JudikaturOLG Wien

34R2/14k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
31. März 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 257617 über die als Rekurs zu wertende Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 15.3.2011, WM 15/2010 2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--. Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

1. Die Antragstellerin widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 257617:

JOYMII ,

deren Eintragung der Antragsgegner beantragt hatte und die für die Waren- und Dienstleistungsklassen 9 (Ton- und Bildträger; CD-Roms, auf denen Bücher, Magazine, Zeitschriften oder Fotografien in elektronischer Form gespeichert sind; herunterladbare elektronische Publikationen; herunterladbare Hintergründe für Bildschirme und Handys [Wallpapers]), 16 (Druckereierzeugnisse, Zeitschriften und Zeitungen, Fotografien, Bücher, Magazine, Kalender, Veröffentlichungen [Schriften]), 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, T-Shirts, Sweat Shirts, Baseball-Kappen), 38 (Ausstrahlung von Filmen, Rundfunk- und Fernsehprogrammen über Kabel, Satellit oder terrestrisch sowie über das Internet) und 41 (Unterhaltung; Veranstaltung und Durchführung von Ausstellungen der bildenden und darstellenden Kunst für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Herausgabe und Verlag von elektronischen Büchern, Magazinen und Zeitschriften online; Zusammenstellung von Rundfunksendungen und Film) eingetragen ist. Die Antragsstellerin berief sich dabei auf die für sie eingetragene internationale Marke IR 658529 :

JOY ,

eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklasse 16 (Produits de l'imprimerie), und die Gemeinschafts(wortbild)marke CTM 3795961 :

eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklassen 9 (bespielte Datenträger aller Art, soweit in Klasse 9 enthalten, elektronische Druckschriften), 16 (Druckschriften) und 41 (Herausgabe von Printmedien und elektronischen Medien, auch über das Internet).

Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit den Widerspruchsmarken laut Klassifikation der Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16 und 41 geeignet.

2. Mit dem nun angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marke zu den Waren- und Dienstleistungsklassen 9, 16 und 41 auf. Begründend wird ausgeführt, dass die Verwechslungsgefahr deshalb anzunehmen sei, weil die ältere Marke zur Gänze in die jüngere aufgenommen worden sei und dort nicht nur eine untergeordnete Rolle spiele. Darüber hinaus komme auch den nahe an der Warengleichheit angesiedelten Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen eine erhebliche Rolle zu.

3. Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde des Antragsgegners, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MschG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den angefochtenen Beschluss so abzuändern, dass der Widerspruch abgewiesen werde.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Patentamts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

4. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

4.1. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen; daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen die Parteien ihre Marken tatsächlich verwenden (Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz2 § 30 Rz 5 f)

4.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt gemeinschaftsweit ein einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat. Danach ist – ebenso wie nach ständiger österreichischer Rechtsprechung – die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; R

IS Justiz RS0121500, RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k, 17 Ob 1/08h, 17 Ob 32/08t, 4 Ob 7/12a, jüngst 4 Ob 139/13i; weitere Nachweise bei Schumacher in Kucsko/Schumacher aaO § 10 Rz 51 ff).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und den Bekanntheitsgrad auf dem Markt und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444). Folge dieser Wechselwirkung ist es, dass bei Warenidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – FIRN, zuletzt 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

4.3 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck bei den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324, Schumacher in Kucsko/Schumacher aaO § 10 Rz 94 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den der flüchtige Durchschnittskäufer in der Eile des Geschäftsverkehrs empfängt (RIS Justiz RS0078944; 17 Ob 4/07y). Die Frage der Verwechslungsgefahr ist aber eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight).

4.4 Für die Verwechslungsgefahr bei Zeitungs- und Zeitschrifttiteln gelten nicht gänzlich andere Maßstäbe als für die Verwechslungsgefahr bei Zeichen ganz allgemein. In der Rechtsprechung wurden etwa folgende Titel als verwechslungsfähig ähnlich bezeichnet: Für Sie/Sie (SZ 41/116 = ÖBl 1969, 22); Extra/Extra 3 (ÖBl 1972/97); Die roten Seiten/Wortbildmarke rote Seiten (4 Ob 101/01h); Fokus Money/Format Money (MR 2002, 325); Heimat/Meine Heimat (4 Ob 55/04y); news/sexnews (4 Ob 238/04k).

4.5 Ob die Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind, ist anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu beurteilen. Als relevante Faktoren kommen dabei insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren nach ihrer stofflichen Beschaffenheit, nach ihrem Verwendungszweck, nach ihrer Vertriebsstätte und Nutzung sowie nach ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren in Betracht (4 Ob 18/02d = ecolex 2002, 444 – opus one).

4.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH 20.9.2007, Rs C 193/06 P – Quick/Quicky). Ungeachtet des Normalfalls, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, und ungeachtet dessen, dass der Gesamteindruck von einem oder mehreren Bestandteilen einer komplexen Marke dominiert werden kann, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten [jüngeren] Zeichen behält, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck das Publikum glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (EuGH Rs C-120/04 Slg 2005 I-08551 RNr 30 f = GRUR 2005, 1042 – THOMSON LIFE; 17 Ob 16/07p).

5. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr – auch wegen der Unauffälligkeit des grafischen Erscheinungsbilds der Wortbildmarke „JOY“ (Schattenschrift, leicht verzerrte Schreibweise) – zu bejahen: Die Waren- und Dienstleistungen der beiden Marken sind in den Klassen 9, 16 und 41 hochgradig ähnlich. Zwar besteht zwischen den Beschreibungen der einzelnen Waren und Dienstleistungen keine Identität, jedoch sind Ton- und Bildträger, CD-Roms, herunterladbare elektronische Publikationen jedenfalls begrifflich und/oder auch thematisch für den Durchschnittskonsumenten unter „bespielte Datenträger aller Art“ einzuordnen. Dies gilt im selben Maß auch für die Druckereierzeugnisse, Zeitschriften, Bücher, Magazine etc in Bezug auf die Druckschriften und die Herausgabe und den Verlag von elektronischen Büchern, Magazinen etc in Bezug auf die Herausgabe von Printmedien und elektronische Medien.

Bei diesen Produkten handelt es sich um Güter des täglichen Bedarfs von meist geringerem Wert, und daher ist der Grad der Aufmerksamkeit des Konsumenten beim Erwerb dieser Waren gering. Der Durchschnittskäufer, der die einander ähnlichen Bezeichnungen so gut wie niemals gleichzeitig nebeneinander sieht, sondern immer nur den Eindruck des später wahrgenommenen Zeichens mit einem mehr oder weniger blassen Erinnerungsbild des anderen Zeichens vergleichen kann, wird fast immer nur einzelne charakteristische und daher auffällige Bestandteile im Gedächtnis behalten. Kehren nun diese Merkmale – wie der dominante Wortstamm „JOY“ auch bei der später wahrgenommenen Bezeichnung wieder, dann schließt die Abweichung „MII“ die Gefahr einer Verwechslung nicht mehr aus.

In klanglicher Hinsicht haben zwar Endungen im Allgemeinen einen erheblichen Auffälligkeitswert (ÖBl 1976, 164 – Palmers/Falmers mwN; 4 Ob 29/98b – GARANTA; 4 Ob 225/03y – LUMINA/luminos). Bestehen aber wie hier die Wortteile der zu vergleichenden Marken aus ein oder zwei Silben, wobei die erste Silben die betonte ist, führt der Unterschied in den drei letzten Buchstaben bei der angegriffenen Marke noch nicht aus dem Ähnlichkeitsbereich der Marke der Antragsstellerin hinaus.

Die Verwechslungsgefahr ist daher zum Einen deshalb anzunehmen, weil die ältere Marke („JOY“) zur Gänze in die jüngere aufgenommen worden ist („JOYMII“) und im Gesamteindruck schon aufgrund der Wortbedeutung die dominante Position einnimmt. Der zweite Markenteil „MII“ der angegriffenen Marke ist dem gegenüber eine nicht verständliche und daher mäßig einprägsam Phantasiebezeichnung. Zum Anderen liegt es bei der Betrachtung der gegebenen Wechselbeziehung wegen der hochgradigen Warenähnlichkeit für die Verkehrskreise nahe, dass die Waren und Dienstleistungen – angeboten unter den Marken „JOY“ und „JOYMII“ – von ein und dem selben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, was zu einer verwechslungsfähigen Ähnlichkeit der Marken führt.

Es kommt – entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners – nicht „automatisch“ zu einer Verwechslungsgefahr rein durch die Aufnahme des älteren Markennamens in die angegriffene Marke, sondern es besteht – so wie es das Patentamt zutreffend anführt – auf Grund der hochgradig ähnlichen Waren und Dienstleistungen in Wechselwirkung mit der geringen Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers beim Erwerb dieser Produkte die Gefahr, dass das Publikum die Marke „JOYMII“ als abgeleitetes weiteres Kennzeichen der Antragstellerin und als eine naheliegende Ergänzung und Erweiterung ihrer Produktpalette auffasst (vgl RIS Justiz RS0079033; jüngst 17 Ob 32/08t).

Diese Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zu der vom Antragsgegner angeführten Entscheidung der Widerspruchsabteilung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM) vom 20.12.2005, Nr B 592 693. Die zu beurteilenden Umstände der älteren Marke „JOY“ und der jüngeren Marke „JOYNESS“ waren andere und nicht mit dem konkreten Fall vergleichbar, weil insbesondere die grafische, aber auch begriffliche und akustische Differenz zwischen den Marken den unterschiedlichen (unähnlichen) Eindruck geprägt haben.

Das Rekursgericht teilt daher die Einschätzung des Patentamts, wonach eine verwechslungsfähige Ähnlichkeit der Marken gegeben ist.

6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

7. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MschG nicht statt; die Parteien haben daher keine Rekurskosten verzeichnet.

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