JudikaturOLG Wien

34R116/14z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. März 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Nichtigerklärung des Patents AT 501 757 A4 über die Berufung des Antragsgegners gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 24.4.2014, N 4/2013 3, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die Kosten der Berufungsbeantwortung von EUR 2.721,90 (darin EUR 453,65 USt) zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Der Antragsgegner ist Inhaber des Patents AT 501 757 A4, welches am 21.6.2005 angemeldet und am 15.11.2006 erteilt wurde. Das Patent betrifft eine Radiale Dichtungsvorrichtung . Die Patentansprüche 1 bis 5 lauten wie folgt:

1. Radiale Dichtungsvorrichtung (7) zum Einsatz in einer Radialpumpe (1), die ein Gehäuse (2, 2a) mit einer darin befindlichen Pumpenkammer (3) und ein auf einer Pumpenwelle (5) befestigtes Pumpenlaufrad (4) aufweist, mit einem auf der Pumpenwelle (5) befestigten, umlaufenden Zentrifugalrad (12), wobei in einem Ringraum (16) zwischen Pumpenwelle (5) und Gehäuse (2a) zumindest ein, vorzugsweise durch zumindest eine Stopfbuchsenpackung (10) gebildetes, erstes Dichtmittel (8) angeordnet ist, wobei ein Sperrwasserkanal (15) eines Sperrwassersystems im Bereich des ersten Dichtmittels (8) einmündet, dadurch gekennzeichnet, dass der Sperrwasserkanal (15) über eine vorzugsweise ringförmige düsenartige Querschnittsverengung (20) mit der Dichtkammer (13) strömungsverbindbar ist, dass zischen der Mündung (17) des Sperrwasserkanals (15) und der Querschnittsverengung (20) ein einseitig dichtendes zweites Dichtmittel (9) angeordnet ist, welches den Durchfluss vom Sperrwasserkanal (15) zur Dichtkammer (13) ermöglicht und in der Gegenrichtung unterbindet, und dass das zweite Dichtmittel (9) durch eine in Richtung der Dichtkammer (13) öffnende Lippendichtung (11) gebildet ist.

2. Dichtungsvorrichtung (7) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Abdichtmittel (8, 9) im Bereich der Mündung (17) des Sperrwasserkanals (15) ein Sperrwasserleitring (18) angeordnet ist, welcher das Sperrwasser zumindest teilweise von der Mündung (17) zum zweiten Dichtmittel (9) leitet.

3. Dichtungsvorrichtung (7) nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Öffnungsbreite (s) der Querschnittsverengung (20) mindestens um 0,1 mm größer ist als das Toleranzplusmaß der Pumpwelle (5) oder einer Wellenschutzhülse (14).

4. Dichtungsvorrichtung (7) nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Querschnittsverengung (20) und/oder der Sperrwasserleitring (18) aus einem Wellenwerkstoff, vorzugsweise aus C45, besteht.

5. Dichtungsvorrichtung (7) nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Sperrwasserzufuhr, vorzugsweise über ein Elektromembranventil, mit der Radialpumpe (1), vorzugsweise gleichzeitig, ein- oder ausschaltbar ist.

Mit Antrag vom 20.3.2013 begehrt die Antragstellerin die Nichtigerklärung des Patents AT 501 757 A4 mit der wesentlichen Begründung, dass die Patentansprüche wegen der mangelnden Neuheit infolge druckschriftlicher Veröffentlichungen und offenkundiger Vorbenutzungen nichtig seien. Der Patentanspruch 1 hätte folgende Merkmale:

1. Radiale Dichtungsvorrichtung (7),

1.1 zum Einsatz in einer Radialpumpe (1),

1.2 die ein Gehäuse (2, 2a) mit einer darin befindlichen Pumpenkammer (3) und

1.3 ein auf einer Pumpenwelle (5) befestigtes Pumpenlaufrad (4) aufweise,

1.4 mit einem auf der Pumpenwelle (5) befestigten, umlaufenden Zentrifugalrad (12), wobei

1.4.1 in einem Ringraum (16) zwischen Pumpenwelle (5) und Gehäuse (2a) zumindest ein erstes Dichtmittel (8) angeordnet sei,

1.4.2 vorzugsweise durch zumindest eine Stopfbuchsenpackung (10) gebildet und wobei

1.4.3 ein Sperrwasserkanal (15) eines Sperrwassersystems im Bereich des ersten Dichtmittels (8) einmündet.

