JudikaturOLG Wien

34R16/15w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. März 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Einspruchs gegen die Erteilung des Patents AT 508 580 mit dem Titel „Bodenbearbeitungsgerät“ über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Technischen Abteilung des Patentamts vom 6.6.2014, 4A A 1170/2010 7, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Technischen Abteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Der Einspruch gegen das Patent AT 508 580 wird abgewiesen und das Patent im Umfang folgender Ansprüche aufrechterhalten:

1. Bodenbearbeitungsgerät, vorzugsweise in Form einer Kreiselegge (2), Fräse, Kompaktegge oder Saatgutkombination (2), mit zumindest einer Bodenwerkzeugeinheit (6) zur Bodenbearbeitung, zumindest einer in Fahrtrichtung hinter der Bodenwerkzeugeinheit (6) angeordneten Nachläufereinheit (9) zur Nachbereitung des Bodens, die mittels einer Arbeitstiefen-Einstellvorrichtung (13) in ihrer Höhenlage relativ zur Bodenwerkzeugeinheit (6) verstellbar ausgebildet ist, sowie einer zwischen der Bodenwerkzeugeinheit (6) und der Nachläufereinheit (9) angeordneten Prallschiene (8), die höhenverstellbar ausgebildet ist, wobei die Prallschiene (8) mittels einer Führungsvorrichtung (14) in aufrechter Richtung relativ zur Bodenwerkzeugeinheit (6) verschieblich geführt ist, dadurch gekennzeichnet dass eine Betätigungsvorrichtung (17) zur Verschiebung der Prallschiene (8) in Abhängigkeit der eingestellten Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit (6) und der Höhenstellung der Nachläufereinheit (9) relativ zur Bodenwerkzeugeinheit (6) vorgesehen ist, wobei die Betätigungsvorrichtung (17) eine Koppelvorrichtung (18) aufweist, durch die die Prallschiene (8) an die Nachläufereinheit (9) mechanisch angekoppelt ist derart, dass die Prallschiene (8) bei einer Verstellung der Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit (6) automatisch relativ zur Bodenwerkzeugeinheit höhenverstellt und mit Höhenbewegungen der Nachläufereinheit (9) mitgeführt wird, wobei die Koppelvorrichtung (18) ein Betätigungselement (19) umfasst, das ein Zug- und Druckelement bildet und einerseits an der Prallschiene (8) sowie andererseits an der Nachläufereinheit (9) und/oder einer Nachläuferaufhängung angelenkt ist, so daß die Prallschiene (8) im Arbeitsbetrieb auch gegen Druckbeanspruchung durch den Boden in der eingestellten Höhe gehalten ist.

2. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei die Führungsvorrichtung (14) derart ausgebildet ist, dass bei einer Verstellung der Prallschiene (8) der Abstand zwischen der Prallschiene (8) und der Bodenwerkzeugeinheit (6) immer gleich bleibt.

3. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Führungsvorrichtung (14) eine im Wesentlichen vertikal ausgerichtete Linearführung umfasst.

4. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Betätigungselement (19) einen Lenker (20) umfasst, der einerseits gelenkig an der Prallschiene (8) und andererseits gelenkig mit der Nachläufereinheit (10) und/oder deren Nachläuferaufhängung (11) verbunden ist.

5. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Betätigungselement (19) längenveränderbar ausgebildet ist und/oder versetzbare Anlenkpunkte besitzt.

6. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Nachläufereinheit (9) mittels zumindest eines Schwenkarms (12) an einem die Bodenwerkzeugeinheit (6) tragenden Maschinenrahmen (5) höhenverstellbar angelenkt ist.

7. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei die Koppelvorrichtung (18) mit dem genannten Schwenkarm (12) verbunden ist.

8. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der beiden vorhergehenden Ansprüche, wobei der Schwenkarm (12) in Fahrtrichtung betrachtet vor der Prallschiene (8) an dem Maschinenrahmen (5), vorzugsweise vor einem Zentrum der Bodenwerkzeugeinheit (6), insbesondere etwa an einem vorderen Endabschnitt der Bodenwerkzeugeinheit (6), am Maschinenrahmen (5) schwenkbar befestigt ist.

9. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei der Ankoppelpunkt des Betätigungselements (19) der Koppelvorrichtung (18) an dem Schwenkarm (12) in einem mittleren Abschnitt des Schwenkarms (12) zwischen dessen Schwenkachse und der Nachläufereinheit (9) vorgesehen ist.

10. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der Anlenkpunkt des Betätigungselements (19) an der Nachläufereinheit (9) und/oder deren Nachläuferaufhängung (11) oberhalb der Prallschiene (8) liegt.

11. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Bodenwerkzeugeinheit (6) eine Zinkeneinheit, vorzugsweise eine Mehrzahl von nebeneinander angeordneten, um jeweils eine aufrechte Achse umlaufende Kreiselzinken (7), umfasst.

12. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Nachläufereinheit (9) eine Nachlaufwalze (10) umfasst.

13. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Nachläufereinheit (9) Bodenaufstandsmittel des Geräts bildet.»

Der Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin meldete am 9.7.2010 zu A 1170/2010 das Patent „Bodenbearbeitungsgerät“ an. Die Ansprüche des Streitpatents lauten wie folgt:

« 1. Bodenbearbeitungsgerät, vorzugsweise in Form einer Kreiselegge (2), Fräse, Kompaktegge oder Saatgutkombination (2), mit zumindest einer Bodenwerkzeugeinheit (6) zur Bodenbearbeitung, zumindest einer in Fahrtrichtung hinter der Bodenwerkzeugeinheit (6) angeordneten Nachläufereinheit (9) zur Nachbereitung des Bodens, die mittels einer Arbeitstiefen-Einstellvorrichtung (13) in ihrer Höhenlage relativ zur Bodenwerkzeugeinheit (6) verstellbar ausgebildet ist, sowie einer zwischen der Bodenwerkzeugeinheit (6) und der Nachläufereinheit (9) angeordneten Prallschiene (8), die höhenverstellbar ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Prallschiene (8) mittels einer Führungsvorrichtung (14) in aufrechter Richtung relativ zur Bodenwerkzeugeinheit (6) verschieblich geführt ist und eine Betätigungsvorrichtung (17) zur Verschiebung der Prallschiene (8) in Abhängigkeit der eingestellten Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit (6) und/oder der Höhenstellung der Nachläufereinheit (9) relativ zur Bodenwerkzeugeinheit (6) vorgesehen ist.

2. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei die Führungsvorrichtung (14) derart ausgebildet ist, dass bei einer Verstellung der Prallschiene (8) der Abstand zwischen der Prallschiene (8) und der Bodenwerkzeugeinheit (6) immer gleich bleibt.

3. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Führungsvorrichtung (14) eine im Wesentlichen vertikal ausgerichtete Linearführung umfasst.

4. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Betätigungsvorrichtung (17) eine Koppelvorrichtung (18) aufweist, durch die die Prallschiene (8) an die Nachläufereinheit (9) mechanisch angekoppelt ist derart, dass die Prallschiene (8) bei einer Verstellung der Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit (6) automatisch relativ zur Bodenwerkzeugeinheit höhenverstellt wird und/oder mit Höhenbewegungen der Nachläufereinheit (9) mitgeführt wird.

5. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei die Koppelvorrichtung (18) ein Betätigungselement (19) umfasst, das einerseits an der Prallschiene (8) und andererseits an der Nachläufereinheit (9) und/oder einer Nachläuferaufhängung (11) angelenkt ist.

6. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei das Betätigungselement (19) ein Zugelement- und/oder Druckelement bildet.

7. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der beiden vorhergehenden Ansprüche, wobei das Betätigungselement (19) einen Lenker (20) umfasst, der einerseits gelenkig an der Prallschiene (8) und andererseits gelenkig mit der Nachläufereinheit (10) und/oder deren Nachläuferaufhängung (11) verbunden ist.

8. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Betätigungselement (19) längenveränderbar ausgebildet ist und/oder versetzbare Anlenkpunkte besitzt.

9. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Nachläufereinheit (9) mittels zumindest eines Schwenkarms (12) an einem die Bodenwerkzeugeinheit (6) tragenden Maschinenrahmen (5) höhenverstellbar angelenkt ist.

10. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei die Koppelvorrichtung (18) mit dem genannten Schwenkarm (12) verbunden ist.

11. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der beiden vorhergehenden Ansprüche, wobei der Schwenkarm (12) in Fahrtrichtung betrachtet vor der Prallschiene (8) an dem Maschinenrahmen (5), vorzugsweise vor einem Zentrum der Bodenwerkzeugeinheit (6), insbesondere etwa an einem vorderen Endabschnitt der Bodenwerkzeugeinheit (6), am Maschinenrahmen (5) schwenkbar befestigt ist.

12. Bodenbearbeitungsgerät nach dem vorhergehenden Anspruch, wobei der Ankoppelpunkt des Betätigungselements (19) der Koppelvorrichtung (18) an dem Schwenkarm (12) in einem mittleren Abschnitt des Schwenkarms (12) zwischen dessen Schwenkachse und der Nachläufereinheit (9) vorgesehen ist.

13. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der Anlenkpunkt des Betätigungselements (19) an der Nachläufereinheit (9) und/oder deren Nachläuferaufhängung (11) oberhalb der Prallschiene (8) liegt.

14. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Bodenwerkzeugeinheit (6) eine Zinkeneinheit, vorzugsweise eine Mehrzahl von nebeneinander angeordneten, um jeweils eine aufrechte Achse um-laufende Kreiselzinken (7), umfasst.

15. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Nachläufereinheit (9) eine Nachlaufwalze (10) umfasst.

16. Bodenbearbeitungsgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Nachläufereinheit (9) Bodenaufstandsmittel des Geräts bildet.»

(Anmerkung zum leichteren Verständnis: Der im Spruch formulierte neue Anspruch 1 enthält die Merkmale der bisherigen Ansprüche 1, 4, 5 und 6, wobei die Und/Oder-Verknüpfungen der bisherigen Ansprüche 1, 4 und 6 auf eine reine Und-Verknüpfung eingeschränkt sind.)

Die Antragstellerin erhob dagegen gemäß § 102 PatG rechtzeitig mit der Behauptung Einspruch, dem Streitpatent mangle es im Umfang des Anspruchs 1 sowohl an der Neuheit als auch an der erfinderischen Tätigkeit. Die Unteransprüche 2 bis 16 seien durch den Stand der Technik vorweggenommen und daher nicht neu.

Die Patentinhaberin äußerte sich nicht zum Einspruch.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Einspruch statt und widerrief das Streitpatent im vollen Umfang. Es begründete diese Entscheidung zusammengefasst folgendermaßen:

Der Anspruch 1 des Streitpatents umschreibe die allgemeine Lösung, während die Unteransprüche 2 bis 16 bevorzugte Ausgestaltungen dieser Lösung beträfen. Sowohl der Haupt- als auch die Unteransprüche seien gegenüber DE 27 49 148 A1 (Beilage ./A), DE 101 54 725 A1 (Beilage ./B), DE 81 19 215 U1 (Beilage ./C) und EP 0 274 619 A1 (Beilage ./D) neu. Zur Beurteilung der Erfindungseigenschaft sei DE 101 54 725 A1 als nächstliegender Stand der Technik heranzuziehen. Betrachte der Fachmann die Lehre von DE 101 54 725 A1 und EP 0 274 619 A1 gemeinsam, so erkenne er, dass die Verlagerung der Höheneinstellung für das Planierelement vom Rahmen der Kreiselegge auf die Tragarme der Nachlaufwalze zum gewünschten Effekt führe, nämlich dass bei Höhenverstellung der Nachlaufeinheit diese Bewegung direkt auf die Prallschiene übertragen werde. Daher sei Anspruch 1 nicht erfinderisch. Die Ansprüche 2 und 3 seien durch DE 101 54 725 A1, die Ansprüche 4 bis 8 sowie 10 bis 13 durch EP 0 274 619 A1 vorweggenommen. Die Ansprüche 7, 9 und 14 bis 15 wiederum seien durch DE 101 54 725 A1 und EP 0 274 619 A1 naheliegend. Es fehle daher insgesamt die erforderliche Erfindungseigenschaft.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss so abzuändern, dass das angegriffene Patent im vollen Umfang aufrechterhalten werde. Eventualiter wird die Aufrechterhaltung in jeweils geänderter Fassung (in zwei Varianten) begehrt.

Die Antragstellerin beantragt, eine mündliche Rekursverhandlung durchzuführen und den Beschluss des Patentamts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

1. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). § 139 PatG ordnet die sinngemäße Anwendung des AußStrG an.

Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht sie für erforderlich erachtet. Selbst bei Vorliegen eines Antrags ist sie nicht zwingend vorzunehmen (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG² § 52 Rz 1). Im Einklang dazu normiert § 103 Abs 2 PatG auch nur die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung, jedoch keine Verpflichtung.

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht, und auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Die Beurteilung der Neuheit ist ohnedies in erster Linie eine Rechtsfrage. Ob eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist grundsätzlich ebenfalls eine Rechtsfrage (17 Ob 24/09t; 17 Ob 13/09z; RS0123155 [T3 und T4]). Auch die Erfindungshöhe ist eine Frage der rechtlichen Prüfung, weil eine Beurteilung mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände erfolgt (vgl BGH GRUR 2006, 663; GRUR 2004, 411, 413).

Da auch die Antragstellerin die Fragen der Neuheit und der Erfindungshöhe im Wesentlichen bloß als Rechtsfolgebehauptungen erhoben hat, steht Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen.

2. Nach § 3 Abs 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.

2.1. Den Stand der Technik bildet dabei alles, was der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.

2.2. Eine Erfindung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn der Fachmann aufgrund des Stands der Technik zu ihr hätte gelangen können, sondern erst, wenn er sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte ( Kinkeldey/Karamanli in Benkard, EPÜ 2 Art 56 Rz 72; Kroher in Stauder/Luginbühl, EPÜ 6 Art 56 Rz 54 ff; 17 Ob 24/09t; zuletzt Op 3/12) – could-would-approach.

2.3. Zu dem § 1 Abs 1 PatG sinngleichen Art 56 EPÜ ( Wiltschek, Patentrecht³ § 1 PatG Anm 4) sprach der Oberste Gerichtshof im Wesentlichen dasselbe aus, nämlich dass eine erfinderische Tätigkeit dann nicht vorliegt, wenn auch der („Durchschnitts“ )Fachmann sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (17 Ob 13/09z ua). Allein dass eine Ex-post -Betrachtung ergibt, dass der („Durchschnitts“ )Fachmann dies gekonnt hätte, würde die erfinderische Tätigkeit noch nicht ausschließen.

