34R133/14z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Unterlassung (EUR 32.000,--), Beseitigung (EUR 1.000,--), Rechnungslegung (EUR 1.000,--) und Veröffentlichung (EUR 1.000,--), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27.8.2014, 34 Cg 25/11z 72 (Berufungsinteresse EUR 34.000,--), in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die Kosten der Berufungsbeantwortung von EUR 5.250,96 (darin EUR 875,16 USt.) zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Die Klägerin ist Inhaberin des aufrechten österreichischen Patents E 355 433 (EP 1 606 475 B1), das mit der Priorität 11.2.2003 einen Schalungsträger schützt. Die Ansprüche 1 sowie 4 bis 7 dieses Patents lauten:
1. Schalungsträger (1) mit einem Obergurt (2) und einem Untergurt (4) und einem diese verbindenden Steg (6), die im wesentlichen aus Holz bestehen, wobei der Steg (6) und/oder zumindest einer der Gurte (2, 4) zumindest in einem Endbereich (1’) des Trägers mindestens eine Ausnehmung (8) aufweist, die im Fall eines Gurtes (2, 4) zumindest im Bereich einer Überdeckung (Ü) des Steges (6) sowie an den Steg (6) angrenzend gelegen ist, wobei die mindestens eine Ausnehmung (8) mit einem Füllmaterial (10) versehen ist, das stoßdämpfende Eigenschaften besitzt.
[...]
4. Schalungsträger nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Füllmaterial (10) die mindestens eine Ausnehmung (8) im wesentlichen ausfüllt.
5. Schalungsträger nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass er ferner einen Stirnschutz (12) aufweist, der eine in dem Endbereich (1’) gelegene Stirnfläche (1’’) des Schalungsträgers (1) zumindest abschnittsweise bedeckt.
6. Schalungsträger nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Stirnschutz (12) integral mit dem Füllmaterial (10) mindestens einer Ausnehmung (8) gebildet ist.
7. Schalungsträger nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Stirnschutz (12) den Endbereich zumindest teilweise umgreift.
Die Beklagte brachte von der slowenischen G***** hergestellte H20 Träger in Verkehr, welche sie von der C***** (vormalige Zweitbeklagte) bezog. Im Jänner 2010 veräußerte die Beklagte letztmalig diese Schalungsträger weiter, wobei der Vertriebsleiter der Beklagten im Jänner 2010 die Anweisung gab, dass alle H20 Träger dem Lieferanten C***** zurückgegeben werden. Gebrauchte H20 Träger in Vermietung wurden nach deren Rückgabe durch den Kunden an die Zentrale in R***** retourniert und dort entsorgt und/oder die Schutzkappen entfernt.
Die Klägerin behauptet den unzulässigen Vertrieb des klagspatentverletzenden Schalungsträgers mit der Produktbezeichnung H20 (in der Folge kurz H20 Träger) und begehrt unter anderem die Unterlassung. Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Hauptbegehrens beantragte sie auch eine einstweilige Verfügung, welche mit Beschluss vom 10.6.2011 leicht modifiziert erlassen wurde (bestätigt zu 5 R 158/11h des OLG Wien). Begründend führt sie an, dass dieser Schalungsträger die Patentansprüche 1 sowie 4 bis 7 erfülle. Der H20 Träger bestehe im Wesentlichen aus Holz, wobei ein Obergurt und ein Untergurt über einen Steg miteinander verbunden seien. An den Enden sei jeweils eine Endkappe vorgesehen, die aus einem Material bestehe, das ein Dämpfungsverhalten aufweise, wie dies einem Polypropylen-Kunststoffmaterial entspreche. Im Endbereich des Trägers seien zwei Ausnehmungen im Obergurt und Untergurt ausgebildet, wobei an diese Ausnehmungen unmittelbar der Steg angrenze. Die Ausnehmungen seien vollständig mit dem Polypropylen-Kunststoffmaterial ausgefüllt. Die Endkappe weise einen einstückig mit dem Füllmaterial ausgebildeten Stirnschutz auf, der zudem den Endbereich des Schalungsträgers zur Gänze umgreife. Die Beklagte habe keine Unterlassungserklärung unterfertigt, die vor der Wiederholung der Patentrechteverletzung schützen würde; sie habe nur einen Eingriff mit nicht nachvollziehbarer Begründung bestritten. Es bestehe daher nach wie vor Wiederholungsgefahr und die Klägerin sei auch zur Rechnungslegung sowie zur Urteilsveröffentlichung zu verpflichten.
