JudikaturOLG Wien

34R153/14s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 264.137 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 30.6.2014, WM 32/2012 12,13, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Dem Widerspruch gegen die Marke AT 264.137 wird Folge gegeben und die Registrierung in Bezug auf die Waren der Klasse 16 (ausgenommen: CDs; DVDs) und die Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 aufgehoben.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin widersprach dieser Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 264.137 mit dem Anmeldedatum 8.7.2011 in vollem Umfang:

deren Eintragung die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin beantragt hatte und die in folgenden Waren- und Dienstleistungsklassen eingetragen ist:

16 Druckereierzeugnisse; Broschüren; Prospekte; Flugblätter; Bücher; Handbücher; Aufkleber, Stickers, Abziehbilder; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); CDs, DVDs;

41 Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; Erziehungsberatung; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen, nämlich Vorträgen, Seminaren, Konferenzen, Kongressen und Tagungen auf dem Gebiet der Körper- und Gesundheitspflege, der körperlichen Aktivität sowie der Ernährung und der Ernährungswissenschaft; Abhalten von Kursen und Workshops zur Aufklärung der Bevölkerung über Maßnahmen und Ziele der vorbeugenden und sozialen Medizin; Herausgabe von Informations-, Berichts- und Mitteilungsschriften (ausgenommen Werbeschriften); Ausbildung von Interessengruppen in Bezug auf die Gesundheit, Fitness, Ernährung und medizinische Vorsorge;

44 Gesundheitspflege für Menschen; Beratung, nämlich Beratung in Bezug auf Ernährung, Gesundheitstraining, Gesundheit, Nahrungsmittel und Getränke; Dienstleistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, insbesondere Gesundheitsförderung sowie Ausarbeitung von Konzepten zur Erhaltung der Gesundheit und Förderung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens; Beratung auf dem Gebiet der Körper- und Gesundheitspflege sowie der Ernährung und der Ernährungswissenschaft.

Die Antragstellerin berief sich dabei auf die ältere Gemeinschaftsmarke CTM 7.000.011 mit dem Anmeldedatum 18.6.2008:

eingetragen ua für folgende Waren- und Dienstleistungsklassen, auf die der Widerspruch ausschließlich gestützt ist:

16 Papier, Karton; Waren aus Papier oder Pappe (Karton); Druckereierzeugnisse; Zeitschriften, Bücher, Schreibwaren, Klebstoffe (Schreibwaren), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

41 Unterricht in Bezug auf pharmazeutische, diagnostische, tierärztliche Arzneimittel, Arzneispezialitäten, Nahrung, Trinken, Toilettemittel und die Kosmetikindustrie;

44 Ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; Gesundheitsdienste.

Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke geeignet, zumal auch im angefochtenen Zeichen ein plektrumförmiges, oranges Bildelement dominiere und die Waren und Dienstleistungen identisch oder wenigstens verwechselbar ähnlich seien. Die zusätzlichen Wortelemente seien nicht geeignet, die Ähnlichkeit aufzuheben.

Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr, weil die Widerspruchsmarke nur über eine sehr geringe Unterscheidungskraft verfüge und das angegriffene Zeichen durch seine Wortbestandteile geprägt werde, wobei insbesondere KiVi als reiner Phantasiebegriff dominiere, sodass der Bildteil, ein oranger Fleck, vom Publikum als Hintergrundverzierung wahrgenommen werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Widerspruch ab. Die aus einem orangen Klecks bestehende Widerspruchsmarke verfüge originär über eine geringe Kennzeichnungskraft. Angesichts der Waren und Dienstleistungen sei die Assoziation mit einem Plektrum, einem Zupfplättchen, nicht nachvollziehbar. Ausgehend von der teilweisen Identität und der teilweisen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen in den Klassen 16, 41 und 44 betonte es die teilweise Bildgleichheit in Form eines orangen Flecks. Das angegriffene Zeichen werde durch KiVi geprägt, zusätzlich bestehe eine gelbe Umrandung und der orange Fleck sei anders ausgestaltet: Damit bestehe keine verwechselbare Ähnlichkeit.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Registrierung der angegriffenen Marke aufgehoben werde.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Rekurs zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C 39/97 = ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon , Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

1.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB EuGH C 191/11 P – Yorma’s , Rz 43; EuG T 599/10 – Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; R

IS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).