Die Aufgabe werde dadurch gelöst, dass

1.4.4 der Sperrwasserkanal (15) über eine vorzugsweise ringförmige düsenartige Querschnittsverengung (20) mit einer Dichtkammer (13) strömungsverbindbar sei, dass

1.5 zwischen der Mündung (17) des Sperrwasserkanals (15) und der Querschnittsverengung (20) ein einseitig dichtendes zweites Dichtmittel (9) angeordnet sei, welches

1.5.1 den Durchfluss vom Sperrwasserkanal (15) zur Dichtkammer (13) ermögliche und in der Gegenrichtung unterbinde, und

1.6 dass das zweite Dichtmittel (9) durch eine in Richtung der Dichtkammer (13) öffnende Lippendichtung (11) gebildet sei.

In der vorzuhaltenden EP 0 374 713 A2 würden die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbart. Gemäß Figur 1 werde eine Radialpumpe in Form einer Kreiselpumpe (1) offenbart, die für die Förderung von aggressiven Medien geeignet sei (vgl Spalte 1, Zeile 29 der Beschreibung). In diese Radialpumpe sei eine radiale Dichtungsvorrichtung (Merkmal 1) eingesetzt, die in Figur 2 detaillierter dargestellt sei. Damit sei aber auch das Merkmal „Einsatz in einer Radialpumpe“ aus der EP 0 374 713 A2 vorbekannt. Aus Figur 1 sowie der zugehörigen Beschreibung ergebe sich ferner, dass die Radialpumpe (1) ein Gehäuse (3) mit einer darin befindlichen Pumpenkammer (9) und einer auf einer Pumpenwelle (2) befestigtes Pumpenlaufrad gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.3 aufweise. Es fehle somit dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents an Neuheit oder werde es zumindest durch die EP 0 374 713 A2 nahegelegt.

Der Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents sei angesichts der US 5,642,892 A nicht schutzfähig. Diese Druckschrift betreffe das gleiche technische Gebiet wie das Streitpatent, nämlich Schlammpumpen mit einer radialen Dichtungsvorrichtung. Die Verwendung eines Sperrwasserleitrings im Bereich der Mündung des Sperrwasserkanals ergebe sich aber auch aus dem Offenbarungsgehalt der US 5,642,892 A.

Auch der Anspruch 3 könne nichts Schutzfähiges hinzufügen.

In Bezug auf Anspruch 4 offenbare die EP 0 374 713 A2 bereits das erste Merkmal, weil wie deren Figur 14 zu entnehmen sei, die Querschnittsverengung aus einem Teil des Gehäuses gebildet sei und die Radialpumpe mit aggressiven Medien verwendet werde, also aus einem hoch widerstandsfähigen Material, wie es für Wellen eingesetzt werde, das heißt aus einem Wellenwerkstoff bestehe. Das zweite Merkmal sei nur fakultativer Natur.

Dem Anspruch 5 fehle es vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens an einer ausreichenden Erfindungshöhe. So sei es für einen Fachmann insbesondere zur Erreichung des in dem Streitpatent angeführten technischen Effekts einer Minimierung des Sperrwasserverbrauches selbstverständlich, dass eine Sperrwasserzufuhr mit der Radialpumpe ein- und ausgeschaltet werde.

In der mündlichen Verhandlung vom 8.4.2014 legte die Antragstellerin noch die Druckschriften US 5,609,468 A und US 5,772,218 A vor und führte ergänzend aus, dass eine Kombination der US 5,609,468 A und der EP 0 374 713 A2 die Erfindung vorwegnehme.

