JudikaturOLG Wien

34R15/14x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke TOPINOX über die als Rekurs zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 10.11.2011, AM 2754/2011 3, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Die Wortmarke TOPINOX ist in das Markenregister ohne die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG für folgende Warenklasse einzutragen:

Klasse 6 : Dachbeläge, Dächer, Dachpfannen, Dachrinnen, Kehlrinnen für Dächer, Dachrohre, Fassaden, Dachplatten und Dachsteine, alle vorgenannten Waren aus Metall.»

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke TOPINOX für die im Spruch umschriebene Warenklasse.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt die Eintragung aus dem Grund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ab, weil das angemeldete Zeichen als nicht oxidierbares Topprodukt verstanden werde und daher die beteiligten Verkehrskreise es lediglich als Hinweis darauf sehen würden, dass die damit gekennzeichneten Waren eine hohe Dauerhaftigkeit und Korrosionsbeständigkeit aufweisen würden. Das Zeichen würde nicht als Kennzeichen lediglich eines Unternehmens wahrgenommen werden. Der Begriff deute diese Eigenschaften nicht nur an, sondern bringe sie unmittelbar zum Ausdruck.

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den Beschluss aufzuheben und der Marke den Schutz in Österreich zu gewähren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

1.1. Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unter scheidungskraft zukommt, ist wie bei beschreibungsver dächtigen Zeichen anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht 82). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97 – Chiemsee; C 104/00 P – Companyline; EuG T 471/07 – TAME IT Rn 15 mwN; EuGH C 398/08 – Audi; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix).

1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11 – OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a – Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungs hindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (OBm 1/13 – Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist: Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht einzutragen (vgl EuGH C 104/01 – Orange [Rn 58 und 59]; C 64/02 – Das Prinzip der Bequemlichkeit).

1.3. Die Beurteilung, ob das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft vorliegt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher , mar ken.schutz² § 4 Rz 57). Die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden (4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger aaO § 4 Rz 67 mwN der Rsp; RIS-Justiz RS0079038 [T1]).

1.4. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt sie müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (EuGH C 326/01 – Universaltelefonbuch, Rn 33 mwN; C 494/08 P – Pranahaus; zuletzt 4 Ob 11/14t – Express glass = RIS-Justiz RS0122383 [T1]). Trifft das zu, kann auch Wortneubildungen die Unterscheidungskraft fehlen (4 Ob 38/06a – Shopping City; 4 Ob 28/06f – Firekiller; Ingerl/Rohnke , Markengesetz³ § 8 Rz 120 mwN).

1.5. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t – immofinanz; 17 Ob 27/07f – ländleimmo; OBm 1/12 – Die grüne Linie). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

Stellt also ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über die Herstellung oder die Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i – happykauf mwN; OBm 3/12 – Lounge.at).

Ist die angemeldete Marke mit anderen Worten nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11 – ATELIER PRIVE; OBm 2/13 – PRIMERA ua).

1.6. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

1.7. Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s – Car Care; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 17 Ob 21/07y – Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t – Express glass). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w – Powerfood; 4 Ob 28/06f – Firekiller; 4 Ob 38/06a – Shopping City).

2. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren nicht abzusprechen.

2.1. Maßgeblich für die Frage, wie ein Kennzeichen aufgefasst wird, ist das Verständnis eines angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise (vgl RIS Justiz RS0114366 [T5]).

2.2. Die Schutzfähigkeit der Wortkombination TOPINOX hängt somit davon ab, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und die Wortkombination als beschreibenden Hinweis auf die Waren des betreffenden Unternehmens verstehen (RIS-Justiz RS0109431). Maßgeblich ist daher, welche Bedeutung das Publikum, einerseits Fachkreise und andererseits Endkunden (typischerweise also „Häuslbauer“ und sonstige Bauherren), die sich für das von der Antragstellerin unter der Bezeichnung TOPINOX angebotene Warensortiment interessieren, der Wortkombination beimisst.

Das Adjektiv „top“, also von höchster Güte, hervorragend (www.duden.de; abgefragt am 28.5.2014), wird ihnen als dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen durchaus vertraut sein, wie das Patentamt mit Recht betont. Diese Silbe wäre daher als rein eine Beschaffenheit beschreibend, schwach und damit schutzunfähig anzusehen, und würde so wenig zum Gesamteindruck beitragen (RIS-Justiz RS0066749).

Als Substantiv und je nach Zuweisung zum englischen (Spitze, Gipfel, Höhepunkt) oder auch griechischen Sprachschatz („topos“ = „Ort, Platz“, etwa in Bio-top) erfordert dieser Begriff dennoch weitere Überlegungen über die mit dieser Buchstabenverbindung gewollte oder auch erzielte Aussage (so 4 Ob 21/00t – Alutop).

