34R122/15h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht [...] wegen Löschung der Marke AT 238.409 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 3.6.2014, Nm 88/2010 20 (Nm 89/2010), in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 2.721,90 (darin EUR 453,65 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der österreichischen Formmarke AT 238.409 (= angegriffene Marke) mit Priorität vom 19.2.2003:
Auf Grund eines während des Nichtigkeitsverfahrens erklärten Teilverzichts (vgl ON 11 und den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 15.4.2014, AM 1116/2003 19) ist sie zuletzt geschützt für diese Waren der Klasse 20:
Verpackungsbehälter aus Kunststoff, nämlich mit einem unbedruckten Karton ummantelte, zur Weiterbearbeitung, insbesondere zum Bedrucken des Ummantelungskartons, bestimmte Becher zum Befüllen für Transportzwecke.
Die Antragstellerin begehrt, gestützt auf § 33 Abs 1 MSchG, die Löschung der angegriffenen Marke, da dieser keine Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG zukomme und das Patentamt bei der Registrierung zu Unrecht von der Verkehrsgeltung des Zeichens ausgegangen sei. Eine dreidimensionale Marke, die aus der Verpackung einer Ware bestehe, werde vom Durchschnittsverbraucher nicht in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke. Die angesprochenen Verkehrskreise setzten sich sowohl aus dem Fachpublikum als auch aus den Endverbrauchern im Allgemeinen zusammen. Eine Variation der üblichen Form der Warengattung reiche nicht aus, um Unterscheidungskraft für ein dreidimensionales Zeichen zu erzielen. Um als Herkunftshinweis zu dienen, müsse eine Warenformmarke daher speziell, erheblich und ungewöhnlich von jener Form abweichen, die das Publikum für das betreffende Produkt erwarte. Die durch das angefochtene Zeichen geschützte Form eines handelsüblichen Bechers sei ident mit jener von zig Milliarden anderen Joghurtbechern, wobei ein erhebliches Abweichen vom Üblichen nicht gegeben sei.
Die Krempe und der Wulst des Bechers seien ausschließlich technisch bedingte Merkmale, was auch das Oberlandesgericht Graz im Verletzungsverfahren ausgesprochen habe.
Auch die von der Antragsgegnerin im Registrierungsverfahren zum Nachweis der angeblichen Verkehrsgeltung vorgelegten Unterlagen seien ungeeignet, diese zu belegen. Die Erklärungen von Abfüllunternehmen seien vorgefertigte Gefälligkeitsschreiben. Die Endverbraucher würden sich für die Form von Joghurtbechern nicht interessieren. Die drei vorgelegten, von der Antragsgegnerin vorgefertigten Erklärungen hielten einer kritischen Nachprüfung nicht stand, stammten diese doch von Abfüllunternehmen, die bereits seit geraumer Zeit das Bechermodell der Antragsgegnerin bezogen hätten. Zahlen über Umsätze, Mitarbeiter und Produktionsstätten der Antragsgegnerin aus dem Jahr 2004 seien irrelevant, weil das Prioritätsdatum der 26.2.2003 sei. Selbst wenn von der Verkehrsgeltung innerhalb aller beteiligten Verkehrskreise auszugehen wäre, so stünde dem Fortbestehen des angegriffenen Zeichens das absolute Registrierungshindernis des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG entgegen, weil die Marke nur aus jener Form bestehe, die einen Becher zum Joghurtbecher mache und zur Erzielung seiner technischen Wirkung erforderlich sei.
Die Antragsgegnerin bestritt die Berechtigung des Antrags und führte aus, die Marke weise drei unterscheidungskräftige Designelemente auf, und zwar befinde sich am oberen Ende des Bechers eine Krempe, die parallel zum Becherboden nach oben abschließe, außerdem habe der Becher eine Kartonummantelung und schließlich schließe die von dieser Ummantelung umgebene Außenseite mit einer Einkerbung ab. Der Wulst sei ein Designmerkmal, das bewusst gewählt worden und bei dem auch in Kauf genommen worden sei, dass dadurch mechanische Instabilität entstehe. Zudem sei auch der Verkehrsgeltungsnachweis erbracht worden. Die Endverbraucher würden keine unbefüllten Becher nachfragen, die dreidimensionale Marke richte sich ausschließlich an ein Fachpublikum, wie etwa Molkereien und Abfüllunternehmen. Dem Argument der Antragstellerin, der Schutzumfang sei zu weit, sei sie mit einer freiwilligen Beschränkung begegnet. Die Antragsgegnerin sei „in den Greiner-Konzern“ eingegliedert.