Der Antragsgegner verwies in seiner Gegenschrift und auch in der mündlichen Verhandlung vom 8.4.2014 darauf, dass der Gegenstand des Streitpatents neu sei und sich keinesfalls für den Fachmann in naheliegender Weise ergebe. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 gliederten sich wie folgt:

1a Radiale Dichtungsvorrichtung zum Einsatz in einer Radialpumpe, die

1b ein Gehäuse mit einer darin befindlichen Pumpenkammer aufweise,

1c mit einem auf einer Pumpenwelle befestigten Pumpenlaufrad,

1d mit einem auf der Pumpenwelle befestigten, umlaufenden Zentrifugalrad,

1e wobei in einem Ringraum zwischen Pumpenwelle und Gehäuse zumindest ein erstes Dichtmittel angeordnet sei, welches

1f vorzugsweise durch zumindest eine Stopfbuchsenpackung gebildet sei,

1g wobei ein Sperrwasserkanal eines Sperrwassersystems im Bereich des ersten Dichtmittels einmünde,

1h wobei der Sperrwasserkanal über eine vorzugsweise ringförmige Querschnittsverengung mit einer Kammer strömungsverbindbar sei,

1i wobei die Kammer die Dichtkammer sei,

1j wobei die Querschnittsverengung düsenartig sei,

1k wobei zwischen der Mündung des Sperrwasserkanals und der Querschnittsverengung ein einseitig dichtendes zweites Dichtmittel angeordnet sei,

1l wobei das zweite Dichtmittel durch eine in einer Richtung öffnende Lippendichtung gebildet sei, und

1m das in Richtung der Dichtkammer öffnende zweite Dichtmittel den Durchfluss vom Sperrwasserkanal zur Dichtkammer ermögliche und in der Gegenrichtung unterbinde.

Bei Schmutzwasserpumpen fänden gemäß dem gängigen Stand der Technik entweder ein Zentralrad oder eine Sperrwasserlösung alternativ Verwendung und nicht beide gemeinsam. Das Streitpatent betreffe nicht eine simple Aggregation sondern eine Kombination mit synergistischem Effekt. Die EP 0 374 713 A2 beschreibe eine Wellenabdichtung für Strömungsmaschinen. Die Wellenabdichtung weise dabei einen Wellendichtring auf, wobei das freie Ende von dessen Dichtlippe dem Gehäuseinnern der Strömungsmaschine zugekehrt sei. Das Fördermedium, welches einem Bereich höheren Drucks der Strömungsmaschine entnommen worden sei, gelange in die Wellenabdichtung und durchströme den Wellendichtring. Die in der EP 0 374 713 A2 offenbarte Strömungsmaschine weise keine Zentrifugalraddichtung und auch keine Dichtkammer auf, in welche ein Zentrifugalrad angeordnet sei. Damit seien die Merkmale 1d (mit einem auf der Pumpenwelle befestigten umlaufenden Zentrifugalrad), 1i (wobei die Kammer die Dichtkammer sei), 1j (wobei die Querschnittverengung düsenartig sei) und 1m (das in Richtung der Dichtkammer öffnende zweite Dichtmittel den Durchfluss vom Sperrwasserkanal zur Dichtkammer ermögliche und in der Gegenrichtung unterbinde) nicht offenbart und daher neu.

Aus keinem der Dokumente US 5,609,468 und der EP 0 374 713 A2 hätte der Fachmann die Anregung zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabenstellung – geringe Sperrwassermenge bei niedrigen Sperrwasserdrücken – entnehmen können, welche ihn zum Gegenstand des Streitpatents geführt hätte. Tatsächlich werde der Fachmann sogar mit einer Kombination der beiden Dokumente weggeführt, weil sowohl die Lösung der US 5,609,468 A als auch die Lösung der EP 0 374 713 A2 den Nachteil eines hohen Sperrwasserbedarfs aufwiesen.

