JudikaturOLG Wien

34R72/14d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2014

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Nichtigkeit der Marken AT 257745 und AT 257744 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 14.5.2013, Nm 30/2011 5 und Nm 31/2011 5, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 2.721,90 (darin EUR 453,65 USt) zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

1. Mit der angefochtenen Entscheidung entschied die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts über die beiden Löschungsanträge des Antragstellers, der sich auf folgende für ihn eingetragenen Marken berief:

Er beantragte die Löschung folgender Marken der Antragsgegnerin:

Alle Marken sind (auch) für die Warenklasse 5 „Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse“ eingetragen. Die Marken des Antragstellers haben die älteren Prioritäten.

2. Der Antragsteller bringt jeweils vor, es bestehe die Gefahr der Verwechslung der Marken.

Die Antragsgegnerin bestreitet dies.

3. Die Nichtigkeitsabteilung gab den Anträgen mit der angefochtenen Entscheidung statt und verfügte die Löschung der angegriffenen Marken.

Rechtlich erwog die Nichtigkeitsabteilung, dass gemäß § 30 Abs 1 MSchG der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren könne, sofern entweder

1. die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich sind, oder

2. die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen bestehe, die die Gefahr einschließe, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

Die Hauptfunktion der Marke bestehe somit darin, für den Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen von Waren und Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden.

Zur Verwechslungsgefahr von Marken bestünden laut ständiger Rechtsprechung (OGH, EuGH und OPM) folgende tragende Grundsätze:

1. Die Verwechslungsgefahr sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Umfassende Beurteilung bedeute, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft sowie auf ihren Bekanntheitsgrad auf dem Markt und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen Bedacht zu nehmen sei (Om 10/01 – CHOCAPIC/CHOCOPIE; Om 9/03 – Novapark/Innova Park Innsbruck). So könne ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Abzustellen sei auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart. Folge dieser Wechselwirkung sei, dass bei Warenidentität oder bei hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich sei, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (EuGH C 39/97 = ÖBl 1999, 105 – Canon).

2. Da außerdem die Verwechslungsgefahr um so größer sei, je höher die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei, genössen Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem Markt eine hohe Kennzeichnungskraft besäßen, einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer sei (EuGH C 39/97 – Canon). Es sei jedenfalls die Eignung der Marke zu prüfen, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie registriert worden sei, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von den anderer Unternehmen zu unterscheiden. Bei dieser Beurteilung seien alle maßgebenden Faktoren und insbesondere die Eigenschaften zu berücksichtigen, die die Marke von Haus aus besitze, einschließlich des Umstandes, ob sie beschreibende Elemente in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen aufweise, für die sie registriert worden sei. Je größer die Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen und je höher die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei, umso größer sei die Verwechslungsgefahr (EuGH C 342/97, Lloyds/Loint's).

3. Zeichenähnlichkeit sei schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung bestehe (OPM Om 4/02 – Kathreiner). Ob einander gegenüberstehende Marken im Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich seien, richte sich nach dem Gesamteindruck.

4. Es sei keine zergliedernde Betrachtung vorzunehmen, doch seien die unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend sei wiederum, wie die einzelne Marke auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- und Dienstleistungsart wirke, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnehme und nicht auf Einzelheiten achte. Zu berücksichtigen sei auch, dass die zu vergleichenden Marken in den meisten Fällen nicht gleichzeitig wahrgenommen würden (Om 10/01 – CHOCAPIC/CHOCOPIE). Auch bei einer Gesamtbetrachtung könnten daher durchaus einzelne Zeichenelemente in den Vordergrund treten und von den Konsumenten bewusster wahrgenommen werden.

5. Wenn ein geschütztes Zeichen vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen werde, sei jedenfalls regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden seien – Ähnlichkeit und damit bei Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen. Auch bei der Übernahme eines sogenannten schwachen Zeichens bestehe Verwechslungsgefahr dann, wenn es innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spiele und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägten, gänzlich in den Hintergrund trete (OPM PBl 2002, 135 – Jack Jones/Jones; ÖBl 2009/14 – Feeling/Feel; Om 12/10 zero/peakzero; Om 10/11 – ISS/ISS FIT).

6. Bei der Prüfung der verwechselbaren Ähnlichkeit gemäß § 30 Abs 1 MSchG sei nur der Registerstand maßgebend, nicht aber die tatsächliche Art und Weise der Verwendung einer Marke im geschäftlichen Verkehr.