Die Beklagte bestritt die Begehren und wandte ein, dass sie das Patent der Klägerin nicht verletzt habe. Wesen der Erfindung sei, dass im Endbereich des Trägers gelegene Ausnehmungen mit einem Füllmaterial versehen seien, das eine stoßdämpfende Eigenschaften besitze. Nach dem Wortlaut der Patentansprüche 1 und 9 werde nicht jedwedes Füllmaterial mit noch so geringen stoßdämpfenden Eigenschaften erfasst. Nur solchen Konstruktionen, die mit den in Anspruch 9 aufgezählten Materialien ausgeführt würden, komme Schutz zu. Es handle sich um eine taxative und nicht bloß demonstrative Aufzählung. Ziel des Klagspatents sei es, eine stoßdämpfende Wirkung zu haben, wobei mangels vergleichbarer stoßdämpfender Eigenschaft die Verformfähigkeit und damit auch die Tragfähigkeit des H20 Trägers nicht erheblich erhöht werde.
Darüber hinaus sei mit Jänner 2010 der Vertrieb des H20 Trägers eingestellt worden und der Vertriebsleiter habe die Anweisung erteilt, alle Schalungsträger an die C***** zurückzugeben. Dies sei auch überwacht worden. Vermietete Schalungsträger seien entweder entsorgt oder die Schutzkappe entfernt worden. Somit fehle die Wiederholungsgefahr.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren mit Ausnahme jenes der Veröffentlichung statt und traf die auf den Seiten 8 bis 10 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich ging es davon aus, dass der H20 Träger die wesentlichen Merkmale des Klagspatents erfülle und es daher verletze. Die Wiederholungsgefahr sei gegeben, weil die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine Patentrechtsverletzung vehement bestritten habe; es sei behauptet worden, der Schalungsträger greife nicht in das Patent der Klägerin ein. Es bestehe auch der Beseitigungsanspruch insofern, als die Beklagte noch eine Verfügungsmacht über in Verkehr befindliche Schalungsträger habe. Zudem sei die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der unrichtigen und unvollständigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilungen. Beantragt wird, die Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Beweisrüge :
1.1 Die Klägerin wendet sich gegen die folgenden Feststellungen:
„Der Schalungsträger der Beklagten weist die Merkmale von Patentanspruch 1 des Europäischen Patents 1 606 475 auf und liegt somit innerhalb des Schutzbereiches dieses Anspruchs.
[...]
Die erfindungsgemäß angestrebte Wirkung tritt dann ein, wenn die Belastung in einem mittleren Bereich liegt. Es scheint technisch jedenfalls plausibel, dass es solche Belastungsfälle gibt, in denen die stoßdämpfende Wirkung der Kappe, genauer gesagt des in die Ausnehmung ragenden Teils der Kappe, zum Tragen kommt und eine Zerstörung des Schalungsträgers dadurch verhindert wird.
Die aufgebrachte Kraft bzw. die in der Tabelle 3 von ./5 angeführten Werte geben keine eindeutigen Schlüsse darauf, dass beim Schalungsträger H20 keine Wirksamkeit gegeben ist. Eine eventuelle Beschädigung an den Enden beeinträchtigt an und für sich die Funktion nicht, sofern diese Beschädigung nur lokal ist. In der Patentschrift ist als wesentliches Merkmal angeführt, dass der Träger in seiner Ausbreitung von Rissen und Schäden beim Aufprall in den Steg in seiner Längsrichtung dies verhindern soll. Daher ist eine elastische Verformung des Vorsprungs nur in geringem Ausmaß (es sind 0,28 mm angeführt) nicht wirklich relevant.
Nicht festgestellt werden konnte, dass die Zwischenstege der Kappen beim Schalungsträger H20 unter keinen realistischerweise zu erwartenden Belastungsfällen eine stoßdämpfende Wirkung aufweisen.“
Stattdessen strebt sie folgende Ersatzfeststellungen an:
„Der Schalungsträger der Beklagten weist die Merkmale von Patentanspruch 1 des Europäischen Patents 1 606 475 nicht auf und liegt somit außerhalb des Schutzbereichs dieses Anspruchs.
Die Zwischenstege der Kappen beim Schalungsträger H20 weisen unter keinen realistischerweise zu erwartenden Belastungsfällen einen stoßdämpfende Wirkung auf.