Aus der US 5,642,892 A seien die Maßnahmen gemäß Anspruch 2 zum Leiten des Sperrwassers zwischen Mündung und zweitem Dichtmittel nicht explizit entnehmbar.

In Bezug auf Anspruch 3 lasse die EP 0 374 713 A2 zwar eine Querschnittsverengung erkennen, doch sei dieser Veröffentlichung explizit kein Hinweis auf die Größe der Öffnungsbreite der Querschnittsverengung, insbesondere im Verhältnis zum Toleranzplusmaß zu entnehmen.

Auch der Gegenstand des Anspruchs 4 sei nicht vorbeschrieben.

In Bezug auf Anspruch 5 sei der US 5,893,703A ein gleichzeitiges Ein- und Ausschalten einer Sperrwasserzufuhr mit einer Radialpumpe nicht explizit zu entnehmen. Darüber hinaus seien die Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 im Streitpatent nur im Zusammenhang mit Anspruch 1 beansprucht, sodass diesen in Kombination mit den Merkmalen des Anspruchs 1 durchaus Erfindungseigenschaft zukomme.

Mit der angefochtenen Entscheidung erklärte die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts das Streitpatent AT 501 757 A4 im vollen Umfang für nichtig und führte begründend aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zwar neu gegenüber den vorgehaltenen Druckschriften sei, jedoch in der Zusammenschau der Dokumente US 5,609,468 A und EP 0 374 713 die Erfindungseigenschaft (Erfindungshöhe) fehle. Es sei dem Durchschnittsfachmann klar, wie er die Lippendichtung des Dokumentes US 5,609,468 A anzuordnen habe, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen. Die beiden vorgehaltenen Dokumente würden daher den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nahelegen. Ein für den Durchschnittsfachmann (im gegenständlichen Fall ein Maschinenbauer mit Erfahrung auf dem Gebiet der Pumpenkonstruktion) überraschender Kombinationseffekt – wie der Antragsgegner argumentiere – könne nicht erkannt werden. Die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 5 seien eigenständig ebenso nicht erfinderisch.

Dagegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners mit dem Antrag, die Rechtsgültigkeit des Streitpatents zu bestätigen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass der Antragsgegner unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung vermeintliche Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung bekämpft, welche aber ausschließlich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind. Inhalt der Feststellungen sind zum einen die Patentansprüche des Streitpatents sowie der Inhalt der diesen entgegen zu haltenden Druckschriften, wobei sämtliche Ansprüche unstrittig sind. Die Ausführungen des Antragsgegners zielen ausschließlich auf die Schlussfolgerungen der Nichtigkeitsabteilung ab, die unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu behandeln sind.

2. In Wiederholung der Argumente im erstinstanzlichen Verfahren seien nach Ansicht des Antragsgegners die Merkmale 1h (wobei das der Sperrwasserkanal über eine vorzugsweise ringförmige Querschnittsverengung mit einer Dichtkammerströmung verbindbar ist), 1j (wobei die Querschnittsverengung düsenartig ist), 1k (wobei zwischen der Mündung des Sperrwasserkanals und der Querschnittsverengung ein einseitig dichtendes zweites Dichtmittel angeordnet ist), 1l (wobei das zweite Dichtmittel durch eine in einer Richtung öffnende Lippendichtung gebildet ist) und 1m (das in Richtung der Dichtkammer öffnende zweite Dichtmittel den Durchfluss von Sperrwasserkanal zur Dichtkammer ermöglicht und in der Gegenrichtung unterbindet) aus dem Dokument US 5,609,468 A nicht zu entnehmen.