Auf den konkreten Fall angewendet sei die Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Die Antragsgegnerin habe die Gleichartigkeit und die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren außer Streit stellt. Die unbestrittene bessere Priorität der Antragsmarken ergebe sich aus dem Registerstand.

Die Marke des Antragstellers zu Nm 30/2011 (LATANO-VISION) bestehe aus der durch einen Bindestrich getrennten Wortzusammensetzung „LATANO-VISION“. Obwohl der Wortbestandteil „VISION“ (aus dem Englischen übersetzt: „sehen“, „Sehkraft“, „Sehvermögen“) durchaus eine schwache Kennzeichnungskraft in Hinblick auf die Waren aufweise, sei dies bei „LATANO“ nicht der Fall. „LATANO“ sei als unterscheidungs- und kennzeichnungskräftiger Bestandteil der Marke anzusehen. Dem Einwand der Antragsgegnerin sei nicht beizupflichten, dass die beteiligten Verkehrskreise im Wortbestanteil „LATANO“ unmittelbar einen Hinweis auf den Wirkstoff Latanoprost erblicken würden.

Latanoprost sei ein Wirkstoff aus der Gruppe der Prostaglandin-Analoga zur Behandlung eines erhöhten Augeninnendrucks. Er senke den Augeninnendruck durch eine Erhöhung des Kammerwasserabflusses. Latanoprost sei ein Analog von Prostaglandin F2α, ein farbloses bis leicht gelbliches Öl, das in Wasser praktisch unlöslich sei.

Die Antragsmarke zu Nm 31/2011 bestehe aus der durch einen Bindestrich getrennten Wortzusammensetzung „DORZOCOM-VISION“. Der Wortbestandteil „VISION“ habe zwar eine schwache Kennzeichnungskraft in Hinblick auf die Waren. „DORZO“ sei aber im Gegensatz dazu als unterscheidungs- und kennzeichnungskräftiger Bestandteil der Marke anzusehen und nicht unmittelbar ein Hinweis auf den Wirkstoff Dorzolamid .

Dorzolamid sei eine schwefel- und stickstoffhaltige, chirale heterocyclische chemische Verbindung, die sich von Thiophen ableitet. Aufgrund ihrer Wirksamkeit als Carboanhydrasehemmer wird das reine (4S,6S) Isomere als Arzneistoff in Augentropfen zur Senkung des Augeninnendruckes verwendet. Es sei ein weißes, kristallines Pulver, das sich gut in Wasser, wenig in Methanol oder Ethanol löst.

Eine ausführliche Internet-Recherche habe bei beiden Antragsmarken keine Hinweise ergeben, dass die beteiligten Verkehrskreise den Wortbestandteil „LATANO“ und „DORZO“ unmittelbar als Hinweis auf den jeweiligen Wirkstoff verstünden. Auch habe die Antragsgegnerin keine Unterlagen vorgelegt, aus denen eine Verwendung der Begriffe „LATANO“ und „DORZO“ in Alleinstellung im Verkehr als beschreibende Angabe des Wirkstoffs von Medikamenten hervorgehe.

„LATANO“ und „DORZO“ seien keine schwache Zeichen. Vielmehr würden sie als eine äußerst unscharfe und nicht genau bestimmbare Angabe wahrgenommen werden.

Gemäß ständiger Rechtsprechung gälten nur solche Zeichen als beschreibend, deren Begriffsinhalt die beteiligten Verkehrskreise zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen und die die Konsumenten als beschreibenden Hinweis auf die Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verstehen könnten. Dies sei hier nicht der Fall. Wortelemente, die erst eine mehr oder weniger umfangreiche gedankliche Schlussfolgerung verlangten oder nur im übertragenen Sinn, beispielsweise durch eine Andeutung, auf Merkmale und Eigenschaften der Waren hinwiesen, ohne jedoch die damit bezeichneten Waren konkret oder umfassend zu beschreiben, seien als Marke registrierbar (OPM PBl 2002, 137 – LONG EVITY PROGRAMM).

Die angefochtenen Wortmarken bestünden aus der Wortzusammensetzung „LATANORATIO“ und „DORZORATIO“. In der Gesamtbetrachtung würden die Konsumenten bei der Ansicht der Marke den Wortbestandteilen „LATANO “ und „DORZO “ durchaus auch wegen die Platzierung am Anfang des Worts viel Aufmerksamkeit widmen. Hingewiesen sei darauf, dass sich die streitverfangenen Marken insbesondere im Hinblick auf die gleichen und gleichartigen Waren der Klasse 5 in einem Konkurrenz- und Wettbewerbsverhältnis zueinander befänden, das in die Beurteilung der Ähnlichkeit einzufließen habe.