Der klagsgegenständliche Schalungsträger ist durch eine I Trägerform, die Anbringung parallel zur Gurtbreite und somit horizontal verlaufender und kerbbildender Schlitzungen zwischen Trägergurt und Trägersteg gekennzeichnet und unterscheidet sich von dem durch das Klagspatent geschützten Schalungsträger durch unterschiedliche Profilierungen und Trägerendbereiche sowie in Form der Materialwahl der Schutzkappe, die selbst dem Stand der Technik entsprachen.
Der Schalungsträger H20 hat dem Stand der Technik vor dem 11.2.2003 entsprochen und geht somit nicht über den in der Patentschrift EP 1 606 475 B1 formulierten Stand der Technik hinaus.“
Zur rechtlichen Relevanz führt sie grundsätzlich nichts aus, wobei diese Ersatzfeststellungen im Ergebnis ausschließlich auf die Abänderung der Entscheidung abzielen. Begründend wird zusammenfassend nur der Vorwurf erhoben, dass dem gerichtlichen bestellten Sachverständigen nicht zu folgen gewesen wäre und das von ihr im Verfahren vorgelegte Gutachten von Prof. S***** zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Schalungsträger H20 dem Stand der Technik vor dem 11.2.2003 entsprochen habe und somit nicht über den in der Patentschrift EP 1 606 475 B1 formulierten Stand der Technik hinausgehe.
1.2 Ungeachtet des Umstandes, dass die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl. Kodek in Rechberger 4 , § 471 ZPO Rz 8; RIS-Justiz RW0000137, RS0041835), überzeugen die (auch gegenüber dem Provisorialverfahren gleich gebliebenen) Argumente der Klägerin nicht, dass dadurch die bekämpften Feststellungen zumindest überwiegend wahrscheinlich unrichtig sind, insbesondere was die technischen Feststellungen betrifft.
Die Beklagte sieht ein diametral unterschiedliches Ergebnis zwischen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und jenem des von ihr beauftragten Sachverständigen Prof. S***** darin, dass einerseits von einer elastischen Verformung des Zapfens ausgegangen wird und andererseits von einer plastischen Verformung. Dabei berücksichtigt sie jedoch nicht, dass diese Frage in der gesamten Patentschrift nicht berührt wird und damit in Bezug auf den Schutzumfang keine Bedeutung hat. Wesentlich für die Erfindung ist, dass die Tragfähigkeit und/oder der Widerstand des Schalungsträger bei stoßartiger Beanspruchung verbessert wird. Dies ist auch bei den von der Beklagten vertriebenen H20 Trägern jedenfalls der Fall.
Die Ausführungen der Beklagten zur behaupteten Unkenntnis des Sachverständigen von den Eigenschaften von Nadelhölzern haben mit dem Patent nur insofern zu tun, als sie die hergestellten Objekte (= Träger) betreffen und nicht die Erfindung an sich.
Es bestehen auch keine unaufgeklärten Widersprüche zum Gutachten von Prof. S*****, weil dessen Ausführungen das Ziel der Erfindung nicht miteinschließt, nämlich „bei stoßartigen Beanspruchungen, insbesondere in Trägerquerrichtung bzw. Trägerschrägrichtung“ die Widerstandskraft zu verbessern (vgl Beschreibung [0008]).
Zur monierten Dämpfungswirkung und/oder zur Überwindung des Spiels ist nur darauf hinzuweisen, dass die stoßdämpfenden Eigenschaften eines Materials an sich meist eine Dämpfungswirkung erzeugen, es aber im montierten Zustand nicht auch zwangsweise müssen. Berücksichtigt man die von der Beklagten vorgelegten Prüf- und Messergebnisse, ist – im Gegensatz zum Vorbringen – festzuhalten, dass der H20 Träger positive (Dämpfungs-)Ergebnisse gebracht hat. Ein Unterschied von 9 bzw. 11 % zwischen erfindungsgemäß und nicht erfindungsgemäß ist jedenfalls als erheblich zu bezeichnen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Prüfergebnisse grundsätzlich mit jenen der Klägerin nicht vergleichbar sind, weil sie unter unterschiedlichen Prüfbedingungen erhoben wurden. Darüber hinaus wurden die Prüfkräfte bei der Beklagten quasi statisch aufgebracht und nicht – wie bei einem zu beherrschenden Absturz des Schalungsträges hervortretend – dynamisch. Auch in der Beschreibung wird zu [0005] (Dabei ist zu beachten, dass bei einem Herunterfallen eines Schalungsträgers von einem Gerüst oder dergleichen stets beide Trägerenden beansprucht werden, wobei das zuletzt auftreffende Trägerende beim Aufschlagen des ersten Trägerendes noch beschleunigt wird, um dann mit noch größerer Wucht auf dem Boden aufzutreffen. Hierbei treten sehr hohe Beanspruchungen in Trägerquerrichtung auf.) darauf Bezug genommen.