Da die „nackte“ Becherform nicht an Endverbraucher abgegeben werde, habe der Vorvertreter der Antragsgegnerin am 25.5.2006 mit dem Vorstand der Markenabteilung (gemeint: des Patentamts) und dem zuständigen Prüfer erörtert, durch welche Nachweise der Verkehrsgeltungsnachweis zu erbringen sei. „Vom Amt“ sei dabei Schutz in Aussicht gestellt worden, sofern eine Erklärung zum Beispiel einer für die Verpackungsindustrie zuständigen Innung beigebracht werde, in der bestätigt werde, dass diese Becherform in Österreich allein von der „Greiner Packaging Unternehmensgruppe“ hergestellt werde und so als unmittelbarer Hinweis auf das Unternehmen diene. Die Antragsgegnerin habe sich daher nach Abstimmung mit der Wirtschaftskammer unter anderem an die OFI Technologie Innovation GmbH gewendet, die die offizielle Prüfstelle für österreichische Verpackungsprodukte sei. Dieses Unternehmen habe eine zur Belegung der Verkehrsgeltung dienliche Erklärung abgegeben. Die Antragsgegnerin habe an Verkehrsgeltungsunterlagen vorgelegt, was „zum jetzigen Zeitpunkt noch gefunden worden sei“.
Dafür, dass die Verkehrsgeltung nicht vorgelegen sei und die vorgelegten Beweise diese nicht hätten belegen können, sei die Antragstellerin beweispflichtig. Ungeachtet dessen sei der Verkehrsgeltungsnachweis im Registrierungsverfahren jedoch ordnungsgemäß erbracht worden und vor dem Anmeldetag seien ca 68 Mio Stück der Becher und Kartonstreifen verwendet worden. Abgesehen davon wäre es problemlos möglich gewesen, zum Anmeldezeitpunkt eine Unzahl an Unterlagen für die Verkehrsgeltung bezogen auf den 19.2.2003 vorzulegen, was aber auf Grund der Absprache mit dem zuständigen Prüfer unterblieben sei.
Es liege auch der Ausschlussgrund des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG nicht vor: Der Becher weise gleich drei nicht technisch bedingte, sondern allein gestalterische Elemente auf. Insbesondere der umlaufende Wulst im Bodenbereich und die Breite des oberen Randbereichs seien Elemente, die sich für das Fachpublikum deutlich von anderen Bechern gestalterisch abheben würden. Das angefochtene Zeichen sei daher auf Grund seines charakteristischen Aussehens zu Recht registriert worden.
Nachdem die Nichtigkeitsabteilung die beiden Verfahren Nm 88/2010 20 und Nm 89/2010 mit in der Tagsatzung vom 31.1.2014 verkündetem Beschluss verbunden hatte, gab sie mit dem angefochtenen Beschluss vom 3.6.2014 dem Löschungsantrag in Bezug auf die Marke (richtig:) AT 238.409 statt und sprach unter einem – mit allerdings bereits in der Tagsatzung vom 6.5.2014 verkündetem Beschluss – die Einstellung des Verfahrens Nm 89/2010 (AT 215.730) aus, weil die dort angefochtene Marke über Antrag der Antragsgegnerin gelöscht worden war. Dieser Teil des angefochtenen Beschlusses wurde rechtskräftig und ist damit nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Die Einschränkung des Warenverzeichnisses sei zulässig, weil damit keine Warenerweiterung verbunden sei. Im Löschungsverfahren habe der Antragsteller zu beweisen, dass die angegriffene Marke zu Unrecht eingetragen worden sei. Nachweisschwierigkeiten dürften nicht zu Lasten des Markeninhabers gehen, zumal es sich bei einer über Jahrzehnte eingetragenen Marke um ein Vermögensrecht handle.
Die Marke bestehe aus üblichen Gestaltungselementen, es fehle ihr daher die Unterscheidungskraft. Zum Anmeldetag habe auch keine Verkehrsgeltung für das Bundesgebiet Österreichs vorgelegen. Auf den Löschungsgrund des § 33 iVm § 4 Abs 1 Z 6 MSchG müsse daher nicht mehr eingegangen werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin; als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung (einschließlich sekundärer Feststellungsmängel) geltend gemacht und beantragt, den Löschungsantrag abzuweisen. Hilfsweise wird beantragt, die Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.
