34R62/15k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Widersprüche gegen die Marken AT 272873 und AT 272874 über die Rekurse der Antragsgegnerin gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts vom 19.12.2014, WM 182/2013 7 (34 R 62/15k) und WM 183/2013 7 (34 R 63/15g), in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Rechtsmittelverfahren 34 R 62/15k und 34 R 63/15g werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist 34 R 62/15k.
Die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung werden abgewiesen.
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
Die Antragstellerin beruft sich auf ihre Wortmarke IR 784022 (Priorität vom 27.11.2001):
PARADIES ,
eingetragen für nachstehende Waren- und Dienstleistungen der Klassen
1 Chemical products for use in photography, in particular unexposed and sensitized films.
9 Exposed films, photographic apparatus, cameras, magnetic and optical data media, in particular compact disks; computer memories, electric recording media, apparatus for recording, copying and reading compact disks, sound, data and image recording, transmitting and reproducing apparatus; printers, scanners.
16 Paper, cardboard and goods made of these materials, included in this class; printed matter, photograph holders in the form of photo corners, photograph albums, adhesives for stationery or household purposes, periodicals for customers also sold on line; publishing products on line; note clips (for pictures).
20 Frames, picture frames.
38 Transmission of digital images or also of digital data.
40 Development of films, in particular of photographic films; development of digital images or of digital data.
und ihre Wortbildmarke IR 1121240 (Priorität vom 30.9.2011):
eingetragen für folgende Waren- und Dienstleistungen der Klassen:
1 Chemical preparations for use in photography, in particular light-sensitive and unexposed film; photographic paper.
9 Photographic, filming, optical and teaching apparatus and instruments; exposed film, cameras (photography), magnetic and optical data carriers, in particular CDs; computer memory devices, electric storage media, CD burners, apparatus for recording, transmitting and reproducing sound, data and images; printers, scanners; photovoltaic cells; special cases for photographic apparatus and instruments; cinematographic cameras; film cutting apparatus; digital picture frames; downloadable image files; electronically downloadable publications.
16 Paper, cardboard and goods made from these materials (not included in other classes); printed matter; bookbinding material; photographs; stationery; adhesives (glues) for stationery or household purposes; artists’ materials; teaching materials (except apparatus); adhesive corners (for photographs), photograph albums, adhesives (glues) for stationery or household purposes; magazines for customers, also sold online; photo-engravings; apparatus for mounting photographs; pictures; books; photo books; chromo-lithographic prints; greeting cards; graphic representations; graphic reproductions; paper and stationery; postcards.
20 Picture frames, picture holders, picture clips.
38 Telecommunications; providing access to computer programs in data networks; enabling access to databases; electronic transmission of digital images or data; providing access to information on the Internet.
40 Material treatment; development of film, in particular photographic film; development of digital images or data; processing of photographic slides or prints; phototypesetting; photographic prints; printing; producing photo-engravings; processing of cinematographic films; printing of textiles; bookbinding; lithographic printing; offset printing; gravure printing.
42 Scientific and technological services and research and design relating thereto; design and development of computer hardware and software; editing, formatting and transferring data to CD blanks (premastering); converting of computer programs and data (except physical changes); converting data or documents from physical to electronic media; development and design of digital image carries and digital artwork; transferring digital images or data to digital data carriers (premastering); providing or renting out electronic storage space (web space) on the Internet; graphic arts designing.
Sie widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 272873 (Anmeldedatum 19.10.2012):
PARADI ,
die für die nachstehenden Waren- und Dienstleistungen der Klassen
3 Parfümeriewaren, Seifen, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege;
9 Computersoftware ;
14 Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente;
16 Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse, Schreibwaren, Büroartikel (ausgenommen Möbel) , Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist;
18 Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute, Felle, Reise- und Handkoffer, Regenschirme, Sonnenschirme, Handtaschen;
20 Möbel, Spiegel, Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Horn, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen;
25 Bekleidungsstücke, Damen- und Herrenbekleidungsstücke, Kinderbekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Hundebekleidungsstücke;
27 Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (nicht aus textilem Material);
32 Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe für Getränke;
33 Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
35 Werbung; Durchführung von Veranstaltungen für Werbezwecke und für verkaufsfördernde Zwecke;
41 Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten;
eingetragen wurde, sowie der Wortbildmarke AT 272874
mit folgenden eingetragenen Waren und Dienstleistungen der Klassen
3 Parfümeriewaren, Seifen, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Antifaltencreme;
9 Computersoftware ;
14 Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente;
16 Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse, Schreibwaren, Büroartikel (ausgenommen Möbel) , Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist;
18 Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute, Felle, Reise- und Handkoffer, Regenschirme, Sonnenschirme, Handtaschen;
20 Möbel, Spiegel, Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Horn, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen;
25 Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
27 Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (nicht aus textilem Material);
32 Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe für Getränke;
33 Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
35 Werbung; Durchführung von Veranstaltungen für Werbezwecke und für verkaufsfördernde Zwecke;
41 Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten.