2.4. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was der Stand der Technik lehrt und wie Vorveröffentlichungen zu verstehen sind, ist der Durchschnittsfachmann. Es handelt sich hierbei um eine Kunstfigur und damit letztlich nur um ein Werkzeug des Gerichts, das dazu dient, einen unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen ( Haedicke, Patentrecht 2 68). Der Fachmann besitzt durchschnittliche Fachkenntnisse, kennt aber den gesamten Stand der Technik seines Fachgebiets.

2.5. Die Prüfung kann insbesondere nach dem vom Europäischen Patentamt herangezogenen Aufgabe-Lösungs-Ansatz erfolgen (vgl Op 1/02 PBl 2003, 29 mwN; Op 6/08; Op 4/11). Dazu ist zuerst der nächstliegende Stand der Technik zu ermitteln, dann die zu lösende objektive technische Aufgabe zu bestimmen und schließlich zu prüfen, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven Aufgabenstellung für den Durchschnittsfachmann naheliegend gewesen wäre.

3.1. Für Patente bestehen seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln (RIS-Justiz RS0118278; RS0030757 [T10]): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.

3.2. Schon weil § 87a Abs 1 PatG und Art 83 EPÜ inhaltlich übereinstimmen, ist in der Frage, unter welchen Umständen ein in einer Patentschrift offenbartes Erzeugnis geeignet ist, als Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt zu gelten, eine harmonisierungsfreundliche Auslegung des innerstaatlichen Patentrechts im Lichte des EPÜ geboten.

Abzustellen ist danach darauf, ob der Durchschnittsfachmann auf Grund der in der Anmeldung enthaltenen Informationen in die Lage versetzt wird, unter Inanspruchnahme des von ihm zu erwartenden Informations- und Wissensstands und des allgemeinen Fachwissens und mit Hilfe der vom Anmelder aufgezeigten Ausführungswege die Lehre zum technischen Handeln zuverlässig, wiederholbar und ohne Umwege in die Praxis umzusetzen, ohne dabei einen unzumutbaren Aufwand treiben und eine unangemessene Zahl anfänglicher Fehlschläge hinnehmen zu müssen (RIS-Justiz RS0119499 = 4 Ob 214/04f mwN).

Auch wenn einzelne Elemente des Inhalts der Erfindung bereits vorher bekannt waren, so bedeutet dies noch nicht von vornherein, dass die Erfindung selbst nicht mehr als neu im Sinn des PatG angesehen werden könnte. Eine Erfindung kann auch darin bestehen, dass bereits bekannte Einrichtungen durch eine besondere Art ihrer Verwendung oder durch die Verbindung mit noch unbekannten Einrichtungen dazu verwendet werden, ein technisches Problem zu lösen (RIS-Justiz RS0071157).

Ob eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist grundsätzlich eine Rechtsfrage (17 Ob 24/09t; 17 Ob 13/09z). Da sich die Erfindungshöhe am Stand der Technik, also am Fachwissen, über das der „Durchschnittsfachmann“ auf dem betreffenden Gebiet verfügt, orientiert, ist die Beurteilung, ob sich das eingetragene Patent für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, in erster Linie von einer Tatfrage abhängig (RIS-Justiz RS0071399).

3.3. „Gegenstand der Erfindung“ iSd § 22 Abs 1 PatG ist der in den Patentansprüchen definierte Lösungsgedanke im Zusammenhang mit der durch ihn gelösten Aufgabe; er bestimmt das Wesen und den Umfang des dem Patentinhaber gewährten Schutzes (RIS-Justiz RS0071537). Es kommt nicht darauf an, was erfunden wurde, sondern allein darauf, wofür der Schutz in Anspruch genommen und gewährt wurde (RIS-Justiz RS0071338). Für die Feststellungen des Inhalts des Patentanspruchs ist maßgeblich, wie der durch die Beschreibung und die Zeichnungen erläuterte Wortlaut des erteilten Patents auszulegen ist. Ob die Erteilungsakten für einen engeren Umfang sprechen, ist nicht maßgebend (17 Ob 35/09k; 4 Ob 214/12t – Lochski).

4. Unter diesen Umständen ist daher maßgebend, ob sich aus den von der Antragstellerin ins Treffen geführten Vorveröffentlichungen, allenfalls auch aus den in ihr enthaltenen technischen Zeichnungen, für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt die technische Lehre des Streitpatents in naheliegender Weise ergibt. Zu klären ist, was sich für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents aus den relevanten Unterlagen zum Stand der Technik ergibt.

4.1. In diesem Zusammenhang rügt die Antragsgegnerin einen rechtlichen Feststellungsmangel, denn die Technische Abteilung habe keine Konstatierungen zum Fachwissen und Fachkönnen des Durchschnittsfachmanns getroffen.

Da sich die Fähigkeiten des heranzuziehenden Fachmanns durch das Patent selbst bestimmen und somit das Patent selbst die Beurteilungsgrundlage dafür bildet, ist eine weitere Festlegung des Fachmanns in conreto nicht erforderlich. Grundsätzlich ist unter einem Fachmann ein Sachverständiger/Sachkundiger zu verstehen, der über durchschnittliche Fähigkeiten zur Überwindung technischer Schwierigkeiten verfügt und den Stand der Technik kennt ( Wiltschek, Patentrecht 3 376; oben Punkte 2.4. und 3.2.). Im Vordergrund steht die Beurteilung der Tatfrage, ob sich das eingetragene Patent für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Es bedarf in erster Linie entsprechender Feststellungen, was sich für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt aus den Vorveröffentlichungen ergeben hätte (vgl 17 Ob 4/11d ua). Solche Feststellungen hat die Technische Abteilung anhand der Beilagen ./A bis ./D getroffen. Sekundäre Feststellungsmängel liegen somit nicht vor (so bereits OLG Wien, 34 R 80/14f und 34 R 81/14b).

4.2. Aufgabe des Streitpatents ist es, ein neuartiges Bodenbearbeitungsgerät mit Bodenwerkzeugeinheit, Nachläufereinheit und dazwischen angeordneter Prallschiene zu schaffen, bei dem die Höhenlage der Prallschiene von der Nachläufereinheit abgeleitet werden kann, um eine automatische Nachstellung der Prallschienenposition bei Verstellung der Arbeitstiefe ohne unerwünschte Abstand- oder Winkeländerung relativ zu den Bodenwerkzeugen zu erreichen. Erfindungsgemäß soll dazu die Prallschiene mittels einer Führungsvorrichtung in aufrechter Richtung relativ zur Bodenwerkzeugeinheit verschieblich geführt sein, wobei eine Betätigungsvorrichtung zur Betätigung der Verschieblichkeit der Prallschiene in Abhängigkeit von der eingestellten Arbeitstiefe und/oder von der Höhenstellung der Nachläufereinheit relativ zur Bodenwerkzeugeinheit vorgesehen ist. Die Höheneinstellung der Prallschiene wird dabei von Höhenbewegungen der Nachläufereinheit relativ zu den Bodenwerkzeugen abgeleitet, jedoch von Abstands- und/oder Winkelveränderungen der Nachläufereinheit gegenüber der Bodenwerkzeugeinheit entkoppelt. Insbesondere wird hierdurch die Prallschiene in ihrer Höhe relativ zu den Bodenwerkzeugen nachgeführt, ohne jedoch den Abstand oder die Winkelstellung der Prallschiene gegenüber den Bodenwerkzeugen nennenswert zu verändern (siehe Absatz [0011]).