Zwar enthalte das Dokument einen Hinweis auf die Verwendung einer Lippendichtung als (alleiniges) Dichtmittel. Es sei nicht bekannt, wie und wo die Lippendichtung einzubauen sei, damit das in Richtung der Dichtkammer öffnende zweite Dichtmittel den Durchfluss vom Sperrwasser zur Dichtkammer ermögliche und in der Gegenrichtung unterbinde. Des Weiteren sei die „Feststellung“ unrichtig: „Somit ist im Streitpatent nicht festgelegt, welcher Teil einer Querschnittsverengung/Sperrwasserdüse (20) zwingend düsenartig auszuführen ist“. Der Anspruch 1 definiere ganz klar, dass die Querschnittsverengung (20) düsenartig sei. Die Querschnittsverengung sei eindeutig aus Figur 1 und 2 ersichtlich. Bei diesen Figuren handle es sich um eine schematische Darstellung. Daher sei der genaue Querschnittsverlauf der düsenartigen Engstelle nicht ersichtlich.

Im gesamten Streitpatent gebe es keinen Hinweis, dass ein anderer Bereich als die Engstelle, auf welche in Figur 1 und 2 das Bezugszeichen 20 verweise, düsenartig zu gestalten wäre. Der Anspruch 1 enthalte somit alle notwendigen Merkmale, um einem Fachmann die Lösung der gestellten Aufgabe zu ermöglichen.

Aus der EP 0 374 713 A2 seien die Merkmale 1d (auf der Pumpenwelle ein umlaufendes Zentrifugalrad befestigt ist), 1i (die Kammer eine Dichtkammer ist), 1k (die Querschnittsverengung düsenartig ist) und 1m (das in Richtung der Dichtkammer öffnende zweite Dichtmittel den Durchfluss vom Sperrwasserkanal zur Dichtkammer ermöglicht und in der Gegenrichtung unterbindet) nicht zu entnehmen. Auch aus der Kombination der Dokumente US 5,609,468 A und EP 0 374 713 A2 gehe nicht hervor, dass die Querschnittsverengung düsenartig sei. Somit hätte zum Zeitpunkt der Anmeldung ein Fachmann nicht auf den Gegenstand des Anspruch 1 des Streitpatents kommen können, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Eine bloße Kombination dieser beiden Dokumente hätte ihn sogar von dem Merkmal 1j weggeführt, weil aus den Figuren 1, 4 oder 8 des Dokumentes EP 0 374 713 A2 klar hervorgehe, dass sich der zwischen dem Dichtungsgehäuse (16) und der Welle (2) aufgespannte radiale Spalt sogar diffusor-artig stromabwärts eines an den Wellendichtring (5) grenzenden Bundes erweitert und nicht düsenartig verengt. Mit einer diffusor-artigen Erweiterung der Engstelle könnte keine Säuberung von anhaftenden Feststoffteilchen erreicht werden. Würde der Fachmann die aus der EP 0 374 713 A2 bekannte Wellenabdichtung mit einem diffusor-artig sich erweiternden Dichtungsgehäuse bei der aus der US 5,609,468 A bekannten Schlammpumpe anwenden, würde er zweifellos in Anwendung der Lehre aus der EP 0 374 713 A2 auch ein Dichtungsgehäuse mit einer sich erweiternden Engstelle vorsehen. Im Stillstand der Pumpe komme es bei der gleichzeitigen Deaktivierung der Sperrwasserversorgung dazu, dass Schlammteile in den relativ großen Ringraum nach einer Engstelle eindringen und sich festsetzen können. Insbesondere nach einem längeren Stillstand könnten anhaftende feste Teile nach dem Einschalten der Sperrwasserspülung aber nicht mehr ausgespült werden, weil sich im erweiternden Bereich des Dichtungsgehäuses die Geschwindigkeit verkleinere und nicht erhöhe, wie bei der erfindungsgemäßen düsenartigen geformten Engstelle des Streitpatents. Die im Anspruch 1 des Streitpatents vorgesehene diffusor-artige Verengung ermögliche hingegen auch nach einem längeren Stillstand der Pumpe ein Freispülen von anhaftenden Feststoffteilchen, wodurch eine sehr hohe Standzeit erzielt werden könne.

3. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung vorweggenommen oder naheliegend ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technischen Informationen dem Fachmann klar und eindeutig (Weiser, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz 110 mwN zur Rsp des Patentamts) offenbart werden (4 Ob 214/04f – Paroxat ; Op 3/11 – Olanzapin). Die Neuheitsschädlichkeit einer Offenbarung ist daran zu messen, was sie dem Durchschnittsfachmann, ohne von ihm schwierige Deduktionen oder gar schöpferische Gedankengänge zu verlangen, jedoch unter voller Anwendung des von ihm im Prioritätszeitpunkt zu erwartenden Informations- und Wissensstandes und des allgemeinen Fachwissens, vermittelt (Op 5/05). Der Fachwelt muss ein Weg gewiesen werden, wie sie planmäßig ohne unzumutbare Schwierigkeiten den angestrebten Erfolg erzielt (4 Ob 214/04f – Paroxat mwN).

Einer Neuentwicklung fehlt nicht schon dann die erfinderische Tätigkeit, wenn der

Fachmann aufgrund des Standes der Technik zu ihr gelangen hätte können, sondern erst, wenn er sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (vgl Kroher in Singer/Stauder, EPÜ 6 , Art 56 Rz 55): could-would-approach. Die erfinderische Tätigkeit muss auf einem nicht naheliegenden technischen Beitrag zum Stand der Technik beruhen ( Wiltschek, Patentrecht 2 § 1 PatG Anm 4; Haedicke, Patentrecht 2 Kap 5 Rn 38).

3.1 Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Nichtigkeitsabteilung zutreffend das Naheliegen des Streitpatents aus dem Stand der Technik (nach der früheren Rsp „mangelnde Erfindungshöhe“ genannt) mit Blick auf die Kombination der Druckschriften US 5,609,468 A und EP 0 374 713 A2 bejaht. Das Berufungsgericht hält die Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit für zutreffend, sodass vorweg auf diese verwiesen werden kann (§ 141 PatG iVm § 500a ZPO).

Die Neuheit der Patentansprüche war im Berufungsverfahren nicht (mehr) strittig.

3.2 Für den Fachmann ist es eine selbstverständliche routinemäßige Tätigkeit, zur Überwindung von Problemen nach vergleichbaren Lösungen des Problems zu suchen und sich dabei an Erkenntnisse zu halten, die auf dem gleichen oder auf einem ähnlichen technischen Gebiet bereits bekannt geworden sind.

Aufgabe des Streitpatents ist es, eine radiale Dichtungsvorrichtung für eine Radialpumpe vorzusehen, welche für eine geringe Sperrwassermenge bei niedrigen Sperrwasserdrücken geeignet ist. Das Dokument US 5,609,468 A lehrt die Anordnung einer Dichtkammer mit einem Zentrifugalrad, wie dies auch im Streitpatent der Fall ist. Durch dieses Zentrifugalrad wird der hohe Innendruck im Druckbereich der Pumpe von der Wellendichtung abgehalten. Das Sperrwasser wird zum Zweck der Schmierung der Wellendichtung und zur Erzeugung eines Gegendrucks in den Bereich der Wellendichtung eingebracht, wobei durch den an der Innenseite des Dichtmittels verringerten Druck des gepumpten Mediums die Abdichtung verbessert wird.

Für den Fachmann liegt nahe, dass in Figur 1 der US 5,609,468 A das Wandmaterial der Dichtungsaufnahme, welche das Dichtmittel aufnimmt und festhält, nicht bis zur sich drehenden Oberfläche der Pumpenwelle heranreichen darf, wie dies die Zeichnung (Figur 1) grundsätzlich zu zeigen scheint. Selbstverständlich muss in einer funktionsfähigen Ausführung ein reibender Kontakt zwischen dem feststehenden und dem drehenden Material verhindert werden, weil sich ansonsten die Teile gegeneinander verreiben würden. Dies bedeutet, dass zwischen dem Wandabschnitt der Dichtungsaufnahme und der Welle ein Spalt bestehen muss (vgl dazu die zutreffende Argumentation der Nichtigkeitsabteilung auf Seite 12 der Entscheidung: „Wenn nämlich diese durchgehenden Radialspalten nicht vorhanden wären, würden die Pumpenwellen (16) und das Gehäuse (12) miteinander in einem schleifenden Kontakt stehen, der die Funktion der Pumpe unmöglich macht.“).