„Inox“ (als Abkürzung vom französischen „inoxydable“ gebildet, was soviel bedeutet wie „nicht oxidierbar“ oder „rostfrei“; vgl www.wikipedia.at; abgefragt am 28.5.2014) ist hingegen weder gängiger Bestandteil des allgemeinen Sprachgebrauchs noch des überwiegenden Teils der in concreto maßgeblichen Verkehrskreise in Österreich. Bloße Assoziationen der Verkehrskreise mit einer romanischen Sprache (französisch „inoxyder“: http://www.cnrtl.fr/definition/inoxyder; abgefragt am 28.5.2014) reichen nicht aus, dem breiten Publikum einen bestimmten eindeutigen Wortsinn zu erschließen (OBm 2/13 – Primera). Dieser Wortbestandteil wird auch in der Baufachsprache nicht von vornherein und ohne längeren Denkprozess mit Dachmaterial aus rostfreiem oder nichtrostendem Stahl in Verbindung gebracht.

Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Begriff keinen allgemein verstandenen, rein beschreibenden Be griffs hinweis bildet.

2.3. Basierend darauf unterstellt das Rekursgericht daher nicht, dass überwiegende Teile der angesprochenen Verkehrskreise in Österreich die Bedeutung des zusammengesetzten Wortes TOPINOX in Bezug auf die beantragten Waren kennen. Zwar ist der Begriff „TOP“ als allgemein bekannt vorauszusetzen, jedoch kann die Abkürzung „INOX“ sowohl auf eine tatsächliche Eigenschaft als auch auf eine Phantasiephrase hinweisen.

Der Durchschnittshändler und -verbraucher wird in TOPINOX keine ohne weiteres ersichtliche und in den Vordergrund drängende Beschreibung des Inhalts der damit bezeichneten Waren erkennen, weil er nicht an ein bestimmtes, von vornherein naheliegendes Warensortiment mit bestimmten Produkteigenschaften denken wird. Dafür spricht auch die Aussprache, die auf eine Betonung der Endsilbe hinausläuft (TOPI NOX ) und daher vom der erwähnten Begriff wegführt. In diesem Kontext kommt dieser Silbe daher durchaus höhere Unterscheidungskraft zu, weil sie beim Publikum angesichts der relevanten Waren- und Dienstleistungsklassen einen Denkprozess auslöst; es handelt sich um eine Neuschöpfung, müssen doch Wortkombinationen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden (weiterführend Asperger aaO § 4 Rz 82 und 94 mwN; RIS-Justiz RS0109431).

Die Antragsstellerin weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass es sich bei den angemeldeten Waren im Allgemeinen um Baustoffe und Baumaterialien handelt, bei denen man nicht sofort und ohne weiteres Nachdenken eine konkrete und unmittelbare Verbindung zwischen den beanspruchten Waren und dem Bedeutungsgehalt des Wortzeichens TOPINOX herstellen kann, es also am konkreten Produktbezug fehlt.

2.4. Ist die angemeldete Marke demnach nicht geeignet, beim beteiligten Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art oder Eigenschaft der damit bezeichneten Waren hervorzurufen, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl 4 Ob 66/02p – Cornetto). Im Gesamteindruck fehlt somit ein unmittelbarer Bezug der angemeldeten Marke zu den beantragten Waren der Klasse 6, weil es dem Publikum nicht möglich ist, ohne weiteres Nachdenken und ohne Unklarheiten den beschreibenden Begriffsinhalt dieses Zeichens sofort zu erfassen. TOPINOX ist daher kennzeichungskräftig und auch ohne Nachweis der Verkehrsgeltung eintragungsfähig.

2.5. Auf das weitere Argument der Antragstellerin, dass es bereits mehrere Markeneintragungen von „TOPINOX“ gebe und dem Antrag (auch) daher stattzugeben sei, ist daher nicht näher einzugehen (eine präjudizielle Bindung verneinend 4 Ob 11/14t – Jimi Hendrix; RIS-Justiz RS0125405; vgl auch Asperger aaO § 4 Rz 75 ff mwN).

2.6. Der Beschwerde war Folge zu geben und die Eintragung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG anzuordnen.

3. Gegen diese Entscheidung ist kein weiterer Rechts zug vorgesehen. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands kann daher entfallen.

4. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt und in Einparteien-Verfahren auch ganz generell nicht vorgesehen; die Antragstellerin hat daher keine Rekurskosten verzeichnet.

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