Die angegriffenen Marken seien auf Grund der Warenidentität und -ähnlichkeit zur Verwechslung mit den Widerspruchsmarken geeignet.
Das Patentamt gab den Widersprüchen teilweise Folge und hob die Registrierung der angegriffenen Marken in Bezug auf die Waren der Klassen
9 Computersoftware,
16 Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse, Schreibwaren, Büroartikel (ausgenommen Möbel)
20 Möbel, Spiegel, Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Horn, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen
auf (oben durch Fettdruck hervorgehoben).
Begründend wurde ausgeführt, dass diese Waren im Vergleich zu jenen der Widerspruchsmarken zum Teil ident und/oder ähnlich seien. Auch bei der angegriffenen Wortbildmarke liege die Aufmerksamkeit der Verkehrskreise allgemein auf dem Wortbeginn. Durch die identische Buchstabenfolge „Paradi“ werde der Unterschied in der Wortendung nicht wahrgenommen. Da die Verkehrskreise in der Regel dem Wortbestandteil eines Zeichens mehr Beachtung schenkten und dieser besser in Erinnerung bleibe, sei trotz der grafischen Ausgestaltung auf Grund der identischen Buchstabenfolge „Paradi“ mit den Widerspruchsmarken eine Ähnlichkeit festzustellen.
Auch klanglich seien die Widerspruchsmarken den angegriffenen Marken ähnlich, weil die Betonung auf der gleichen Silbe und/oder den gleichen Buchstaben liege. Zudem werde PARADI wie das französische Wort „Paradies“ ausgesprochen, welches wiederum die Assoziation mit dem Paradies nahe lege. Auf Grund der hohen klanglichen und schriftbildlichen Ähnlichkeiten können auch die begrifflichen Unterschiede nicht zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck der Vergleichsmarken führen.
In Bezug auf die verbliebenen Waren der Klasse 16 sowie der Waren und Dienstleistungen der anderen Klassen wurde der Antrag abgewiesen; weiters wurde die Einrede der mangelnden Benützung sowie der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung jeweils zurückgewiesen.
Gegen die stattgebenden Teile dieser Entscheidungen richten sich die Rekurse der Antragsgegnerin mit dem Antrag, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Widersprüche abzuweisen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragt, den Rekursen keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind nicht berechtigt.
1. Gemäß § 187 ZPO, gegen den heranzuziehen das Rekursgericht – auch trotz des Fehlens einer allgemeinen Verweisungsnorm im nach § 139 PatG iVm § 77c Abs 1 MSchG anzuwenden Außerstreitgesetz (AußStrG) – keine Bedenken hat (dogmatisch ist in Bezug auf § 12 Abs 2 AußStrG ein Größen- oder ein Analogieschluss zu ziehen; vgl RIS-Justiz RS0035344 [für das Insolvenzverfahren]), kann der Senat Verfahren verbinden, die zwischen den nämlichen Personen geführt werden, wenn dadurch zum Beispiel die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die verbundenen Verfahren können auch durch ein gemeinschaftliches Urteil entschieden werden (§ 404 Abs 2 ZPO). Die Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (vgl Schragel in Fasching/Konecny 2 § 187 ZPO Rz 2; RIS-Justiz RS0037216).
Die Voraussetzung der Verbindung zur gemeinschaftlichen Entscheidung erachtet das Rekursgericht – neben der evidenten Parteienidentität – schon allein dadurch als gegeben, weil die Entscheidung im gegebenen Fall durch ein Rechtsmittel bekämpft werden könnte.
2. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). § 37 Abs 3 MSchG idF BGBl I 2013/126 verweist auf § 139 PatG und damit auf dessen Einleitungssatz, der – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen – die sinngemäße Anwendung des AußStrG anordnet.
Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst bei Vorliegen eines Antrags ist eine solche nicht zwingend vorzunehmen (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG² § 52 Rz 1).
Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht und auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Da die Beurteilung der Verwechslungsgefahr in der Regel eine Rechtsfrage ist (vgl ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640), steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; 4 Ob 11/14t – EXPRESSGLASS; Dokalik in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 37 Rz 19).
3. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
3.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 30 Rz 5 f mwN).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C 39/97 – Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).
3.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB EuGH C 191/11 P – Yorma’s [Rn 43]; EuG T 599/10 – Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i und 4 Ob 228/14d; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz²§ 10 Rz 51 ff mwN).
