1R153/15z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Guggenbichler und MMag. Matzka in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , wider die beklagten Parteien 1. Mag. ***** und 2. Dr. ***** , beide Rechtsanwälte, beide vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 51.791,82 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 17.8.2015, 10 Cg 168/14g-11, in nicht öffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.836,83 (darin EUR 306,14 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung :
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 20.11.2014 gerichtsanhängig gewordenen Klage zuletzt (ON 7) von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand EUR 51.791,82 sA . Sie brachte zusammengefasst vor, sie und die beiden Beklagten hätten gemeinsam Büros für ihre jeweiligen Rechtsanwaltskanzleien angemietet und vereinbart, hierfür jeweils ein Drittel der Mieten zu zahlen. Die Beklagten seien dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, weshalb die Klägerin auch deren Anteile vorerst allein gezahlt habe. Das Begehren werde auch auf Schadenersatz gestützt, woraus Solidarhaftung der Beklagten folge.
Die Beklagten erstatteten vorerst (ON 5) einen leeren Einspruch gegen den am 3.12.2014 antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl ON 4. In der Folge - nach der Klagsausdehnung ON 7 - wandten die Beklagten Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil § 20 RL-BA 1977 vorsehe, dass der Rechtsanwalt im Falle eines persönlichen Streites aus der Berufsausübung mit einem anderen Rechtsanwalt den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer um Vermittlung anzurufen habe; dies habe die Klägerin jedoch unterlassen. Nur eventualiter werde das Klagebegehren auch inhaltlich bestritten (ON 8). Das Vorbringen sei auch als Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes gemeint (ON 9).
Die Klägerin bestritt und brachte zusammengefasst vor (ON 9), sie habe sehr wohl ein Verfahren gemäß § 20 RL-BA 1977 eingeleitet, den verfahrenseinleitenden Antrag jedoch zulässigerweise wieder zurückgezogen. Sie sei nicht Mitglied der Rechtsanwaltskammer und daher an § 20 RL-BA 1977 nicht gebunden. § 20 RL-BA 1977 sei eine rechtswidrige Verordnung ohne gesetzliche Grundlage. Die Anrufung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer wäre unzumutbar. Eine Unzuständigkeitseinrede etwa im Hinblick auf § 31 RL-BA 1977 (wonach Streitigkeiten aus einem Gesellschaftsverhältnis unter Anwälten ausschließlich von einem Schiedsgericht zu entscheiden wären) sei nicht rechtzeitig erhoben worden. Die Parteien hätten auch „keine Vorkehrungen im Sinne des § 31 RL-BA 1977 getroffen“.
Nach Vortrag der Schriftsätze schränkte das Erstgericht in der Tagsatzung am 12.6.2015, ON 9, die Verhandlung gemäß § 189 ZPO auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ein.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Beklagten ab, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, und den Antrag zurück, die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen. Die Kosten der vorbereitenden Tagsatzung erklärte es zu weiteren Verfahrenskosten. Es vertrat zusammengefasst die Auffassung, § 20 RL-BA 1977 (unter Art III „Das Mitglied der Rechtsanwaltskammer und sein Stand“) bestimme, dass ein Mitglied einer Rechtsanwaltskammer im Fall eines persönlichen Streites aus der Berufsausübung mit einem anderen Mitglied einer Rechtsanwaltskammer den Ausschuss seiner Rechtsanwaltskammer um Vermittlung anzurufen habe. Nach § 31 RL-BA 1977 (unter Art IV „Die Rechtsanwaltspartnerschaft und andere berufliche Zusammenschlüsse“) habe der Rechtsanwalt vorzukehren, dass Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis ausschließlich vor einem Schiedsgericht entschieden würden, welches aus drei Rechtsanwälten bestehe. Nach der höchstgerichtlichen Judikatur sei eine Schlichtungsstelle lediglich dazu berufen, vor Anrufung des Gerichtes einen Rechtsstreit durch Herbeiführung einer Einigung zwischen den Streitteilen zu vermeiden, während das Schiedsgericht die Sache anstelle des staatlichen