34R141/15b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke CLEANER PLEASURE über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 19.8.2015, AM 2128/2014 7, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke
CLEANER PLEASURE
in diesen Warenklassen (modifiziert, Schriftsatz vom 7.10.2014):
09 Batterien für elektronische Zigaretten; Batterien für elektronische Geräte zum Erwärmen von Tabak, Batterieladegeräte für elektronische Zigaretten, Batterieladegeräte für elektronische Geräte, die zum Erwärmen von Tabak verwendet werden; USB-Ladegeräte für elektronische Zigaretten; USB-Ladegeräte für elektronische Geräte, die zum Erwärmen von Tabak verwendet werden; Kfz-Ladegeräte für elektronische Zigaretten; Kfz-Ladegeräte für Geräte, die zum Erwärmen von Tabak verwendet werden; wiederaufladbare elektronische Zigarettenetuis, Ladegeräte, Löschgeräte und Zubehör, Teile und Zubehör für den Gebrauch in Verbindung mit elektronischen Zigaretten oder Vorrichtungen zum Erwärmen von Tabak.
11 Elektronische Vaporisatoren; elektronische Rauchvaporisatoren; Vorrichtungen zum Erwärmen von Tabak und Tabakerzeugnissen; Vorrichtungen zum Erhitzen von Flüssigkeiten; Vorrichtungen zur Erzeugung von Dampf, verkabelte Vaporisatoren.
34 Rohtabak und Tabakfabrikate; Tabakwaren; Zigarren, Zigaretten, Zigarillos, Tabak zum Selbstdrehen von Zigaretten, Pfeifentabak, Kautabak, Schnupftabak, Nelkenzigaretten (Kretek); Snus; Tabakersatzstoffe (nicht für medizinische Zwecke); Raucherartikel, Zigarettenpapier und Zigarettenhülsen; Zigarettenfilter, Tabakdosen, Zigarettenetuis, Aschenbecher, Pfeifen, Taschenapparate zum Drehen von Zigaretten, Feuerzeuge, Zündhölzer, Tabak Sticks, erwärmte Tabakwaren, elektronische Geräte, um Zigaretten zu erwärmen; elektronische Rauchgeräte; elektronische Zigaretten, elektronische Zigarren und elektronische Pfeifen, Behälter für elektronische Zigaretten, elektronische Zigarren und elektronische Pfeifen, Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten, elektronische Zigarren und elektronische Pfeifen; elektronische Zigaretten als Alternative zu herkömmlichen Zigaretten; elektronische Nikotininhalationsgeräte; Verdampfungsgeräte für Tabak, Tabakwaren und Tabakersatzstoffe; Raucherartikel für elektronische Zigaretten.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Antrag auf Eintragung mit der wesentlichen Begründung ab, dem Zeichen fehle die Unterscheidungskraft.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Abänderungsantrag, das Zeichen zu registrieren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rz 62; EuG T 471/07, Tame it, Rz 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .
1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396, T7). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung hindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
1.3. Ob die Unterscheidungskraft fehlt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke , MarkenG³ § 8 Rz 73; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5).
1.4. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 171 ff). Die Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rz 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rz 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OPM OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
1.5. Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, also einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen (C 326/01, Universaltelefonbuch, Rz 33 mwN; C 494/08 P, Pranahaus; vgl zuletzt auch 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383, T1; 4 Ob 69/15y, Chrysal; RIS-Justiz RS0117763; RS0066456; RS0066644).
1.6. Enthielte das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, wäre es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431, T3; RS0090799; RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Linie; OBm 3/11, Atelier Prive; OBm 2/13, Primera ua; 4 Ob 66/02p, Cornetto ).
Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Stellt also ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über die Herstellung oder die Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i, happykauf mwN; OBm 3/12, Lounge.at ).
1.7. Genau so, wie die Eigenschaft eines Wortes als beschreibendes Zeichen immer nur in Bezug auf jene Waren zu prüfen ist, für die es als Marke registriert werden soll, kann auch ein Zeichen nur für jene Gattungen von Waren oder Dienstleistungen nicht als Marke registriert werden, zu deren Bezeichnung es im Geschäftsverkehr allgemein verwendet wird (ÖBl 1981, 50, Merkur-Versicherungspass; ÖBl-LS 01/175, Die roten Seiten; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d, More ).
