JudikaturOLG Wien

34R84/14v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. September 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 257448 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 21.10.2013, WM 31/2010 7, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

Die mit dem Rekurs als Beilage ./H vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 257448 (Priorität 20.8.2010):

LIPOSINOL ,

deren Eintragung die Antragsgegnerin beantragt hatte und die für die Warenklasse 5 (medizinische Erzeugnisse zur Gewichtskontrolle und zur Behandlung von Fettleibigkeit) eingetragen ist.

Die Antragstellerin berief sich dabei auf ihre Wortmarke CTM 1387760 (Priorität 29.1.2001):

LIPOSAN ,

eingetragen für die Warenklasse 1 (Chitosan und Chitosanderivate zur Verwendung für diätische Ergänzungsstoffe) und ihre Wortbildmarke CTM 3105475 (Priorität 10.12.2004):

eingetragen für die Warenklassen 1 (Chitosan und Chitosanderivate zur Verwendung bei der Herstellung diätischer Ergänzungsstoffe) und 29 (funktionelle Nahrungsmittel).

Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit den Widerspruchsmarken laut der jeweiligen Klassifikation geeignet.

Das Patentamt wies den Widerspruch ab und führte begründend an, dass – nach der Einrede der Antragsgegnerin – in Bezug auf die Wortmarke LIPOSAN kein ausreichender Benutzungsnachweis gemäß § 29b Abs 3 MSchG vorgelegt worden sei. Der Widerspruch sei diesbezüglich schon aus diesem Grund abzuweisen. Die Wortbildmarke LIPOSAN ULTRA sei nur für die Waren „Chitosan und Chitosanderivate enthaltende Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduktion“ ernsthaft benutzt worden (so habe es die Antragsgegnerin im Wesentlichen zugestanden [vgl Äußerung vom 8.9.2011]), welche richtigerweise nach Klasse 5 zu klassifizieren wären, jedoch bei weiter Auslegung auch unter „funktionelle Nahrungsmittel“ (Klasse 29) subsumiert werden könnten.

Ausgehend davon sei aufgrund der Zweckbestimmung und der Verwendungsweise der Waren von einer Warenähnlichkeit auszugehen. Bei einer Gesamtbetrachtung seien die Marken in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht als nicht ähnlich anzusehen. Der in den beiden Markenzeichen zu findende Wortbestandteil „Lipo“ sei für „Nahrungsergänzungsmittel“ oder „medizinische Erzeugnisse zur Unterstützung der Gewichtsreduktion“ wegen seines vagen Begriffsgehalts kennzeichnungsschwach, sodass der Verkehr den übrigen Wortbestandteilen („san ultra“/„sinol“), die keine beschreibenden Angaben enthielten, eine gegenüber dem Normalfall gesteigerte Aufmerksamkeit entgegenbringen werde. Hinzu komme in klanglicher Hinsicht, dass die angegriffene Marke nicht nur eine Silbe mehr aufweise als die Widerspruchsmarke, sondern noch eine andere Silbengliederung habe. Zur Unterscheidbarkeit der Marken trage – außer der deutlich unterschiedlichen Gesamtlänge der Worte – eine deutlich wiedererkennbare grafische Ausgestaltung bei, die den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke deutlich präge. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Dagegen richtet sich der an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den Beschluss so abzuändern, dass dem Widerspruch stattgegeben werde, in eventu das Verfahren an das Patentamt zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). § 37 Abs 3 MSchG idF BGBl I 2013/126 verweist auf § 139 PatG und damit auf dessen Einleitungssatz, der – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen – die sinngemäße Anwendung des AußStrG anordnet.

Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst bei Vorliegen eines Antrags ist eine solche nicht zwingend vorzunehmen (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG² § 52 Rz 1).

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht, und auch die Rechtslage ist nicht besonderers komplex. Da die Beurteilung der Verwechslungsgefahr in der Regel eine Rechtsfrage ist (vgl ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640), steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; 4 Ob 11/14t – Expressglass; Dokalik in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 37 Rz 19).

2. Die Antragstellerin legte mit dem Rekurs als Beilage ./H Rechnungskopien über Verkäufe von LIPOSAN ULTRA in Österreich zur Stützung des Nachweises der ernsthaften Benutzung ihrer Marken vor.

Diese Beweismittelvorlage erweist sich aufgrund der vom Rekursgericht anzuwendenden Verfahrensgesetze als unzulässig, weil sie damit gegen das Neuerungsverbot des § 139 Z 3 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG verstößt. Neue Tatsachen oder Beweismittel dürfen nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in erster Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise vorgebracht werden. Die Anwendung des § 49 AußStrG über die Zulässigkeit von Neuerungen ist ausdrücklich ausgeschlossen (Dokalik aaO § 37 Rz 11). Da die Beweismittelvorlage ohnedies nur LIPOSAN ULTRA betraf, deren rechtserhaltende Benutzung im Rekursverfahren nicht strittig ist, dient sie nicht zur Stützung des Rechtsstandpunkts der Antragsstellerin und ist daher unzulässig.

3. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

3.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 30 Rz 5 f mwN). Im konkreten Fall ist aber, was noch zu zeigen sein wird, aufgrund der Einrede der Nichtbenutzung (vgl § 29b Abs 3 MSchG) auf die tatsächliche Verwendung abzustellen und zu prüfen, ob die benutzten Waren unter einem Begriff des Warenverzeichnisses subsumiert werden können ( Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 33a Rz 58 f).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C 39/97 – Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 , 117 mwN bei FN 108).

3.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB EuGH C 191/11 P – Yorma's [Rn 43]; EuG T 599/10 – Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i; Schumacher aaO § 10 Rz 51 ff mwN).

3.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH C 39/97 – Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – Firn ; 17 Ob 36/08f – Kobra/cobra-couture.at; Koppensteiner aaO 111 mwN).

3.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y – Summer Splash; RIS Justiz RS0078944; EuGH C 342/97 – Lloyd [Rn 26]).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

3.5 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a – Go; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 – Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82 – AMC/ATC; 4 Ob 139/02y – Summer Splash; RIS-Justiz RS0117324; EuGH C 251/95 – Sabel/Puma; EuGH C 120/04 – Thomson life). Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (EuGH C 342/97 – Lloyd [Rn 26]; C 291/00,- LTJ Diffusion [Rn 52]; C 104/01 – Orange [Rn 64]).

3.6 Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; EuGH C 251/95 – Sabel/Puma; C 206/04 – Muelhens). Für das Bejahen von Verwechslungsgefahr muss eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02 – Kathreiner). Auch hier ist der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen maßgebend (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y – Hotel Harmonie/Harmony Hotels). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74 – Pregnex/Pregtest; RIS-Justiz RS0066749, RS0066753; zuletzt etwa 17 Ob 18/11p – Junkerschinken).

3.7 In klanglicher Hinsicht haben Endungen im Allgemeinen einen erheblichen Auffälligkeitswert (ÖBl 1976, 164 – Palmers/Falmers mwN; 4 Ob 29/98b – Garanta ; 4 Ob 225/03x – luminos/Lumina ; RIS-Justiz RS0079438).

3.8 Ob fremsprachige Begriffe unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s – car care; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 17 Ob 21/07y – Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t – Expressglass). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w – Powerfood; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 4 Ob 38/06a – Shopping City).

3.9 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).

3.10 Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH 20.9.2007, C 193/06 P – Quick/Quicky).

3.11 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack Jones; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04 – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero) .

4. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so hat das Patentamt die Verwechslungsgefahr zutreffend verneint. Das Rekursgericht hält die Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Verwechslungsgefahr für zutreffend, sodass vorweg auf diese verwiesen werden kann (§ 139 Einleitungssatz PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

4.1 Zu ergänzen ist, dass die Antragsgegnerin letztlich die ernsthafte Benutzung der Wortbildmarke LIPOSAN ULTRA für die Waren „Chitosan und Chitosanderivate enthaltende Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduktion“ im Wesentlichen zugestanden hat (konkret: Nahrungsergänzungsmittel, das den Gewichtsverlust auf der Basis von Chitosan unterstützen soll [vgl Äußerung vom 8.9.2011; diese Waren wurden im Rekurs auch nicht mehr releviert]). Daher ist die Einrede der Nichtbenutzung (vgl § 29b Abs 3 MSchG) in diesem Umfang als zurückgezogen anzusehen (vgl Woller/Stangl/Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 29b Rz 13), und es kann die Verwechslungsgefahr jedenfalls in Bezug auf diese Waren geprüft werden (vgl Beetz aaO Rz 59 f mwN).

4.2 Der Vortrag der Antragstellerin trifft grundsätzlich zu , dass der EuGH in seiner Entscheidung Proti (C 553/11) jüngst dargestellt hat, dass es dem Inhaber einer eingetragenen Marke nicht verwehrt sei, sich zum Nachweis für ihre Benutzung darauf zu berufen, dass die Marke in einer abweichenden – selbst als Marke eingetragenen – Form benutzt worden sei. Eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist aber nicht erforderlich, denn § 33a Abs 4 MSchG sieht ohnedies vor, dass die Benutzung der Marke der Benutzung der Marke in einer Form gleichsteht, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Kennzeichnungskraft der Marke beeinflusst wird. Der EuGH stellte klar, dass diese Bestimmung keine strikte Übereinstimmung zwischen der im Handel verwendeten Form und der Form verlangt, in der die Marke eingetragen ist. Sie soll dem Inhaber der Marke ermöglichen, im Rahmen seines Geschäftsbetriebs Veränderungen am Zeichen vorzunehmen, die (ohne seine Unterscheidungskraft zu beeinflussen) seine bessere Anpassung an die Erfordernisse der Vermarktung gestatten (Rn 21). C 234/06 – Brainbridge betraf den Fall einer „Markenfamilie“ bzw. von „Serienmarken“.