4.3. Anspruch 1 des Streitpatents lässt sich wie folgt untergliedern:

4.4. In der Entgegenhaltung Beilage ./A (DE 2749148 A1) ist ein Bodenbearbeitungsgerät in Form einer Kreiselegge mit zumindest einer Bodenwerkzeugeinheit 60 zur Bodenbearbeitung gezeigt, bei der hinter der Bodenwerkzeugeinheit eine Nachläufereinheit 90 zur Nachbereitung des Bodens angeordnet ist, wobei die Nachläufereinheit 90 mittels einer Arbeitstiefen-Einstellvorrichtung 97 in ihrer Höhenlage relativ zur Bodenwerkzeugeinheit 60 verstellbar ausgebildet ist, wobei zwischen Bodenwerkzeugeinheit 60 und Nachläufereinheit 90 eine Prallschiene 80 vorgesehen ist, welche höhenverstellbar (Träger mit der Prallschiene 80 sind in rohrförmige Halter 83 gesteckt) ausgebildet ist und mittels einer Führungsvorrichtung 83 in aufrechter Richtung (siehe die aufrechte Darstellung der Vorrichtung 83 in Figur 5) relativ zur Bodenwerkzeugeinheit 60 verschieblich geführt ist. Dabei kann der Begriff „aufrecht“ nicht zwingend auf eine reine lotrechte Ausrichtung beschränkt werden; stattdessen enthält dieser Begriff eine gewisse Bandbreite von Ausrichtungen mit überwiegend lotrechter Komponente. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass in Unteranspruch 3 die Führungsvorrichtung weiter auf eine „im Wesentlichen vertikal ausgerichtete Linearführung“ eingeschränkt wird. Mit dem Begriff „aufrecht“ kann entgegen der Ansicht der Technischen Abteilung auch keine Abgrenzung zu einer beispielsweise aus Figur 5 von Beilage ./A ableitbaren Situation erkannt werden, die sich auf ein begrenztes Verschwenken der Halter 83 an Längsarmen 93 um eine Achse 92 bezieht, da bei einer derartigen Verschwenkung die vertikale Komponente der sich einstellenden Ausrichtung des Halters 83 wesentlich ausgeprägter als eine eventuelle horizontale Komponente bleibt. Die Merkmale M1 bis M6 sind somit unmittelbar aus DE 27 49 148 A1 bekannt.

4.5. Weiters ist in M7 des Hauptanspruchs 1 gefordert, dass die Prallschiene mittels einer Betätigungsvorrichtung 17 in Abhängigkeit von der eingestellten Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit beziehungsweise in Abhängigkeit von der Höhenstellung der Nachläufereinheit relativ zur Bodenwerkzeugeinheit verschoben werden kann. Gemäß Beilage ./A ist die Prallschiene 80 über einen Träger und Halter 83 an einem Längsarm 93 angebracht, der wiederum über Zapfen 92 schwenkbar gelagert ist. An diesem Schwenkarm ist ebenso die Nachläufereinheit 90 fixiert. Eine Einstellung der Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit beziehungsweise der Höhenstellung der Nachläufereinheit 90 relativ zur Bodenwerkzeugeinheit wird über die Einstellvorrichtung 97 vorgenommen, was zwar eine Verschwenkung des Längsarmes 93 sowie der daran befestigten Prallschiene zur Folge hat, allerdings kann zusätzlich eine Verschiebung der Prallschiene über den rohrförmigen Halter in Beziehung zu den entsprechenden Einstellungen vorgenommen werden. Da in Anspruch 1 des Streitpatents nicht festgelegt ist, dass diese Verschiebung der Prallschiene automatisch relativ zur Bodenwerkzeugeinheit und/oder mitgeführt mit der Höhenbewegung der Nachläufereinheit zu erfolgen hat, ist auch ein jeweiliges manuelles Nachjustieren der Prallschiene in Abhängigkeit von den entsprechenden Einstellungen mit umfasst, bei dem keine mechanische Koppelung zwischen Betätigungsvorrichtung und Prallschiene nötig ist. Zwar weist die Beschreibungseinleitung des Streitpatents auf die Nachteile eines Bearbeitungsgeräts gemäß Beilage ./A hin, der allgemeine Wortlaut des Anspruchs 1 lässt jedoch keine nachvollziehbare Abgrenzung gegenüber einem derartigen vorbekannten Gerät mit manueller Prallschienenverschiebung zu.

4.6. Entsprechende Überlegungen gelten auch für ein in der Veröffentlichung Beilage ./B (DE 10154725 A1) beschriebenes Gerät mit Kreiselegge 1 und mit dazu über Tragarme angeordneter Nachläufereinheit, wobei eine Höhenverstelleinrichtung vorgesehen ist (Spalte 1, Zeilen 42 bis 48). Die Prallschiene 2 ist dabei über Führungsvorrichtungen 3 verschieblich geführt.

Zusätzlich ist eine Verstellvorrichtung 6 gezeigt, durch die eine Verschiebung der Prallschiene 2 in Abhängigkeit zur eingestellten Arbeitstiefe und/oder der Höhenstellung der Nachläufereinheit relativ zur Bodenwerkzeugeinheit 1 möglich ist. Auch bei einem Vergleich eines Geräts nach Beilage ./B mit einem Gerät gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes sticht ins Auge, dass der Wortlaut von Anspruch 1 eine manuelle Verstellung der Prallschiene nicht ausschließt, die in Abhängigkeit zur eingestellten Arbeitstiefe und/oder der Höhenstellung der Nachläufereinheit relativ zur Bodenwerkzeugeinheit erfolgen kann.

4.7. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit nicht neu und nicht erfinderisch gegenüber Geräten gemäß den Vorveröffentlichungen Beilagen ./A oder ./B.

4.8. Wenn die Patentinhaberin zur Verteidigung des Streitpatents eine Koppel zwischen Schwenkarmen und verschiebbar geführter Prallschiene voraussetzt, so entspricht dies nicht dem durch den Schutzbereich des Hauptanspruchs 1 bestimmten Gegenstand und damit nicht den Auslegungskriterien des § 22a PatG (siehe oben Punkt 3.1.; RIS-Justiz RS0118279).

4.9. Der abhängige Anspruch 2 des Streitpatents bezieht sich auf die nicht weiter erläuterte Ausbildung der Führungsvorrichtung, durch die bei einer Verstellung der Prallschiene der Abstand zwischen der Prallschiene und der Bodenwerkzeugeinheit immer gleich bleibt. Da bei der Auslegung der technischen Lehre eines Patentanspruchs stets die Beschreibung und die Zeichnung heranzuziehen sind (PBl 1993, 212) und aufgabenhafte Kennzeichnungen dann zulässig sind, wenn es sich um eine einfache Aufgabenstellung handelt, sodass das Aufsuchen der entsprechenden Lösungsmittel für den Fachmann offensichtlich ist (PBl 1994, 35), ist der Behauptung der Antragstellerin nicht zuzustimmen, Anspruch 2 fehle es an der erforderlichen Klarheit.

So wird in Absatz [0007] der Beschreibungseinleitung des Streitpatents auf die Problematik des veränderlichen Horizontalabstands zwischen Nachläufereinheit und Bodenwerkzeug und somit zwischen Bodenwerkzeug und Prallschiene eingegangen. In diesem Zusammenhang kann das Merkmal „Abstand zwischen der Prallschiene und der Bodenwerkzeugeinheit“ sinnvoller Weise nur als horizontaler Abstand begriffen werden.

Dabei liegt es auf der Hand, dass eine vertikale Verschiebemöglichkeit der Prallschiene einen konstanten Horizontalabstand zu einer Bodenwerkzeugeinheit zulässt. Eine derartige Ausführung ist bei einem Gerät gemäß Beilage ./B deswegen verwirklicht, weil die aufrechte Linearführung 3 der Prallschiene 2 unabhängig von der Verstellung der Prallschiene in konstantem Horizontalabstand zur Bodenwerkzeugeinheit bleibt.

