28R29/14m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Rechberger (Vorsitzender), Dr. Wittmann-Tiwald und Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer in der Firmenbuchsache der V***** eG , FN *****, *****, über den Rekurs der Genossenschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 3. Jänner 2014, 8 Fr *****, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Der Revisionsrekurs ist zulässig.
Text
Begründung
Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN ***** die V***** eG (im Folgenden: Genossenschaft) in der Rechtsform der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft registriert. Zuletzt war unter „ GESCHÄFTSANTEIL/HAFTUNG“ Folgendes eingetragen:
„EUR 8
Zahlbar sofort
Jeder Genossenschafter haftet mit dem Geschäftsanteil und dem 5-fachen seines Geschäftsanteiles“
Die Genossenschaft beantragte mit Schriftsatz vom 27. November 2013 (beim Erstgericht am 3. Dezember 2013 eingebracht) die Eintragung der in der außerordentlichen Generalversammlung vom 18. November 2013 beschlossenen Änderung der Satzung in den §§ 4, 8, 38 und 41.
Konkret begehrte sie folgende Eintragungen:
„a. Die Löschung folgender Bestimmung über die Haftung der Genossenschafter:
Jeder Genossenschafter haftet mit dem Geschäftsanteil und dem 5-fachen seines Geschäftsanteils
b. Die Eintragung folgender Bestimmung unter der Rubrik „GESCHÄFTANTEIL/HAFTUNG“:
Haftung siehe unten
c. Die Eintragung folgender Bestimmung nach der Rubrik „ART DER BAKANNTMACHUNG“ unter der laufenden (auch in der Vollzugsübersicht ersichtlichen) Nummerierung der Firmenbuch-Einträge:
Generalversammlungsbeschluss vom 18.11.2013
Bei vor dem 1.1.2014 gezeichneten Geschäftsanteilen haftet jeder Genossenschafter mit dem Geschäftsanteil und dem 5-fachen seines Geschäftsanteils.
Bei ab dem 1.1.2014 gezeichneten Geschäftsanteilen haftet jeder Genossenschafter beschränkt auf den Geschäftsanteil.
d. Die Eintragung der beschlossenen Satzungsänderung in den §§ 4, 8, 38 und 41.“
Die Genossenschaft brachte im Wesentlichen vor, dass für die mit 1. Jänner 2014 neu eingetretenen Genossenschafter die Haftung auf den Geschäftsanteil beschränkt sein solle, während für die vor diesem Stichtag gezeichneten Geschäftsanteile die bisherige Haftung mit Nachschusspflicht in Höhe des 5-fachen Geschäftsanteils aufrecht bleibe. Mit dieser Änderung sollten die ursprünglichen Eigenmittel erhalten und lediglich für künftige Genossenschafter die Nachschusspflicht entfallen, sodass keine Kapital- oder Haftungsherabsetzung vorliege.
Dazu legte die Genossenschaft den Nachweis über die ordnungsgemäße Einberufung der ao Generalversammlung vom 18. November 2013 mit einer Gegenüberstellung der Änderungen der Satzung vor sowie eine beglaubigte Abschrift des Protokolls der genannten Generalversammlung und die geänderte Satzung.
In der Einladung zur Generalversammlung wurden die von der Satzungsänderung betroffenen Bestimmungen gegenübergestellt; die vorgeschlagenen Satzungsänderungen wurden in der Generalversammlung vom 18. November 2013 beschlossen:
Satzung bisher Satzung neu
§ 4 § 4
(2) (2)
Die Übertragung ist abhängig von der Die Übertragung ist abhängig von der
Zustimmung des Vorstandes; § 3 Abs. 4 Zustimmung des Vorstandes. Eine Zustimmung
gilt sinngemäß zur Übertragung darf nur aus wichtigem
Grund verweigert werden. Solche in der
Person des Erwerbers gelegene Gründe, die
die Genossenschaft bei aufrechter
Mitgliedschaft zu einem Ausschluss
berechtigten würden (§ 6), gelten
jedenfalls als wichtige Gründe.
