Gruppe, bestehend aus: Betaxolol, Timolol, Pilocarpin, Carboanhydraseinhibitoren, Prostaglandinen; Apraclonidin; Ciprofloxacin, Tobramycin; Naproxen, Diclofenac, Suprofen, Ketorolac, Tetrahydrocortisol, Dexamethason; Proteinen und Wachstumsfaktoren.
3.2. Die von der Antragstellerin zuerst vorgelegte Änderung der Genehmigung vom 3.5.2013 (K[2013]2743) betrifft das Arzneimittel Nevanac 3 mg/ml Augentropfensuspension mit dem Wirkstoff Nepafenac . Die im Verfahren später nachgereichte, jedoch ältere Genehmigung vom 11.12.2007 (K[2007]6413) betrifft das Arzneimittel Nevanac 1 mg/ml Augentropfensuspension und enthält ebenfalls den Wirkstoff Nepafenac.
4. Die Anforderung für die Erteilung eines ESZ, „dass das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“ (Art 3 ESZ VO iVm § 1 SchZG), erfordert zwingend die Betrachtung des Schutzbereichs und damit seine Festlegung unter Beachtung der durch das PatG vorgegebenen Regelungen (OBp 1/08). Wie bereits von der Antragstellerin akzentuiert und dementsprechend auch von der Technischen Abteilung aufgegriffen wurde, ist zunächst zu klären, ob das Grundpatent das Erzeugnis „Nepafenac“ (mit der funktionellen Kennzeichnung „antiinflammatorisches Mittel“) iSv Art 3 lit a ESZ VO schützt.
4.1. Für Patente bestehen seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln (RIS-Justiz RS0118278; RS0030757 [T10]), die auch für ESZ heranzuziehen sind (vgl ausdrücklich OBp 1/08): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung ist jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
4.2. Zu dieser Frage verwies die Antragstellerin bereits im Verfahren vor der Technischen Abteilung (s ON 3 und 6) sowie im Rekurs auf drei Entscheidungen des EuGH, nämlich C 322/10, Medeva BV; C 443/12, Actavis I; C 493/12, Eli Lilly and Company. Sie meint, dass allein das mit der Änderung der Genehmigung zugelassene Erzeugnis Nepafenac 3 mg/ml unter das Grundpatent falle, da nur dieses Arzneimittel Galactomannane und Boratverbindungen enthalte, was Anspruch 1 des Grundpatents fordere.
4.3. Das „Erzeugnis“ ist gemäß Art 1 lit b ESZ VO der Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels, hier also Nepafenac. Galactomannane (Guar) und Boratverbindungen (Borsäure) sind im Arzneimittel jedoch nicht als Wirkstoffe enthalten, sondern (nur) als „sonstige Bestandteile“ (Anhang I zum Antrag ON 1; Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, S 18). Beide können daher nicht als „Erzeugnis“ qualifiziert werden.
4.4. Ein ESZ wird gemäß Art 2 ESZ VO jedoch nur für „Erzeugnisse“, also Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen eines Arzneimittels erteilt. Auch der durch das Zertifikat gewährte Schutz erstreckt sich gemäß Art 4 leg cit allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels erfasst wird, wie bereits die Technische Abteilung zutreffend vertreten hat. Es ist daher unabhängig von den sonstigen im Arzneimittel enthaltenen Bestandteilen, insbesondere Guar und Borsäure, zu prüfen, ob das Grundpatent Nepafenac umfasst, das Gegenstand sowohl der Genehmigung vom 11.12.2007 als auch der Änderung der Genehmigung vom 3.5.2013 ist. Dies steht im Einklang mit der Entscheidung C 322/10, Medeva BV, Rz 37: „ Im Übrigen ist ein ESZ nach Art. 4 der [ESZ VO] dazu bestimmt, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen erfasste „Erzeugnis“ zu schützen und nicht das Arzneimittel als solches.“
4.5. Die Technische Abteilung sieht dieses Erfordernis als nicht erfüllt an, weil Nepafenac in den Ansprüchen des Grundpatents nicht genannt sei, selbst wenn die Ansprüche gemäß dem Protokoll über die Auslegung des Art 69 EPÜ ua im Licht der Beschreibung ausgelegt würden. Diese Auslegung deckt sich mit der eben genannten Entscheidung des EuGH (vgl dort LS 1): „ Art. 3 Buchst. a der [ESZ VO] ist dahin auszulegen, dass er es den für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats verwehrt, ein ESZ für Wirkstoffe zu erteilen, die in den Ansprüchen des Grundpatents, auf das die betreffende Anmeldung gestützt wird, nicht genannt sind. “ Die im Rekurs angesprochene Diskrepanz zwischen der deutschen Übersetzung und der englischen Sprachfassung wird (auch international) diskutiert (vgl: http://thespcblog.blogspot.co.at/), denn selbst die englische Sprachfassung ist uneinheitlich, weil der EuGH einmal von „ identified in the claims “ und an anderer Stelle wieder von „ specified in the claims “ spricht. Diese unterschiedliche Wortwahl ist hier jedoch nicht relevant, sodass weitere Überlegungen dazu auf sich beruhen können.