Berücksichtigt man, dass die Beklagte die wortwörtliche Erfüllung des Anspruchs 1 beim H20 Träger nicht bestreitet, so indiziert die oben dargestellte nachgewiesene Wirkung des H20 Trägers auch, dass andere Ansprüche des Patents erfüllt sind. Ziel der Erfindung ist es, einen gattungsgemäßen Schalungsträger bereitzustellen, dessen Tragfähigkeit und dessen Widerstand bei stoßartigen Beanspruchungen, insbesondere in Trägerquerrichtungen und/oder Trägerschrägrichtungen, verbessert werden.
Da die Beklagte im Verfahren einen definierten Stand der Technik nicht nachgewiesen hat und nicht belegt hat, dass der H20 Träger einer anderen Definition entspricht, ist im Rahmen der Beweiswürdigung auf den Einwand des freien Standes der Technik nicht weiter einzugehen.
1.3 Im Ergebnis übernimmt das Berufungsgericht den vom Erstgericht ermittelten Sachverhalt legt ihn seiner Entscheidung zugrunde.
2. Zur Aktenwidrigkeit :
2.1 Die Beklagte sieht in der Feststellung, dass die Ausnehmungen des abgeschnittenen Endes des Schalungsträgers (./2) eine Breite von etwa 3,5 mm haben, die Dicke der Verbindungsstege etwa 2,2 mm beträgt und somit die Verbindungsstege ein Spiel von etwa 1,3 mm haben, eine Aktenwidrigkeit, weil der Luftraum zwischen Schlitzwandung und Kunststoffsteg in Summe rund 1,5 mm ausmache. Die genaue Feststellung des Spiels sei ergebnisrelevant, weil der Unteranspruch 4 des Streitpatents darauf abstelle, dass die mindestens eine Ausnehmung „im Wesentlichen“ ausgefüllt werde; andererseits auch für die Frage, ob das verwendete Füllmaterial aufgrund des vorliegenden Spiels überhaupt eine stoßdämpfende Wirkung ausüben könne.
2.2 Eine Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, dh, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS-Justiz RS0043347; Kodek in Rechberger 4 , § 471 ZPO Rz 7), somit dem Gericht bei der Darstellung der Beweisergebnisse ein Irrtum unterlief, der aus den Akten erkennbar und wesentlich ist (Kodek in Rechberger 4 , § 503 ZPO Rz 17; RIS-Justiz RS0043203; Pochmarski/Lichtenberg, Die Berufung in der ZPO 2 , 126).
Diesbezüglich ist nur darauf hinzuweisen, dass in [0014] ( Ein besonders wirkungsvolles Dämpfungsverhalten wird gemäß einer Weiterbildung der vorliegenden Erfindung dadurch erzielt, dass das Füllmaterial die mindestens eine Ausnehmung im wesentlichen ausfüllt.) und in [0031] ( Die Ausnehmungen (8) weisen ein Füllmaterial (10) auf, das stoßdämpfende Eigenschaft besitzt und im vorliegenden Ausführungsbeispiel die Ausnehmungen (8) im Wesentlichen ausfüllt. Obwohl ein weitgehendes Ausfüllen der Ausnehmungen (8) bevorzugt ist, sind auch Ausführungsformen mit Hohlräumen oder Aussparungen in dem Füllmaterial (10) möglich...) erläutert wird, dass „ohne“ diese Weiterbildung eine so weitreichende Ausfüllung nicht notwendig ist; die Erfindung ist dennoch erfüllt/verletzt. Eine Diskrepanz des Luftraums zwischen 1,3 mm und 1,5 mm ist daher ohne Relevanz.