§ 8 § 8
(1) (1)
Die Auseinandersetzung des ausgeschiedenen Die Auseinandersetzung des ausgeschiedenen
Genossenschafters mit der Genossenschaft Genossenschafters mit der Genossenschaft
erfolgt auf Grund des von der General- erfolgt auf Grund des von der General-
versammlung genehmigten Jahresabschlusses. versammlung genehmigten Jahresabschlusses.
Das Geschäftsguthaben des Ausgeschiedenen Das Geschäftsguthaben des Ausgeschiedenen
ist ein Jahr nach Ablauf des ist ein Jahr nach Ablauf des
Geschäftsjahres, in dem er ausgeschieden Geschäftsjahres, in dem er ausgeschieden
ist, auszuzahlen. Geschäftsguthaben ist, auszuzahlen. Geschäftsguthaben
ausgeschiedener Mitglieder, welche nicht ausgeschiedener Mitglieder, welche nicht
binnen drei Jahren nach ihrer Fälligkeit binnen drei Jahren nach ihrer Fälligkeit
behoben werden, verfallen zu Gunsten der behoben werden, verfallen zu Gunsten der
satzungsmäßigen Rücklage. satzungsmäßigen Rücklage.
Der Anspruch auf Rückzahlung kann vom
ausgeschiedenen Genossenschafter jedoch
nur geltend gemacht werden, wenn dies
nicht zu einem Unterschreiten des in § 38
Abs. 3a angeführten Betrages führt. Ist
dies der Fall, werden Ansprüche ausge-
schiedener Genossenschafter bis zum
Erreichen des nach § 38 Abs. 3a
erforderlichen Betrages sistiert, wobei
zwischen mehreren anspruchsberechtigten
Genossenschaftern erforderlichenfalls
eine Aliquotierung vorzunehmen ist.
§ 38 § 38
Bisher kein (3a) (3a)
Durch Auszahlungen des Geschäftsguthabens
darf der Gesamtnennbetrag der Geschäfts-
anteile der Genossenschaft zuzüglich all-
fällig sistierter Auszahlungsansprüche zu keinem Zeitpunkt 95% des ab dem 31.12.13 an einem Bilanzstichtag je ausgewiesenen
Höchststandes des Gesamtnennbetrages der
für das jeweils nächste Geschäftsjahr ver-
bleibenden (nicht ausscheidenden) Ge-
schäftsnateile unterschreiten (Sockelbe- trag).
§ 41 § 41
(1) (1)
Jeder Genossenschafter haftet für die Jeder Genossenschafter haftet für die
Verbindlichkeiten der Genossenschaft im Verbindlichkeiten der Genossenschaft im
Falle der Liquidation oder der Insolvenz Falle der Liquidation oder der Insolvenz
außer mit seinen Geschäftsanteilen noch außer mit seinen Geschäftsanteilen noch
mit einem weiteren Betrag in der 5-fachen mit einem weiteren Betrag in der 5-fachen
Höhe desselben. Höhe desselben (Nachschusspflicht) .
