JudikaturOLG Wien

34R52/15i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 271602 über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 17.11.2014, WM 142/2013 2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beruft sich auf ihre Wortmarke CTM 4222105 (Priorität 8.2.2005):

FELIX ,

eingetragen für die Warenklassen

29 Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; überwiegend aus den in dieser Klasse enthaltenen Waren bestehende Fertiggerichte wie Suppen, Eintöpfe, Pasteten; keine der vorstehend genannten Waren mit oder bestehend aus Imbissgerichten wie Nüsse, Samen, getrocknetes Obst oder Kartoffelchips oder andere Imbissgerichten, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind;

und

30 Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; überwiegend aus den in dieser Klasse enthaltenen Waren bestehende Fertiggerichte; Pizzas; keine der vorstehend genannten Waren mit oder bestehend aus Imbissgerichten auf Getreidebasis.

Sie widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 271602 (Priorität 18.10.2012):

FELIX WEINSTOCK ,

deren Eintragung der Antragsgegner beantragt hatte und die für die Warenklassen

30 Essig; Senf; Chutneys (Würzmittel);

und

33 Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), nämlich Weinbrände und Obstbrände;

eingetragen ist.

Die angegriffene Marke sei aufgrund der Warenidentität und -ähnlichkeit zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke geeignet.

Das Patentamt gab dem Widerspruch teilweise statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marke in Bezug auf die Waren der Klasse 30 ( Essig; Senf; Chutneys [Würzmittel] ) auf. Begründend wurde ausgeführt, dass eine Identität der Waren „Essig“ und „Senf“ und eine Ähnlichkeit der Waren „Chutneys (Würzmittel)“ mit den Waren „Saucen (Würzmittel)“ gegeben seien. Daher sei die behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Waren „Saucen (Würzmittel), insbesondere Ketchup“ nicht zu prüfen. Zudem bestehe eine bildliche und klangliche Ähnlichkeit der Zeichen. Der Hauptbestandteil der Widerspruchsmarke sei vollständig in die angegriffenen Marken übernommen worden. Der in der angegriffene Marke nachgestellte Wortbestandteil „Weinstock“ trete gegenüber dem Personennamen „Felix“ in den Hintergrund. Die Verwechslungsgefahr sei daher zu bejahen.

In Bezug auf die Waren der Klasse 33 wurde der Antrag abgewiesen, weil keine Warenähnlichkeit vorliege.

Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den Widerspruch abzuweisen, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken zunächst laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind – zumindest während der Fünfjahresfrist des § 33a MSchG – ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C 39/97 – Cannon/Canon , Rn 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 , 117 mwN bei FN 108).

1.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB EuGH C 191/11 P – Yorma’s [Rn 43]; vgl auch EuG T 599/10 – Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).

1.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und den Bekanntheitsgrad auf dem Markt und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (EuGH C 39/97 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444; RIS-Justiz RS0121482; zuletzt 4 Ob 189/14v – Viva und 4 Ob 190/14s – McBerg).

Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – Firn ; 17 Ob 36/08f – Kobra/cobra-couture.at ; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

1.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden ; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y – Summer Splash ; RIS Justiz RS0078944; EuGH C 342/97 – Lloyd [Rn 26]).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

1.5 Zu berücksichtigen ist der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat.

1.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO ; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

Auch bei Wortzeichen muss für eine Verwechslungsgefahr eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02 – Kathreiner).

2. Nach diesen Grundsätze bejaht im Ergebnis auch das Rekursgericht die Verwechslungsgefahr für die Waren der Klasse 30 (Essig; Senf; Chutneys [Würzmittel]).

Nicht zu beanstanden ist die Beurteilung der Identität von „Essig“ und „Senf“ sowie der hochgradigen Ähnlichkeit von „Chutneys (Würzmittel)“ und „Saucen (Würzmittel)“, wobei den Ausführungen des Antragsgegners der Vollständigkeit halber entgegenzuhalten ist, dass es auf die Verwendung der Marke in Bezug auf die Produkte nicht ankommt (vgl Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 30 Rz 5 f mwN).

Der Widerspruchsmarke (FELIX) kommt zumindest eine normale Kennzeichnungskraft zu. Da die Widerspruchsmarke zur Gänze in die angegriffene Marke aufgenommen wird und somit rein aus diesem Aspekt kein (Zeichen-)Abstand erzeugt wird (vgl 4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; RIS-Justiz RS0079033), überzeugt die Grundargumentation des Antragsgegners nicht.

Das Hauptaugenmerk und die Konzentration des Verkehrskreises liegen bei der angegriffenen Marke für das oben dargelegte Warensegment in der Wahrnehmung von „Felix“ und nicht auf dem auch (aber nicht nur) als Zunamen verstehbaren Wort „Weinstock“. Die Verkehrskreise können dieses Wort auch als eine andere Ergänzung für FELIX verstehen und zur Assoziation veranlasst werden, die mit der angegriffenen Marke vertriebenen Waren der Klasse 30 stammten von der Antragsgegnerin und seien zur Spezifizierung mit einem an Weinbau erinnernden Zusatz verbunden; insbesondere die Assoziation von Essig (Weinessig) mit „Weinstock“ liegt nahe (vgl auch Om 4/11 – Leo / Leo Löwenzahn).

Auch in Kombination mit dem zweiten Wortbestandteil „Weinstock“ behält der Wortbestandteil „Felix“ seine markante Stellung und tritt im Gesamteindruck nicht in den Hintergrund. In visueller Hinsicht ist zwar das Wort „Weinstock“ fast doppelt so lang wie „Felix“, doch auch unter diesem Aspekt behält „Felix“ die selbständige kennzeichnende Stellung.

Im Ergebnis ist daher in der Gesamtbetrachtung die Verwechslungsgefahr anzunehmen.

3.1 Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

3.2 Da im Widerspruchsverfahren ein Kostenersatz nicht stattfindet und das Rekursgericht bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands frei ist, ist auf die Bewertung der Sache durch die Antragsgegnerin nicht weiter einzugehen.

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