JudikaturOLG Wien

34R86/14p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. September 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Teilverzichts betreffend das Patent AT 505 448 B über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Technischen Abteilung des Patentamts vom 30.1.2014, 1B A 1005/2007 9, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Eventualantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung der technischen Abteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Aufgrund des Teilverzichts des Patents AT 505 448 B lautet der Patentanspruch 1 unter unveränderter Beibehaltung der Patentansprüche 2 bis 5 nunmehr wie folgt:

Ski mit Skischaufel, wobei der Ski schichtförmig aufgebaut ist und die Skischaufel zumindest eine Materialaussparung aufweist und der Ski zumindest einen Gurt (7, 10) aus hochfestem lichtundurchlässigem Material aus Metall nämlich Aluminium, einer Aluminiumlegierung oder einer Metalllegierung und zumindest einen Gurt (6, 9) aus festem lichtdurchlässigem Material aus glasfaserverstärktem Kunststoff aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Materialaussparung (4) der Skischaufel (2) durch Ausschnitte des/der Gurte (7, 10) aus hochfestem lichtundurchlässigem Material aus Metall nämlich Aluminium, einer Aluminiumlegierung oder einer Metalllegierung gebildet ist und dass der wenigstens eine Gurt (6, 9) aus festem lichtdurchlässigem Material aus glasfaserverstärktem Kunststoff die Materialaussparung (4) überdeckt.»

Text

Begründung

Mit Antrag vom 28.6.2007 begehrte die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin die Erteilung des Patents mit dem Titel „Ski“.

Nachdem das Patentamt am 28.2.2008 einen Vorbescheid erlassen und die Antragstellerin darin darauf hingewiesen hatte, dass diese Ansprüche (zu ergänzen: nicht) neu und für den Fachmann auch nicht nahe liegend erfinderisch seien, legte die Antragstellerin am 14.8.2008 neue Patentansprüche und neue Beschreibungsseiten vor (ON 5). Daraufhin erteilte das Patentamt mit Beschluss vom 22.12.2008 das erwähnte Patent (ON 6). Der für das Rekursverfahren allein relevante Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

«Ski mit Skischaufel, wobei der Ski schichtförmig aufgebaut ist und die Skischaufel zumindest eine Materialaussparung aufweist und der Ski zumindest einen Gurt aus hochfestem lichtundurchlässigem Material insbesondere aus Metall wie Aluminium und zumindest einen Gurt aus festem lichtdurchlässigem Material aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Materialaussparung (4) der Skischaufel (2) durch Ausschnitte des/der Gurte (7, 10) aus hochfestem lichtundurchlässigem Material gebildet ist und dass der wenigstens eine Gurt (6, 9) aus festem lichtdurchlässigem Material die Materialaussparung (4) überdeckt.»

Mit Antrag vom 16.12.2013 erklärte die Antragstellerin einen Teilverzicht gemäß § 46 Abs 1 Z 3 PatG und legte zu diesem Zweck einen abgeänderten Anspruchssatz bestehend aus fünf Ansprüchen vor. Die Abänderungen beträfen den ursprünglichen Anspruch 1. Es handle sich bei beiden Änderungen um präzisierende Einschränkungen durch Aufnahme von Materialangaben. Die Zulässigkeit ergebe sich einerseits aus eben diesen Einschränkungen, die eine Verzicht darstellen würden und andererseits aus dem Umstand, dass der verbleibende Gegenstand unmittelbar und eindeutig aus der Gesamtoffenbarung hervorgehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Teilverzicht betreffend Anspruch 1 durch dessen Neuformulierung ab, wobei die begehrten Änderungen im Detail aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung anhand von Durch- und Unterstreichungen wie folgt ersichtlich sind:

Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, die Verringerung der Ausführungs- oder Durchführungsvarianten beim gegebenen Wortlaut sei Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Teilverzicht. Mit den Einfügungen würde jedoch aus der Beschreibung geschöpft, was nach § 91 Abs 3 PatG unzulässig sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass durch die gewählte Formulierung nur mehr eine Teilmenge übrigbleibe und durch das Ersetzen weitgriffiger durch engere Merkmale eine Beschränkung des Schutzbegehrens gegeben wäre.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin. Beantragt wird, falls erforderlich eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und dem Teilverzicht „zuzustimmen“.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). § 139 PatG ordnet – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen - die sinngemäße Anwendung des AußStrG an.

Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst bei Vorliegen eines (hier: Eventual ) Antrags ist eine solche nicht zwingend vorzunehmen (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG 2 § 52 Rz 1).

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht, und auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Die Beurteilung der Zulässigkeit eines Teilverzichts ist in der Regel eine Rechtsfrage. Daher steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; zum verwandten Markenrecht: 4 Ob 11/14t – Expressglass; Dokalik in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 37 Rz 19).

2. Auf Grund des zwischen der Antragstellerin einerseits und der ***** GmbH andererseits anhängigen gewesenen Verfahrens ***** des Handelsgerichts Wien hatte Letztere mit Schriftsatz vom 2.6.2014 – gestützt auf (richtig:) § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG – den Eintritt als Partei in das Rekursverfahren erklärt. Sie zog diesen Beitritt aber noch vor der Entscheidung über den Rekurs unter Hinweis auf eine Einigung zurück, sodass auf die Frage der Zulässigkeit des Eintritts nicht mehr eingegangen werden muss.

3.1. Gegenstand der Prüfung ist damit ausschließlich der Teilverzicht auf das dem Patentinhaber bereits erteilte Patent, insbesondere in Bezug auf seine Begründetheit und Zulässigkeit. Dabei wird unmittelbar am erteilten Patent angeknüpft, ohne dass die materielle Verfügungsbefugnis des Patentinhabers über sein Schutzrecht und der Rechtsbestand des Patents per se in Frage gestellt werden. Grundsätzlich bewirkt die Registrierung des Patents einen – allenfalls durch Gegenbeweis zu entkräftenden – prima-facie- Beweis für die Rechtsbeständigkeit (RIS-Justiz RS0071369 ua).

