34R71/15h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat ***** wegen Löschung des österreichischen Teils der Marke [...] über die Berufung der Antragstellerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 5.8.2014, Nm 29/2012 9,10, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
1. Die Antragstellerin ist seit 22.5.2007 (Anmeldedatum) Inhaberin der Wortmarke [...]. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortbildmarke [...], geschützt für Waren der Klassen 17 und 19 „Dichtungsbänder aus Polyurethan mit einem Asphalt-Bitumen“; „Bandes de matage (polyuréthanne avec un asphalte-bitume)“.
2. Mit dem Vorbringen, weder die Antragsgegnerin noch eine frühere Rechteinhaberin noch Lizenznehmer benutzten die Marke in den letzten fünf Jahren in Österreich, beantragte die Antragstellerin (einlangend am 18.5.2012) die Löschung der Marke nach § 33a MSchG. Sie selbst (die Antragstellerin) benutze die Marke „[...]“ seit 1963 für Dichtungsbänder und Dichtungslösungen.
3. Dem erwiderte die Antragsgegnerin, sie habe die Marke im September 2009 erworben. Die T***** GmbH [...], die – wie auch die Antragsgegnerin – Konzern(enkel)tochter der R***** Inc. sei, benutze die Marke mit Zustimmung der Antragsgegnerin zumindest seit September 2009 rechtserhaltend. Der Unternehmenszweck der Antragsgegnerin sei es, gewerbliche Schutzrechte zu halten, damit die übrigen europäischen Konzerngesellschaften sie benutzen können. Die Zustimmung sei im August oder September 2009 telefonisch erteilt worden.
Die T***** GmbH bewerbe Dichtungsbänder unter der Wortbildmarke und vertreibe sie in und aus Österreich an in- und ausländische Abnehmer. Sie verwende dabei elektronische Datenblattkopien, die die Wortbildmarke aufwiesen. Das Zeichen finde sich im Fließtext von Rechnungen der T***** GmbH sowie auf den Verpackungen der Dichtungsbänder. Die T***** GmbH erziele mit den unter der Marke vertriebenen Produkten Umsätze von EUR 38.595,44 (2010), EUR 99.040,65 (2011) und EUR 62.265,16 (1.1. bis 18.5.2012).
4. Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag ab. Dazu stellte sie den folgenden – in der Entscheidung ab Seite 4 (mit der Beweiswürdigung verwoben) wiedergegebenen – Sachverhalt fest:
4.1 Die Marke der Antragsgegnerin wurde in Österreich von der T***** GmbH, einem Tochterunternehmen der T***** International GmbH, verwendet; die T***** International GmbH ist ein Schwesterunternehmen der Antragsgegnerin innerhalb der R***** Group. Konzernstrategie der R***** Group war es, sämtliche Marken, die die einzelnen Konzernunternehmen verwenden, im Besitz der Antragsgegnerin zu lassen. AA als Geschäftsführer auch der T***** GmbH vereinbarte mit dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin, BB, dass diese die Marke kaufen werde. BB informierte AA sodann über den Kauf der Marke und dass die Marke verwendet werden könne. Davon informierte AA seine Mitarbeiter.
Die Antragsgegnerin (ihr Geschäftsführer BB) erteilte mündlich die Zustimmung, dass die T***** GmbH die Marke verwendet [die Formulierung „... kann davon ausgegangen werden, dass ...“, die die Nichtigkeitsabteilung verwendete, versteht das Berufungsgericht als Feststellung].
Die T***** GmbH lieferte Fugendichtbänder in verschiedene Länder vor allem des ehemaligen Ostblocks, wie Ungarn oder Kroatien, und in die Schweiz, hatte aber auch einen Geschäftspartner in Österreich, die I***** GmbH [...].
Aus den vorgelegten Rechnungen ergeben sich für den relevanten Zeitraum Lieferungen an die I***** GmbH im Wert von über EUR 120.000,-- sowie Lieferungen ins europäische Ausland in Höhe von über EUR 70.000,--.
Auf den Rechnungen ins europäische Ausland scheint die Marke [...] in der Artikelbezeichnung auf. Auf den Rechnungen, die an die Firma I***** GmbH gestellt wurden, scheinen nur die Artikelnummer und die Bezeichnung „Fugendichtband BG 1“ und „Fugendichtband BG 2“ auf. Diese Rechnungen wurden auf Wunsch der I***** GmbH so ausgestellt.
Auf den gelieferten Fugendichtbändern scheint keine Marke auf; die Bezeichnungen „BG 1“ und „BG 2“ geben die Breite des Bandes wieder.