Bisher kein (2) (2)
Für ab dem 1.1.2014 gezeichnete Geschäfts- anteile besteht keine Nachschusspflicht. Die Haftung für diese Geschäftsanteile ist gemäß § 23 Abs. 10a BWG (§ 27 BWG idF BGBl I 184/2013) i.V.m. § 86a GenG auf den Geschäftsanteil beschränkt.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht das Eintragungsbegehren - ohne Verbesserungsverfahren - ab. Rechtlich führte es aus, bei der Herabsetzung der Haftung durch Entfall der Nachschusspflicht (und damit einer Beschränkung der Haftung auf den Geschäftsanteil) seien sowohl § 33a GenG (Aufgebotsverfahrens) als auch - wie hier bei einer Kreditgenossenschaft - § 27 BWG (Gutachten eines Revisors) zu beachten. Weder § 33a GenG noch § 27 BWG würden bei Herabsetzung der Haftung zwischen bereits gezeichneten bzw erst künftig zu zeichnenden Geschäftsanteilen unterscheiden. Das Aufgebotsverfahren des § 33a GenG diene dem Gläubigerschutz. Es sei auch bei Entfall der Nachschusspflicht von erst künftig (hier ab 1.1.2014) zu zeichnenden Geschäftsanteilen erforderlich, weil dadurch Interessen der Gläubiger beeinträchtigt werden könnten, die auf die bisherige Nachschusspflicht vertraut hätten. Im konkreten Fall sei kein Aufgebotsverfahren durchgeführt worden, sodass bereits deshalb die begehrte Eintragung der Satzungsänderung abzuweisen gewesen sei. Abgesehen davon sei kein Gutachten eines Revisors iSd § 27 BWG vorgelegt worden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs der Genossenschaft aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag im Sinne einer Stattgebung des Eintragungsbegehrens; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Rekurswerberin bemängelt, dass das Erstgericht das Eintragungsbegehren sofort abgewiesen und keinen Verbesserungsauftrag erteilt habe, ob die Antragstellerin eine Teileintragung der Satzungsänderungen in den §§ 4, 8 und 38 begehre. Nur für die weiters begehrte Satzungsänderung in § 41 sei ein Aufgebotsverfahren nach § 33a GenG erforderlich.
In ihrer Rechtsrüge bringt die Genossenschaft zusammengefasst vor, für die begehrte Eintragung der Satzungsänderung in § 41 seien weder ein Gutachten eines Revisors nach § 23 Abs 10a zweiter Satz BWG aF (nunmehr § 27 BWG) noch ein Aufgebotsverfahren nach § 33a GenG iVm § 23 Abs 10a dritter Satz BWG aF (nunmehr § 27 BWG) erforderlich. In Einführung neuer Geschäftsanteile ohne Nachschusspflicht führe zu keiner Herabsetzung der Haftung bereits früher gezeichneter Geschäftsanteile.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt .
I. Zur Rechtsrüge (Satzungsänderung in § 41)
1.1 § 23 Abs 10 und Abs 10a BWG in der von 28.3.2012 bis 31.12.2013 geltenden Fassung (BGBl I Nr. 20/2012 - BWG aF) lauteten:
„(10) Genossenschaften können die Nach schuss pflicht der Genossenschafter als Haft summen zuschläge den Eigenmitteln zurechnen. Der Haftsummenzuschlag beträgt bei Genossenschaften mit beschränkter Haftung 75 vH des Gesamt betrages der satzungsmäßig festgesetzten Nachschusspflicht und bei Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung das Doppelte des Gesamt betrages der gezeichneten Geschäftsanteile. Haftsummen und Geschäftsanteile von Mit gliedern, die zum Schluss des Geschäftsjahres ausscheiden, sind bei der Berechnung des Haftsummenzuschlages nicht zu berücksichtigen.
(10a) Kreditgenossenschaften können im Genossenschafts vertrag festlegen, dass die Haftung ihrer Mitglieder auf den Geschäfts anteil beschränkt ist (§ 86a GenG). Die dafür erforderliche Änderung des Genossenschafts vertrags kann nur beschlossen werden, wenn ein nach den Rechtsvorschriften über die Genossen schaftsrevision zu bestellender Revisor in einem schriftlichen Gutachten bestätigt, dass die Einhaltung der Ordnungsnormen gemäß den §§ 22 bis 29 auch ohne Anrechnung eines Haftsummenzuschlags gewährleistet ist. Im Übrigen gilt für die Beschränkung der Haftung auf den Geschäftsanteil § 33a GenG mit der Maßgabe, dass die unmittelbare Verständigung bekannter Gläubiger nach § 33a Abs 1 letzter Satz GenG unterbleiben kann, wenn der Revisor in seinem Gutachten ausspricht, dass die Beschränkung der Haftung auf den Geschäfts anteil mit den Belangen der Gläubiger der Genossenschaft vereinbar ist. Die Haftung des Revisors für den Inhalt seines Gutachtens richtet sich nach § 10 GenRevG 1997 in Verbin dung mit § 62a.“
1.2 Der Bericht des Finanzausschusses des Nationalrats zu BGBl I Nr. 20/2012 lautet zu § 23 Abs 10a BWG aF:
„ Die derzeit in § 23 Abs 10 [BWG] vorgesehene Anrechenbarkeit der Haftsummenzuschläge auf die Eigenmittel wird nach den CRR/CRD IV-Rechtsakten nicht mehr zulässig sein. Wenngleich während eines mehrjährigen Übergangszeitraums noch eine absinkende Anrechenbarkeit möglich bleibt, sollten sich Kreditgenossenschaften frühzeitig auf die Stärkung hochwertiger Eigenmittel konzentrieren. Um dies zu erleichtern, sollen sie die Möglichkeit erhalten, durch Satzungsänderung die Haftung der Mitglieder auf den Geschäftsanteil zu beschränken, sofern auch danach die Einhaltung der BWG-Ordnungsnormen gewährleistet ist.