3.2. Der Schutzumfang eines Patents wird – ganz generell – durch die Patentansprüche bestimmt (vgl RIS-Justiz RS0071119). In den Schutzbereich eines Patents fallen alle Ausführungsformen, deren Elemente der patentgemäßen Ausführungsform entsprechen oder den in den Ansprüchen beschriebenen Elementen ganz oder zum Teil patentrechtlich äquivalent sind (vgl 17 Ob 6/08v; jüngst 4 Ob 127/13z; RIS-Justiz RS0071119).

3.3. § 91 Abs 3 PatG ermöglicht Änderungen der Beschreibung und der Patentansprüche im Erteilungsverfahren bis zur Fassung des Erteilungsbeschlusses. Ein Verzicht auf das schon erteilte Patent ist aber auch davon unabhängig jedenfalls zulässig (§ 46 Abs 1 Z 3 PatG). Betrifft der Verzicht nur einzelne Teile des Patents, so bleibt das Patent in seinen übrigen Teilen nach § 46 Abs 2 PatG aufrecht, sofern diese noch den Gegenstand eines selbstständigen Patents bilden können (vgl 17 Ob 26/08k – Pantoprazol; Op 1/13).

3.4. Ein erteiltes Patent kann später aus Gründen der Rechtssicherheit allerdings nicht beliebig geändert werden. Eine Änderung darf insbesondere nicht dazu führen, dass an die Stelle der geschützten Erfindung eine andere gesetzt oder dass der Gegenstand und/oder der Schutzbereich erweitert werden. Unzulässig ist daher grundsätzlich die Streichung von Merkmalen, da sie in aller Regel den Patentanspruch nicht einschränken, sondern ihn erweitern. Maßgebend ist somit, ob die Änderung mit der ursprünglichen Offenbarung vereinbar ist; sie muss unmittelbar und eindeutig daraus ableitbar sein und darf damit nicht im Widerspruch stehen (zu Art 105a EPÜ: 17 Ob 13/09z mwN [allgemeiner Grundsatz]; krit dazu Beetz, ÖBl 2010, 11; siehe für Österreich auch Schäfers in Benkard, EPÜ 2 § 105a Rz 11; allg Friebel/Pulitzer, Patentrecht 2 § 46 Anm IV.7.; Burgstaller, Patentrecht 173 f).

3.5. Entscheidend ist daher, dass erstens der Schutzbereich durch die Einschränkung tatsächlich verkleinert und zweitens die ursprüngliche Offenbarung dadurch nicht überschritten wird (zuletzt eindeutig [entgegen Beetz , ÖBl 2010, 11, jedoch ohne direkte Bezugnahme auf dessen Thesen] Op 1/13 ÖBl LS 2014/20 [krit Adocker]).

3.6. Die ursprüngliche Wortwahl „ insbesondere aus Metall wie Aluminium “ formulierte den Anspruch offen. Daher bewirkt die beantragte Umschreibung des verwendeten Materials mit der Formulierung „ aus Metall[,] nämlich Aluminium, einer Aluminiumlegierung oder einer Metalllegierung “ kein unzulässiges Aliud, sondern eine Einschränkung auf eine Teilmenge des ursprünglichen Anspruchs (dazu 17 Ob 24/09t - Nebivolol = RIS-Justiz RS0124037 [T3]). In der konkret angegebenen Auswahl an Stoffen, anstelle einer enumerativen Nennung kommt der Teilgegenstand der patentgemäßen Erfindung zweifelsfrei zum Ausdruck. Dieser Teilgegenstand wird darüber hinaus vom erteilten Patentanspruch 1 erfasst.

3.7. Auch die begehrte Aufnahme von „aus glasfaserverstärktem Kunststoff“ im Zusammenhang mit der Verwendung von „festem lichtdurchlässigem Material“ bewirkt keine Erweiterung des ursprünglichen Anspruchs 1, sondern eine weitere Einschränkung, ist doch durch diese Änderung die Materialauswahl nur mehr auf den zuletzt mit dem Antrag begehrten Stoff beschränkt. In diesem Umfang sind auch Umformulierungen zulässig (allg zB Friebel/Pulitzer, Patentrecht 2 § 46 Anm IV.7.).

3.8. Diesen beiden Argumenten verschließt sich auch das Patentamt im angefochtenen Beschluss nicht, es beurteilt den erklärten Verzicht aber als Aufnahme von Merkmalen und damit als unzulässig.

3.9. Durch den verkleinerten Schutzbereich wurde jedoch – wie auch die Rekurswerberin zutreffend aufzeigt – die ursprüngliche Offenbarung nicht überschritten (vgl 17 Ob 26/08k – Pantoprazol; 17 Ob 24/09t – Nebivolol; Op 1/13 ua; RIS-Justiz RS0124037): Die nunmehr in Anspruch 1 angeführten Materialien waren bereits im ursprünglichen Patentanspruch 1 enthalten, zumal auch für Patente seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln bestehen (RIS-Justiz RS0118278): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden. Durch Aufnahme der im Teilverzicht bezeichneten Materialien in den Anspruch 1 wurde die ursprüngliche Offenbarung somit nicht überschritten.

Der Rekurs ist daher berechtigt, und dem Teilverzicht war stattzugeben.

4. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG nicht statt.

5. Gegen diese Entscheidung ist kein weiterer Rechtszug vorgesehen. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands kann daher entfallen.

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