Ausgehend von der ernsthaften Benutzung der Wortbildmarke LIPOSAN ULTRA ist zu prüfen, ob diese Wortbildmarke vom Verkehrskreis im Gesamteindruck trotz der (optischen) Unterschiede mit der anderen Widerspruchsmarke, der Wortmarke LIPOSAN, gleichgesetzt wird. Da auch bei Wortbildmarken regelmäßig der Wortbestandteil maßgebend ist (Beetz aaO Rz 78; siehe auch Ausführungen zu Punkt 3.9 mwN) und die grafische Ausgestaltung bei LIPOSAN ULTRA zu LIPOSAN nicht besonders prägend in den Vordergrund tritt, nimmt der Verkehrskreis keinen Markenunterschied wahr und setzt beide Marken gleich.

Im Ergebnis kann dem Rekurswerber daher beigepflichtet werden, dass die Verwechslungsgefahr beider Widerspruchsmarken mit der angegriffenen Marke zu prüfen ist.

4.3 Den Ausführungen der Rekurswerberin, dass eine hohe Ähnlichkeit im Schriftbild sowie im Klang bestehe und für sämtliche in Frage kommende Verkehrskreise, insbesondere jedoch für den Durchschnittsverbraucher, aufgrund der hohen Warenähnlichkeit höchste Verwechslungsgefahr gegeben sei, ist aus mehreren Gründen entgegenzutreten.

Zum einen verwies das Patentamt zu Recht darauf, dass beim Vergleich der nachgewiesenen Waren der Widerspruchsmarken „Chitosan und Chitosanderivate enthaltende Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsreduktion“ (zugeordnet der Klasse 29) und den „medizinischen Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle und zur Behandlung von Fettleibigkeit“ (Klasse 5) der angegriffenen Marke insofern eine Ähnlichkeit besteht, als beide Waren der Gewichtsreduktion dienen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Klasse 5 im Wesentlichen pharmazeutische Erzeugnisse oder andere Erzeugnisse für medizinische Zwecke enthält und in der Klasse 29 gerade keine diätischen Erzeugnisse für medizinische Zwecke (Klasse 5) enthalten sind. Richtig ist auch, dass (nur) ein ähnlicher Vertriebsweg (Apotheken sowie Reform- und Drogeriehäuser) gegeben ist. Im Ergebnis ist daher nicht von einer Waren identität, sondern von einer Waren ähnlichkeit auszugehen.

Zutreffend hat das Patentamt auch auf den Endverbraucher abgestellt. Nicht ganz geteilt werden kann die Ansicht des Patentamts, dass dieser Verkehrskreis mit den Wortbestandteilen „Lipo“ (= die Bezeichnung für Fett in Bezug auf Löslichkeit), „San“ (als Abkürzung des lateinischen/spanischen/italienischen Begriffs sanus/sano/sana = gesund) und „Ultra“ (= „darüber hinaus“, „der größte“, „der höchste“) keine bestimmte Zweckbestimmung, sondern nur eine vage begriffliche Bedeutung verbindet. Da dem Endverbraucher, der über keine medizinischen Kenntnisse verfügt, nicht das Wissen um andere Produkte unterstellt werden kann, deren Bezeichnung ebenfalls mit „Lipo---“ beginnt, besteht kein Grund, beim Zeichenbestandteil „Lipo“ eine geringere Kennzeichnungskraft anzunehmen. Das selbe gilt für „San“, nicht jedoch für den Wortbestandteil „Ultra“, der als Adjektiv beschreibend verstanden wird.

In Bezug auf die in Frage stehenden Waren ist der Endverbraucher jedoch überdurchschnittlich aufmerksam, da es sich um Waren handelt, deren Einnahme die Kontrolle des Körpergewichts zum Ziel hat. Gesundheit und Körperbewusstsein stehen zunehmend im Vordergrund, sodass die betroffenen Endverbraucher im Alltag darauf einen besonderen Fokus legen. Die einschlägig informierten Verkehrskreise, die in der Regel bei diesen Waren überdurchschnittlich sorgfältig und aufmerksam agieren (vgl 4 Ob 7/12a – Sinupret; Om 12/96 – Dilsana; Om 9/93 – Immune), verbinden mit dem Wortbestandteil „Lipo“ eine mit den Widerspruchsmarken übereinstimmende, aber nicht zuordenbare (Phantasie )Bezeichnung, was zwangsläufig dazu führt, dass die Verkehrskreise ihre Aufmerksamkeit auf den zweiten Wortbestandteil legen, der aber in beiden Fällen – wie häufig bei zusammengesetzten Namen von pharmazeutischen oder gesundheitsbezogenen Erzeugnissen – keine eigenständige Bedeutung hat, sich jedoch aufgrund der klanglichen und bildlichen Erscheinung („San“/„Sinol“) doch klar unterscheidet. In diesem Zusammenhang kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden ergänzenden Argumente des Patentamts verwiesen werden.

Im Ergebnis war daher dem Rekurs nicht Folge zu geben.

5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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