Die entsprechende gesetzliche Regelung soll im BWG – konkret in einem neuen Abs 10a des § 23 – erfolgen, da sie nur von Genossenschaften in Anspruch genommen werden kann, die im Zeitpunkt der Abschaffung der Nachschusspflicht über eine aufrechte Konzession zum Betreiben von Bankgeschäften verfügen. Eine entsprechende Änderung des Genossenschaftsvertrags setzt außerdem die Bestätigung eines dafür nach den einschlägigen Vorschriften bestellten Revisors voraus, dass die Einhaltung der Ordnungsnormen des BWG (§§ 22 bis 29) auch dann gewährleistet ist, wenn die Anrechnung der Haftsummenzuschläge als Eigenmittel entfällt. Die Beseitigung der Nachschusspflicht kommt daher nur in wirtschaftlich gesunden Kreditgenossen schaften in Betracht.
Während ein positives Gutachten des Revisors über die weiterhin gewährleistete Einhaltung der Ordnungsnormen unabdingbare Voraussetzung für die Abschaffung der Nachschusspflicht ist, hat die Bestätigung der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit den Interessen der Genossenschaftsgläubiger nach Satz 3 fakultativen Charakter: Kann der Revisor diese Aussage nicht treffen, ist eine entsprechende Änderung des Genossenschaftsvertrags also dennoch zulässig. In diesem Fall ist allerdings eine individuelle Verständigung der bekannten Gläubiger der Genossenschaft im Sinn von § 33a Abs 1 letzter Satz GenG erforderlich. Wird die Vereinbarkeit mit den Gläubigerinteressen vom Revisor hingegen bestätigt, reicht die Bekanntmachung des Generalversammlungs beschlusses und das Gläubigeraufgebot durch das Firmenbuchgericht nach Satz 2 der zitierten Bestimmung. […] “
1.3 § 27 BWG nF und die Vorgängerbestimmung des § 23 Abs 10a BWG aF, welche im Zeitpunkt des Beschlusses über die Satzungsänderung galt, treffen inhaltlich vergleichbare Regelungen zur Notwendigkeit der Vorlage eines Gutachtens eines Genossenschaftsrevisors sowie zu einem Aufgebotsverfahren nach § 33a GenG.
2 . 1 Aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (Capital Requirements Regulation - CRR), deren Regelungen ab 1.1.2014 unmittelbar gelten, und aufgrund der Richtlinie 2013/36/EU (Capital Requirements Directive – CRD IV), die bis zum 31.12.2013 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war, verabschiedete der Nationalrat die notwendige Novelle des BWG, BGBl I Nr. 184/2013, am 5.7.2013 (BWG nF).
Mit dieser Novelle, die am 1.1.2014 in Kraft trat, entfiel der bisherige Abs 10 in § 23 BWG aF - wonach Genossenschaften die Nachschusspflicht der Genossenschafter als Haftsummenzuschläge den Eigenmitteln zurechnen können - zur Gänze, weil diese Anrechenbarkeit auf die Eigenmittel nach den genannten Europäischen Rechtsakten hinkünftig nicht mehr zulässig ist, während für Haftsummenzuschläge von bereits bestehenden Anteilen Übergangsbestimmungen festgelegt wurden.