Somit ist auch der Gegenstand von Anspruch 2 nicht neu und nicht erfinderisch.

4.10. Vertikal ausgerichtete Linearführungen finden sich bei jedem der Bodenbearbeitungsgeräte gemäß Beilagen ./A oder ./B (siehe den rohrförmigen Halter 83 in Beilage ./A oder die Führungselemente 3 in Beilage ./B), weswegen es auch dem Gegenstand von Anspruch 3 an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit mangelt.

4.11. Im abhängigen Unteranspruch 4 des Streitpatentes ist erstmals gefordert, dass die Betätigungsvorrichtung eine Koppelvorrichtung aufweist, durch die die Prallschiene an die Nachläufereinheit mechanisch gekoppelt ist, sodass die Prallschiene bei einer Verstellung der Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit automatisch relativ zur Bodenwerkzeugeinheit höhenverstellt wird und/oder mit Höhenbewegungen der Nachläufereinheit mitgeführt wird.

4.11.1. Die auch in Anspruch 4 zwingend genannte Betätigungsvorrichtung erlaubt gemäß dem übergeordneten Hauptanspruch 1 eine verschiebliche Führung der Prallschiene in Abhängigkeit von den jeweiligen Einstellungen. Wenn nun entsprechend Anspruch 4 die Betätigungsvorrichtung mit Koppelvorrichtung automatisch eine relative Höhenverstellung der Prallschiene bei einer Verstellung der Arbeitstiefe des Bodenwerkzeugs verursacht, so muss diese (automatische) relative Höhenverstellung als Verschiebung angenommen werden. Dies gilt auch für eine Mitführung der Prallschiene mit der Höhenbewegung der Nachläufereinheit, da gemäß dem übergeordneten Anspruch 1 eine Verschiebung der Prallschiene durch die Betätigungsvorrichtung in Abhängigkeit von der Höhenstellung der Nachläufereinheit gefordert wurde. Ein Gerät gemäß der Entgegenhaltung Beilage ./A erfüllt daher die Merkmale des rückbezogenen Anspruches 4 nicht.

Sowohl im Einspruch als auch in der Rekursbeantwortung bezieht sich die Antragstellerin im Hinblick auf die Vorveröffentlichung Beilage ./A auf die besonderen Merkmale des abhängigen Anspruchs 4 und lässt die in Anspruch 1 gemachte Festlegung der abhängigen Prallschienenbewegung auf eine Verschieblichkeit außer Acht. Bei einem Gerät gemäß Beilage ./A bewirkt die starre Anbindung der Betätigungsvorrichtung zum Verschieben der Prallschiene an die Schwenkarme 93 bei einer Verstellung der Arbeitstiefe immer ein Verschwenken der Prallschiene, was jedoch bei einem Gerät gemäß dem Streitpatent ausdrücklich vermieden werden soll. Da bei einem Neuheitsvergleich überdies immer auch die Absicht, der Einsatzzweck beziehungsweise die Funktion und nicht der strukturelle Komponentenvergleich (PBl 1997, 223 oder PBl 2000, 168) oder die Wortwahl (PBl 1985, 118) maßgeblich sind, sind die Merkmale des Anspruchs 4 nicht durch ein Bodenbearbeitungsgerät nach Beilage ./A vorweggenommen . Dies gilt auch für ein Bodenbearbeitungsgerät nach Beilage ./B‚ da dort jegliche mechanische Ankoppelung der Prallschiene an die Nachläufereinheit fehlt. Somit ist auch keine Höhenverstellung der Prallschiene automatisch relativ zur Bodenwerkzeugeinheit und/oder Mitführung der Prallschiene mit der Höhenbewegung der Nachläufereinheit möglich.

Der Gegenstand von Anspruch 4 ist somit neu gegenüber Geräten gemäß Beilagen ./A oder ./B. Auch können diese Entgegenhaltungen nicht die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 4 in Frage stellen: Zwar ist bei einem Gerät gemäß Beilage ./A eine Koppelung der Prallschiene an Schwenkarme gegeben, sodass sich ein gewisses selbstständiges Nachstellen der Prallschiene in Abhängigkeit von der Schwenkarmstellung ergibt. Durch die unvermeidbare Verschwenkung der Prallschiene bei Einstellungsänderungen von Arbeitstiefe und/oder Höhenbewegung der Nachläufereinheit kommt es jedoch genau zu den in der Beschreibungseinleitung genannten Nachteilen dieses Geräts, nämlich zu einer Veränderung des Abstands zwischen Prallschiene und Bodenwerkzeug und zu einer Veränderung der Winkelstellung der Prallschiene, was in unerwünschter Weise die Krümelung und den Staueffekt der Prallschiene beeinflusst. Wie im zweiten Absatz auf Seite 8 von Beilage ./A ausgeführt ist, kann zwar eine zusätzliche Verschiebung der Prallschiene zur Anpassung an die durchzuführende Bodenbearbeitung manuell vorgenommen werden, allerdings muss die Prallschiene dazu manuell und separat eingestellt werden, was jedoch im Streitpatent als nicht zufriedenstellend erkannt wurde. Da es einem Gerät nach Beilage ./B gänzlich an einer Koppelung der Prallschiene an die Nachläufereinheit fehlt, ist dort ebenso nur ein manuelles und separates Einstellen der Prallschiene möglich. Auch sind keiner der Entgegenhaltungen Beilage ./A oder ./B Hinweise zu entnehmen, die zu einer Lösung entsprechend einem Gerät nach Anspruch 4 des Streitpatents hätten führen können.

4.11.2. Im angefochtenen Beschluss wird die Erfindungseigenschaft auch von Anspruch 4 verneint, da sich der Gegenstand des Hauptanspruchs für einen Fachmann in naheliegender Weise durch die Zusammenschau der Beilagen ./B und ./D ergebe. Als nächstliegender Stand der Technik wird dazu ein Bodenbearbeitungsgerät nach Beilage ./B angenommen, bei dem eine linear verschiebliche Prallschiene sowie eine Nachläufereinheit vorgesehen sind. Dabei besteht nach Ansicht der Technischen Abteilung als Aufgabenstellung die Weiterbildung der dort nach Beilage ./B vorgestellten Höhenverstellung der Prallschiene derart, dass die Prallschiene einer Änderung der Arbeitstiefe und/oder der Höhenverstellung der Nachläufereinheit in Relation zur Bodenwerkzeugeinheit folgt.

Allerdings geht die Beschreibungseinleitung des Streitpatents davon aus, dass bisherige Geräte mit an der Bodenwerkzeugeinheit aufgehängten Prallschienen jeweils separat nachgestellt werden müssen und dass bei bisherigen Geräten mit an der Nachläufereinheit aufgehängten Prallschienen zwar eine automatische Verstellung der Prallschienen möglich ist, es jedoch wegen einer Verschwenkung der Prallschiene zu einer Abstandsänderung der Prallschiene zur Bodenwerkzeugeinheit und zu einer Winkelveränderung dieser Prallschiene kommt. Als tatsächliche Aufgabenstellung muss daher die Gestaltung einer Bewegbarkeit der Prallschiene in Abhängigkeit von der eingestellten Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit und/oder von der Höhenstellung der Nachläufereinheit relativ zur Bodenwerkzeugeinheit gesehen werden, bei der einerseits kein manuelles Nachstellen der Prallschiene erforderlich ist und andererseits keine Abstandsänderung der Prallschiene zur Bodenwerkzeugeinheit und keine Winkelveränderungen der Prallschiene auftreten. Diese Aufgabenstellung ist beispielsweise zu Beginn von Absatz [0011] im Streitpatent genannt.

