JudikaturOLG Wien

34R114/15g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. November 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 278978 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 20.4.2015, WM 135/2014 5, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beruft sich auf ihre internationale Wortbildmarke CTM 10056521 (Anmeldedatum 17.6.2011)

und die (unter anderem) für sie eingetragenen Dienstleistungen der Klasse 35 (Werbung; Geschäftsführung; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Verfassung von Werbetexten; Herausgabe von Werbetexten; Audiovisuelle Präsentation für Werbezwecke; Layoutgestaltung für Werbezwecke; Werbe- und Marketingdienstleistungen; Öffentlichkeitsarbeit; On-line Werbung in einem Computernetzwerk; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken; Verkaufsförderung; Verbreitung von Werbung für Dritte über das Internet).

Sie widersprach der Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 278978 (Priorität vom 14.7.2011):

die für die Dienstleistungen der Klassen 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten) und 41 (Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung) eingetragen wurde. Die angegriffene Marke sei bezogen auf die Klasse 35 wegen der Dienstleistungsidentität, jedenfalls -ähnlichkeit zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke geeignet.

Das Patentamt gab dem Widerspruch Folge und hob die Registrierung hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 auf. Begründend führte es aus, dass eine teilweise Dienstleistungsidentität und eine hohe Dienstleistungsähnlichkeit gegeben sei. Davon ausgehend bestehe in bildlicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr, weil beide Marken von der Wortfolge „My Taxi“ geprägt werden. Der Unterschied in der Groß- und Kleinschreibung werde dem Verkehr nicht auffallen und/oder werde in der Flüchtigkeit des Geschäftslebens untergehen. Auch das dominant angebrachte „T“ der Widerspruchsmarke könne diese Ähnlichkeit nicht beseitigen, zumal der Bestandteil „My Taxi“ in der Widerspruchsmarke eindeutig erkennbar bleibe. Das „T“ werde aufgrund der optischen Trennung von „My Taxi“ gesondert (klanglich getrennt) ausgesprochen; auch begrifflich komme es zu keiner Abwandlung in der Bedeutung. Die Tatsache, dass es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um Unternehmer handle, die an sich eine höhere Aufmerksamkeit im geschäftlichen Verkehr obwalten ließen, führe zu keiner anderen Entscheidung. Auch diese würden sich am kennzeichnungskräftigen Bestandteil „My Taxi“ orientieren. Es sei auch möglich, dass die angegriffene Wortbildmarke als Abwandlung der Widerspruchsmarke gesehen werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, dem Widerspruch der Antragstellerin abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1 Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand (RIS Justiz RS0066553, T13; ua) – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97 – Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

1.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P – Yorma’s [Rn 43]; EuG T 599/10 – Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500, insb T4, RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i und 4 Ob 228/14d; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).

1.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (C 39/97 – Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – Firn ; 17 Ob 36/08f – Kobra/cobra-couture.at ; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

1.4 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).

1.5 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – Go ; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190, T22; 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack Jones; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033, T20; RIS-Justiz RS0079033, insb T26).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04 – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax) .

1.6 Bereits aus älteren Entscheidungen des OGH ergibt sich, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) ein abweichender Begriffsinhalt trotz Ähnlichkeit im Wortbild oder Wortklang die Verwechselbarkeit ausschließen kann (4 Ob 30/89 mwN; RIS-Justiz RS0079571, T17, T18; vgl zuletzt vgl 4 Ob 228/14d). Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ können. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (C 361/04 P – Picaro/Picasso; C 206/04 P – Mühlens; C 16/06 P – Mobilix/Obelix; weitere Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 928, und bei Onken in Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht [Stand 1.12.2014] § 8 Rz 22; vgl auch BGH I ZR 102/07, GRUR 2010, 235 – AIDA/AIDU, mwN zur deutschen Rsp).

1.7 Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

2. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so hat das Patentamt zutreffend die Verwechslungsgefahr in Bezug auf die in Rekurs gezogene Dienstleistungsklasse 35 bejaht. Das Rekursgericht hält die diesbezügliche Begründung der angefochtenen Entscheidung im Wesentlich für zutreffend, sodass vorweg auf diese verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 2 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

2.1 Die Antragsgegnerin beanstandet den Ähnlichkeitsvergleich des Patentamts in bildlicher und klanglicher Hinsicht. Ihrer Ansicht nach dominiere das „T“ die Widerspruchsmarke. In klanglicher Hinsicht werde dass „T“ getrennt ausgesprochen und in der Gesamtbetrachtung seien diese Abweichungen geeignet, die Verwechslungsgefahr der hier vorliegenden schwachen Zeichen zu beseitigen; dies vor allem auch wegen der erhöhten Aufmerksamkeit des maßgeblichen Verkehrskreises „Unternehmer“.

2.2 In Berücksichtigung der nicht bekämpften Dienstleistungsidentität und/oder teilweisen Dienstleistungsähnlichkeit überzeugt die Argumentation durch das Hervorstreichen des Bildelements „T“ bei der Widerspruchsmarke nicht.

Dominant in bildlicher und klanglicher Hinsicht sind in beiden Zeichen die wortidenten Bestandteile „My Taxi“, wobei die unterschiedliche Groß- und Kleinschreibung nicht einprägsam ins Auge fällt. Dies gilt auch für die farbliche Ausgestaltung.

In Bezug auf die Widerspruchsmarke tritt das vorgelagerte „T“ gegenüber dem längeren Wortbestandteil „My Taxi“ in den Hintergrund. Es hat diesem gegenüber aber keine eigenständige Aussagekraft oder Wirkung und kann bei näherer Betrachtung nur als ein Verstärkungselement des Anfangsbuchstabens von T axi assoziiert werden. Da bei beiden Zeichen die (identen) Wortbestandteile „My Taxi“ maßgebend sind, diese sich in bildlicher, begrifflicher und klanglicher Hinsicht nicht oder nicht merklich von einander abheben, besteht eine Verwechslungsgefahr. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke diese kennzeichnenden Bestandteile vollständig in sich aufgenommen hat (vgl 4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033).

2.3 Das Rekursgericht teilt die Einschätzung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise bei der Dienstleistungsklasse 35 im Wesentlichen Unternehmer sind, deren Aufmerksamkeit grundsätzlich höher einzustufen ist als jene eines Durchschnittskonsumenten. Beiden Adressaten bleibt aber gemeinsam, dass sich selten die Möglichkeit bietet, die Zeichen unmittelbar miteinander zu vergleichen. Man muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das im Gedächtnis behalten wurde. Es steht dem Wahrnehmungsbild somit ein mehr oder weniger verschwommenes Erinnerungsbild gegenüber ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 137 mwN).

Ausgehend davon können im Gesamteindruck die bestehenden (feinen) Unterschiede der beiden Zeichen wegen der bildlichen Ähnlichkeiten sowohl grafisch als auch farblich, insbesondere durch die Identität der verwendeten Hauptbestandteile „My Taxi“ und damit verbunden auch wegen der klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit keinen deutlichen Abstand erzeugen, um die Verwechslungsgefahr zu beseitigen. Vor allem auch deswegen nicht, weil zudem noch eine Dienstleistungsidentität und teilweise hohe -ähnlichkeit vorhanden ist.

Im Ergebnis bedarf die Entscheidung des Patentamtes daher keiner Korrektur.

3. Da die Entscheidung keine bisher von der Rechtsprechung unbeantworteten Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufweist und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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