2.2 Mit der genannten Novelle wurden die Regelungen in Abs 10a des § 23 BWG aF aus systematischen Gründen in § 27 BWG nF verschoben, welcher lautet:
„Kreditgenossenschaften können im Genossenschaftsvertrag festlegen, dass die Haftung ihrer Mitglieder auf den Geschäftsanteil beschränkt ist (§ 86a GenG). Die dafür erforderliche Änderung des Genossenschaftsvertrags kann nur beschlossen werden, wenn ein nach den Rechtsvorschriften über die Genossenschaftsrevision zu bestellender Revisor in einem schriftlichen Gutachten bestätigt, dass die Einhaltung der Ordnungsnormen gemäß Teil 2 bis 8 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 weiterhin gewährleistet ist. Im Übrigen gilt für die Beschränkung der Haftung auf den Geschäftsanteil § 33a GenG mit der Maßgabe, dass die unmittelbare Verständigung bekannter Gläubiger nach § 33a Abs 1 letzter Satz GenG unterbleiben kann, wenn der Revisor in seinem Gutachten ausspricht, dass die Beschränkung der Haftung auf den Geschäftsanteil mit den Belangen der Gläubiger der Genossenschaft vereinbar ist. […]“
3 . 1 Zum Erfordernis eines Gutachtens iSd § 23 Abs 10a BWG aF, nunmehr § 27 zweiter Satz BWG nF:
Die Gesetzesmaterialien zum § 27 BWG nF nehmen nicht ausdrücklich dazu Stellung, weshalb die Wortfolge „auch ohne Anrechnung eines Haftsummenzuschlags“ in § 23 Abs 10a BWG aF durch die kürzere Formulierung „ weiterhin “ ersetzt wurde, doch kann nicht zweifelhaft sein, dass die Verkürzung darauf beruht, dass nach den genannten ab 1.1.2014 geltenden Europäischen Regelungen, von welchen § 27 BWG nF Teil 2 bis 8 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 anstelle der Ordnungsnormen gemäß den §§ 22 bis 29 BWG aF heranzieht, hinkünftig die Anrechnung eines Haftsummenzuschlags zu den Eigenmitteln der Kreditgenossenschaft generell nicht zulässig ist. Die Änderung in der Formulierung ändert nichts daran, dass das in § 27 BWG nF geforderte schriftliche Gutachten eines nach den Rechtsvorschriften über die Genossenschaftsrevision zu bestellenden Revisors bestätigen soll, dass die Einhaltung der Ordnungsnormen gemäß Teil 2 bis 8 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 auch dann gewährleistet ist, wenn die Anrechnung der Haftsummenzuschläge als Eigenmittel der Genossenschaft entfällt . Dies kann sich aber, da eine solche Anrechnung für ab 1.1.2014 erworbene Anteile schon wegen des Entfalls des § 23 Abs 10 BWG aF nicht mehr zulässig ist, nur auf Haftsummenzuschläge für davor erworbene Anteile beziehen.
3.2 Gegenstand der „Änderung des Genossenschaftsvertrags“ in § 27 zweiter Satz BWG nF ist damit die Beseitigung der Nachschusspflicht hinsichtlich vor dem 1.1.2014 erworbener Genossenschaftsanteile. Dabei kann hier offen bleiben, ob diese Beseitigung nur einzelne oder sämtliche der „Altanteile“ betreffen muss, um die Pflicht zur Vorlage eines Gutachtens auszulösen.
3.3. Auch bei Anwendung des § 23 Abs 10a BWG aF kann sich die Notwendigkeit eines Gutachtens nur auf die Beseitigung der Nachschusspflicht für die vor dem 1.1.2014 erworbenen Geschäftsanteile beziehen, weil – wie ausgeführt – mit diesem Zeitpunkt die Möglichkeit zur Anrechnung der Nachschusspflichten auf die Haftsumme durch Aufhebung des § 23 Abs 10 BWG aF entfiel.