3.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (EuGH C 39/97 – Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – Firn ; 17 Ob 36/08f – Kobra/cobra-couture.at ; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).
3.4 Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; EuGH C 251/95 – Sabel/Puma; C 206/04 – Muelhens). Dabei ist jedoch immer der Gesamteindruck maßgebend; entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210 – Hotel Harmonie/Harmony Hotels).
3.5 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).
3.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – Go ; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).
Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack Jones; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [T20]; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).
Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04 – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t – Peter Max/Spannmax) .
3.7 Bereits aus älteren Entscheidungen des OGH ergibt sich, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) ein abweichender Begriffsinhalt trotz Ähnlichkeit im Wortbild oder Wortklang die Verwechselbarkeit ausschließen kann (4 Ob 30/89 mwN; RIS-Justiz RS0079571 [T17, T18]; vgl zuletzt vgl 4 Ob 228/14d). Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren“ können. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (EuGH C 361/04 P- Picaro/Picasso; C 206/04 P – Mühlens; C 16/06 P – Mobilix/Obelix; weitere Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 928, und bei Onken in Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht [Stand 1.12.2014] § 8 Rz 22; vgl auch BGH I ZR 102/07, GRUR 2010, 235 – AIDA/AIDU, mwN zur deutschen Rsp).
3.8 Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).
4. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so hat das Patentamt zutreffend in Bezug auf die in Rekurs gezogenen Waren der Klassen 9, 16 und 20 die Verwechslungsgefahr bejaht. Das Rekursgericht hält die diesbezügliche Begründung der angefochtenen Entscheidungen im Wesentlichen für zutreffend, sodass vorweg auf diese verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).
Da die Rekurse der Antragsgegnerin textgleich sind, können sie inhaltlich in einem behandelt werden.
4.1 Soweit die Antragsgegnerin die Rechtsnatur der Entscheidungen des Patentamts in Frage stellt, ist sie nur auf die gesetzlichen Bestimmungen des MSchG zu verweisen, welche nicht nur die Entscheidungsform (das MSchG spricht bei der Rechtsabteilung von einem Beschluss), sondern auch den jeweiligen Instanzenzug regeln (vgl § 37 Abs 1 MSchG). Ebenso treffen die aufgeworfenen Formmängel nicht zu: Die jeweiligen Entscheidungen wurden vom ausgewiesenen Entscheidungsorgan im Original unterfertigt und die Ausfertigungen, die der Antragsgegnerin (und der Antragsstellerin) zugestellt wurden, entsprechen jedenfalls jener des (unterschriebenen) Originals (in Bezug auf Formerfordernisse des Inhalts einer Entscheidung siehe § 35 Abs 5 MSchG iVm § 123 PatG). § 78 GOG (gemeint wohl § 79 GOG) ist auf Verfahren vor dem Patentamt nicht anzuwenden. Die Basis für die Verwaltungstätigkeit des Patentamts bildet das PatG (und nicht das AVG). Daher wurden im MSchG grundsätzliche Verfahrensbestimmungen des PatG rezipiert ( Mutz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 35 Rz 12).
4.2 In Bezug auf das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlungen ist zum Einen darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin der Aufforderung zur Bezahlung einer Gebühr von EUR 219,-- für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen ist. Zum Anderen hat das Patentamt eine mündliche Verhandlung nicht für notwendig erachtet. Weil die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im konkreten Fall eine (reine) Rechtsfrage ist, bestehen dagegen keine Bedenken (vgl ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).
4.3 Soweit die Antragsgegnerin moniert, ihre ergänzende Stellungnahme vom 5.1.2015 sei in der Entscheidung nicht berücksichtigt worden, ist darauf hinzuweisen, dass diese nach der Beschlussfassung vom 19.12.2014 eingelangt ist. Da inhaltlich ohnedies nur bekannte Argumente – anders verpackt – und vor allem Rechtsausführungen vorgetragen wurden und zudem auf Grund des Rechtsmittels die rechtliche Beurteilung nach allen Richtungen zu prüfen ist (vgl RIS-Justiz RS0041581; vgl auch Klicka in Rechberger AußstrG² § 55 Rz 3) kann darin kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden.
4.4 Die Rechtsvertretung der Antragsstellerin hat sich im Widerspruchsformular MA 200 des Patentamts in beiden Verfahren auf die erteilte Vollmacht berufen. Warum kein rechtsgültige Verfahrenseinleitung vorliegen soll, ist für den Rekurssenat nicht erkennbar.
4.5 Die Antragsgegnerin kritisiert, das Patentamt habe keinen einzigen Beweisantrag durchgeführt. Dass sich Marken klanglich, optisch und von ihrer Bedeutung her unterscheiden und dass dies auch für die jeweils angesprochenen Konsumentengruppen deutlich wahrnehmbar sei, sei keine reine Rechtsfrage, sondern hänge sehr wohl auch von den Umständen tatsächlicher Natur ab, wie Begriffe ausgesprochen werden, wie sie beworben werden, womit sie bei der Präsentation verbunden werden.
