JudikaturOLG Wien

34R89/15f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
10. September 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 271721 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 27.1.2015, WM 133/2013-3, in nicht öffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beruft sich auf ihre internationale Wortmarke IR 914216 (Priorität vom 31.10.2006):

EIN LÄCHELN SCHENKEN

und die (unter anderem) für sie eingetragenen Waren der Klassen

9 Appareils et instruments scientifiques, photographiques, cinématographiques et d’enseignement; appareils pour l’enregistrement, la transmission, la reproduction du son ou des images; supports de données en tout genre avec et sans données; distributeurs automatiques et mécanismes pour appareils à prépaiement; équipement pour le traitement de l’information, les ordinateurs et logiciel;

[Wissenschaftliche, fotografische, Film- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Datenträger aller Arten mit und ohne Daten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Computer und Software]

16 Papier, carton et produits en ces matières (compris dans cette classe); produits d’imprimerie, en particulier calendriers, livres, cartes postales; articles pour reliures; photographies; papeterie; adhésifs (matières collantes) pour la papeterie ou le ménage; machines à écrire et articles de bureau (à l’exception des meubles); matériel d’instruction ou d’enseignement (à l’exception des appareils); matières plastiques pour l’emballage (comprises dans cette classe).

[Buchbindeartikel, Papier- und Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in dieser Klasse enthalten]

Sie widersprach der Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 271721 (Anmeldedatum 21.11.2012):

die für die Waren und Dienstleistungen der Klassen

8 Essbestecke;

16 Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, so weit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Zeitungen und Zeitschriften; Kalender; Schreibwaren ; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

21 Kochgeschirr; Küchengeräte; Küchengefäße; Tafelgeschirr; Trinkgefäße;

24 Textilhandtücher; Textilservietten;

25 Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen;

28 Spiele;

41 Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet;

eingetragen wurde. Die angegriffene Marke sei wegen der Warenähnlichkeit und überwiegenden -identität zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke geeignet.

Das Patentamt gab dem Widerspruch in Bezug auf die Waren der Klasse 16 „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, so weit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Schreibwaren“ (oben fett hervorgehoben) unbekämpft Folge und wies ihn im restlichen Umfang zur Gänze ab. Begründend wurde ausgeführt, dass sich zwischen den Waren der Klasse 9 der Antragsstellerin und den verbleibenden angefochtenen Waren und Dienstleistungen keine Ähnlichkeit finde, weil sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Verwendungsweise, in ihrer Beschaffenheit und Herstellung sowie in ihren Herstellungs- und Verkaufsstellen völlig gegensätzlicher Natur seien. Nur in Bezug auf die Waren der Klasse 16 „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, so weit sie nicht nicht in anderen Klassen enthalten seien“, gebe es mit dem Widerspruchswaren „Papeterie“ (= „Papier- und Schreibwaren“) eine Warenähnlichkeit; für Schreibwaren eine -identät. Nur in Bezug auf diese Waren bestehe wegen der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit der Zeichen eine Verwechslungsgefahr. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke die ältere Wortfolge „Ein Lächeln schenken“ in kaum erkennbar leicht abgewandelter Form als „Ich schenke dir ein Lächeln“ übernommen habe und im Gesamteindruck die Wortfolge im Vergleich zur grafischen Ausgestaltung eine untergeordnete Rolle spiele.

Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die angegriffene Marke zur Gänze zu löschen.

Die Antragsgegnerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97 – Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

1.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P – Yorma’s [Rn 43]; EuG T 599/10 – Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i und 4 Ob 228/14d; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz²§ 10 Rz 51 ff mwN).

1.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (C 39/97 – Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – Firn ; 17 Ob 36/08f – Kobra/cobra-couture.at ; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

1.4 Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; C 251/95 – Sabel/Puma; C 206/04 – Muelhens). Dabei ist jedoch immer der Gesamteindruck maßgebend; entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210 – Hotel Harmonie/Harmony Hotels).

1.5 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).

1.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – Go ; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack Jones; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [T20]; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04 – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax) .

