34R56/15b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 258241 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.11.2014, WM 40/2010 5, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
1. Die Antragstellerin beruft sich auf ihre Wortmarke (Widerspruchsmarke) CTM 721118 (Priorität 13.1.1998):
BEYU ,
eingetragen für die Warenklassen
3 Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Damenkosmetika, Augenbrauenkosmetika, Augenbrauenstifte, kosmetische Badezusätze, kosmetische Hautcremes, künstliche Wimpern, künstliche Nägel, Nagellacke, Lippenstifte, Schönheitsmasken, kosmetische Schlankheitspräparate, Schminkpuder; Herrenkosmetika, insbesondere Rasierwässer, Rasiercremes, Hautcremes, Haarwässer, Haarwaschmittel, Haarfärbemittel;
9 Brillen, insbesondere optische Brillen, Sonnenbrillen, Brillenetuis, Brillenfassungen, Kontaktlinsen, soweit in Klasse 9 enthalten;
14 Schmuckwaren und Modeschmuck, insbesondere Amulette, Armbänder für Schmuckzwecke, Halsketten, Ohrringe, Ringe, Broschen sowie Etuis, Geldbörsen, soweit in Klasse 14 enthalten;
18 Lederwaren, Reise- und Handkoffer, Handtaschen, Geldbörsen aus Leder und Lederimitation, Kosmetikkoffer, Rucksäcke, alle diese Waren soweit in Klasse 18 enthalten.
Sie widersprach der Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 258241 (Priorität 28.5.2010):
deren Eintragung die Antragsgegnerin beantragt hatte und die für die Waren- und Dienstleistungsklassen
14 Juwelierwaren, Schmuckwaren, insbesondere Modeschmuck, Ketten und Perlen (Schmuckwaren);
35 Einzelhandels-, Großhandels-, Internethandels- und Katalogversandhandelsdienstleistung mit Schmuckwaren;
42 Dienstleistungen eines Schmuckdesigners;
eingetragen ist.
Die Antragstellerin bringt vor, zwischen den Marken und den angegebenen Waren und Dienstleistungen bestehe Verwechslungsgefahr.
2. Die Antragsgegnerin wandte ein, dass nur in Bezug auf die Waren der Klasse 14 eine Überschneidung bestehe und dass die Antragstellerin ihre Marke für diese Waren nicht benütze.
Auch die Benützung unterstellend fehle die Verwechslungsgefahr. Die Zeichen seien optisch völlig verschieden und hätten verschiedene Bedeutungen.
3. Mit Schriftsatz vom 6.6.2011 (einlangend) legte die Antragstellerin Unterlagen zur Bescheinigung der Benützung vor.
4. Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung des Patentamts den Widerspruch ab und verneinte die Verwechslungsgefahr. Die Frage der Benützung der Widerspruchsmarke ließ das Patentamt offen.
Für die Waren der Klassen 3, 9 und 18 der Widerspruchsmarke bestehe keine Korrespondenz bei den Waren der angegriffenen Marke. Nur für die Klasse 14 bestehe teilweise Identität, teilweise Ähnlichkeit, was sich auch auf die Dienstleistungen der Klasse 35 auswirke, nicht aber auf jene der Klasse 42.
Bildlich seien die Zeichen verschieden, klanglich ebenfalls, denn die angegriffene Marke werde wie das bekannte englische Wort „by“ mit einem nachfolgenden „U“ für „you“ ausgesprochen. Die Widerspruchsmarke habe keinen Sinn und sei auch nicht zwingend als englisches Wort erkennbar. Es würde eher mit einem „E“ als erste Silbe gesprochen: „beju“.
Begrifflich deute das „by“ in der angegriffenen Marke auf eine Urheberschaft hin („by“ = „von“), somit also in Kombination von „U“ = „you“ nach einem Doppelpunkt als „von dir“. Weder „be you“ (englisch) noch „bijoux“ (französisch) würden aus „BEYU“ herausgelesen.
