34R77/14i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Marke „MEDIAWIKI“ über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 16.1.2014, IR 288/2013 5, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:
«Die am 29.5.2012 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf hinterlegte Marke IR 1127711 MEDIAWIKI wird in Österreich für folgende Warenklassen zum Schutz zugelassen:
9 Computer software for collaborative editing of the content of websites and website management – deutsch: Computersoftware für gemeinsames Aufbereiten von Daten von Websites und Websiteverwaltung.»
Text
Begründung
1. Die Antragstellerin ließ die Wortmarke
MEDIAWIKI
für die im Spruch genannten Waren nach den Regeln des Madrider Markenabkommens beim Büro der WIPO registrieren.
2. Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das österreichische Patentamt den Schutz mit der Begründung, die beteiligten Verkehrskreise würden im Begriff MEDIAWIKI ohne komplizierte Gedankenoperation nur eine Verbindung des bekannten Begriffs „WIKI“ mit dem Sachthema „Medien“ erkennen. Das Zeichen liefere nur einen Hinweis darauf, dass die damit bezeichnete Software den Betrieb eines Auskunftsportals („Wiki“) ermögliche, dessen Beiträge sich mit Medien und mit der Kommunikationsvermittlung beschäftigten.
Der Umstand, dass MEDIAWIKI nur der umgedrehte Firmenwortlaut der Antragstellerin (Wikimedia) sei, gebe dem Zeichen noch keine Unterscheidungskraft.
Die Registrierung in anderen Rechtsordnungen sei nicht präjudiziell für Österreich.
3. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die beantragt, die Entscheidung zu ändern und die Marke in Österreich zum Schutz zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
4. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. § 4 Abs 1 Z 4 MSchG verbietet die Registrierung von „beschreibenden Zeichen“.
4.1 Ob einer Warenbezeichnung Unter scheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht4, 82). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Ver kehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit einer anderen betrieblichen Her kunft unterscheiden können (EuGH C 108/97 – Chiemsee ; C 104/00 P – Companyline ; C 398/08 – Vorsprung durch Technik; C 104/01 – Orange [Rn 62]; EuG T 471/07 – Tame it [Rn 15 mwN]; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix) .
4.2 Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungs hindernis be gründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (OBm 1/13 – Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist: Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht einzutragen (vgl EuGH C 104/01 – Orange [Rn 58 und 59]; C 64/02 – Das Prinzip der Bequemlichkeit) .
4.3 Ob das Eintragungshindernis „feh lende Unterscheidungskraft“ vorliegt, wird anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen geprüft, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz2 § 4 Rz 57). Die Eignung zur Erfüllung der Her kunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden (4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix mwN).
Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger aaO Rz 67 mwN der Rsp; EuGH C 104/01 – Orange [Rn 46 und 63]; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).
4.4 Zeichen gelten als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne Weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen ent halten, das heißt die Verkehrskreise müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und/oder Dienstleistungen herstellen können (EuGH C 326/01 – Universaltelefonbuch [Rn 33 mwN]; C 494/08 P – Pranahaus ; vgl zuletzt auch 4 Ob 11/14t – Express glass = RIS-Justiz RS0122383 [T1]; RS0117763, RS0066456, RS0066644).
Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t – immofinanz; 17 Ob 27/07f – ländleimmo; OBm 1/12 – Die grüne Linie) .
Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Stellt also ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i – happykauf mwN; OBm 3/12 – Lounge.at) .
Ist die angemeldete Marke mit anderen Worten nicht ge eignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, die Natur oder die Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11 – Atelier prive ; OBm 2/13 – Primera ua; 4 Ob 66/02p – Cornetto).
4.5 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen. Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).
Kennzeichnungskraft fehlt hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (stRsp: RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 26/93 – Smash; 4 Ob 158/05x – Steirerparkett).
5.1 Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft für die beantragten Waren nicht abzusprechen.
Auch das Rekursgericht ist der Auffassung, dass sich „Wiki“ im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem wegen der Gängigkeit des Begriffs „Wikipedia“ mit der Bedeutung „schnell“ durchgesetzt hat, aber genauso auch mit der Bedeutung, dass ein via Internet zugänglicher Inhalt nicht nur gelesen, sondern auch (von allen) verändert werden kann. „Wiki“ wird dabei auch als Hauptwort verwendet („das Wiki“) und als Summe aller Daten verstanden, auf die über eine einheitliche Plattform zugegriffen werden kann und die über diese Plattform verändert werden können.
Nahe liegt daher die Assoziation, dass MEDIAWIKI im Sinne von „ein Medien-Wiki“ eine derartige Datenbank-Plattform bezeichnet, die sich inhaltlich mit Medien und ihrer Verbreitung beschäftigt. Jedenfalls aber nicht ohne weiteres Nachdenken liegt nahe, dass damit eine Computersoftware beschrieben wird, mit der solche Datenbanken gestaltet und verwaltet werden können. Genauso könnte die Marke mit Blick auf Computersoftware dahin verstanden werden, dass die Software die Gestaltung von Medien betrifft und in der Form dynamisch ist, dass die Anwender „wie bei einem Wiki“ die Software durch ihre eigenen Erkenntnisse weiterentwickeln, die sie einspeisen können. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, welches Verständnis wahrscheinlicher oder häufiger ist, denn nach der Judikatur (s. oben Punkt 4.2) genügt jede „auch noch so geringe“ Unterscheidungskraft.
Betreffend die Ware „Computersoftware“ ist die Marke somit kennzeichnungskräftig (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG), weil nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose nicht zu erwarten ist, dass sie das Publikum – selbst wenn es beide Wortteile, nämlich „MEDIA“ und „WIKI“ mit einer bestimmten Bedeutung versieht – in ihrer Gesamtheit ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte und ausschließlich als Hinweis auf die damit bezeichnete Dienstleistung (Computersoftware für gemeinsames Aufbereiten von Daten von Websites und Websiteverwaltung) versteht.
Die Assoziation mit Software, die zwar auch denkbar ist, ist somit nach der Einschätzung des Rekursgerichts nicht – wie von der Judikatur für das Kriterium „Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft“ gefordert – derart zwingend, dass sie sofort, ohne weiteres Nachdenken, konkret, direkt, ausschließlich und ohne „auch noch so geringe“ andere Möglichkeit einen Bezug dazu herstellen würde.
5.2 Die selben Überlegungen führen zum Schluss, dass MEDIAWIKI auch in Bezug auf eine Software nicht beschreibend ist (§ 4 Abs 1 Z 4 MSchG).
6. Gegen diese Entscheidung ist kein weiterer Rechtszug vorgesehen. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands kann daher entfallen.