4.12. Weiters sieht die Technische Abteilung in der Übertragung einer Prallschiene nach Beilage ./D (EP 0274619 A1) auf ein Bodenbearbeitungsgerät nach Beilage ./B eine Lösung für die von ihr gestellten Aufgabe. Beilage ./D ist ein Bodenbearbeitungsgerät zu entnehmen, bei dem eine Prallschiene 7 schwenkbar über Tragarme 8 an einer Bodenwalze gelagert ist.

Ohne näher auf dieses Bodenbearbeitungsgerät einzugehen ist dieses doch dadurch charakterisiert, dass bei ihm die Prallschiene ausschließlich schwenkbar um die Achse der Nachläuferwalze bewegbar ist. Da die Prallschiene in Beilage ./B linear verschieblich am Bodenbearbeitungsgerät geführt ist, stellt sich zunächst die Frage, wie eine an der Nachläufereinheit verschwenkbar gelagerte Prallschiene mit der in Beilage ./B gezeigten Ausführung in Einklang gebracht werden könnte. Da überdies auch nicht erkannt werden kann, welche Veranlassung ein Fachmann überhaupt hätte haben können, auf ein Bodenbearbeitungsgerät mit linear geführter Prallschiene nach Beilage ./B eine verschwenkbare Prallschiene zu übertragen oder diese unterschiedlich bewegbaren Prallschienen auszutauschen, ist eine Verknüpfung der Entgegenhaltungen Beilagen ./B und ./D Resultat einer unzulässigen Ex-post -Betrachtung, bei der offensichtlich die Erkenntnis vorausgesetzt wurde, die nur die Erfindung vermittelt. Eine ausschließlich verschwenkbare Prallschiene für sich allein könnte nicht die objektive Aufgabenstellung lösen, gleichzeitig eine Abstandsänderung der Prallschiene zur Bodenwerkzeugeinheit und Winkelveränderungen der Prallschiene zu vermeiden. Im Ergebnis kann auch durch eine unzulässige Zusammenschau von Beilagen ./B und ./D die Erfindungshöhe eines Bodenbearbeitungsgeräts nach Anspruch 4 nicht in Frage gestellt werden, weswegen sich auch ein weiteres Eingehen auf den betreffenden Fachmann erübrigt (siehe aber oben Punkt 4.1.).

4.13. Der neu gefasste Anspruch 1 im Hilfsantrag l enthält die Merkmale der Ansprüche 1, 4, 5 und 6, wobei die Und/Oder-Verknüpfungen der bisherigen Ansprüche 1, 4 und 6 auf eine reine Und-Verknüpfung eingeschränkt sind. Da der Anspruch nach Hilfsantrag l auch die Merkmale des gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik abgegrenzten ursprünglichen Anspruchs 4 enthält, wäre sein Gegenstand ebenso neu wie erfinderisch. Der Gegenstand des bisherigen Anspruchs 1 ist hingegen wegen seiner allgemein gehaltenen Formulierungen durch solche Bodenbearbeitungsgeräte vorweggenommen, die nur ein manuelles Nachstellen der Prallschiene in Abhängigkeit von den gewünschten Einstellungen von Arbeitstiefe und/oder relativer Höhenstellung der Nachläufereinheit betreffen.

5. Die vom Streitpatent umfasste Erfindung ist somit in ihrer angemeldeten Fassung gemäß § 1 Abs 1 zweiter Fall PatG in ihrer Gesamtheit nicht patentierbar und der Rekurs insoweit in seinem Hauptantrag nicht berechtigt.

6. Allerdings hat die Patentinhaberin auch zwei Eventualanträge gestellt, sodass zunächst in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu untersuchen ist, ob eine derartige, bloß bedingt erklärte Einschränkung des Streitpatents im Rekursverfahren überhaupt zulässig ist.

6.1. Die Antragsgegnerin macht zunächst mit Recht darauf aufmerksam, dass für das Rekursverfahren nach § 139 Einleitungssatz PatG die Bestimmungen des AußStrG sinngemäß anzuwenden sind.

6.2. Es ist – für das erstinstanzliche Verfahren – generell anerkannt, dass die Wirksamkeit von Parteihandlungen in beschränktem Umfang von Bedingungen abhängig gemacht werden darf, wenn diese an Tatsachen oder Vorgänge geknüpft sind, die in einem bereits eingeleiteten Verfahrensabschnitt eintreten (oder eingetreten sind). So sind Eventualbegehren und Eventualanträge gestattet, die nur für den Fall erhoben werden, dass dem zuvor gereihten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird. Die Partei, die neben ihrem Hauptantrag einen oder mehrere Eventualanträge stellt, gibt zu erkennen, dass ihr Rechtsschutzziel durch die aufrechte Erledigung des vorgereihten Antrags erreicht ist und sie nur für den Fall der Abweisung die Entscheidung über den Eventualantrag anstrebt, dem bei Stattgebung des Hauptantrags ohnedies die Rechtsgrundlage entzogen ist (RIS-Justiz RS0006429 [sowohl zum streitigen als auch außerstreitigen Verfahren]).

6.3. Zum hier durch § 139 Einleitungssatz PatG ausdrücklich vom Verweis ausgenommenen § 49 AußStrG, der die Zulässigkeit von Neuerungen im Rekursverfahren regelt, wird sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung einhellig vertreten, dass neue Anträge im Rekursverfahren durch die Neuerungserlaubnis des § 49 AußStrG nicht gedeckt sind, weil nach dessen Abs 1 nur neue Tatsachen und Beweismittel zulässig sein können (RIS-Justiz RS0006796; RS0006790; Klicka in Rechberger, AußStrG² § 49 Rz 1; Fucik/Kloiber , AußStrG § 49 Rz 1; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 49 Rz 5). Als unzulässig angesehen werden in diesem Zusammenhang insbesondere auch erstmals im Rekurs gestellte Eventualanträge (3 Ob 200/06t [Verlassenschaftsverfahren]; 2 Ob 26/07y [Kontaktrecht]; 3 Ob 70/08b [Obsorge]; RIS-Justiz RS0006796 [T7, T8 und T9]).

6.4. § 139 Z 3 PatG weitet die Neuerungserlaubnis gegenüber dem Wortlaut des § 49 Abs 1 AußStrG allerdings nicht aus, sondern schränkt sie im Gegenteil zusätzlich ein, weil im Rekursverfahren gegen Beschlüsse der Technischen Abteilung neue Tatsachen und Beweismittel nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in der ersten Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise vorgebracht werden dürfen.

6.5. Für dieses Neuerungsverbot sollen ausweislich der Materialien (2358 dB XXIV. GP 3, abgedruckt bei Wiltschek, PatG³ 194) die Bestimmungen des bisherigen § 71 Abs 6 beibehalten werden. (Diese Bestimmung lautete: „Das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise im Beschwerdeverfahren ist nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in der ersten Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise zulässig; eine Einschränkung oder Klarstellung des Schutzbegehrens ist dadurch nicht ausgeschlossen. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, zu den vorgebrachten neuen Tatsachen sowie zu dem Ergebnis eines allfälligen neuen Beweisverfahrens Stellung zu nehmen.“ )

Vor der Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, pflegte die Beschwerdeabteilung des Patentamts regelmäßig die Praxis, Eventualanträge implizit dadurch zu akzeptieren, dass sie abgehandelt wurden (vgl Weiser, PatG 2 239 f mwN). Zwar lässt der historische Gesetzgeber mit dieser knappen Aussage offen, ob er auch die Fortführung der zu dieser Norm entwickelten Rechtsprechung vor Augen hat, doch sprechen gute Gründe dafür.