1.7 Bereits aus älteren Entscheidungen des OGH ergibt sich, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) ein abweichender Begriffsinhalt trotz Ähnlichkeit im Wortbild oder Wortklang die Verwechselbarkeit ausschließen kann (4 Ob 30/89 mwN; RIS-Justiz RS0079571 [T17, T18]; vgl zuletzt vgl 4 Ob 228/14d). Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ können. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (C 361/04 P – Picaro/Picasso; C 206/04 P – Mühlens; C 16/06 P – Mobilix/Obelix; weitere Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 928, und bei Onken in Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht [Stand 1.12.2014] § 8 Rz 22; vgl auch BGH I ZR 102/07, GRUR 2010, 235 – AIDA/AIDU, mwN zur deutschen Rsp).

1.8 Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

2. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so hat das Patentamt zutreffend die Verwechslungsgefahr in Bezug auf die in Rekurs gezogenen Waren- und Dienstleistungsklassen verneint. Das Rekursgericht hält die diesbezügliche Begründung der angefochtenen Entscheidung im Wesentlich für zutreffend, sodass vorweg auf diese verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 2 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

Im konkreten Fall stehen einander folgende Waren- und Dienstleistungen gegenüber:

2.1 Die Antragstellerin moniert, dass die weiterhin geschützten Waren der Antragsgegnerin der Klasse 16 „Druckereierzeugnisse; Zeitungen und Zeitschriften; Kalender“ mit ihren in den Klassen 9 und 16 ähnlich seien. Insbesondere seien sie zu „Buchbindeartikeln, Papier- und Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren“ komplementär und würden über dieselben Kanäle vertrieben. Da Druckereierzeugnisse häufig zusammen mit elektronischen Datenträgern verkauft würden, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Verkehr solche Produkte dem selben Unternehmen zuordne.

Gleiches gelte für die Dienstleistungen „Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet“ (Klasse 41).

Da die angefochtene Marke für „Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“ geschützt sei, die Widerspruchsmarke für „Unterrichtsapparate“, dienten beide Produkte der Verwendung im Unterricht, um den Lehrstoff für Schüler und Studenten anschaulicher zu gestalten.

„Spiele“ würden häufig in den selben Geschäften verkauft, wie „Papier- und Schreibwaren“. Sie hätten außerdem eine Ähnlichkeit mit „Unterrichtsmitteln“ und richteten sich an die selben Verkehrskreise.

Da „Essbestecke; Kochgeschirr; Küchengeräte; Küchengefäße; Tafelgeschirr; Trinkgefäße; Textilhandtücher; Textilservietten“ zum Kochen benötigt würden und Kochen ein Teil des Unterrichts in vielen Schultypen sei, bestehe auch hier eine Ähnlichkeit.

In Summe sei daher in Bezug auf alle angegriffenen Waren und Dienstleistungen eine Ähnlichkeit gegeben, sodass die hochgradige Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründe.

2.2 Die Argumentation der Antragsstellerin in Bezug auf die Ähnlichkeit der der Antragsgegnerin verbliebenen Waren- und Dienstleistungsklassen überzeugt das Rekursgericht nicht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH muss die Nähe zwischen den fraglichen Waren/Dienstleistungen geeignet sein, bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung hervorzurufen, dass die Waren/Dienstleistungen, wenn sie mit dem gleichen oder einem ähnlichem Zeichen versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 102 ff mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen (vgl Punkt 1.1), die das Verhältnis zwischen den Waren und der Dienstleistung kennzeichnen. Dabei ist auf die Verkehrsauffassung nach den berechtigten Verbrauchererwartungen abzustellen. Für die Prüfung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist vor allem der Registerstand maßgeblich (vgl 4 Ob 225/03x – Lumina, 4 Ob 180/02d – Opus One). Des weiteren ist für die Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses grundsätzlich auf die Verhältnisse im Prioritätszeitpunkt abzustellen. Die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verwendeten Gattungsbezeichnungen sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen. Die im Nizzaer Abkommen festgelegte Klassifikation der Waren und Dienstleistungen dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Es ist nicht entscheidend, ob die Waren und Dienstleistungen jeweils in der selben Klasse aufscheinen (Om 3/09 – Arccos/Archos).