4.6. Die von der Antragstellerin weiters herangezogene Entscheidung C 443/12, Actavis I, betrifft ein Nichtigkeitsverfahren eines ESZ für die Wirkstoffkombination aus Irbesartan und Hydrochlorothiazid, wobei Hydrochlorothiazid nur durch die funktionelle Angabe „Diuretikum“ in den Ansprüchen des Grundpatents gekennzeichnet ist. Für das von der Antragstellerin vorgeschlagene „Zusammenlesen“ der Rz 11 und 28 der Entscheidung besteht keine Veranlassung, weil sich Rz 11 – leicht erkennbar – nur auf die zusammenfassende Wiedergabe des Ausgangsverfahrens und der Vorlagefragen bezieht.
4.7. Werden sie dennoch zusammengelesen, ist die unmittelbar auf Rz 28 folgende und mit ihren Ausführungen im Zusammenhang stehende Rz 29 zu beachten: Darin wird gefordert, dass jedes einzelne ESZ Art 3 lit a ESZ VO genügen müsse. Daraus folgt daher nicht, dass Hydrochlorothiazid auf Grund der funktionellen Angabe „Diuretikum“ durch das zugrunde liegende Patent geschützt ist, sondern dass für jedes mögliche Erzeugnis, das zumindest den Wirkstoff Irbesartan enthält, die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Art 3 lit a ESZ VO auf der Grundlage des Patents zu prüfen ist. Es gewährt daher nicht jedes sukzessive Inverkehrbringen eines Wirkstoffs zusammen mit anderen Wirkstoffen – deren Zahl nicht begrenzt ist und die durch das Grundpatent als solche nicht geschützt sind, sondern im Text der Patentansprüche nur allgemein bezeichnet sind – ein Recht auf Erteilung einer Vielzahl von ESZ, weil ausschließlich der Kern der erfinderischen Tätigkeit , die Gegenstand des Grundpatents ist, nach Art 3 lit c ESZ VO geschützt ist (C 443/12, Actavis I , Rz 41 ff).
4.8. Ausgehend von dieser Rechtslage hatte die Technische Abteilung das Vorliegen dieser Voraussetzung zu prüfen und die Ansprüche des Grundpatents unter Bedachtnahme auf die Beschreibung auszulegen. Sie kommt zum Schluss, dass die funktionelle Angabe „antiinflammatorisches Mittel“ in Anspruch 9 nicht ausreiche, um den Wirkstoff Nepafenac als vom Grundpatent umfasst anzusehen. Sie verweist darauf, dass der Begriff „antiinflammatorisches Mittel“ Arzneimittel beschreibe, die sich gegen eine Entzündung richten würden. Unterschieden würden die Untergruppen der steroidalen, der nichtsteroidalen und der pflanzlichen Mittel, wobei jeder dieser Gruppen unzählige Einzelwirkstoffe zuzuordnen seien. Die einzelnen Vertreter dieser Untergruppen würden keinerlei gemeinsame Struktur aufweisen. Zudem würden im Grundpatent nicht „antiinflammatorische Mittel“ als solche beansprucht oder geschützt, sondern ein weiterer Wirkstoff in Kombination mit dem Erfindungswesentlichen, wobei der weitere Wirkstoff als solcher durch das Patent nicht geschützt sei.
4.9. Diese Auslegung des Grundpatents trifft ausgehend von den maßgeblichen – oben wiedergegebenen – Ansprüchen zu, denn hier ist eine ophthalmische Formulierung, die beim Eintropfen in das Auge ein Gel bildet, als erfindungswesentlich anzusehen. Der demgegenüber nicht erfindungswesentliche Wirkstoff Nepafenac ist durch die funktionelle Kennzeichnung „antiinflammatorisches Mittel“ von den Ansprüchen des Grundpatents nicht umfasst (s die ähnliche Auslegung in C 443/12, Actavis I, Rz 41 und in C 493/12, Eli Lilly and Company, Rz 13, 41 und 43).