Die Antragstellerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
I. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
1. Die Antragsgegnerin ortet in der Fassung des angefochtenen Beschlusses einen Verstoß gegen die Bestimmungen §§ 272 iVm 417 ZPO: Die Nichtigkeitsabteilung habe nicht klar und zweifelsfrei dargelegt, welche Tatsachen auf Grund welcher Beweiswürdigung festgestellt worden seien, vielmehr seien Parteienvorbringen, Rechtsausführungen, Beweismittel und rudimentäre Feststellungen miteinander vermischt, sodass im Ergebnis nicht logisch überprüfbar sei, auf Grund welcher Beweisergebnisse die Nichtigkeitsabteilung welche Tatsachen festgestellt habe.
2. Wie die Antragstellerin zutreffend betont, gelten ungeachtet des Verweises auf die ZPO, der das Berufungsverfahren betrifft (§ 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG), für Form und Inhalt der (erstinstanzlichen) Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung nach § 35 Abs 5 MSchG iVm § 64 Abs 2 PatG nicht jene Anforderungen, die § 417 Abs 2 ZPO an gerichtliche Entscheidungen stellt. Zwar ist auch die Nichtigkeitsabteilung dazu verhalten, ihre Entscheidungen mit Gründen zu versehen, und eine Unterscheidung zwischen der gedrängten Wiedergabe des Parteienvorbringens; den festgestellten Tatsachen; der Würdigung der Beweismittel zur Begründung der Tatsachenfeststellungen; und den rechtlichen Schlussfolgerungen wäre wünschenswert. Doch ist die Nichtigkeitsabteilung formell nicht dazu verpflichtet, diese Systematik einzuhalten.
Ungeachtet dessen hat die Nichtigkeitsabteilung nach geradezu akribischer Wiedergabe des gesamten Parteienvorbringens für das Berufungsgericht in den wesentlichen Aspekten ohne Weiteres überprüfbar – gegliedert nach den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen – klargelegt, warum der angegriffenen Marke ihrer Ansicht nach die (originäre) Unterscheidungskraft fehle und warum am Anmeldetag keine Verkehrsgeltung für das Bundesgebiet Österreichs vorgelegen habe.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
II. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung :
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist wie bei beschreibungsverdächtigen Zeichen anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97 – Chiemsee; C 104/00 P – Companyline ; C 398/08 – Vorsprung durch Technik; C 104/01 – Orange, Rz 62; EuG T 471/07 – Tame it , Rz 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f – My TAXI) .
1.2. Ob die Unterscheidungskraft fehlt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu beurteilen( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; EuGH C 104/01 – Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5).
1.3. Diese Grundsätze gelten auch für Formmarken (EuGH C 344/10 P – Freixenet; 4 Ob 239/04g mwN; RIS-Justiz RS0079038, T4; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 280; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 186 f). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter von der Formmarke gewinnt; eine Zergliederung in schutzfähige und schutzunfähige Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08f – Roter Koffer; 17 Ob 30/11b – Goldhase VI; RIS-Justiz RS0119660). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten der betreffenden Warenart (EuGH C 342/97 Slg 1999, I 3819 – Lloyd/Lloint’s, Rz 26 mwN; 17 Ob 15/07s; RIS-Justiz RS0117324).
2.1. Zunächst kritisiert die Antragsgegnerin in diesem Kontext, dass die Nichtigkeitsabteilung ihrer Ansicht nach übersehen habe, dass es ausschließlich auf das Fachpublikum ankomme und dieses eindeutig das Aussehen des Bechers als einprägsam erkenne. Die Marke sei daher als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet (Berufung, Punkt II.a).
2.2. Diese Argumentation verfängt nicht. Denn auch aus dem (von der Nichtigkeitsabteilung zutreffend auf Grund der Einschränkung des Warenverzeichnisses erkannten) Umstand, dass als Verkehrskreis nur das Fachpublikum auf dem Gebiet der Lebensmittelverpackungen in Betracht kommt, folgt noch nicht, dass dem angegriffenen Zeichen allein deshalb Unterscheidungskraft zukommt.
2.3. Die Frage des Eindrucks der beteiligten Verkehrskreise ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist (nur dann) eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (RIS-Justiz RS0039926, insb T26, T28; jüngst 4 Ob 63/15s – Kornspitz). Eine Beweisaufnahme ist daher nur geboten, wenn im konkreten Fall Zweifel bestehen, dass die strittige Frage allein auf Grund der Lebenserfahrung der zur Entscheidung berufenen Organe beantwortet werden kann (17 Ob 27/11m – Red Bull/Run Cool mwN). Im vorliegenden Fall ist die Nichtigkeitsabteilung vom Erfahrungssatz ausgegangen, dass sich die Marke im geschäftlichen Verkehr in einer üblichen Gestaltungsform eines Bechers erschöpft und nicht nur mit Joghurt befüllbar, sondern auch für andere pastöse und/oder getrocknete Nahrungsmittel geeignet ist (Beschluss, Seite 12). Da die Frage des Verständnisses der hier auf Grund des sich nur mehr auf Waren der Klasse 20 beschränkenden Schutzumfangs relevanten Fachkreise als Rechtsfrage zu beurteilen ist und die angegriffene Marke zudem dreidimensional ist, die im Nichtigkeitsverfahren in der registrierten Form zu beurteilen ist, kann schon begrifflich kein rechtlicher Feststellungsmangel vorliegen (so aber die Berufung, Punkt II.2).