1.3. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH C 39/97 = ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – FIRN ; 17 Ob 36/08f – KOBRA/cobra-couture.at ; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

1.4. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden ; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y – Summer Splash ; ecolex 2003, 608 – More ; RIS Justiz RS0078944; EuGH C 342/97 – Lloyd , Rz 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; RIS-Justiz RS0043640; RW0000786) .

1.5. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO ; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g – Ionit/Isonit). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 – Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara ; ÖBl 1999, 82 – AMC/ATC ; EuGH Slg 1997, I 6191 – Sabel/Puma , Rz 23; 4 Ob 139/02y – Summer Splash ; ecolex 2003, 608 – More ; RIS-Justiz RS0117324; EuGH C 120/04 – Thomson life, Rz 28) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (EuGH C 342/97 – Lloyd, Rz 26; C 291/00 – LTJ Diffusion, Rz 52; C 104/01 – Orange , Rz 64).

1.6. Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; EuGH C 251/95 – Sabel/Puma; C 206/04 – Muelhens). Für das Bejahen von Verwechslungsgefahr muss eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02 – Kathreiner). Auch hier sind der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen maßgebend (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y – Hotel Harmonie/Harmony Hotels; 4 Ob 57/14g – Ionit/Isonit). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74 = SZ 47/103 – Pregnex/Pregtest; RIS-Justiz RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p – Junkerschinken).

1.7. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).

1.8. Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH 20.9.2007, C 193/06 P – Quick/Quicky).

1.9. Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t – Max/Spannmax; RIS-Justiz RS0079033). Bei Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, nicht gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack Jones; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04, ÖBl 2006, 143 – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero; jüngst 4 Ob 181/14t – Max/Spannmax) .

2. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr insgesamt zu bejahen.

2.1. Die teilweise Ähnlichkeit und teilweise Identität der geschützten Waren und Dienstleistungen ist in den relevanten Klassen im Rekursverfahren nicht mehr strittig. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher auf die zutreffenden Ausführungen der Rechtsabteilung im angefochtenen Beschluss verwiesen werden (§ 139 Einleitungssatz PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

2.2. Das Rekursgericht teilt die Einschätzung der Rechtsabteilung im Ergebnis nicht, dass die grafische Gestaltung der Widerspruchsmarke prinzipiell so wenig originell sei, dass sie für das Ergebnis außer Betracht bleiben könnte. Zutreffend betont die Antragsgegnerin zwar, dass der Verbraucher – ohne grafische Darstellung oder Wortelemente – nicht von vornherein von der Farbe einer Ware oder einer Verpackung auf ein bestimmtes Unternehmen schließt (EuGH C 104/01 – Orange, Rz 27 und 65), doch bezieht sich die zitierte Entscheidung auf die „konturlose“ Verwendung einer Farbe als solcher. Diese Entscheidung lässt sich somit nicht auf Marken übertragen, die aus einer grafischen Darstellung bestehen, die eben eine bestimmte Farbe hat.

Die Einschätzung im angefochtenen Beschluss, wonach der in Orange gehaltene Teil des angefochtenen Zeichens sich im Ähnlichkeitsvergleich nicht zuletzt wegen der in Gelb gehaltenen weiteren Umfassung des in weißer Schrift in den orangen Fleck eingefügten Worts KiVi signifikant vom Widerspruchszeichen unterscheidet, lässt daher nach Einschätzung des Rekursgerichts außer Acht, dass die Farbe Gelb gegenüber der Farbe Orange nur einen geringen Unterschied aufweist und dass die dünne gelbe Umrandung damit auch den Gesamteindruck der in Orange gehaltenen Form nicht beeinträchtigt. Das Rekursgericht neigt – wie auch die Antragsgegnerin in der Rekursbeantwortung – dazu, diese Form als am ehesten mit einem Plektrum (Gitarrenplättchen) vergleichbar anzusehen.

Deshalb ist die optische Gestaltung nicht zu vernachlässigen und bleibt für den Ähnlichkeitsvergleich relevant.

Klanglich lassen sich die Marken nicht vergleichen, weil die Widerspruchsmarke keinen Wortanteil hat.

Bei der Bedeutung zeigt sich ein Unterschied darin, dass das angefochtene Zeichen aus einem kennzeichnungskräftigen, mehrgliedrigen Wortbestandteil, die Widerspruchsmarke hingegen nur aus einem Bild besteht. Zur Bedeutung des Wortes KiVi ist das Rekursgericht nicht der Auffassung des Patentamts, dass es originell und damit unterscheidungskräftig ist, weil es als Akronym den beschreibenden Charakter der im Zeichen enthaltenen Wendung „Kids...vital!“ mit übernimmt.