4.10. Der Wirkstoff Nepafenac – der unstrittig in den Patentansprüchen auch nicht namentlich genannt wird (s dazu oben Punkt 4.5.) – ist daher durch das Grundpatent nicht iSd Art 3 lit a ESZ VO geschützt, obwohl – allenfalls auch über den Wortlaut hinaus – zu prüfen ist, ob sich die Ansprüche stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise (C 493/12, Eli Lilly and Company, Rz 41). Zu dieser Frage steht jedoch fest, dass „[...] die unbedingt notwendige, eine Abgrenzung ermöglichende klare und deutliche Kennzeichnung nicht [vorliegt], um [diesen] Wirkstoff als umfasst anzusehen.“ (Beschluss, S 6, 2. Absatz), obwohl die Antragstellerin diese Feststellung zwar erkennbar als Tatsachenrüge disloziert im Rahmen der Rechtsrüge bekämpft.
Dies gereicht ihr zwar nicht zu Nachteil (RIS-Justiz RS0041851), allerdings lässt sie offen, welche Feststellung stattdessen begehrt wird und auf Grund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen sie zu treffen gewesen wäre (RIS-Justiz RW0000137; RS0041835 [insb T2]; RS0043039). Es hat daher bei der angefochtenen Sachverhaltsannahme der Technischen Abteilung zu bleiben, ohne dass es noch weiter darauf ankommt, ob Nepafenac in der arzneimittelrechtlichen Genehmigung als „Wirkstoff“ genannt ist oder nicht (s dazu im Anschluss an C 631/13, Arne Forsgren, jüngst 4 Ob 20/15t, Synflorix II; zu den Vorlagefragen vgl OBp 1/13, Synflorix I ), weil Nepafenac, wie schon mehrfach betont, unstrittig weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung namentlich erwähnt wird. Erst jüngst hat der EuGH zu dieser Frage damit im Einklang festgehalten, dass ein Grundpatent einen Wirkstoff iSd Art 1 lit c und Art 3 lit a ESZ VO nur dann „als solche[n]“ schützt, wenn er der Gegenstand der vom Patent geschützten Erfindung ist (C 577/13, Actavis II, Rz 38). In der im Rekurs zitierten Entscheidung C 631/13, Arne Forsgren, nahm der EuGH zu dieser Frage hingegen nicht Stellung, sondern hielt nur fest, dass ein konjugiertes Trägerprotein nur dann als „Wirkstoff“ nach Art 1 Buchst b ESZ VO eingestuft werden könne, wenn nachgewiesen sei, dass es eine eigene Wirkung ausübe, die von den Anwendungsgebieten der Zulassung erfasst werde (vgl Rz 54 und LS 2).
4.11. Aus den von der Technischen Abteilung zutreffend aufgezeigten Gründen ist ein Schutz des Wirkstoffs Nepafenac hier unter Beachtung der Grundsätze der Patentauslegung und der Ansprüche des beanspruchten Grundpatents nicht gegeben (und zwar einerlei, ob man auf (K[2013]2743) oder auf (K[2007]6413) abstellt). Schon allein aus diesem Grund hat die Technische Abteilung den Antrag auf Erteilung eines ESZ zu Recht nach den verba legalia von Art 10 Abs 2 ESZ VO iVm § 2 Abs 2 SchZG 1996 „zurückgewiesen“, wenngleich die Entscheidung mit fehlender materieller Berechtigung begründet ist.
5. Für die Erteilung des beantragten ESZ muss wegen des klaren Wortlauts von § 3 Abs 1 SchZG 1996 ohnehin nicht geklärt werden, ob die vorgelegte Änderungsgenehmigung (K[2013]2743) als erste Genehmigung des Erzeugnisses „Nepafenac“ iSv Art 3 lit b und d ESZ VO gesehen werden könnte (arg: „[...] ohne Prüfung darüber, ob [...] die vorgelegte Genehmigung die erste [...] ist.“ ).
Weil diese Frage für die Erteilung oder Nichterteilung des beantragten ESZ daher schon an sich ohne Auswirkung bleibt und weil auch das Erfordernis des Art 3 lit a leg cit nicht erfüllt ist und das ESZ deshalb nicht erteilt werden dürfte, muss sie nicht beantwortet werden. Denn auf Fragen, von denen die Lösung des konkreten Rechtsfalls nicht abhängt, muss nicht eingegangen werden (vgl RIS-Justiz RS0088931 [insb T7]).
6. Die Parteien können die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art 267 AEUV nur anregen; der im Zusammenhang mit der Frage der ersten Genehmigung im Rekurs gestellte Antrag ist daher nicht nur wegen des Fehlens der Relevanz, sondern primär auch aus formalen Gründen zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0058452, T1, T5, T12, T14 und T17).
7. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt.
Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung von ESZ im Wirtschaftsleben gegeben.
[Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs am 30.8.2016 zurück, 4 Ob 104/16x.]