JudikaturOLG Wien

34R17/14s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Bildmarke WOLLSIEGEL über die als Rekurs zu wertende Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 22.11.2011, AM 6438/2010 7, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Die Bildmarke WOLLSIEGEL ist in das Markenregister ohne die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG für folgende Warenklasse einzutragen:

Klasse 9: elektrische Bügeleisen.»

Text

Begründung

Der Antragsteller beantragte die Eintragung der Bildmarke

für die Warenklasse 9: elektrische Bügeleisen.

Der Antragsteller ist bereits Inhaber der ident gestalteten älteren Bildmarken

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patent amt die Eintragung aus dem Grund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und wegen fehlenden Nachweises der Verkehrsgeltung nach § 4 Abs 2 MSchG ab. Die beteiligten Verkehrskreise würden ungeachtet der älteren österreichischen Marken AT 59957 und AT 64307 im angemeldeten Zeichen im Zusammenhang mit den Waren der Klasse 9 keinen individualisierenden Unternehmenshinweis sehen. Beim Zeichen handle es sich zudem um eine übliche Darstellung der Bestimmung oder Beschaffenheit der Waren (AM 6438/2010 5).

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde des Antragstellers, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Marke WOLLSIEGEL ins Markenregister eingetragen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1.1. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). § 37 Abs 3 MSchG idF BGBl I 2013/126 verweist auf § 139 PatG und damit auf dessen Einleitungssatz, der – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen – die sinngemäße Anwendung des AußStrG an ordnet.

1.2. Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG auch bei Vorliegen eines Antrags nur statt, wenn sie das Rekursgericht für erforderlich erachtet (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG² § 52 Rz 1).

1.3. Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht und die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Sowohl die Beurteilung der Unterscheidungskraft als auch jene des Gebrauchs als Gattungsbegriff sind in der Regel Rechtsfragen (vgl unten 2.3. und 3.1.). Daher steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; 4 Ob 11/14t – Expressglass; Dokalik in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 37 Rz 19).

2. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

2.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unter scheidungskraft zukommt, ist wie bei beschreibungsver dächtigen Zeichen anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht 4 , 82). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97 – Chiemsee; C 104/00 P – Companyline; EuG T 471/07 – TAME IT Rn 15 mwN; EuGH C 398/08 – Audi; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix).

2.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11 – OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a – Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungs hindernis be gründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen; jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (OBm 1/13 – Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383).

2.3. Die Beurteilung, ob das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft vorliegt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 4 Rz 57). Die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden (4 Ob 10/14w – Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 4 Rz 67 mwN der Rsp; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).

2.4. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen ent halten, das heißt sie müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (EuGH C 326/01 – Universaltelefonbuch, Rn 33 mwN; C 494/08 P – Pranahaus; zuletzt 4 Ob 11/14t – Express glass = RIS-Justiz RS0122383 [T1]).

2.5. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t – immofinanz; 17 Ob 27/07f – ländleimmo; OBm 1/12 – Die grüne Linie).

Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen.

Ist die angemeldete Marke mit anderen Worten nicht ge eignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11 – ATELIER PRIVE; OBm 2/13 – PRIMERA ua).

2.6. Auch bei reinen Bildmarken kommt es auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise an; einfachen geometrischen Figuren, Emoticons oder Satzzeichen kommt in der Regel keine Unterscheidungskraft zu (mit zahlreichen Beispielen Asperger in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 4 Rz 123 ff).

3.1. § 4 Abs 1 Z 5 MSchG schließt weiters Zeichen oder Angaben von der Registrierung aus, „ die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind “ (Hervorhebung durch das Rekursgericht). Zum Verlust der Unterscheidungskraft durch Entwicklung zum Gattungs zeichen traf der OGH bereits zu 4 Ob 269/01i (Sony Walkman) grundlegende Aussagen: Hat der Markeninhaber nichts unternommen, damit sich in den beteiligten Verkehrskreisen ein (ungeschütztes) anderes Zeichen als Gattungsbegriff an Stelle ihrer Marke durchsetzt, dann hat er den Verlust seines Markenrechts im Sinne des § 33b MSchG hinzunehmen (RIS-Justiz RS0116156; RS0116155; EuGH C 409/12 Rn 22 – Kornspitz).

3.2. Ob ein Zeichen zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich ist, ist eine Rechtsfrage, wenn zu deren Beurteilung die allgemeine Lebenserfahrung des Richters oder sein Fachwissen ausreicht; abzustellen ist dabei auf das Verständnis der beteiligten Verkehrskreise (RIS-Justiz RS0043658 [insb T2]). Ist die angemeldete Marke nicht geeignet, beim beteiligten Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art oder Eigenschaft der damit bezeichneten Waren hervorzurufen, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl 4 Ob 66/02p – Cornetto).

4. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft für die angemeldete Warenklasse nicht abzusprechen.