2.4. Eine Form ist dann technisch bedingt, wenn ihre wesentlichen funktionellen Merkmale nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind, selbst wenn diese Wirkung auch durch andere Formen erzielt werden könnte (EuGH C 299/99 – Philips/Remington). So ist beispielsweise die dreidimensionale Wiedergabe eines quaderförmigen Lego-Bausteins, der zwei symmetrische Reihen mit jeweils vier Noppen an der Oberfläche aufweist, nicht markenfähig, da die Form als bevorzugte Ausführungsform technisch bedingt ist (BGH I ZB 55/07).
2.5. Ausgehend von der registrierten Form und ihrem maßgeblichen Gesamteindruck ist auch das Berufungsgericht der Rechtsansicht, dass das angegriffene Zeichen nur eine in ihrem Aussehen technisch bedingte Variante eines handelsüblichen Bechers ist, die ident mit jener von anderen (vor allem: Joghurt-) Bechern ist und nicht erheblich von der Norm oder von der Branchenüblichkeit abweicht (zu diesem Kriterium siehe Hauer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 1 Rz 48 mwN; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 135; EuGH C 48/09 P – Roter Lego-Stein, Rz 84; C 38/06 – Develey/HABM), und dass der Verkehr darin keinen Herkunftshinweis auf das Unternehmen erkennt. Weder die Krempe des Bechers noch seine Ummantelung mit Karton noch der daran im Bereich des Bodens anschließende Wulst sind gestalterische Elemente, die dem angefochtenen Zeichen eine Optik verleihen, die unter Bedachtnahme auf diese technische Wirkung als nennenswert ungewöhnlich zu bezeichnen wären. Es besteht also auch unter Zugrundlegung des Verständnisses der angesprochenen Fachkreise kein wesentlicher Unterschied zu den handelsüblichen, für die Abfüllung von diversen Lebensmitteln vorgesehenen Becherformen (siehe nur Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 283 ff; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 187; Fuchs-Wissemann in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Markenrecht I 3 § 8 Rz 34 f je mwN; oben Punkt II.1.4.).
Die Nichtigkeitsabteilung ist daher zu Recht in Ermangelung relevanter charakteristischer Merkmale, die gerade auch vom Fachpublikum als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden könnten, vom Fehlen originärer Unterscheidungskraft ausgegangen (§ 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500a ZPO).
3.1. Als weiteren sekundären Feststellungsmangel rügt die Berufungswerberin das angebliche Unterbleiben ausreichender Feststellungen „über den Umfang der Verwendung des Bechers vor dem Anmeldetag“. Sie strebt deshalb eine (vom Vorbringen in erster Instanz in dieser Detailliertheit ohnehin nicht gedeckte) Zusatzfeststellung an.
Die Feststellungsgrundlage ist allerdings nur mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind, und wenn dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RIS-Justiz RS0053317). Wenn hingegen zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0053317, T1; 10 ObS 155/02w; 9 ObA 272/01t; 6 Ob 74/15y ua).
3.2. Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise im Zeichen einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblickt (jüngst EuGH C 215/14 – Kitkat, Rz 58 ff; siehe auch EuGH C 108/97 – Chiemsee, Rz 46; C 299/99 – Philips/Remington, Rz 61; C 353/03 – Nestlé/Mars, Rz 30; RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k – Autobelehnung; 4 Ob 12/05a – Vital Ressort; 4 Ob 38/06a – Shopping City). An den Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist (RIS-Justiz RS0078807). Die Frage, ob ein bestimmtes Zeichen Verkehrsgeltung erlangt hat und ob diese auch noch im gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht besteht oder ob eine etwa ursprünglich vorhandene Kennzeichnungskraft im Laufe der Zeit verloren gegangen ist, ist zwar eine Rechtsfrage, die aber auf Grund der hiefür in Betracht kommenden tatsächlichen Grundlagen zu lösen ist (RIS-Justiz RS0043586; RS0043668; zuletzt 4 Ob 77/15z – Amarillo).