Die Fugendichtbänder wurden in Deutschland hergestellt und dort in Kartons verpackt, die mit einer Etikette versehen wurden, die die Aufschrift „Komprimiertes Fugendichtband“, technische Details und die Marke „[...]“ trägt. [...]
4.2 Rechtlich erwog die Nichtigkeitsabteilung – kurz zusammengefasst (§ 500a ZPO) –, dass die Antragsgegnerin durch die Zustimmung zur Verwendung der Marke durch die dem selben Konzern angehörende T***** GmbH die Marke im maßgeblichen Zeitraum (18.5.2007 bis 18.5.2012) rechtserhaltend benutzt habe. Die festgestellten Benutzungshandlungen der T***** GmbH reichten aus.
5. Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, die unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Sie beantragt die Änderung der Entscheidung und die Marke für das Gebiet der Republik Österreich für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrag berechtigt.
6. Zu den Tatrügen: [...]
Das Berufungsgericht übernimmt daher im wesentlichen Punkt (Zustimmung der Antragsgegnerin zur Markenbenutzung durch die T***** GmbH) die Feststellung der Nichtigkeitsabteilung.
7. Zur Rechtsrüge:
7.1 Da die Antragsgegnerin der Benutzung der Marke zugestimmt hat, ist der Tatbestand „mit dessen Zustimmung durch einen Dritten“ erfüllt. Die Nichtigkeitsabteilung ist nicht – wie die Antragstellerin in Punkt B.1. der Berufung aber vorträgt – davon ausgegangen, dass die Benutzung der Marke durch ein anderes Unternehmen im Konzern „automatisch“ der Markeninhaberin zuzurechnen sei.
Zwischen Zustimmung und Duldung unterschied die Nichtigkeitsabteilung sehr wohl schlicht dadurch, dass sie eine Zustimmung feststellte (s. oben Punkt 4.1).
7.2 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist zu prüfen, ob die T***** GmbH die Marke in Österreich ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt. Die Nichtigkeitsabteilung hat zwei getrennt zu beurteilende Benutzungshandlungen festgestellt (ohne sie allerdings rechtlich voneinander gesondert zu würdigen, s dazu unten Punkt 7.2.b).
7.2.a) Zum Einen lieferte die T***** GmbH die Bänder, die in Deutschland hergestellt werden, in die Schweiz und in Länder des ehemaligen Ostblocks, wobei die Ware je nach den geografischen Erfordernissen auf dem Landweg über österreichisches Staatsgebiet transportiert wird. Die T***** GmbH stellt den Empfängern darüber Rechnungen aus.
Darin ist keine für § 33a MSchG relevante Benutzung der Marke in Österreich zu sehen, denn allein durch die Beförderung durch Österreich tritt die Verwendung der Marke nicht in kennzeichnende Erscheinung (17 Ob 1/11p mwN; Mayer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10a Rz 16; Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 248; auch BGH I ZR 91/13, Rz 26). Dass die T***** GmbH in Österreich Rechnungen über diese Warenlieferungen ausstellt, ändert daran nichts, denn diese Rechnungen richten sich an Adressaten außerhalb Österreichs und bleiben beim Aussteller im unternehmensinternen Bereich.
Der Inhalt dieser (an Adressaten außerhalb Österreichs gerichteter) Rechnungen spielt bei der im Folgenden beschriebenen zweiten – und getrennt zu beurteilenden – Sachverhaltskonstellation keine Rolle.
7.2.b) Zum Zweiten lieferte die T***** GmbH die Bänder auch an ein Unternehmen in Österreich, nämlich die I***** GmbH mit Sitz in [...]. Die Bänder sind nicht gekennzeichnet; nur auf den Verpackungskartons findet sich neben der Aufschrift „Komprimiertes Fugendichtband“ und neben technischen Angaben die Wortbildmarke. In den Rechnungen an die I***** GmbH verwendet die T***** GmbH das Wort „[...]“ nicht.
Geschuldet der verschiedenen Zielsetzung und mit Blick auf die in § 33a MSchG (und auch in § 26 Abs 1 dMarkenG sowie in Art 15 Abs 1 GMV) geforderte „Ernsthaftigkeit“ der Benutzung sind an die rechtserhaltende Benutzung nicht die selben Maßstäbe anzulegen wie an eine rechtsverletzende ( Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 33a Rz 14; Ströbele/Hacker, Markengesetz 11 § 26 Rz 21; Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 26 Rz 29 ff; Spuhler in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Markenrecht 3 § 26 Rz 28). Nicht jede Benutzungshandlung, die als Eingriff eines Unbefugten zu werten ist, wäre auch schon als ausreichende ernsthafte Benutzung durch den Befugten anzusehen. Deshalb sind Entscheidungen, denen ein Markeneingriff zugrunde liegt (wie zum Beispiel in RIS Justiz RS0119404), nicht unmittelbar auf die hier zu beurteilende Frage umzulegen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH, der auch der OGH folgt (17 Ob 26/09m, Oscar ), wird eine Marke, die allein zum Zweck der Wahrung der Rechte benutzt wird, nicht ernsthaft benutzt. Die Benutzung muss – der Hauptfunktion der Marke entsprechend – dem Verbraucher oder Abnehmer die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung garantieren und ihm ermöglichen, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen mit einer anderen Herkunft zu unterscheiden. Die Benutzung muss darüber hinaus auf dem Markt und nicht nur innerhalb des Unternehmens erfolgen, denn anders würde der Zweck der Marke nicht erfüllt, den Waren und Dienstleistungen gegenüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern.
