34R67/15w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Unwirksamerklärung der internationalen Marke ***** für das Gebiet der Republik Österreich über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 4.2.2015, Nm 63/2014 2, aus Anlass der Zurückziehung des Antrags auf Unwirksamerklärung in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Antragsrückziehung vom 17.4.2015 wird zur Kenntnis genommen.
Der angefochtene Beschluss wird für wirkungslos erklärt.
Text
Begründung
Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts gab dem Antrag auf Unwirksamerklärung statt. Gegen diese Entscheidung erhob die Antragsgegnerin die am 15.4.2015 zur Post gegebene Berufung, nachdem die erstinstanzliche Entscheidung am 13.2.2015 in Frankreich an eine nicht näher definierte Person mit internationalem Rückschein zugestellt worden war. Im Rahmen eines Zwischenverfahrens teilte die Nichtigkeitsabteilung der Antragsgegnerin mit, dass prima vista von einer Verspätung der Berufung auszugehen sei. In der Stellungnahme verwies die Antragsgegnerin darauf, dass die Entscheidung erster Instanz erst am 16.4.2015 in ihre Sphäre gelangt sei, zumal eine Mitarbeiterin der S***** am 13.4.2015 den erstinstanzlichen Beschluss in Empfang genommen habe: Die Berufung sei daher rechtzeitig.
Während des Berufungsverfahrens zog die Antragstellerin den Antrag mit dem am 22.4.2015 beim Patentamt und am 23.4.2015 (parallel) auch beim Oberlandesgericht Wien eingelangten Schriftsatz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Rechtlich folgt:
1. Zutreffend verweist die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 30.4.2015 (ON 5) darauf, dass nach Art 1 Abs 1 ZustellVO diese Regelung nicht auf verwaltungsrechtliche Angelegenheiten anzuwenden ist und es daher nach § 35 Abs 5 MSchG iVm § 85 PatG für Zustellungen des Patentamts ins Ausland bei der Anwendung der Vorschriften des ZustG zu bleiben hat. Da die Voraussetzungen und Wirkungen einer im Ausland vorzunehmenden Zustellung grundsätzlich nach dem im Zustellstaat geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen sind (RIS-Justiz RS0119937; RS0127642; Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 § 121 Rz 6 mwH), ist nicht zu beanstanden, dass die Nichtigkeitsabteilung aufgrund der genannten Stellungnahme erkennbar im Zweifel von der Rechtzeitigkeit der Berufung ausgegangen ist und daher sowohl Erhebungen in Frankreich nach § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 469 Abs 1 ZPO als auch die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag unterlassen hat.
Dies gilt auch deshalb, weil es mit einem dem Grundsatz des fair trial entsprechenden Verfahren unvereinbar ist, wenn der Empfänger – wie im vorliegenden Fall – das nicht in seiner Sprache abgefasste und auch nicht übersetzte verfahrenseinleitende Schriftstück unmittelbar durch die Post zugestellt erhält. Eine solche Zustellung ist unwirksam ( e contrario aus § 12 Abs 2 ZustG: RIS-Justiz RS0110261; RS0110260; Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 § 121 Rz 11; Stumvoll in Fasching/Konecny ² § 1 ZustG Rz 7).
Daher würde dieser Zustellmangel erst durch die Erhebung der Berufung geheilt, weswegen die Berufung auch nach Auffassung des Berufungsgerichts als rechtzeitig anzusehen ist.
2. Wenn im Rechtsmittelverfahren der Löschungsantrag vor der Entscheidung über das Rechtsmittel zurückgezogen wird, sind die sich aus § 483 Abs 3 ZPO für die Klagerücknahme ergebenden Grundsätze analog anzuwenden (Om 7/03 = PBl 2004, 88; Om 1/05 = PBl 2005, 75; Om 9/10; Om 7/11; Weiser, PatG 2 373). Nach Ansicht des Berufungssenats ist diese Rechtsprechung auch auf die vorliegende Rückziehung des Antrags auf Unwirksamerklärung anwendbar (siehe schon RIS-Justiz RW0000803). Die Wirkungslosigkeit der angefochtenen Entscheidung setzt voraus, dass der Antrag entweder unter Anspruchsverzicht oder mit Zustimmung des Verfahrensgegners zurückgezogen wurde (§ 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 483 Abs 3 ZPO; RIS-Justiz RS0041991). Letztere Voraussetzung liegt hier vor.
Mit deklarativem Beschluss ist daher die Antragsrückziehung zur Kenntnis zu nehmen und die Wirkungslosigkeit des angefochtenen Beschlusses festzustellen, ohne dass auf das Berufungsvorbringen inhaltlich einzugehen wäre (§ 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 483 Abs 3 ZPO; RIS-Justiz RS0114549 [T4] und RS0120298 [T2]; RW0000803).
Eine Kostenentscheidung kann entfallen, weil beide Parteien auf Kostenersatz verzichtet haben.