1.8. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 26/93 = ÖBl 1993, 99, Smash; 4 Ob 158/05x, Steirerparkett ). Dabei genügt es, wenn die strittige Wortfolge zumindest in einer der möglichen Bedeutungen beschreibenden Charakter hat (vgl etwa C 191/01 P, Doublemint, Rz 32, und C 363/99, Postkantoor, Rz 97; 4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care ).
1.9. Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache ( Koppensteiner, Markenrecht 4 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line ).
2. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft abzusprechen. Das Rekursgericht hält die Begründung des Patentamts für zutreffend (§ 139 Einleitungssatz PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).
2.1. Die Antragstellerin fokussiert ihr Rekursvorbringen – unter korrekter Wiedergabe diverser Entscheidungen sowohl des EuGH als auch des EuG (FN 1 des Rekurses) – mehrfach auf die Registrierbarkeit von Zeichen, die (möglicherweise) auch als werbemäßige Anpreisungen aufzufassen sind. Die Rechtsabteilung hat sich aber zutreffend mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt, sondern die fehlende Registrierbarkeit auf § 4 Abs 1 Z 3 MSchG im Allgemeinen gestützt.
2.2. Beteiligte Verkehrskreise sind hier alle Personen, die als Abnehmer der beantragten Waren in Betracht kommen oder sich dafür interessieren, also nicht nur die Fachkreise (vor allem wohl Trafikanten), sondern auch die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher von Tabakwaren und damit im Zusammenhang stehender weiterer Waren (RIS-Justiz RS0079038).
2.3. Die Unterscheidungskraft von Wortverbindungen hängt davon ab, ob die zu beurteilende Wortkombination als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch die Ware oder das Unternehmen zu bezeichnen oder seine wesentlichen Merkmale wiederzugeben (ÖBl 2002/25, Internetfactory ). Die Schutzfähigkeit der zusammengesetzten Wortmarke CLEANER PLEASURE ist daher danach zu beurteilen, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren verstehen (RIS-Justiz RS0109431).
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, es komme auf ihre eigene Sicht und ihr eigenes Verständnis des beanspruchten Zeichens an (Rekurs, Punkt 3.); dabei verkennt sie den Sinn und den Zweck der im Eintragungsverfahren abstrakt anzustellenden Prognose. Allein dass der Anmelder selbst von der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke ausgeht, verschafft ihr diese Unterscheidungskraft noch nicht.
2.4. Die angesprochenen Fachkreise in Österreich wissen, dass die Tabakindustrie neue Absatzmöglichkeiten erschließen will und danach trachtet, allenfalls einen „gesünderen“ und „sauber(er)en“ Konsum von Tabak zu propagieren. Dies ist eine notorische Tatsache (die zulässigerweise verwertet werden darf: 4 Ob 189/14v, Viva = RS0110714, T14). Dass auch die angesprochenen Konsumenten davon bereits Kenntnis erlangt haben, ist angesichts der im Eintragungsverfahren stets zugrunde zu legenden Prognose zu unterstellen: Die nach Meinung mancher gesündere und saubere „E Zigarette“ ist ein allgemein bekannter Begriff.
2.5. Ausgehend von der daher einzig naheliegenden Übersetzung von CLEANER PLEASURE ins Deutsche als „saubereres Vergnügen“ oder „sauberer Genuss“ ist das angemeldete Zeichen für alle beanspruchten Waren(klassen) nach diesem auf der Hand liegenden Verständnis ohne Weiteres und unmittelbar als Hinweis auf die Sauberkeit und daher die Unschädlichkeit der beanspruchten (einen Genuss verschaffenden oder ermöglichenden) Waren und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis zu sehen (vgl OLG Wien 34 R 31/14z, ECONOMY DIESEL; 34 R 85/14s, HAUPTUNTERSUCHUNGS ADAPTER uva; RIS-Justiz RW0000784) und somit nicht registrierbar. Ein Wortzeichen kann von der Eintragung bereits ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (C 191/01 P, Wrigley, Rz 32; C 265/00, Biomild, Rz 38).
3. Soweit die Antragstellerin eine ihres Erachtens ähnliche Marke für die Registrierbarkeit des beantragten Zeichens ins Treffen führt ist sie darauf zu verweisen, dass die Eintragung anderer Marken keine Präjudizwirkung entfaltet (vgl 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rz 47; C 39/08 und C 43/08, Volks.Handy und Schwabenpost, Rz 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).
4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.