Wenn ein Konsument entsprechende Waren mit „LATANO-VISION“ bezeichnet finde und später solche mit der Marke der Antragsgegnerin „LATANORATIO“ (wobei zu berücksichtigen sei, dass die zu vergleichenden Marken in den meisten Fällen nicht gleichzeitig wahrgenommen werden), würde er in Kenntnis der Marke „LATANO-VISION“ des Antragstellers beim Anblick der Wortbestandteile in der angefochtenen Marke aufgrund des identischen Wortes „LATANO“ die jüngere Marke mit der älteren gedanklich in Verbindung bringen, weshalb eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne. Ebenso brächten die beteiligten Verkehrskreise „DORZOCOM-VISION“ und „DORZORATIO“ miteinander in Verbindung.

Der Zeichenbestandteil „Ratio“ (aus dem Englischen: „Anteil“, „Verhältnis“) trage nicht zur Unterscheidungskraft der angefochtenen Marke bei und werde von den Verkehrskreisen vielmehr als Hinweis auf die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe entsprechender Produkte angesehen.

Die Wortbestandteile „LATANO“ und „DORZO“ seien aus einem geschützten Zeichen des Antragstellers vollständig übernommen worden. Somit komme der Grundsatz zum Tragen, dass Verwechslungsgefahr regelmäßig anzunehmen sei, wenn ein geschütztes Zeichen vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen werde, sofern nicht das ältere Zeichen innerhalb des jüngeren Zeichens nur eine untergeordnete Rolle spiele und im Vergleich zu den übrigen Bestandteilen, die den Gesamteindruck des jüngeren Zeichens prägten, ganz in den Hintergrund trete. Dass der ältere Zeichenbestandteil „LATANO“ und „DORZO“ innerhalb der jüngeren angefochtenen Marke nur eine untergeordnete Rolle spiele und im Vergleich zum Bestandteil „RATIO“ völlig in den Hintergrund trete, sei hier nicht der Fall.

Die Folge dieser Wechselwirkung zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren sei, dass bei Warenidentität ein wesentlich größerer als der gegebene zwischen Abstand den zu beurteilenden Zeichen erforderlich sei, um bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Zu beachten sei ferner, dass die Antragsmarken aufgrund der besprochenen Unterscheidungskraft jedenfalls geeignet sei, die Waren, für die sie registriert worden seien, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen, wodurch – in Verbindung mit der großen Warenähnlichkeit – die Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Marken im Sinne der einschlägigen Judikatur vergrößert werde.

Im geschäftlichen Verkehr bestehe daher die Gefahr, dass die Konsumenten die einander gegenüber stehenden streitverfangenen Marken verwechseln.

4. Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin an den Obersten Patent- und Markensenat, über die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§§ 40 und 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Die Antragsgegnerin macht unrichtige rechtliche Beurteilung und sekundäre Verfahrensmänge geltend.

Der Antragsteller beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

5. Das Berufungsgericht hält die Ausführungen der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts für stichhältig und schließt sich der rechtlichen Beurteilung an (§ 500a ZPO).

5.1 Die Antragsgegnerin trägt vor, dass die Wortteile „LATANO...“ und „DORZO...“ als Synonyma der Wirkstoffe Latanoprost und Dorzolamid „glatt beschreibend“ seien und dass diese Wirkstoffnamen unter der Ägide der WHO als „Internationale Freinamen“ (INN = International Non proprietary Name) anzusehen seien. Deshalb sei zur Prüfung der Verwechslungsgefahr auf diese Wortteile nicht abzustellen, sondern nur auf die Endungen der Wörter, somit auf „ VISION“ und „ RATIO“. Zwischen den jeweiligen Endungen bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Abwandlungen beschreibender Angaben, die zwar als solche wahrgenommen werden, in denen der Verkehr jedoch ohne weiteres die ihm geläufige sachbezogene Angabe oder einen (ihm bekannten) Fachausdruck wiedererkennt, kann die Unterscheidungskraft fehlen. Dies gilt auch bei Annäherungen an International Nonproprietary Names (INN), wobei nur engen Anlehnungen als freihaltungsbedürftige Angaben der Markenschutz nicht zuerkannt wird (Ströbele/Hacker, Markengesetz10 § 8 Rz 418 mit Verweis ua auf BGH GRUR 1994, 805 – ALPHAFERON/Interferon alpha und BGH GRUR 1995, 48 – Metoproloc/Metoprolol, BGH GRUR 2002, 540 – OMEPRAZOK und GRUR 2005, 258 – Roximycin).