3. Zur Rechtsrüge :
3.1 Im Vordergrund der Berufungsausführungen in Bezug auf die unrichtige rechtliche Beurteilung stehen die Behauptungen der unrichtigen Auslegung des Patents und des Arbeitens nach dem freien Stand der Technik. Wesentlich sei, dass der H20 Träger nicht das Ziel der Erfindung des Klagspatents erreiche.
3.2 Nach Art 69 EPÜ wird der Schutzbereich europäischer Patente durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind auch zur
Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Zu achten ist insbesondere auf die Formulierung der (kennzeichnenden Teile der) Patentansprüche: Diese können abschließend oder mehr oder weniger offen textiert sein. Nach dem Auslegungsprotokoll zu Art 69 EPÜ ist diese Bestimmung nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents nur jener zu verstehen wäre, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergäbe, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden wären. Ebenso wenig ist Art 69 EPÜ dahin auszulegen, dass die Patentansprüche nur als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die
Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden (OPM Op 1/00; Op 4,5/00; Op 3/12; OGH 4 Ob 178/03k).
Maßgebend für den Schutzumfang eines Patents ist demnach ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dem, was aus der Beschreibung und den Zeichnungen als Lösung des technischen Problems hervorgeht (Op 3/09). Dabei ist auf das Verständnis des im jeweiligen Gebiet tätigen Fachmanns abzustellen (Scharen in Benkard, EPÜ 2 [2012] Art 69 Rz 6; Stauder in Stauder/Luginbühl, EPÜ 6 [2013] Art 69 Rz 11).
Das Berufungsgericht hält die Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Auslegung des Patents für zutreffend (§ 141 PatG iVm § 500a ZPO).
3.3 Wenn sich die Beklagte auf das Arbeiten nach dem freien Stand der Technik beruft, meint sie, dass sie nur von dem Gebrauch macht, was schon vor der Schutzrechtsanmeldung Gemeingut der Technik gewesen ist. Dabei übersieht sie, dass bei einem Patentrechtsverletzungsverfahren diese Frage in der Regel nicht beleuchtet wird, weil grundsätzlich von einem zu Recht bestehenden Patent auszugehen ist. Das Gericht ist an das erteilte Patent und an den sich aus dem Wortlaut der Patentansprüche und seiner Auslegung ergebenden Gegenstand des Patents gebunden. Diesbezüglich steht der Beklagten der Nichtigkeitsantrag offen. Ungeachtet dessen hat sie ohnedies einen definierten Stand der Technik nicht nachgewiesen, geschweige denn, dass der H20 Träger dieser Definition entspricht.
3.4 Die Beklagte bestritt nicht die wörtliche Erfüllung des Anspruchs 1 bei den H20 Schalungsträgern, sondern versucht, die Behauptung zu belegen, dass die von ihr vertriebenen Schalungsträger das Ziel der Erfindung nicht erreichen und daher nicht unter das Patent fallen.
Dies trifft aber – wie schon im Provisorialverfahren hervorgekommen – nicht zu: Nach [0007] der Beschreibung ist es Aufgabe (Ziel) des Klagspatents, einen gattungsgemäßen Schalungsträger bereit zu stellen, dessen Tragfähigkeit und dessen Widerstand bei stoßartigen Beanspruchungen, insbesondere in Trägerquerrichtung bzw. Trägerschrägrichtung, verbessert sind. In [0009] heißt es noch ausführlicher, dass beabsichtigt ist, den inneren Aufbau gezielt derart auszulegen, dass die Verformungsfähigkeit und hiermit auch die Tragfähigkeit des Trägers erheblich erhöht werden. Durch die Erfindung kann insbesondere ein Aufspalten des Gurts infolge der durch den Steg eingeleiteten Druckkraft wirksam verhindert werden [0011].
Diese Ziele erreicht man mit einem Schalungsträger gemäß Anspruch 1: Schalungsträger (1) mit einem Obergurt (2) und einem Untergurt (4) und einem diese verbindenden Steg (6), die im Wesentlichen aus Holz bestehen, wobei der Steg (6) und/oder zumindest einer der Gurte (2, 4) zumindest in einem Endbereich (1’) des Trägers mindestens eine Ausnehmung (8) aufweist, die im Fall eines Gurtes (2, 4) zumindest im Bereich einer Überdeckung (Ü) des Steges (6) sowie an den Steg (6) angrenzend gelegen ist, wobei die mindestens eine Ausnehmung (8) mit einem Füllmaterial (10) versehen ist, das stoßdämpfende Eigenschaften besitzt.