Diesen Ausführung kann nur entgegengehalten werden, dass auch nach ständiger Spruchpraxis dieses Senats die Frage der Verwechslungsgefahr eine Rechtsfrage ist (RW0000786; vgl auch Nachweise zu Punkt 3.8)
4.6 Die Antragsgegnerin wiederholt inhaltsgleich ihre Einwendungen betreffend die Nichtbenutzung der Widerspruchsmarken wie schon im Verfahren vor dem Patentamt. Diesbezüglich kann daher auf die zutreffenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung hingewiesen werden.
Die Widerspruchsmarken sind beim HABM am 11.5.2009 (nachträgliche Benennung der EU von IR 784022) und am 28.5.2013 (IR 1121240) veröffentlicht und zuvor von der WIPO registriert worden. In beiden Fällen ist mit Stichtag vom 20.7.2013 die fünfjährige Benutzungsschonfrist (vgl Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 33a Rz 66 ff mwN) noch nicht abgelaufen; deswegen ist die Einrede der mangelnden Benützung unzulässig.
4.7 Nicht zu beanstanden ist die – nicht bekämpfte – Beurteilung der Warengleichheit und/oder -ähnlichkeit durch das Patentamt in Bezug auf die in der Entscheidung angeführten Waren und Dienstleistungen.
4.8 Die Ausführungen der Antragsgegnerin zur nicht gegebene Verwechslungsgefahr vermögen nicht zu überzeugen. Der Hauptaspekt im konkreten Fall liegt darin, dass die Widerspruchsmarken in den Wortbestandteilen, welche auch bei der Wortbildmarke im Gesamteindruck maßgebend bleiben, nahezu vollständig – bis auf die Endung „ES“ in den angegriffenen Marken aufgenommen wurden. Rein optisch fällt jedoch der Unterschied in der Endung „ES“ wegen der Identität der übrigen Buchstaben (des vorhergehenden Wortstamms) nicht ins Gewicht. Dabei kommt es nicht (allein) auf die Buchstabenhäufigkeit an. Denn das von der Antragsgegnerin genannte Beispiel „Parade“ kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dieses Wort einen klar unterschiedlichen Sinngehalt hat (vgl RIS-Justiz RS0079571 [T17, T18]; 4 Ob 228/14d).
Rein klanglich mag der Antragsgegnerin zuzugestehen sein, dass die dritte Silbe bei PARA DI kürzer ausgesprochen werden könnte, als bei PARA DIES . Doch ist beiden Zeichen gemeinsam, dass sie aus drei Silben (PA-RA-DI/PA-RA-DIES) bestehen und die Betonung jeweils auf der dritten Silbe liegt. Mit den identischen vorangegangen beiden Silben wird somit aber kein signifikanter Unterschied erzeugt, sodass keine klangliche Ähnlichkeit vorliegt.
Begrifflich kommt den angegriffenen Marken – im Gegensatz zu den Widerspruchsmarken (die im Hinblick auf die eingetragenen Waren und Dienstleistungen relative Phantasiebezeichnungen sind) – keine Bedeutung zu. Die weitschweifigen Ausführungen der Antragsgegnerin in Bezug auf allfällige Assoziationen der Verkehrskreise zu PARADI sind nicht zielführend, weil es um die Verwechslungsgefahr bezogen auf die Widerspruchsmarken geht und nicht um die (mögliche/fehlende) Unterscheidungskraft an sich (iS des § 4 Abs 3 MSchG).
Im Ergebnis ist in der anzustellenden Gesamtbetrachtung die Verwechslungsgefahr anzunehmen. Beim unvollkommenen Bild, das der Durchschnittsverbraucher im Gedächtnis behält, wird wegen der teilweisen Identität und/oder Ähnlichkeit der Waren- und/oder Dienstleistungen in Verbindung mit der durch die Aufnahme der Wortbestandteile „Paradi“ verbundenen bildlichen und klanglichen Ähnlichkeit eine Zuordnung oder gedankliche Verbindung von PARADI zu PARADIES hergestellt. Dass PARADIES begrifflich einen eindeutigen Sinngehalt hat, vermag diese Ähnlichkeiten keinesfalls zu „neutralisieren“, zumal im Gesamteindruck der begriffliche Unterschied kaum wahrnehmbar hervortritt.
Dies gilt auch – mangels Dominanz der bildlichen Elemente über den Wortanteil – in Bezug auf die Wortbildmarke der Antragsgegnerin.
5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.
6. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.