3.4. Die hier zu beurteilende Satzungsänderung in § 41 Abs 2 lässt die Nachschusspflicht für vor dem 1.1.2014 gezeichnete Geschäftsanteile zur Gänze unberührt und sieht allein für ab dem 1.1.2014 erworbene Geschäftsanteile keine über den gezeichneten Geschäftsanteil hinausgehende Haftung (mehr) vor. Das in § 23 Abs 10a BWG aF, nunmehr § 27 zweiter Satz BWG nF vorgesehene Gutachten eines Revisors ist daher im vorliegenden Fall nicht Voraussetzung für die Eintragung der Satzungsänderung. Dass § 23 Abs 10a BWG aF und § 27 BWG nF im § 41 Abs 2 der geänderten Satzung angeführt werden, schadet nicht, zumal die Eintragung dieser genannten Normen im Firmenbuch bei den Haftungsbestimmungen der Satzung nicht beantragt wird.
4.1 Zum Erfordernis eines Aufgebotsverfahrens nach § 33a GenG:
Nach § 23 Abs 10 a BWG aF (nunmehr § 27 dritter Satz BWG nF) gilt für die Beschränkung der Haftung auf den Geschäftsanteil § 33a GenG. Auf die Ausnahme, dass die unmittelbare Verständigung bekannter Gläubiger nach § 33a Abs 1 letzter Satz GenG unterbleiben kann, wenn der Revisor in seinem Gutachten ausspricht, dass die Beschränkung der Haftung auf den Geschäfts anteil mit den Belangen der Gläubiger der Genossenschaft vereinbar ist, ist hier nicht weiter einzugehen, weil die Genossenschaft ein solches Gutachten nicht vorlegte.
4.2 Nach § 33a GenG ist die Herabsetzung der Haftung […] nur nach Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zulässig. Der Generalversammlungsbeschluss ist vom Vorstand zur Anmerkung im Firmenbuch anzumelden und von diesem mit dem Beifügen bekanntzumachen, dass die Genossenschaft allen Gläubigern für Forderungen, die am Tag der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bestehen, auf Verlangen Befriedigung oder Sicherstellung zu leisten bereit ist und dass Gläubiger, die sich nicht binnen drei Monaten nach dem bezeichneten Tage bei der Genossenschaft melden, als zustimmend erachtet würden. Bekannten Gläubigern hat die Genossenschaft diese Mitteilung unmittelbar zu machen (Abs 1).
Die Statutenänderung ist nach Ablauf der Anmeldungsfrist von sämtlichen Vorstandsmitgliedern zur Eintragung im Firmenbuch anzumelden. Mit der Anmeldung ist der Nachweis, dass die Gläubiger, die sich gemeldet haben, befriedigt oder sichergestellt sind, und die Erklärung beizubringen, dass sämtlichen bekannten Gläubigern die Mitteilung nach Abs 1 gemacht worden ist und dass andere Gläubiger sich innerhalb der Frist nicht gemeldet haben. Ist der Nachweis oder die Erklärung falsch, so haften die Vorstandsmitglieder, denen dabei eine Außerachtlassung ihrer Obliegenheiten zur Last fällt, den Gläubigern, bezüglich deren eine falsche Angabe gemacht wurde, für den verursachten Schaden zur ungeteilten Hand (Abs 2).
4.3 Läuft eine begehrte Eintragung dem Schutz der Gläubiger jedenfalls zuwider, steht das der Eintragung überhaupt entgegen (RIS-Justiz RS0115147 [T1, T2]; RS0108622 [T1]).
Es entspricht hier zwar dem Grundsatz des Gläubigerschutzes, wie er in § 33a GenG seinen Ausdruck findet, dass auch nach der Änderung der Satzung in § 41 die Haftung mit dem Fünffachen des gezeichneten Anteils für „Altanteile“ gemäß § 41 Abs 1 der Satzung bestehen bleibt. Zudem besteht kein schützenswertes Vertrauen der Gläubiger darauf, dass künftig überhaupt weitere Genossenschaftsanteile - mit oder ohne Nachschusspflicht - gezeichnet werden.