4.1. Die Schutzfähigkeit der Bildmarke WOLLSIEGEL hängt einerseits davon ab, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als beschreibenden Hinweis auf die Waren des betreffenden Unternehmens verstehen (RIS-Justiz RS0109431). Enthält das Zeichen hingegen nur Andeutungen einer be stimmten Beschaffenheit, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend (RIS-Justiz RS0109431 [T3, T4: Internetfactory]; MR 1999, 354 – Wirtschaftswoche; ÖBl-LS 01/20 – E-MED; 4 Ob 237/01h = wbl 2002, 182 – drivecompany; OPM 4/01 – Holztherm; Om 7/01 – DERMACURE).

Maßgeblich ist daher, welche Bedeutung das Publikum, das sich für das vom Antragsteller unter dem Zeichen angebotene elektrische Bügeleisen interessiert, dem Bild beimisst. Der Rekurssenat ist der Auffassung, dass die Bildmarke nicht ohne weiteres, das heißt nicht ohne längeren Denkprozess und ohne Unklarheiten mit einem derartigen Haushaltsgerät assoziiert wird, es also am konkreten Produktbezug fehlt, zumal Bügeleisen typischerweise gerade nicht (nur) dazu verwendet werden, Textilien aus Wolle zu glätten. Es ist daher davon auszugehen, dass dieses Zeichen keinen allgemein verstandenen, umfassenden und rein beschreibenden Be griffs hinweis bildet, sondern durch aus phantasievoll ist. Die Marke ist daher kennzeichungskräftig und auch ohne Nachweis der Verkehrsgeltung eintragungsfähig.

4.2. Andererseits kommt es auf das vom Patentamt ebenfalls für die Abweisung des Antrags (zwar nicht im Spruch, wohl aber in der Begründung des angefochtenen Beschlusses) herangezogene Argument des Eintragungshindernisses der Gattungsbezeichnung an: Dabei ist zu beachten, dass sich dieses Registrierungshindernis nur auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen bezieht, also die Eignung als Marke für andere Waren oder Dienstleistungen durchaus gegeben sein kann. Maßgeblich ist nicht die beschreibende Natur der Marke, sondern die übliche Benützung in den Verkehrskreisen (Schwarzenbacher in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 4 Rz 270 mwN). Genau so, wie die Eigenschaft als beschreibendes Zeichen immer nur in Bezug auf jene Waren zu prüfen ist, für die es als Marke registriert werden soll, könnte auch ein Zeichen nur für jene Gattungen von Waren oder Dienstleistungen nicht als Marke registriert werden, zu deren Bezeichnung es im Geschäftsverkehr allgemein verwendet wird (ÖBl 1981, 50 – Merkur-Versicherungspass; ÖBl-LS 01/175 – Die roten Seiten; 4 Ob 139/02y – SUMMER SPLASH; 4 Ob 10/03d- More II; RIS-Justiz RS0066795).

Das Rekursgericht ist der Auffassung, dass das angemeldete Zeichen nach den Gepflogenheiten der angesprochenen Verkehrskreise für elektrische Bügeleisen nicht als Be zeichnung üblich und daraus für diese Warenkategorie kein (nach älterer Terminologie:) „Freizeichen“ geworden ist.

4.3. Basierend darauf kann daher nicht unterstellt werden, dass überwiegende Teile der angesprochenen Verkehrskreise im Rahmen der redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten die Bedeutung des angemeldeten Bildes in Bezug auf die beantragte Warenklasse kennen und/oder dieses dafür üblich geworden ist. Die angemeldete Marke ist daher hinreichend unterscheidungskräftig (und nicht gem § 4 Abs 1 Z 5 MSchG als Gattungsbezeichnung von der Registrierung ausgeschlossen), dient dieses Zeichen doch im allgemeinen Gebrauch nicht als übliche Bezeichnung von Bügelgeräten. Auch sonst handelt es sich dabei nicht um ein so gebräuchliches Zeichen des Alltags, dass es vom Verkehr allein und stets nur als solches und nur in seinem Ursprungssinn verstanden würde und ihm deshalb die Unterscheidungskraft für die in Frage stehenden Waren fehlte.

4.4. Auf das weitere Argument des Antragstellers, dass es bereits mehrere Markeneintragungen von WOLLSIEGEL gebe und dem Antrag (auch) daher stattzugeben sei, ist daher nicht näher einzugehen (eine präjudizielle Bindung verneinend 4 Ob 11/14t – Jimi Hendrix; RIS-Justiz RS0125405; vgl auch Asperger in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz² § 4 Rz 75 ff mwN).

4.5. Der Beschwerde war Folge zu geben und die Eintragung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG anzuordnen.

5. Gegen diese Entscheidung ist kein weiterer Rechts zug vorgesehen. Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands kann daher entfallen.

6. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.

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