Bei der Gesamtbetrachtung sei der Zusatz „INDIVIDUELLES SCHMUCKDESIGN“ in der angegriffenen Marke zu vernachlässigen, sodass die Hauptteile „BEYU“ und „BY:U“ gegenüberzustellen seien, wobei auch die optische Aufmachung der angegriffenen Marke zu berücksichtigen sei.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Patentamts zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
6. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
6.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 30 Rz 5 f mwN).
6.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (C 191/11 P – Yorma’s, Rn 43); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.
6.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und den Bekanntheitsgrad auf dem Markt und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).
So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97 – Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand.
6.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 94 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y – SUMMER SPLASH; ecolex 2003, 608 [Schanda] – MORE; RIS Justiz RS0078944; EuGH 22.6.1999 C 342/97 – Lloyd, Rn 26).
6.5 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039; RS0117324).
Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 – Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82 – AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106 – Sabel/Puma, Rn 23; 4 Ob 139/02y – SUMMER SPLASH; ecolex 2003, 608 [Schanda] – MORE; RIS-Justiz RS0117324; EuGH 6.10.2005, C 120/04 Slg 2005 I-08551 Rn 28 = GRUR 2005, 1042 = ÖBl 2006, 143 – Thomson life).
6.6 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner , Markenrecht 116). Verwechslungsgefahr besteht daher auch bei solchen Zeichen, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).
6.7 Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387 – car care; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 17 Ob 21/07y – Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t – EXPRESSGLASS). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w – Powerfood; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 4 Ob 38/06a – Shopping City).
7. Ausgehend von diesen Grundsätzen hält das Rekursgericht die – den Parteien bekannte und oben kurz umrissene – Begründung der angefochtenen Entscheidung für zutreffend (§ 60 AußStrG).
Das Rekursgericht billigt die Einschätzung des Patentamts, dass die Dienstleistungen der Klasse 42 (Dienstleistungen eines Schmuckdesigners), für die die angegriffene Marke auch eingetragen ist, keine ins Gewicht fallende Ähnlichkeit zu den Waren der Klasse 14 (Schmuckwaren und Modeschmuck, insbesondere Amulette, Armbänder für Schmuckzwecke, Halsketten, Ohrringe, Ringe, Broschen sowie Etuis, Geldbörsen, soweit in Klasse 14 enthalten) aufweist, denn das Gestalten („design“) von Schmuckgegenständen ist eine schöpferische (Dienst )Leistung, neben der der Handel mit den (so geschaffenen) Schmuckgegenständen als etwas Anderes erscheint.
Selbst wenn man – anders als das Patentamt – beide Zeichen der englischen Sprache zuordnen würde und davon ausginge, dass die Verkehrskreise auf beide Zeichen die Bedeutungs- und Ausspracheregeln der englischen Sprache anwenden, wäre die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Die Widerspruchsmarke würde diesfalls eher als „be you“ [biː ju] („sei du“), die angegriffene Marke hingegen – auch wegen des Doppelpunkts – als „by you“ [bai ju] („von dir“) verstanden und ausgesprochen. Mit dem „BY“ der angegriffene Marke könnte auch das Wort „to buy“ = „kaufen“ assoziiert werden, was noch weiter von der Widerspruchsmarke wegführen würde.
Die im Rekurs vorgestellten weiteren Möglichkeiten des Verständnisses und der Aussprache („könnten ... werden“) treten dagegen in den Hintergrund.
Unter Vernachlässigung des Bildelements der angegriffene Marke ergibt eine Gegenüberstellung der reinen Buchstaben-Satzzeichen-Kombination
BEYU | BY:U
das Fehlen einer Verwechslungsgefahr, die auch allein durch die gemeinsame Verwendung von drei Buchstaben nicht geschaffen wird.
Die Entscheidung des Patentamts bedarf keiner Korrektur.
8. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.