4.4 Dass das Eintragungshindernis der Missachtung des Gläubigerschutzes hier nicht vorliegt, führt aber nicht dazu, dass das bei Herabsetzung der Haftung in § 33a GenG angeordnete Aufgebotsverfahren zu entfallen hätte. Der Genossenschaft ist nicht darin zuzustimmen, § 33a GenG iVm § 23 Abs 10a BWG aF (nunmehr § 27 dritter Satz BWG nF) sei hier nicht anzuwenden, weil eine Herabsetzung der Haftung schlicht nicht gegeben sei. Entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht ist der hier zu beurteilende Fall einer Beseitigung der über den eigenen Anteil hinausgehenden Haftung für ab dem 1.1.2014 erworbene Anteile vom Wortlaut der genannten Bestimmungen erfasst. Insbesondere handelt es sich - betrachtet man nicht isoliert die Haftungsbestimmungen für bis 31.12.2013 gezeichnete Altanteile, sondern für sämtliche Anteile an der Genossenschaft - um eine Einschränkung (§ 33a GenG) gegenüber der nach der bisherigen Satzung (§ 41) angeordneten Haftung der Genossenschafter. § 27 dritter Satz BWG nimmt ebenso wenig wie die Vorgängerbestimmung des § 23 Abs 10a BWG aF bei der Anordnung des Vorgehens nach § 33a GenG darauf Bezug, ob die Anrechnung der entfallenden Haftsummenzuschläge auf das Eigenkapital der Kreditgenossenschaft zulässig ist oder welche Auswirkungen sie hat.
4.5 Der Anwendbarkeit des § 33a GenG iVm § 23 Abs 10a BWG aF (§ 27 dritter Satz BWG nF) für den vorliegenden Fall steht auch nicht entgegen, dass die Genossenschaft in den geänderten §§ 8 und 38 der Satzung Bestimmungen vorsieht, die allenfalls eine Kündigung von mit der Nachschusspflicht behafteten „Altanteilen“ mit dem Ziel, gleichzeitig von dieser Nachschusspflicht befreite „Neuanteile“ zu zeichnen und sich dadurch der Nachschusspflicht zu entledigen, kurzfristig unattraktiv machen. Dass die neue Satzung deshalb keinerlei Anreiz für einen solchen Wechsel auf haftungsbefreite Geschäftsanteile böte, trifft nicht zu, weil er im Hinblick auf eine jedenfalls mögliche Liquidation oder Insolvenz der Genossenschaft (§ 41 der Satzung; § 76 GenG) - mag ein solcher Fall auch nicht schon für die nahe Zukunft absehbar sein - durchaus der langfristigen Strategie der Mehrzahl der Genossenschafter entsprechen kann.
Wenn die Genossenschaft in ihrem Rekurs die Möglichkeit einer Sistierung des Auszahlungsanspruchs aus dem gekündigten alten Genossenschaftsanteil gemäß §§ 8, 38 der Satzung iVm § 5a Abs 2 GenG ins Treffen führt, verschweigt sie im Übrigen, dass § 38 Abs 3a der Satzung ein „kündigungsfestes hartes Kernkapital“ von 95 % des höchsten je ausgewiesenen Gesamtbetrags an Geschäftsanteilen nicht hinsichtlich sämtlicher , sondern nur hinsichtlich der für das jeweils nächste Geschäftsjahr verbleibenden – daher unter Abzug der ausscheidenden – Geschäftsanteile vorsieht.
Es besteht daher ein schutzwürdiges Interesse der Gläubiger an einem Aufgebotsverfahren nach § 33a GenG.
