JudikaturOLG Wien

34R101/14v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. September 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 267452 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 23.1.2014, WM 140/2012 3, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Der Antragsteller widersprach der Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 267452 (Priorität 14.2.2012):

deren Eintragung die Antragsgegnerin beantragt hatte und die für die Warenklassen 29 (Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Wurstwaren) und 30 (Kaffee, Tee, Kakao und Kaffeeersatzmittel; Reis; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen [Würzmittel]; Gewürze) eingetragen ist.

Der Antragsteller berief sich dabei auf seine Wortbildmarke CTM 2274215 (Anmeldedatum 26.6.2001):

eingetragen für die Warenklasse 29 (Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, Wurstwaren und Milchprodukte jeweils als Lebensmittel; Lebensmittelkonserven enthaltend vorgenannte Lebensmittel). Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke sowie mit den angegebenen Waren geeignet.

Das Patentamt gab dem Widerspruch teilweise Folge und hob die Registrierung der angegriffenen Marke in Bezug auf die nachstehenden Warenklassen auf:

29 : Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Milch und Milchprodukte; Wurstwaren, Eier; und

30 : Kaffee, Tee, Kakao und Kaffeeersatzmittel; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel) Gewürze.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Waren, die identisch oder ähnlich zu jenen der Widerspruchsmarke seien, Produkte des täglichen Bedarfs seien, bei deren Kauf die beteiligten Verkehrskreise nur einen geringen Grad an Aufmerksamkeit an den Tag legten. Ausgehend davon, dass bei der graphischen Ausgestaltung beide Zeichen von den Farben grün und gelb geprägt seien und die graphischen Elemente eine ähnliche Anordnung innerhalb der Zeichen genießen würden, sei bei der gegebenen Warenidentität und/oder -ähnlichkeit sowie bei der hohen klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr gegeben.

In Bezug auf den verbleibenden (Waren-)Umfang (Waren der Klassen 30 [Reis; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Hefe, Backpulver] und 29 [tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Speiseöle und -fette]) wurde der Antrag abgewiesen, weil keine Warenähnlichkeit gegeben sei.

Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Beschluss des Patentamts aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zur Gänze abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1 Im Widerspruchsver fahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustel len, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind aus schließlich die ent spre chenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Ver triebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigen art als miteinander konkurrierende oder einander er gänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C 39/97 – Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 , 117 mwN bei FN 108).

1.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maß stab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB EuGH C 191/11 P – Yorma's [Rn 43]; EuG T 599/10 – Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i; Schumacher aaO § 10 Rz 51 ff mwN).

1.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der er fassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und um gekehrt (EuGH C 39/97 – Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – Firn ; 17 Ob 36/08f – Kobra/cobra-couture.at ; Koppensteiner aaO 111 mwN).

1.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden ; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y – Summer Splash ; RIS Justiz RS0078944; EuGH C 342/97 – Lloyd [Rn 26]).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

1.5 Zu berücksichtigen ist der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke norma lerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 – Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara ; ÖBl 1999, 82 – AMC/ATC ; 4 Ob 139/02y – Summer Splash ; RIS-Justiz RS0117324; EuGH C 251/95 – Sabel/Puma; EuGH C 120/04 – Thomson life) . Dem Durchschnitts verbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, ver schiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild ver lassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (EuGH C 342/97 – Lloyd [Rn 26]; C 291/00,- LTJ Dif fusion [Rn 52]; C 104/01 – Orange [Rn 64]).

1.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – Go ; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra ).

Auch bei Wortzeichen muss für eine Verwechslungsgefahr eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02 – Kathreiner ) . Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem – sofern er unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RIS-Justiz RS0066779). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer ; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara ; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More).

Maßgebend sind auch hier der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y – Hotel Harmonie/Harmony Hotels).

1.7 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – die Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch die Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b – gotv; 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; RIS-Justiz RS0079033).

Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Ver wechs lungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135 – Jack Jones; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h – Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04 – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero).

2. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so hat das Patentamt die Verwechslungsgefahr für die Waren der

Klasse 29 : Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Milch und Milchprodukte; Wurstwaren, Eier; und der

Klasse 30 : Kaffee, Tee, Kakao und Kaffeeersatzmittel; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel) Gewürze

zu Recht bejaht. Das Rekursgericht hält die Begründung der angefochtenen Entscheidung für zutreffend, sodass vorweg auf sie verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

2.1 Wenn die beiden Markennamen – wie die Rekurswerberin vorträgt – keine Fantasiewörter sind sondern solche Wörter, die der türkischen Sprache entstammen, und wenn die Zielgruppe der Waren der türkischen Sprache mächtig ist, kann diesem Argument nur ansatzweise und nicht im Ergebnis gefolgt werden. Der Verkehrskreis, der für den täglichen Bedarf unter diesen Markennamen Lebensmittel erwirbt, kauft diese in der Regel in orientalischen Lebensmittelgeschäften. Zwar werden diese Geschäfte (wobei aufgrund der gegebenen Strukturen mehrheitlich von türkischen Lebensmittelgeschäften auszugehen ist) – schon aufgrund der weit geringeren Anzahl – von der breiten österreichischen Bevölkerungsmasse nicht wie andere Lebensmittelgeschäfte frequentiert, jedoch ist der Verkehrskreis, der der türkischen Sprache nicht mächtig ist, als Adressat für diese Waren nicht auszuschließen. Darüber hinaus streicht der Antragssteller die Eignung seiner Produkte für den islamischen Kulturkreis hervor, dem auch in Österreich nicht nur Menschen angehören, die türkisch sprechen.

Da unabhängig davon aber ohnedies auf den Registerstand abzustellen ist und zudem auch die Bedeutung der Worte ITIKAT (übersetzt in die deutsche Sprache: Glaube, Überzeugung, Meinung) und ITIMAT (übersetzt in die deutsche Sprache: Vertrauen, Zuversicht) semantisch nahe beieinander liegt, ist dem Rekurswerber nicht beizupflichten, dass schon dadurch eindeutige Unterscheidungsmerkmale gegeben wären, die die Verwechslungsgefahr beseitigten. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Verkehrskreis beim Erwerb der Waren nur geringgradig aufmerksam ist (was von der Rekurswerberin auch nicht beanstandet wurde) und dadurch die bildliche und die klangliche Ähnlichkeit eine größere Bedeutung hat.

2.2 Nicht gefolgt werden kann den Ausführungen der Rekurswerberin, wonach sich die beiden Marken im Erscheinungsbild deutlich unterscheiden. Nach Ansicht des Rekursgerichts steht im konkreten Fall jeweils der Wortbestandteil im Vordergrund, der aufgrund der identischen Wortanfänge und -endungen in bildlicher Hinsicht sehr ähnlich ist. Dadurch treten die in grüner und gelber Farbe gehaltenen, grundsätzlich kennzeichnungsschwachen Grafikelemente in den Hintergrund, tragen aber dennoch aufgrund ihrer ähnlichen Anordnung (der Wortbestandteil bildet in beiden Zeichen die Mitte) in ihrer Wirkung zum verwechselbaren Erscheinungsbild bei.

In klanglicher Hinsicht besteht – so wie die Rekurswerberin es auch zugesteht – ebenso eine Ähnlichkeit. In diesem Zusammenhang kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden ergänzenden Argumente des Patentamts verwiesen werden.

Im Ergebnis ist in der anzustellenden Gesamtbetrachtung eine Verwechslungsgefahr gegeben.

3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Ein zelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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