Einander ergänzende Waren sind solche, zwischen denen ein enger Zusammenhang besteht, weil die eine Ware für die Verwendung der anderen Ware unverzichtbar oder bedeutsam ist, sodass der Verbraucher annehmen könnte, die Herstellung beider Waren liege in der Verantwortung desselben Unternehmens (funktionelle Komplementarität). Von einer Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn trotz der Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren und Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist.

2.3 Ausgehend davon sind die der angegriffenen Marke verbliebenen Waren und Dienstleistungen mit jenen der Widerspruchsmarke weder in der Art, der Beschaffenheit, dem Verwendungszweck und der Nutzung noch im Vertriebsweg ähnlich, weil keine ausreichende Nahebeziehung zwischen den zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen geschaffen wird. Nicht nachvollzogen werden kann, dass „Druckereierzeugnisse; Zeitungen und Zeitschriften; Kalender“ zu „Buchbindeartikeln, Papier- und Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren“ komplementär wären. Der Verwendungszweck und die -art ist gravierend unterschiedlich, weil erstere bereits drucktechnisch bearbeitetes Material enthalten. Eine Gleichartigkeit ist somit schon in Anbetracht des Herstellungsvorgangs zu verneinen (vgl 4 Ob 180/99w). Dass diese Waren mitunter in den selben Geschäften/Kaufhäusern verkauft werden, ist nicht aussagekräftig, weil der Verbraucher gewohnt ist, diesen Waren nicht automatisch dieselbe Herkunft zuzuschreiben (vgl C 104/05 P – Emidio Tucci/Emilio Pucci).

Ähnliches gilt in Bezug auf „elektronische Datenträger“ (Klasse 9) zu „Druckereierzeugnissen“ und zu den angegriffenen Dienstleitungen der Klasse 41. Die Waren der Klasse 9 der Antragsstellerin enthält nach der Nizzaer Klassifikation vor allem Apparate, Instrumente sowie Software. Hingegen zielen die Dienstleistungen der Antragsgegnerin in der Klasse 41 auf solche ab, die der Unterhaltung dienen oder die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen sollen. Ein enger (bedeutsamer/unverzichtbarer) Zusammenhang kann der Verbraucher nicht herstellen.

„Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“ sind zu „Unterrichtsapparate“ in ihrer Herstellung und in ihrer Beschaffenheit sowie auch im Vertriebsweg und bei den Verkaufsstellen von gegensätzlicher Natur. Der Verwendungszweck allein stellt keinen so engen Zusammenhang her, dass die maßgeblichen Verkehrskreise (Schüler, Eltern, Lehrer) diese Waren miteinander als von einem Unternehmen stammend in Verbindung bringen könnten.

Die Argumente der Antragsstellerin in Bezug auf die Waren der Klassen 21 und 24 sind konstruiert; darin kann keine (Waren-)Ähnlichkeit zu „Unterrichtsapparate“ gesehen werden. Argumente zur Klasse 25 sind im Rekurs nicht enthalten.

Wenn die Antragsstellerin von „elektronischen Datenträgern“ spricht und mit „Druckereierzeugnissen“ einen gemeinsamen Vertriebsweg sieht, so ist zum Einen darauf zu verweisen, dass die Waren der Widerspruchsmarke in der Klasse 9 korrekt „Datenträger aller Art mit und ohne Daten“ lauten und nicht „elektronische Datenträger“. Zum anderen ist die Identität der Verkaufsstelle – wie oben dargelegt – kein aussagekräftiger Gesichtspunkt. Dies gilt auch in Bezug auf „Spiele“.

2.4 Im Hinblick darauf, dass keine Warenähnlichkeit gegeben ist, schadet die Zeichenähnlichkeit nicht und es ist daher in Bezug auf die verbleibenden Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr gegeben.

Im Ergebnis bedarf daher die Entscheidung des Patentamts keiner Korrektur.

3. Da die Entscheidung keine bisher von der Rechtsprechung unbeantworteten Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufweist und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Rückverweise