2.3. Das Widerspruchszeichen ist zusammengefasst als schwach kennzeichnend anzusehen, wenngleich ihm auch im Widerspruchsverfahren als registrierte Gemeinschaftsmarke – in seiner Gesamtheit – jedenfalls ein gewisser Grad an Kennzeichenkraft zuzubilligen ist (EuGH C 196/11 P – F1 LIVE, Rz 40 f [betreffend den umgekehrten Fall einer eingetragenen nationalen Marke im Widerspruchsverfahren vor dem HABM]).

2.4. Die der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Thomson life (oben Pkt 1.9.) zugrunde liegende Auffassung, wonach eine Wortmarke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion jedenfalls behält, wenn sie und eine (auch bekannte) Unternehmensbezeichnung bloß aneinander gereiht werden, kann nach dem Obersten Gerichtshof nur auf jene Fälle übertragen werden, in denen eine Bildmarke – wenngleich in unveränderter Form – mit anderen kennzeichnungskräftigen Elementen zu einem neuen Zeichen verschmolzen wird und unter Bedachtnahme auf den Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens Verwechslungsgefahr bestehen bleibt (RIS-Justiz RS0122372). Diese Prüfung hat einzelfallbezogen zu erfolgen.

Wird eine Bildmarke mit weiteren Bestandteilen verschmolzen, kann in der Regel angenommen werden, dass das Publikum die einzelnen Bestandteile nicht mehr als solche wahrnimmt, sondern das Zeichen als Einheit auffasst. Bei einer im Wesentlichen unveränderten Übernahme eines Bildzeichens kann aber das Bildzeichen seine selbstständig kennzeichnende Funktion behalten, wenn es in der so geschaffenen Kombination nicht in den Hintergrund tritt (vgl oben Punkt 1.9.).

Von dieser Konstellation geht das Rekursgericht hier aus. Wie bereits ausgeführt verändert die gelbe Linie das in Orange gehaltene grafische Element der Widerspruchsmarke nicht nennenswert. Auch die weiße Beschriftung „KiVi“ sowie die außerhalb des grafischen Elements gesetzte viel kleinere Beschriftung „Kids...vital!“ verändern den Gesamteindruck nicht. Zu berücksichtigen ist zwar, dass das Publikum beide Zeichen kaum nebeneinander sieht und daher stets ein Bild mit der Erinnerung vergleicht. Zu unterstellen ist jedoch dabei, dass die Betrachter der angegriffenen Marke die Widerspruchsmarke jedenfalls kennen.

Nach der Einschätzung des Rekursgerichts werden (vor allem auch wegen der Ähnlichkeit und der teilweisen Identität der bezeichneten Waren und Dienstleistungen) weite Teile der Verkehrskreise, die die Widerspruchsmarke kennen, in der angegriffenen Marke wegen der praktisch identen optischen Gestaltung des grafischen Elements (quasi vollständige Übernahme) am ehesten eine – durch die zusätzliche Textierung herbeigeführte – bloße Fortentwicklung oder Ausgestaltung der Widerspruchsmarke vermuten, woraus sich die Verwechslungsgefahr zwanglos ableiten lässt.

Entscheidend ist daher im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung (RIS-Justiz RS0117324; RS0121482; RS0121500) nicht primär, ob der in Orange gehaltene Bildteil das angegriffene Zeichen gar nicht, schwach oder stark kennzeichnet. Einerseits wurde die Widerspruchsmarke zwar nicht völlig unverändert aber wegen der oben dargelegten Dominanz von Form und Farbe weitgehend ident in das angefochtene Zeichen übernommen; andererseits tritt der Wortteil der angegriffenen Marke, der zwar auch erinnerungskräftig ist, gegenüber dem grafischen Element nicht so stark in den Vordergrund, als dass bei der teilweisen Identität und der teilweisen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen noch ein ausreichender Zeichenabstand bestünde.

Im Ergebnis ist das Rechtsmittel daher erfolgreich und die angegriffene Marke ist zu löschen. Ausgenommen sind dabei in der Warenklasse 16 die CDs und die DVDs, die im Warenkatalog der Widerspruchsmarke keine Entsprechung haben.

3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

4. Ein Kostenersatz findet im Widerspruchsverfahren nach § 29b Abs 7 MSchG und § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.

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