Der Aufbau des Patents lässt sich am besten aus der Figur 3 ersehen:
Der Schalungsträger (1) besteht im Wesentlichen aus einem Obergurt (2) einem Untergurt (4) und einem die beiden Gurte verbindenden Steg (6). Es gilt nun, die Enden dieser Träger gegen mechanische Beanspruchungen besser als bisher zu schützen. Dazu ist nicht nur, wie bereits im Stand der Technik bekannt, eine (Kunststoff )Kappe (zerlegt dargestellt) am Ende des Trägers anzubringen, sondern auch und vor allem sind Ausnehmungen (8) im Endbereich des Trägers zwischen dem Steg (6) und den Gurten (2, 4) vorzusehen. In diesen Ausnehmungen (8) befinden sich beim fertig montierten Schalungsträger (1) die Flächen (10) der Kappen (12). Weiters sind bei dieser Ausführungsform Verstärkungselemente (14) innerhalb der Kappen (12) angeordnet. Verbunden werden diese beiden Elemente durch einen mittleren Abschnitt (12’).
Die Ausführungsform gemäß Figur 1 und 2 ist demgegenüber dadurch unterschiedlich, dass dort diese fünf Bestandteile (2 x 12, 2 x 14 und 1 x 12’) des Stirnschutzes als ein einziger Teil ausgebildet sind, wodurch spezielle Querschnittsverläufe für die Ausnehmungen und die Wandstärken der Kappe gewählt worden sind.
Die Besonderheit dieses Stirnschutzes ist nun, dass beim Absturz eines solchen Elements (Schalungsträger), das meistens schräg auf einen harten Untergrund (zumeist Beton) stürzt, sich der durch den Schlitz (8) frei nach außen ragende Endteil des jeweiligen Gurtes (2, 4) verbiegen kann, ohne dass es zu einem unkontrollierten Losreißen vom Steg (6) kommt. Ein solches Losreißen ist das tatsächlich Schädliche, weil in der Praxis der Schalungsträger (1) nur ein Maß wirklich einhalten muss: Er muss von einem bis zum anderen Ende die gleiche Höhe aufweisen und in der Höhe gerade verlaufen. Wenn er einmal an irgendeiner Stelle aufgesplittert ist, weist er dort eine „Beule“ auf, die ihn unbrauchbar macht.
3.5 Die Beklagte behauptet nun, dass sich das von ihr für den Stirnschutz verwendete Material (PP = Polypropylen) so sehr von den beispielhaft im Klagspatent genannten Materialien unterscheidet, dass sie damit aus dem Schutzbereich des Klagspatents fällt. Sie stützt sich hier auf den Anspruch 9 des Klagspatents, in dem als Material für den Stirnschutz oder für das Füllmaterial ein Gummimaterial, ein thermoplastisches Elastomer oder eine PUR angegeben ist.
Die Argumentation, dass auch Anspruch 1 nur solche Materialien umfassen könnte, und dass damit die Verwendung von Polypropylen beim H20 Träger aus dem Schutzbereich des Patentanspruchs 1 führt, ist nicht richtig. In diesem Zusammenhang ist auf Anspruch 10 hinzuweisen, wo als Verstärkungselemente (14) für das Füllmaterial und/oder für den Stirnschutz Stahl, Aluminium oder faserverstärkter Kunststoff genannt werden. Wenn dieses Material auch „nur“ für die Verstärkungselemente (14) verwendet werden soll, impliziert dies, dass die stoßdämpfenden Eigenschaften des Füllmaterials nicht so wesentlich für das Erfindungsziel sind.
3.6 Die Beklagte behauptet auch, dass dem Wortlaut des Hauptanspruchs zufolge die „Ausnehmung“ als solche – somit die vollständige Ausnehmung – mit einem Füllmaterial versehen werde. Figur 1 bestätige die Auslegung des Begriffs „Füllmaterial“, zumal hier deutlich ersichtlich sei, dass das Füllmaterial die Ausnehmung vollständig „ausfülle“ bzw. „versehe“. Ein vollständiges Versehen mit „Füllmaterial“ sei aufgrund des festgestellten Spiels der Verbindungsstege der H20 Schalungsträger im Ausmaß von etwa 1,3 mm zweifelsfrei nicht verwirklicht.