Die Nichtigkeitsabteilung hat auf Grund der von der Antragsgegnerin im Anmelde- und im Nichtigkeitsverfahren vorgelegten Unterlagen keine entsprechenden Tatsachengrundlagen geschaffen und hat – im Berufungsverfahren nicht angefochten – festgestellt, dass „[...] die [...] Belege nicht ausreichend sind, um eine Verkehrsgeltung für ganz Österreich nachzuweisen.“ (Beschluss, Seite 13) und „[...] eine Verkehrsgeltung [...] für Österreich zum Anmeldetag nicht vorgelegen hat.“ (Beschluss, Seite 14).
3.3. Werden also zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen getroffen, so ist dies ein Ergebnis der Beweiswürdigung, auch wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen wurden (7 Ob 185/09w). Aus dem Gesagten folgt, dass aber sekundäre Feststellungsmängel nicht vorliegen.
3.4. Im Berufungsvortrag könnte aber auch eine (versteckte) Tatsachenrüge zu sehen sein (vgl Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 471 Rz 8 mwN), die mit der Rechtsrüge vermengt ist (rechtliche Feststellungsmängel sind im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machen; vgl Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 471 Rz 4 mwN). Dazu formuliert die Antragsgegnerin auf Seite 6 (unnummeriert) der Berufungsschrift auch Ersatzfeststellungen („Die NÖM AG, ... in Aussicht gestellt [...].“), die sie begehrt. Diese Ersatzfeststellungen widersprechen aber der wesentlichen Feststellung der Nichtigkeitsabteilung nicht, dass „eine Verkehrsgeltung für Österreich zum Anmeldetag nicht vorgelegen hat“ (Beschluss, Seite 14 unten).
Die Antragsgegnerin zählt in den gewünschten Ersatzfeststellungen unstrittige Tatsachen auf, ohne aber die beweiswürdigenden Überlegungen der Nichtigkeitsabteilung dabei zu thematisieren. Diese Beweiswürdigung findet sich im angefochtenen Beschluss auf den Seiten 13 und 14; eingehend argumentiert die Nichtigkeitsabteilung auf Grund des Inhalts der Urkunden, dass sie sowohl jeweils für sich als auch insgesamt nicht geeignet sind, eine österreichweite Verkehrsgeltung (im oben beschriebenen rechtlichen Sinn) zu belegen.
Dem setzt die Antragsgegnerin nur allgemeine Überlegungen entgegen, wonach Kundenbestätigungen grundsätzlich für den Beweis der Verkehrsgeltung geeignet seien. Die Antragsgegnerin setzt sich aber nicht mit dem konkreten Inhalt der Kundenbestätigungen auseinander; aus ihm leitet die Nichtigkeitsabteilung nachvollziehbar ab, sie seien derart vorformuliert, dass das Verständnis des Zeichens als Unternehmenshinweis bereits vorausgesetzt (das heißt: nicht abgefragt) wird (Beschluss, Seite 13 oben).
Unerwidert bleibt auch das Argument der Nichtigkeitsabteilung, nicht an die seinerzeitige Auffassung der Rechtsabteilung gebunden zu sein.
Das Berufungsgericht hat daher keine Bedenken an der zitierten Feststellung der Nichtigkeitsabteilung.
4. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die angegriffene Marke weder originär unterscheidungskräftig (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG) noch hat sie durch Benutzung Verkehrsgeltung erlangt (§ 4 Abs 2 MSchG), sodass die Nichtigkeitsabteilung zu Recht ihre Löschung mit Wirksamkeit des Zeitpunkts ihrer Registrierung ausgesprochen hat (§ 33 Abs 2 MSchG).
Auf die in der Berufungsbeantwortung breit diskutierte Frage, ob das angefochtene Zeichen allenfalls auch nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG nicht registrierbar sein könnte, kommt es daher nicht mehr an; dazu fehlen aber auch tragfähige Feststellungen (s dazu jüngst EuGH C 215/14 – Kitkat, Rz 37 ff).
III. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 35 Abs 5 und 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie §§ 41 und 50 ZPO.
IV. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO. Der Entscheidungsgegenstand ist rein vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Wegen der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000,--.
V. Die ordentliche Revision war gemäß § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt: Ob eine Marke Unterscheidungskraft besitzt, ist genauso eine Frage des Einzelfalls (für die markenrechtliche Verwechslungsgefahr RIS-Justiz RS0111880) wie die Frage der Verkehrsgeltung.