6.6. Fraglich ist primär, ob der für das allgemeine Außerstreitverfahren geltende Grundsatz der Unzulässigkeit von Eventualanträgen auch im Rekursverfahren nach einem Patenteinspruch gilt. Anders als die Antragsgegnerin argumentiert, kommt es hier allerdings nicht darauf an, dass eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei oder die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunkts bei der rechtlichen Beurteilung auch im Rechtsmittelverfahren zulässig ist, sofern die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden (RIS-Justiz RS0016473), weil die Antragsgegnerin sich am Verfahren erster Instanz ohnehin nicht beteiligt hat (RIS-Justiz RS0006783). Aus der von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung des BGH X ZB 6/05 (Informationsübermittlungsverfahren II) lässt sich die Zulässigkeit der Erhebung von Hilfsanträgen im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenfalls nicht ableiten, ergibt sich doch aus ihren Gründen, dass die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung, somit also bereits in erster Instanz, einen Hilfsantrag gestellt hat.

6.7. Für das Rekursgericht besteht trotz der restriktiven Rechtsprechung zu § 49 Abs 1 AußStrG kein Anlass, ganz generell von der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdeabteilung abzugehen: Denn aus § 104 Abs 4 PatG, der eine beschränkte Aufrechterhaltung des Streitpatents ermöglicht, wenn der Einspruch nur für einen Teil des Patents erfolgreich ist ( Wiltschek, PatG³ 166; s dazu OBp 1/11 – Freikonfigurierbares Bediengerät), ist die Beachtlichkeit von im Rekursverfahren gestellten Hilfsanträgen abzuleiten, denn nur so kann der dieser Norm innewohnende Zweck erreicht werden, das angegriffene Patent bei nur partieller Berechtigung des Einspruchs nicht automatisch zur Gänze zu widerrufen, sondern geltungserhaltend zu reduzieren oder zu modifizieren.

6.8. Unter diesen Umständen gelangt das Rekursgericht als Zwischenergebnis zur Auffassung, dass §§ 104 Abs 4 iVm 139 Z 3 PatG ausreichende Anhaltspunkte dafür bietet, die Zulässigkeit von Eventualanträgen im Rekursverfahren nach dem PatG anders zu beurteilen als nach dem allgemeinen außerstreitigen Verfahren: Solche, erst im Rekurs gestellte Anträge sind nicht a priori unzulässig und daher im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich beachtlich. Dennoch ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich, denn im Außerstreitverfahren ist das Gericht zwar verpflichtet, die notwendigen Erhebungen von Amts wegen zu pflegen, es hat sich aber ungeachtet des in § 16 AußStrG normierten Untersuchungsgrundsatzes innerhalb des Rahmens der Anträge der Parteien zu bewegen (RIS-Justiz RS0006330). Auch darf das Rekursgericht in einem über Antrag eingeleiteten Verfahren gemäß § 139 Einleitungssatz PatG iVm § 55 Abs 2 AußStrG nur im Rahmen des Rekursbegehrens entscheiden (siehe auch Klicka in Oberhammer, AußStrG 2 § 55 Rz 2; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 55 Rz 5).

6.9. Ein Blick auf die vergleichbare deutsche Rechtslage nach § 21 Abs 2 iVm § 59 Abs 4 dPatG lehrt, dass dort die wenigstens hilfsweise Einwilligung des Patentinhabers Voraussetzung für ein Teilwiderruf ist ( Mes, PatG³ § 21 Rz 70 mwN; Engels in Busse/Keukenschrijver, PatG 7 § 59 Rz 249), weil er selbst bestimmt, in welchem Umfang er das Streitpatent verteidigt. Daher kann das Patent ohne seine Zustimmung weder in den Ansprüchen, in der Beschreibung noch in den Zeichnungen verändert werden ( Mes, PatG³ § 59 Rz 84). Wenn daher der Patentinhaber die Aufrechterhaltung des Patents in einem Umfang begehrt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthält, muss nach - soweit überblickbar - herrschender deutscher Ansicht das gesamte Patent widerrufen werden, und zwar auch weil das Einspruchsverfahren nunmehr als ein Antrags- und kein amtliches Kassationsverfahren qualifiziert wird (zB BGH X ZB 18/95 – elektrisches Speicherheizgerät; X ZB 6/05 – Informationsübermittlungsverfahren II, Rz 22; Mes, PatG³ § 59 Rz 85; Moufang in Schulte, PatG 9 § 21 Rz 166, 177 und 180; Engels in Busse/Keukenschrijver, PatG 7 § 59 Rz 250 je mwN). In Deutschland wird diese Auffassung im Ergebnis auch aus dem Einspruchsverfahren nach dem EPÜ abgeleitet ( Schneckenbühl in Fitzner/Lutz/Bodewig, Patentrechtskomm 4 § 61 PatG Rz 22 unter Verweis auf Art 99 EPÜ).

6.10. Das Spannungsverhältnis zwischen patentrechtlichem Neuerungsverbot (§ 139 Z 3 PatG) und der Bindung an den Rekursantrag (§ 55 Abs 2 AußStrG) einerseits sowie der Verpflichtung zur Geltungserhaltung im Einspruchsverfahren (§ 104 Abs 4 PatG) andererseits ist daher aufzulösen; das Rekursgericht ist der Ansicht, dass bei der Auslegung der Reichweite des Neuerungsverbots im patentrechtlichen Einspruchsverfahren nach dem Spezialitätsgrundsatz der Grundsatz der Geltungserhaltung Vorrang genießt und dem generellen Verbot von materiellrechtlichen Eventualanträgen im allgemeinen Außerstreitverfahren weitestgehend derogiert, weil andererseits zur Abgrenzung zusätzlich der in Deutschland anerkannte Grundsatz der Antragsbindung mit folgendem Resultat zu beachten ist:

Ein an sich in Betracht kommender Teilwiderruf nach § 104 Abs 4 PatG setzt im Rekursverfahren nach der nun anzuwendenden Rechtslage voraus, dass der Patentinhaber – zwar an keine besondere Form gebunden, jedoch hinreichend deutlich (instruktiv BGH X ZB 6/05 – Informationsübermittlungsverfahren II, Rz 23; Xa ZB 36/08 – Schwingungsdämpfer, Rz 15) – in eine einschränkende Änderung des Streitpatents einwilligt ( Mes, PatG³ § 21 Rz 70). Wie schon bisher von der Beschwerdeabteilung des Patentamts vertreten, kann ein solches Einverständnis auch durch einen Hilfsantrag signalisiert werden (siehe für Deutschland auch Moufang in Schulte, PatG 9 § 21 Rz 177; Engels in Busse/Keukenschrijver, PatG 7 § 59 Rz 255 mwN), mit dem der Rekursantrag nach § 139 Einleitungssatz PatG iVm § 47 Abs 3 AußStrG konkretisiert wird.

Zur Abgrenzung gegenüber vollkommen ausufernden Hilfsanträgen ist für ihre Zulässigkeit aber zu verlangen, dass sie sich zum einen an den Grundsätzen des § 104 Abs 4 PatG orientieren und dass sie sich zum anderen im Rekursverfahren auf Basis des in erster Instanz ausgehend von den Parteibehauptungen ermittelten Sachverhalts abschließend beurteilen lassen.