Dem ist entgegenzuhalten, dass in der Beschreibung ausdrücklich angeführt und in den Zeichnungen dargestellt ist, dass das Füllmaterial in Form der Endkappen in die Ausnehmungen gelangen kann, damit erübrigt sich jede weitere Diskussion, dass das nicht möglich wäre. Da in der Beschreibung von einem Spiel oder Nichtspiel nicht die Rede ist, ist diesem Spiel oder nicht Nichtspiel keine Bedeutung zuzumessen. In [0014] wird ausgeführt, dass ein besonders wirkungsvolles Dämpfungsverhalten gemäß einer Weiterbildung des Klagspatents dadurch erzielt wird, dass das Füllmaterial die mindestens eine Ausnehmung im Wesentlichen ausfüllt. [0031] sieht vor, dass die Ausnehmungen (8) jeweils ein Füllmaterial (10) aufweisen, das stoßdämpfende Eigenschaften besitzt und im vorliegenden Ausführungsbeispiel die Ausnehmung (8) im Wesentlichen ausfüllt. Obwohl ein weitgehendes Ausfüllen der Ausnehmung (8) bevorzugt ist, sind auch Ausführungsformen mit Hohlräumen oder Aussparungen im Füllmaterial (10) möglich. Damit wird klargestellt, dass ohne diese Weiterbildung eine so weitreichende Ausfüllung nicht notwendig ist und die Erfindung dennoch erfüllt wird. Figur 1 beschreibt somit eine besonders bevorzugte Ausführungsform.
Auch das Vorhandensein eines merklichen Spalts oder Spiels hebt die erfindungsgemäße Verbesserung nicht auf oder beeinträchtigt sie nicht ungebührlich (vgl auch Punkt 2.). Selbst wenn durch das Spiel irreversible Beschädigungen im Bereich der Vorsprünge auftreten, bleibt der Schalungsträger voll verwendbar und verhält sich immer noch besser als ein Schalungsträger nach dem Stand der Technik.
3.7 Die Ausführungen in Bezug auf die technische Wirkung, nämlich dass beim Klagspatent der Füllstoff mit dem Steg und dem Gurt einen Verbund eingehe („System mit Verbund“, hingegen beim H20 Schalungsträger ausschließlich ein Steg eingeschoben werde („System ohne Verbund“) können dahingestellt bleiben, weil diese Frage das Patent nicht berührt.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der H20 Schalungsträger das Klagspatent verletzt.
4.1 Die Beklagte wendet – wie schon im Provisorialverfahren – ein, dass keine Wiederholungsgefahr gegeben sei, weil sie im Jänner 2010 letztmalig den H20 Schalungsträger weiterveräußert habe, der Vetriebsleiter die Anweisung erteilt habe, alle H20 Schalungsträger an den Lieferanten zurückzugeben und gebrauchte H20 Schalungsträger in Vermietung nach Rückgabe zu entsorgen und/oder die Schutzkappen zu entfernen.
4.2 Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verbleibt nur darauf hinzuweisen, dass die Wiederholungsgefahr bestehen bleibt, wenn die Beklagte zwar im Ergebnis dem Klagebegehren durch den eingestellten Vertrieb des H20 Schalungsträger Rechnung trägt, aber im Verfahren weiter (bis zum Schluss) den Standpunkt vertritt, dass sie das Klagspatent nicht verletzt habe (vgl RIS-Justiz
RS0079564). Nach ständiger Rechtsprechung beseitigt nur ein solches Angebot der Beklagten die
Wiederholungsgefahr, all das bietet, was die Klägerin durch ein dem Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil erlangen könnte (4 Ob 64/97h; RIS-Justiz RS0079899). Es kommt darauf an, ob dem Verhalten des Verletzers nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits ausreichende Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen; dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen eine solche Sinnesänderung des Verletzers sprechen.
Im konkreten Fall hat die Beklagte durch ihr anhaltendes Bestreiten der Patentrechtsverletzung im Verfahren nicht einen eindeutigen Willen kundgetan, der eine Wiederholungsgefahr ausschließen könnte. Sie geht nach wie vor davon aus, dass der H20 Schalungsträger die Patentansprüche des Klagspatents nicht erfüllt. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine künftige Störung weiterhin denkbar.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Zuschlag für die Beiziehung eines Patentanwalts steht zu, weil nicht nur prozessual-juristische Fragen Gegenstand des Berufungsverfahrens waren.
Die ordentliche Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.