34R32/15y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke ALPENLEINSAMEN über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 14.10.2014, AM 330/2014 4, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
1.1 Die Antragstellerin beantragte die Registrierung von
ALPENLEINSAMEN
für die Warenklasse 30 (Leinsamenmehl, Leinsamenflocken und Leinsamen für die menschliche Ernährung).
1.2 Die Rechtsabteilung des Patentamts wies den Antrag mit dem nun angefochtenen Beschluss mit der – kurz zusammengefassten – Begründung ab, dem Zeichen fehle die Unterscheidungskraft, weil die Verkehrskreise darin nur einen Hinweis sehen würden, dass Leinsamen vertrieben werde, der aus der Alpenregion stamme. Als individualisierender Unternehmenshinweis sei das Zeichen nicht geeignet. Die Antragstellerin habe die (nach § 4 Abs 2 MSchG eine Eintragung ermöglichende) Verkehrsgeltung nicht nachgewiesen.
1.3. Im Rekurs beantragt die Antragstellerin, die Entscheidung aufzuheben und die Eintragung ins Markenregister zuzulassen. Die Antragstellerin trägt im Rekurs im Wesentlichen vor, das Zeichen haben zumindest eine minimale Unterscheidungskraft, und verweist unter anderem auf die eingetragenen Wortmarken „Alpenwurst“, „Alpenapfel“ und „Alpenfleisch“.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
2. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
2.1 Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht4, 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit einer anderen betrieblichen Herkunft unterscheiden können.
2.2 Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (OBm 1/13 – Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist: Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht einzutragen (vgl EuGH C 104/01 – Orange, Rn 58 und 59; C 64/02 – Das Prinzip der Bequemlichkeit).
2.3 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist einzelfallbezogen anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde. Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (EuGH C 104/01 – Orange , Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).
2.4 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (EuGH C 304/06 – Eurohypo ; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 171 ff). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Waren verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren (EuGH C 304/06 P – Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (EuGH C 363/99 – Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG.
2.5 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne Weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, wenn das Publikum also sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen kann (EuGH C 326/01 – Universaltelefonbuch , Rn 33 mwN; C 494/08 P – Pranahaus ; vgl zuletzt auch 4 Ob 11/14t – EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383 [T1]; RS0117763, RS0066456, RS0066644).
2.6 Enthält das Zeichen jedoch nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t – immofinanz; 17 Ob 27/07f – ländleimmo; OBm 1/12 – Die grüne Linie).
Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Ist die angemeldete Marke – mit anderen Worten ausgedrückt – nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, die Natur oder die Beschaffenheit der Waren oder der Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11 – Atelier Prive ; OBm 2/13 – Primera ua; 4 Ob 66/02p – Cornetto).
2.7 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder solche Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).
Unterscheidungskraft fehlt hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann. Dabei genügt es, wenn die strittige Wortfolge zumindest in einer der möglichen Bedeutungen einen beschreibenden Charakter hat (vgl etwa EuGH C 191/01 – Doublemint, Rn 32; C 363/99 – Postkantoor, Rn 97; C 104/00 P – Companyline, Rn 21; 4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387 – car care).
2.9 Auch aus mehreren Wörtern zusammengesetzte Marken sind nach den selben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RIS-Justiz RS0122385 [T1]). Sie sind dann nicht schutzfähig, wenn der Satz oder Satzteil oder die Teile eines zusammengesetzten Wortes nur eine beschreibende Aussage über die Ware oder Dienstleistung enthält (17 Ob 21/11d – echte Berge: als Synonym für prächtige, hohe Berge nicht unterscheidungskräftig). Anderes gilt, wenn die Wortfolge eine interpretationsbedürftige Aussage enthält (OBm 1/12 – Die grüne Linie mwN; 17 Ob 15/07s – we will rock you: unterscheidungskräftig für Ton- und Videoaufzeichnungen; VwGH 2009/03/0020 – Doc around the clock: unterscheidungskräftig für ärztliche Dienstleistungen).
3. Auf der Basis dieser Grundsätze ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Ohne weitere Denkleistung und ohne davon wegführende Assoziationen werden die beteiligten Verkehrskreise unter „Alpenleinsamen“ nur einen Leinsamen (allgemein bekannte Bezeichnung für den Samen des Flachses) verstehen, der aus den Alpen stammt.
Der Rekurs thematisiert die Eintragung von Marken, die die Antragstellerin für vergleichbar hält: „Alpenapfel“, „ sangria“, „ riegel“, „ lachs“, „ wecken“, „ laib“, „ küche“, „ fleisch“, „ sushi“, „ wurst“ und „ tonic“. Dem ist zu erwidern, dass eine präjudizielle Bindung an frühere Entscheidungen zu verneinen ist (4 Ob 11/14t – EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; EuGH C 37/03 P – BioID, Rz 47; EuGH C 39/08 und C 43/08 – Schwabenpost und Volks. Handy, Rz 39; vgl auch Asperger in Kucsko/Schumacher , marken.schutz² § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner , Markenrecht 4 70). Die in der Sache zutreffenden Überlegungen des Patentamts werden durch den Hinweis auf jene Zeichen nicht widerlegt.
Die Entscheidung des Patentamts bedarf daher keiner Korrektur.
4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig. Dass frühere Entscheidungen nicht präjudizieren, entspricht der ständigen Rechtsprechung.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.