Latanoprostum und Latanoprost sowie Dorzolamidum und Dorzolamide sind als INNs geschützt.

Im Hinblick auf die angesprochenen (medizinischen) Fachkreise ist weiters zu beachten, dass sich gerade die beteiligten Fachkreise grundsätzlich an den charakteristischen Endungen (den sogenannten stems) orientieren, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten pharmazeutischen Gruppe anzeigen und damit den wesentlichen beschreibenden Teil in Bezug auf die pharmazeutische Gruppe ausmachen, zu der ein INN zählt.

Nach Einschätzung des Berufungsgerichts sind die (von den älteren Marken in die jüngeren Marken übernommenen) Bestandteile „LATANO...“ und „DORZO...“ weder beschreibend noch eng an ein INN angelehnt, sodass sie unterscheidungskräftig und daher markenrechtlich kennzeichnend sind.

Zu beachten ist auch, dass nicht nur die Verwechslungsgefahr der Marken als solche zu prüfen ist, sondern wesentlich auch ihre Funktion, damit bezeichnete Waren einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Herkunft zuzuordnen. Ob die Verkehrskreise die Formulierungen LATANO-VISION und LATANORATIO oder die Formulierungen DORZOCOM-VISION und DORZORATIO miteinander verwechseln, ob sie also glauben könnten, die damit bezeichneten Waren seien ident, ist nicht ausschlaggebend. Wesentlich ist, ob die Verkehrskreise wegen der Ähnlichkeit der Bezeichnungen annehmen könnten, die so bezeichneten Produkte stammten vom selben Unternehmen.

5.2 Dem Vortrag der Antragsgegnerin zur Frage, wer die maßgeblichen Verkehrskreise sind, ist zwar insofern bei zu pflichten, als nach EuGH C 192/03 – BSS bei der Beurteilung, ob ein Zeichen ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung besteht, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich geworden sind, auf den Standpunkt der medizinischen Fachkreise, nämlich (im konkreten dort zu beurteilenden Fall) der in der EU praktizierenden Augenärzte und Augenchirurgen abzustellen ist.

Zur Frage der Verwechslungsgefahr ist aber laut EuG T 202/04 – ECHINACIN/ECHINAID (insbesondere Rn 23 und 33) – auch – auf den informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen. Pharmazeutische Produkte begegnen daher nicht nur spezialisierten Verkehrskreisen; allerdings ist davon auszugehen, dass die Verbraucher bei ihrer Produktwahl durch Fachleute unterstützt werden.

Nach T 256/04 – RESPICORT/RESPICUR sind (selbst bei rezeptpflichtigen) Arzneimitteln – neben den Fachleuten – auch die Endverbraucher zu berücksichtigen. Es genügt die Sicht dieses – also jedenfalls auch relevanten – Teils der Verkehrskreise, um eine Verwechslungsgefahr insgesamt bejahen zu könne (vgl auch EuGH C 412/05 P – TRAVATAN/TRIVASTAN, BGH I ZB 52/09 – Maalox/Melox-GRY; 4 Ob 7/12a).

Die Antragsgegnerin rügt dies als sekundären Verfahrensmangel, weil die Nichtigkeitsabteilung nicht festgestellt habe, wie jener Teil der Verkehrskreise die Ähnlichkeit einschätzt, der den medizinischen und pharmazeutischen Berufen angehört. Da es aber auf alle beteiligten Verkehrskreise ankommt, zu denen hier auch die Endverbraucher zählen, liegt dieser Verfahrensmangel nicht vor.

Die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung bedarf keiner Korrektur.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und 50 ZPO iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG. Bemessungsgrundlage ist der in § 5 Z 14 AHK genannte Betrag (EUR 36.000,--). Im Berufungsverfahren ist allerdings TP 3B (und nicht TP 3C) des RATG anzuwenden (Ansatz: EUR 907,30).

7. Da das Berufungsgericht von der Rechtsprechung nicht abgewichen ist und die Entscheidung über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig. Über den Wert des Entscheidungsgegenstands sprach das Berufungsgericht angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben ab.

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