5 . Der Rekurs ist damit – soweit er die Satzungsänderung in § 41 betrifft - iSd Aufhebungsbegehrens berechtigt. Vor Eintragung der Satzungsänderung in § 41 hat das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nach § 33a GenG vorzugehen, sollte nicht die antragstellende Genossenschaft erklären, jedenfalls ein Aufgebotsverfahren nach § 33a GenG nicht durchführen zu wollen und insbesondere eine Anmerkung des Generalversammlungsbeschlusses vom 18.11.2013 iSd § 33a Abs 1 GenG nicht zu beantragen.
II. Zur Mängelrüge (Satzungsänderung in §§ 4, 8 und 38)
1. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Firmenbuchgesuchs kann das Firmenbuchgericht einen Antrag nur zur Gänze stattgeben oder diesen zur Gänze ablehnen. Der Antrag ist daher grundsätzlich auch dann zur Gänze abzuweisen, wenn ihm nur in einem (mit dem mangelhaften Eintragungsbegehren in Zusammenhang stehenden) Teilbereich stattgegeben werden könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Antragsteller ausdrücklich eine Junktimierung seiner Begehren erklärt oder sich diese Junktimierung eindeutig aus den Umständen, etwa den vorgelegten Urkunden oder dem mutmaßlichen Interesse des Einschreiters ergibt. In jenen Fällen, in denen nur einem Teil der begehrten Eintragung Hindernisse entgegenstehen und die einzelnen Eintragungstatbestände ein getrenntes rechtliches Schicksal haben können, ist zur Klärung, ob der Antragsteller eine teilweise Eintragung anstrebt, ein Verbesserungsauftrag zu erteilen. Erklärt er, auch eine teilweise Eintragung zu begehren, ist diesfalls mit Teilabweisung vorzugehen ( Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 16 Rz 18 f, § 17 Rz 18 mwN; OLG Wien 28 R 267/12h).
Der Gesellschaftsvertrag bildet eine untrennbare Einheit, die der Eintragung nur der mängelfreien Bestimmungen zwingend entgegensteht. Gelangt das Firmenbuchgericht daher bei der Inhaltsprüfung der Satzung zu dem Ergebnis, dass von mehreren Änderungen eine einzelne mit zwingenden Rechtsvorschriften nicht vereinbar ist, hat es die Eintragung der Satzungsänderung nach erfolgloser Durchführung eines Verbesserungsverfahrens insgesamt abzulehnen, bis eine mängelfreie Fassung eingereicht ist. Eine Eintragung nur der zulässigen Satzungsbestimmungen kommt nicht in Betracht ( Kodek aaO § 16 FBG Rz 20 mwN).
2. Das Erstgericht hat das Eintragungsbegehren zur Satzungsänderungen zur Gänze abgewiesen, ohne ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Zwar steht nun durch das Vorbringen im Rekurs fest, dass die Genossenschaft auch mit einer Teileintragung der Satzungsänderung in den §§ 4, 8 und 38 einverstanden ist.
Allerdings erfordert die Bewilligung dieser teilweisen Eintragung der Satzungsänderung die Vorlage einer mängelfreien Satzung, hier ohne die beschlossene Änderung in § 41. Hierzu wird die Genossenschaft im fortzusetzenden Verfahren aufzufordern sein.
III. Damit erweist sich der Rekurs als im Sinne des Aufhebungsbegehrens berechtigt.
Der ordentliche Revisionsrekurs war gemäß § 15 Abs 1 FBG iVm §§ 59 Abs 1, 62 Abs 1, 64 Abs 1 AußStrG zuzulassen, weil die Frage des Erfordernisses eines Gutachtens nach § 23 Abs 10a zweiter Satz BWG aF (§ 27 zweiter Satz BWG nF) und des Aufgebotsverfahrens nach § 33a GenG (§ 23 Abs 10a dritter Satz BWG aF; § 27 dritter Satz BWG nF) für eine Satzungsänderung, die die Nachschusspflicht für bereits erworbene Anteile aufrecht erhält, für später – nach dem 31.12.2013 – erworbene Anteile aber beseitigt, mehrere genossenschaftlich organisierte Kreditunternehmungen betrifft und dazu keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt.
Oberlandesgericht Wien
1011 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 28, am 9.April 2014