Beides ist hier der Fall, sodass die Berechtigung der beiden erst im Rekurs erhobenen Hilfsanträge zu prüfen ist.

6.11. Ob es daneben im Patenteinspruchsverfahren nach nun geltender Rechtslage noch zulässig ist, auch über einen Teilverzicht hinaus von Amts wegen weitere Einschränkungen des Streitpatents vorzunehmen, wie dies etwa die Beschwerdeabteilung für zulässig erachtete (zB PBl 2003, 60), oder im Rahmen von § 104 Abs 4 PatG das Streitpatent sogar ohne erkennbare Einwilligung des Anmelders nur teilweise zu widerrufen (so offenbar OBp 1/11 – Freikonfigurierbares Bediengerät [teilweise Bestätigung und teilweiser Widerruf]), muss hier nicht beurteilt werden. Die stets bestehende Verpflichtung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art 6 EMRK (siehe etwa RIS-Justiz RW0000797) legt aber wohl regelmäßig nahe, eine derartige Vorgehensweise zunächst im Rahmen einer (auch amtswegig anberaumten) Rekursverhandlung mit den Parteien zu erörtern (auch wenn eine solche nicht in jedem Einzelfall erforderlich sein muss: RIS-Justiz RS0126048 [EGMR]).

Dies kann aber hier wie gesagt offen bleiben, weil auf Fragen, von denen die Lösung des konkreten Rechtsfalls nicht abhängt, nicht eingegangen werden muss (vgl RIS-Justiz RS0088931 [insb T7]).

6.12. Die Antragstellerin konnte zu den Hilfsanträgen in der Rekursbeantwortung Stellung nehmen, sodass ihr rechtliches Gehör ausreichend gewahrt wurde (siehe RIS-Justiz RS0123310; RS0074920; RS0006048; RS0006036; Rechberger in Rechberger, AußStrG² § 15 Rz 2 f).

7.1. Ausgehend von diesen Erwägungen sind die beiden Hilfsanträge daher auf ihre materiellrechtliche Zulässigkeit und Berechtigung zu untersuchen, weil sie das Rekursgericht im Rahmen der nach § 104 Abs 4 PatG vorzunehmenden Prüfung binden, ob die bereits eingehend dargelegten Widerrufsgründe nur einen Teil des Streitpatents betreffen.

7.2. Die Beschränkung der Ansprüche eines Patents mittels Teilverzichts ist auch unter Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung möglich, sofern dadurch die ursprüngliche Offenbarung nicht überschritten wird (RIS-Justiz RW0000811), wenngleich es bei einer Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung nicht zu einer Verschiebung des Erfindungsgedankens kommen soll. Jedenfalls zulässig ist die Beschränkung im Einspruchsverfahren, wenn aus einer ursprünglich größeren Menge eine kleinere Einheit beansprucht wird ( Mes, PatG³ § 59 Rz 91; Moufang in Schulte, PatG 9 § 21 Rz 169).

7.3. Die bereits angesprochene Problematik der Vorwegnahme durch den Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 1 durch solche Bodenbearbeitungsgeräte, die bloß ein manuelles Nachstellen der Prallschiene in Abhängigkeit von den gewünschten Einstellungen von Arbeitstiefe und/oder relativer Höhenstellung der Nachläufereinheit betreffen (siehe oben Punkt 4.13.), ist im neuen Anspruch 1, der den Gegenstand des ersten Eventualantrags bildet, ausgeräumt: Durch die Aufnahme klarer struktureller Merkmale des bisherigen Anspruchs 4 wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die abhängige Bewegung der Prallschiene durch eine mechanische Koppelung an die Nachläufereinheit mittels einer Koppelvorrichtung ermöglicht wird. Zu der von der Antragstellerin als unklar bemängelten Formulierung in diesem Anspruch (und im bisherigen Anspruch 1), wonach die „Betätigungsvorrichtung zur Verschiebung der Prallschiene abhängig von der Arbeitstiefe der Bodenwerkzeugeinheit und der Höhenstellung der Nachläufereinheit“ vorgesehen sei, ist festzuhalten, dass funktionelle Definitionen in einem Patentanspruch dann zulässig sind, wenn sich die Mittel zur Ausführung ohne Weiteres ergeben. Jedoch können durch derart breite Formulierungen Ausführungsformen abgedeckt werden, die die im Patent angestrebte Wirkung nicht erreichen. Gegen die Zulässigkeit dieses eingeschränkten Hauptanspruchs bestehen daher in dieser Hinsicht keine Bedenken.

7.4. Zur Kritik der Antragstellerin an Anspruch 1 laut Hilfsantrag l, wonach die zusätzlich in diesen Anspruch aufgenommene Formulierung „so dass die Prallschiene im Arbeitsbetrieb auch gegen Druckbeanspruchung durch den Boden in der eingestellten Höhe gehalten ist“ ebenso unklar und zweifelhaft sei, ist anzumerken, dass sich diese Angaben auf das als Zug- und Druckelement ausgebildete Betätigungselement beziehen, das an der Prallschiene und an der Nachläufereinheit und/oder Nachläuferaufhängung angelenkt ist, sodass eine nachvollziehbare strukturelle Kennzeichnung gegeben ist, aus der sich diese Funktion schlüssig erkennen lässt. Das Rekursgericht kann auch nicht nachvollziehen, dass diese Angabe im Widerspruch zu jenem Teil der Beschreibung steht, bei dem davon die Rede ist, dass „bei Aufwärtsbewegungen der Nachläufereinheit die Prallschiene mit nach oben gezogen wird“, weil es einerseits denkbar ist, dass durch eine begrenzte ungünstige Bodenbeschaffenheit kurzfristig nur Druck auf die Prallschiene ausgeübt wird und dieser Druck von der Prallschiene aufgenommen werden kann, und es andererseits natürlich möglich ist, die Prallschiene bei einem Anheben der Nachläufereinheit mit nach oben zu ziehen.

7.5. Zusammengefasst ergibt sich, dass der neue Anspruch 1 in der Fassung des ersten Eventualantrags gegen den nachgewiesenen Stand der Technik abgegrenzt, ausreichend klar formuliert und damit patentierbar ist. Das Streitpatent ist daher eingeschränkt auf Grundlage des neuen Patentanspruchs 1 aufrecht zu erhalten.

7.6. Damit erübrigt sich aufgrund der ausdrücklichen Reihung der Eventualanträge ein Eingehen auf den zweiten Hilfsantrag (vgl zu § 226 ZPO RIS-Justiz RS00337625).

8. Angesichts der Bedeutung des Patentschutzes im Wirtschaftsleben und der Möglichkeit des bloßen Teilwiderrufs eines Patents nach § 104 Abs 4 PatG ist die Frage der Zulässigkeit von Eventualanträgen des Patentinhabers im Rekursverfahren und gleichzeitig die Frage der Bindung an solche Eventualanträge, die wenigstens im Ergebnis auf eine Einschränkung des Streitpatents abzielen, eine solche von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG, und zwar auch deshalb, weil die bis zum 1.1.2014 offenbar gepflogene Praxis der Beschwerdeabteilung des Patentamts, die sich zwar mit der herrschenden Ansicht zu § 49 Abs 1 AußStrG nicht ohne weiters vereinbaren lässt, aber weitgehend der vergleichbaren Rechtslage nach § 21 Abs 2 dPatG entspricht, noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung war.

9. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG nicht statt.

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