Dieses Ernsthaftigkeitskriterium ist mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Festgeschriebene oder von der Rechtsprechung vorgegebene Mindesterfordernisse in quantitativer Hinsicht (Umsatzzahlen, Dauer) gibt es nicht ( Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 33a Rz 37 ff).
In C 40/01, Minimax, und in C 259/02, Laboratoire de la mer, hat der EuGH diese Einzelfallbezogenheit betont. Die dort betroffenen Sachverhalte sind mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar, sodass nur auf die – oben bereits wiedergegebenen – allgemeinen Ausführungen des EuGH zu verweisen ist. Der Entscheidung C 259/02 ist auch zu entnehmen, dass bei der Beurteilung außerhalb des fraglichen 5 Jahres-Zeitraums liegende Ereignisse berücksichtigt werden dürfen.
Ausgehend vom – oben in Punkt 4.1 aus der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung exzerpierten von der Nichtigkeitsabteilung festgestellten – Sachverhalt kommt das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass erhebliche Tatsachen in erster Instanz nicht erörtert wurden (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO), nämlich jener Aspekt im Verkehr der T***** GmbH mit ihrer einzigen Abnehmerin in Österreich, der I***** GmbH, den die Antragstellerin in der Berufung auf Seite 12 beleuchtet: Obwohl die T***** GmbH seit 2009 die Erlaubnis habe, die Marke zu benutzen, habe sie das Zeichen erst ab 2011 auf den Verpackungen verwendet (wofür es auch das Beweisergebnis der Aussage des Zeugen [...] gibt). Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, dass nicht eine ernsthafte Benutzung während des ganzen neuralgischen Zeitraums nötig ist, sondern es richtet den Fokus auf einen anderen Aspekt:
Von einer ernsthaften Benutzung als Marke (das heißt als Herkunftshinweis) könnte jedenfalls nicht ausgegangen werden, wenn die Belieferung ein und desselben (langjährigen) Kunden mit identen Produkten von der später einsetzenden Verwendung eines Zeichens in Wahrheit gar nicht beeinflusst wird. In diesem Fall würde das Zeichen – weil beim Abnehmer nicht mit einem darauf gerichteten Informationsgehalt versehen – nicht als Herkunftshinweis verwendet, sondern die Verwendung hätte nur den Zweck, das Recht an der Marke zu erhalten, sodass ein rein rechtserhaltender Scheingebrauch vorläge.
Die allein verbleibende Tatsache, dass auf die Verpackungskartons Etiketten geklebt sind, die auch die Wortbildmarke zeigen, könnte in diesem Fall eine „ernsthafte Benutzung“ nicht begründen.
Da die Nichtigkeitsabteilung auch die oben unter Punkt 7.2.a) erörterte Zeichenverwendung gesamthaft mit der Belieferung der einzigen Abnehmerin in Österreich (I***** GmbH) würdigte und zwischen diesen beiden Sachverhaltskomponenten nicht unterschied, blieb das erwähnte Sachverhaltselement unerörtert, wonach allein die Verwendung der Wortbildmarke auf Verpackungskartons ohne sonstige Veränderung irgendeiner Modalität im Verhältnis mit dem Kunden, der bereits jahrelang idente unmarkierte Produkte abnahm, und zum Beispiel auch ohne Niederschlag der Marke in den Rechnungen an diesen Kunden, nicht als markenmäßige Benutzung beurteilt werden könnte.
8. Die Nichtigkeitsabteilung wird daher im fortgesetzten Verfahren diesen Aspekt mit den Parteien zu erörtern und sodann – getrennt von Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung – die entscheidungswesentlichen Feststellungen zu treffen haben.
Eine Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht kommt nicht in Betracht, weil der Umfang des Prozessstoffs und die Weiterungen des Verfahrens noch nicht abzusehen sind ( Kodek in Rechberger 4 § 496 ZPO Rz 6 mwN).
9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.