Der Spalt in der US 5,609,468 A wird allerdings von einer Dichtung abgedeckt, sodass nur mit einem geringen Wasserdurchtritt durch den Spalt zu rechnen ist.

Bei der Konstruktion gemäß der EP 0 374 713 A2 liegt die Wellendichtung jedenfalls im Saugbereich der Pumpe und nicht im Druckbereich. Somit ist auch bei dieser Pumpentype am inneren Ende des Dichtelements ein reduzierter Druck gegeben, wobei durch Einleiten von Sperrwasser in das Dichtungselement die Druckdifferenz noch verringert werden kann.

Die Figur 2 des Streitpatents zeigt im vergrößerten Maßstab das rechte Dichtungselement aus der Figur 1, wobei sich der Innenraum der Pumpe nach links erstreckt. Wie aus dem Beschreibungstext hervorgeht, strömt die Spülflüssigkeit vom Stopfbuchsenraum über den Wellendichtring mit der Dichtlippe nach innen in den Ansaugraum der Zentrifugalpumpe. Wenn das Spülwasser bei einem Druckunterschied von 0,5 Bar oder 1 Bar über den Wellendichtring und die Dichtlippe in Richtung zum Pumpeninneren durch den engen Ringspalt strömt, ist zweifellos eine Düsenwirkung zu erwarten, die immer dann auftritt, wenn die Flüssigkeit unter Druck durch einen verengten Spalt durchströmt. Es kommt in bekannter Weise zu einem Druckabfall mit Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit.

Dabei ist es naheliegend, dass durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit auch Verschmutzungsteilchen besser weggespült werden (so wie es der Antragsgegner als Kombination mit synergistischen Effekt argumentiert), als dies ohne Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit zu erwarten wäre. Dem Bezugszeichen 20 in der Figur 1 oder 2 des Streitpatents (zunächst im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 als „Sperrwasserdüse“ benannt und dann als „vorzugsweise ringförmige düsenartige Querschnittsverengung“) kommt kein anderer Effekt zu, der nicht aus den vorgehaltenen Durckschriften zumindest naheliegend wäre.

Wenn der Antragsgegner die Patentfähigkeit der Ansprüche vor allem mit den Merkmalen 1h und 1j begründet, wonach der Sperrwasserkanal über eine vorzugsweise ringförmige Querschnittsverengung mit einer Kammer strömungsverbindbar und die Querschnittsverengung düsenartig sei, unterlässt er es dabei darzulegen, was hier unter düsenartig zu verstehen ist bzw dass darunter etwas Anderes technisch zu verstehen wäre, wenn man von den Maß- und Werkstoffangaben und von Anspruch 3 absieht. Die Zeichnung, insbesondere Figur 2, legt nahe, dass es sich dabei um nichts anderes handelt als um den Rinnspalt gemäß der EP 0 374 713 A2.

Den technischen Ausführungen der Nichtigkeitsabteilung kann daher nichts Neues hinzugefügt werden.

3.3 Im Ergebnis vermag die Berufung nicht aufzuzeigen, warum die Beurteilung des Patentamts unzutreffend sein soll. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit („naheliegend für den Fachmann aus dem Stand der Technik“) liegt daher vor.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 122 Abs 1 und § 141 PatG iVm § 41 Abs 1 und § 50 ZPO.

Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erheblich Bedeutung zukommt.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO beruht auf der Bedeutung von Patentansprüche im Wirtschaftsleben.

Rückverweise