Gerichtes zu entscheiden habe. Die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes begründe daher das Prozesshindernis der sachlichen Unzuständigkeit; eine obligatorische Schlichtungsklausel führe hingegen zur Abweisung des Klagebegehrens mangels Klagbarkeit (RIS-Justiz RS0045292). § 20 RL-BA 1977 sei als obligatorische Schlichtungsklausel im genannten Sinne zu verstehen. Da hier jedoch keine persönliche Streitigkeit eines Rechtsanwaltskammermitgliedes aus der Berufsausübung mit einem anderen Mitglied einer Rechtsanwaltskammer vorliege, sondern ein bloßer Regressanspruch geltend gemacht werde, sei § 20 RL-BA 1977 nicht anwendbar. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges sei daher abzuweisen. Die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes wäre von den Beklagten bereits im Einspruch zu erheben gewesen; da dies unterblieben wäre, sei diese mangels Rechtzeitigkeit zurückzuweisen. Abgrenzbare Kosten eines Zwischenstreites lägen nicht vor.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, auf Abänderung dahin, dass die Klage „ab- bzw zurückgewiesen“ werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Welche „erheblichen Verfahrensfehler“ das Erstgericht begangen haben soll, wird im Rekurs nicht ausgeführt. Nicht erkennbar ist, warum eine Unzuständigkeitseinrede, welche substanziiert erst nach Erstattung eines Einspruches, eines vorbereitenden Schriftsatzes und mündlichen Vorbringens erhoben wurde, rechtzeitig sein soll. Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass schon mangels Entscheidungsbefugnis nicht erkennbar ist, wie das Schlichtungsgremium ein Schiedsgericht im Sinne des § 587 ZPO darstellen würde (§ 581 Abs 1 ZPO; Csoklich in Csoklich/Scheuba , Standesrecht der Anwälte² [2014] 97).
Die Rekurswerber vertreten im Übrigen zusammengefasst den Rechtsstandpunkt, § 20 RL-BA 1977 sei zwar eine obligatorische Schlichtungsklausel, die Beurteilung des Erstgerichtes, hier liege keine persönliche Streitigkeit vor, sondern ein nicht § 20 RL-BA 1977 unterliegender Regressanspruch, sei jedoch unrichtig.
Dazu ist auszuführen, dass die gemäß § 28 RAO dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer obliegende Aufgabe, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Kammermitgliedern im Rahmen ihrer Berufsausübung zu vermitteln, im Zusammenhalt mit § 37 RAO die Grundlage darstellt, dass der Österreichische Rechtsanwaltskammertag Richtlinien zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erlassen darf. Bei diesen RL-BA 1977 handelt es sich um Verordnungen (RIS-Justiz RS0107099; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 [2014] § 37 RAO Rz 1 f mwN).
§ 20 RL-BA 1977 sieht vor, dass der Rechtsanwalt im Falle eines persönlichen Streites aus der Berufsausübung mit einem anderen Rechtsanwalt den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer um Vermittlung anzurufen hat. Eine Verletzung dieser - verfassungsrechtlich unbedenklichen (VfSlg 13.525/1993) - Vorschrift ist ein Verstoß gegen Ehre und Ansehen des Standes (OBDK 9.11.1992, 13 Bkd 2/92, AnwBl 1993/4389; Csoklich aaO). Weder der Rechtsgrundlage der Verordnung (§ 37 RAO) noch dieser selbst ist aber zu entnehmen, dass damit eine zivilprozessuale Regelung dahin getroffen werden dürfte oder sollte, dass die vorhergehende Anrufung des Ausschusses eine Prozessvoraussetzung wäre ( Csoklich aaO). Als bloße Schlichtungsklausel betrachtet könnte die Nichteinhaltung des § 20 RL-BA 1977 im Übrigen - wie schon das Erstgericht erkannte - allenfalls nur einen zur Klagsabweisung führenden Mangel der Klagbarkeit bzw Fälligkeit des Anspruches begründen (vgl Rechberger/Melis in Rechberger 4 § 581 ZPO Rz 13 mwN), was hier nicht zu beurteilen war.
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf §§ 50, 41 ZPO; insofern liegen abgrenzbare Kosten eines Zwischenstreites vor ( Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 296 mwN), in dem die Beklagten unterlagen. Der richtige Ansatz nach TP 3B beträgt EUR 926,60.
Der weitere Rechtszug ist zufolge § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ausgeschlossen.